Na gut, also hier noch mal kurz zusammengefasst
GoldenEye, 1995, Regie: Martin Campbell
Wir sind in den 90ern angekommen und damit bei Pierce Brosnans Premiere "Golde-nEye". Ich muss im Nachhinein sagen, für mich waren die 80er die schlechteste Zeit für Bondfilme (auch wenn alle Ausgaben immer noch gute Filme sind).
Doch zu GoldenEye habe ich schon deswegen eine besondere Beziehung, weil es mein erster Kino-Bond war.
Also, erst mal zu Brosnan: Wer nur den Fleming-Bond im Kino sehen will ist bei Brosnan und seinen Filmen falsch. Diejenigen müssen sich aber auch die Frage gefal-len lassen, warum sie die Bondfilme eigentlich mögen, denn was die Filme populär gemacht hat, waren die Abweichungen von Flemings Werk. Seit MR waren die Besu-cherzahlen stetig zurückgegangen und erreichten einen wirklich traurigen Tiefpunkt mit LTK. Dann kam eine sechsjährige Pause und endlich kam Brosnan zum Zuge (und mit ihm mehr als Doppelt so viele Zuschauer wie bei LTK!). Der Film und der Charakter Bond wurde klar an die Zeit angepasst. Lange wirkten die Bondfilme zuvor etwas angestaubt aber damit war nun endgültig Schluss. Brosnan gibt den internati-onalen Business-Spion, weltgewandt, souverän, charmant, witzig, aber auch ernst, stets korrekt gekleidet und nie irgendwie peinlich. Brosnan war der beste Bond den man in den 90ern haben konnte. Er hat viele neue Fans für das Phänomen gewon-nen und war zudem auch in Sachen PR für Bond immer voll bei der Sache. Brosnan wird vollkommen unverständlicherweise in "Fan-Kreisen" oft kritisiert, wobei fast jede Umfrage zeigt, dass er zu den Beliebtesten gehört. Auch seine Filme werden oft kriti-siert aus den fadenscheinigsten Gründen. Wer meint, die Brosnan Bonds haben schwache Stories, dem empfehle ich dringend, mal alle Bondfilme hintereinander wegzugucken und vielleicht mal die rosarote Nostalgie-Brille abzunehmen. GE hat eine exzellente Story, und ist in vielen Szenen zudem besser geschrieben als die meisten Bondfilme zuvor.
Noch eins zu Brosnan: er ist sicher kein begnadeter Schauspieler wie Daniel Craig. Aber das macht er mit Charisma wieder wett (wie auch Connery zu Beginn). Zudem ist Brosnan wohl der erste Darsteller gewesen, der als Fan der Bondfilme selbst auf-gewachsen ist. Entsprechend übereifrig agiert er auch manchmal bei den Klischees („Bond...James Bond“... Vodka Martini...). Für mich war es damals perfekt, einen Bond zu sehen, der sich wirklich mit der Filmserie identifiziert und nicht einen, der ihr zwanghaft seinen Fleming-Stempel aufdrücken will.
Zurück zum Film: Ich kann nicht beschreiben, welche Freude es mir heute noch macht GE zu sehen. Die PTS ist eine der Besten! MG Geballere hin oder her, sie ist spannend, sie ist witzig, sie ist ein würdiger Einstieg für Brosnan, sie führt wichtige Charaktere ein und endet mit einem Hammer Stunt! (Ja richtig, das meiste davon ist Stunt und nicht getrickst!). So will ich Bond haben! „Larger than life“ und dennoch irgendwo nicht zu peinlich. Allein die PTS zeigt Campbells Talent etwa wenn blitz-schnell von Krach und Action zu Ruhe und Spannung wechselt (ich empfehle drin-gend seinen Audiokommentar zu hören, der Mann ist genial und genau der Richtige für Bond). Die PTS von GoldenEye ist praktisch die Essenz eines Bondfilms kompri-miert auf wenige Minuten!
Es folgt der Vorspann mit einem der besten Songs und zweifellos ebenfalls den bes-ten Bildern. Maurice Binder hatte 30 Jahre lang in etwa das Gleiche gemacht, Daniel Kleinman zeigt mehr Kreativität, Realitätsbezug und Fantasie in seinem ersten Bei-trag als Binder in allen seinen Filmen zuvor. Einfach perfekt wird der politische Back-ground des Films einbezogen.
