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von Casino Hille
'Q Branch' - MODERATOR
Schließe mich mal an. Habe vor wenigen Tagen im Kino als Double Feature eine Roland-Klick-Retrospektive gesehen. Ein deutscher Regisseur, mit dem ich mich vorher so gar nicht beschäftigt habe. Gezeigt wurden "Supermarkt" (1974) und "Deadlock" (1970).
Meine Begleiter hatten im Vorfeld schon von Klick geschwärmt, ich konnte leider nach beiden Filmen nicht so richtig in die Lobhudelei einstimmen. "Supermarkt" ist ein ganz interessanter "Christiane F."-Vorläufer, und es fällt auf, dass die Kamera sehr viel bewegter unterwegs ist, als ich das aus deutschen Filmen der Zeit kenne - und siehe da, Jost Vacano ("Das Boot", "Starship Troopers") war als Kameramann zuständig! Wenn ich "Supermarkt" einen "Christiane F."-Vorläufer nenne, meine ich damit vor allem, wie authentisch und dreckig das Straßenleben hier gezeigt wird. Hamburg kommt richtig schäbig rüber, die Sozialwohnungen sind ranzig, die Anwohner ebenso. Der Protagonist klaut gleich zu Beginn einer Toilettenfrau erstmal die paar Groschen vom Teller. Atmosphärisch geht das auf.
Didaktisches Betroffenheitskino will Klick allerdings nicht erzählen. Ähnlich einem "Außer Atem" soll zugleich auch eine Genre-Geschichte stattfinden. Hauptfigur Willi verliebt sich in eine Hure, wird zum Mörder, und schafft den Absprung nicht. Da ließ der Film mich kalt. Ich kaufte Hauptdarsteller Charly Wierzejewski den Willi nicht so richtig ab. Psychologisch blieb das Skript für meinen Geschmack sehr kalt und plakativ. Hans-Michael Rehberg als Homosexueller blieb beispielsweise nur ein Abziehbild eines Schwulen, auch Eva Mattes blieb als Prostituierte eine sehr schwache Figur. Ich kann durchaus nachvollziehen, warum das für das deutsche Kino seinerzeit etwas Besonderes war, aber schaue ich, was im vergleichbaren "Genre" zur gleichen Zeit in Frankreich oder den USA veranstaltet wurde, ist "Supermarkt" für mich nur ein Echo dieser Filme. 5/10
Bei "Deadlock" hatte ich dann immerhin schon mal etwas mehr Spaß. Ein (postapokalyptischer?) Neo-Western mit Mario Adorf als naiver Bauern-Tölpel und Anthony Dawson als ruchloser Killer; sowas klingt doch erst einmal nach Spaß. Bemerkenswert ist an "Deadlock", dass er sich nie so richtig auf eine Gattung Film festlegen kann. Mal ist das eine seltsame Charakterstudie mitten im Dreck, mal tatsächlich eine Art Italowestern-Hommage, dann wieder eine durch schräge Musik unterlegte Variation des absurden Theaters. Das hat seinen Reiz und die Geschichte um einen Koffer voller Geld wird durchaus interessant vorangetrieben, wobei das Auftreten von Dawson dann der Handlung im richtigen Moment neue Impulse verleiht. Adorf spielt zudem natürlich super - ich weiß, überrascht jetzt keinen so richtig, aber ist nichts desto trotz ein erwartbarer Pluspunkt.
Der Handlung fehlt es für meinen Geschmack aber dann doch an Raffinesse. Zwar ist durchaus logisch, warum die drei zentralen Männer-Figuren (ansonsten gibt es nur noch einen Kurierfahrer, der zweimal auftaucht, und eine alte Hure, die jedem ungefragt ihre Hupen zeigt und sich um ihre geistig behinderte Tochter kümmert, die - na klar, die Herren freuen sich! - nymphomanisch veranlagt zu sein scheint) sich verhalten, wie sie es jeweils tun, aber das Hin und Her des Koffers gestaltet sich dennoch nicht besonders einfallsreich, und das große Finale fand ich dann ein wenig jämmerlich. Da hat Klick keine tollen Bilder mehr anzubieten und macht halt, was Western am Ende so machen. Ihr wisst schon: mano a mano ... 6/10
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Let the sheep out, kid.