Es geht brillant weiter: Der Aston ist zurück und wird würdig eingeführt. Der an-schließende Blick auf Monte Carlo und Bonds Ankunft vor dem Casino zeugen von der beeindruckenden Kameraarbeit von Phil Meheux. Gleiches gilt für die Schnitt-Arbeit. Es gibt viele kleine Szenen, in denen der Schnitt die nötige Spannung bringt - großes Lob!
Es folgen viele Bond-Standards (Casino, Vorstellung, Martini, Bondgirl, M Szene, Q Szene) die allesamt gut gemacht sind. Bonds Verhältnis zur neuen M wird in einer starken Szene beleuchtet. Ms Blick am Ende der Szene spricht aber Bände über das, was sie wirklich von Bond denkt. Sie schätzt ihn und mag ihn. Beide spielen die Sze-ne exzellent. Auch die Chemie zwischen Brosnan und Llewelyn ist genial. Während Connery irgendwie an Llewelyn vorbeispielte und Moore immer nur seine Witzchen unterbringen wollte, zeigt Brosnan zumindest etwas Respekt und erstmals sieht man beide zusammen Lachen. Es ist irgendwie schön, dass Llewelyn seinen letzten Auftritt mit Brosnan haben sollte.
Die Darsteller Riege - insb. auf Seiten der Bösewichte - ist beeindruckend. Sean Bean ist großartig, physisch und psychisch ebenbürtig, Gottfried John macht jede seiner Szenen zu einem Erlebnis, Famke Jansen spielt eine Rolle, die es auf Anhieb in die "hall of fame" der Henchmen schaffte und bis heute der letzte starke Henchman-Charakter ist. Auch Tcheky Karyo macht in seinen kurzen Auftritten als Verteidi-gungsminister eine gute Figur, und Joe Don Baker, Alan Cumming, Izabella Scorupco und Robbie Coltrane vervollständigen den vielleicht besten Cast der Bondserie. Ein Wort zu Scorupco: ich habe sie lange Zeit unterschätzt aber im direkten Vergleich aller Bondgirls (und vor allem im englischen Original) überzeugt sie als wirklich her-vorragende Darstellerin in einer ungewohnt langen Rolle als Bondgirl. Schade, dass man sie fast zwei Stunden in Graue-Maus Klamotten gesteckt hat.
Um nicht jede der vielen schönen Szenen des Films durchzugehen: GE wirkt wie ein Film aus einem Guss, was zuletzt oft fehlte! Der Film integriert fantastische Elemente in einer glaubhaften Weise. Alle Gadgets passen in den Film, nichts wirkt - in diesem Umfeld - unglaubwürdig. Dazu passt auch die Story, die das klassische "Weltdomi-nanz Thema" mit glaubhaften Spionage Elementen verbindet (Tiger Diebstahl, EMP...). Es ist das richtige Verhältnis aus Spionage, Ermittlung, Action, Realem und Fantastischem. Auch zum ersten Mal gelingt eine gute Verknüpfung zweier Bösewich-te (Alec und Ourumov), da rechtzeitig klar ist, wer der eigentliche Bösewicht ist. Im Übrigen ein geschickter Schachzug des Drehbuchs: Der Film stellt ja den Übergang vom Kalten Krieg zum modernen Hightech Terrorismus dar und Ouromov verkörpert das Eine, Alec das andere. Ein Haken hat die Erzählung: Erst am Ende wird klar, was Trevelyan vor hat, wenn er es Bond erzählt. Dadurch ist aber über weite Strecken des Films keine akute Bedrohung gegeben, wie sie früher immer durch eine frühe Erpressung durch SPECTRE (oder ähnliches) gegeben wurde. Hier ermittelt Brosnan lange, um überhaupt erst dahinter zu kommen, um was es geht. Aber auch das ist ein guter Ansatz und vor allem keine Sekunde langweilig.
Eine weitere Stärke ist hier die Rückkehr zu aufwendigen Sets unter der Leitung von Peter Lamont, der hier endlich wieder im angemessenen Rahmen Klotzen darf! Alle gebauten Sets sind hochwertig, einige Straßen und Locations sind nachgebaut, ohne dass man es auch nur im Entferntesten ahnt (St. Petersburg und das Kasino in Monte Carlo).
Das dickste Lob gebührt hier vielleicht Derek Meddings. Was er geschaffen hat ist schlicht unbeschreiblich - was man aber erst zu schätzen weiß, wenn man überhaupt erfährt, was hier alles Modellarbeit ist. Die Integration von Modellen, digitalen Effek-ten, realen Aufnahmen und 1:1 Modellen ist umwerfend! Beispiele gefällig:
- Bonds Panzer Angriff auf den Panzerzug ist Modellarbeit
- Bonds Suche per Flugzeug nach der Satellitenschüssel ist Modellarbeit
- die Satellitenschüssel mit See ist nahezu vollständig Modellarbeit
- die gesamten Severnaya Außenaufnahmen mit Flugzeugen sind Modellarbeiten
Verantwortlich für die Klasse von GE ist sicher Martin Campbell im Regiestuhl. Er ist ein genialer Bond-Regisseur, der weiß was die Leute wollen und wie man es für sie aufbereitet. Brillant wie er viele wichtigen Dinge vorab einführt und zeigt (der Kuli, das GoldenEye System, das Internet-Tracking, Xenias Beinquetsche...) oder auch seine Liebe zu Details:
- Xenia deckt beim Kartenspiel 00-7 auf, Bonds Blatt lautet 00-6
- just in dem Moment wo Bond sich mit den berühmten Worten vorstellt, verstummt die Begleitmusik, um den Moment hervorzuheben
- von Xenias Beinschere beim Sex mit dem Admiral blendet er über auf das strömen-de Wasser des Motorboots, welches den Orgasmus repräsentiert.
Zudem hat auch die Second Unit ganze Arbeit geleistet. Es ist mir ein Rätsel warum man nicht alles daran gesetzt hat, genau das gleiche Team häufiger zu haben.
Eine kleine Aufzählung toller kleinerer Szenen:
- der kleine Kampf auf der Manticore (Klasse Verbindung aus Spaß, Stil und ernster Action)
- Bonds Treffen mit 006 auf dem Lagerplatz (brillante Stimmung durch Kamera und Ausleuchtung)
- Bonds Konfrontation mit Xenia im Schwimmbad (der Dialog war damals in aller Munde und mit den Bildern zeigt Campbell praktisch die einzige realistische Sexszene der Serie, ohne dass es eigentlich um Sex geht!)
- Bonds Szene mit Zukovsky (gut gespielt von Brosnan)
- die Verhörszene mit dem Verteidigungsminister
- Bonds Kampf mit Alec
überhaupt ein großes Kompliment für die Actionszenen. Nach allenfalls mittelprächti-ger Action in den 80ern ist Bond hier wieder an der Spitze des Genres! Angefangen mit der PTS, die Flucht nach dem Verhör, die legendäre Panzerverfolgung, die Auto-verfolgung, die Rettung aus dem Tiger, der Showdown auf der Schüssel, alles ist kreativ und gut gefilmt. Ich finde GE ist einer der wenigen Filme der Reihe mit einem würdigen Showdown. Weder zu wenig noch zu viel und vor allem keine billigen Mas-senszenen in denen Bond untergeht. (A propos: Man stelle sich mal vor, wie gut die Vortitelsequenz erst als Ende eines Bondfilms gewesen wäre!).
GE war der erste Bond, den ich im Kino gesehen habe und seitdem habe ich jeden mehrere Male auf großer Leinwand gesehen. Ich glaube aber, dass ich nie wieder eine Stimmung wie bei GE im Kinosaal erlebt habe. Weder bei Bond noch bei einem anderen Film. Die Leute WOLLTEN „ihren“ Bond zurück und sie bekamen ihn. An vie-len Stellen wurde begeistert applaudiert, an den richtigen Stellen wurde gelacht, und es wurde nach dem Film noch sehr lange darüber gesprochen und diskutiert. Ja, es wurden sogar in nicht wenigen Physikkursen Stunts nachgerechnet.
Bond war zurück - auch dank Brosnan - und vor allem dank Martin Campbell, der sich wieder auf die Stärken der Filmserie besonnen hat. Brosnan war der erste Bond-darsteller, der es geschafft hat, ein Publikum unabhängig von der tatsächlichen Qua-lität des Films anzulocken. Alle seine Filme verkauften in etwa ähnlich viele Tickets und damit verkaufte jeder Film im Schnitt mehr Tickets als bspw. Moore oder natür-lich Dalton. Großes Kompliment!