Re: Das Western-Genre: Tipps, Kritiken & Diskussionen

407
Interessant, in den Büchern ist er aber immer sehr präsent.

Tatsächlich wurde er schon in den 50ern von Andre Bazin entdeckt, der schon 1956 in den Cahiers 7 Men from Now als "den besten Western den er seit dem Krieg gesehen hat" bezeichnet, und ihn in diesem Artikel, wenn ich mich recht erinnere, auch gleich positiv mit High Noon und Shane vergleicht. Andrew Sarris schließt sich 12 Jahre später in The American Cinema an, indem er Boetticher als "one of the most unrecognized talents" bezeichnet, und 1969 hat sich dann Jim Kitses in seinem bemerkenswerten Buch Horizons West - Studies of Auteurship Within the Western neben Mann und Peckinpah auch mit Boetticher beschäftigt. Seitdem wird er in jedem interessanten Buch zum Western entsprechend gewürdigt.
Na ja, er ist jedenfalls schon lange kein unterschätzter Regisseur mehr, auch wenn seine B-Pictures auf den ersten Blick leicht zu unterschätzen sind.

Re: Das Western-Genre: Tipps, Kritiken & Diskussionen

408
Maibaum hat geschrieben: 3. April 2025 21:26 Aber Broken Arrow ist sein wichtigster, dessen Erfolg löste ja eine Flut von indianerfreundlichen Western aus.
Broken Arrow habe ich jetzt auch gesehen, und der ist insgesamt schlichter und altmodischer als der grossartige 3:10, aber dafür thematisch auch sehr interessant. Der verarbeitet seine Indianergeschichte wirklich sehr gut und auch erstaunlich vielschichtig und progressiv, die Beziehung zwischen Stewart und Cochise ist schön herausgearbeitet. Was mir weniger gefallen hat ist dass Jimmy ab der ersten Gelegenheit die Apachengöre anbaggert, die aussieht als könnte sie seine Tochter sein, das war für mich über weite Strecken ein "Muss-das-echt-sein"-Moment, als ob manche Hollywoodfilme einfach nicht ohne Liebesgeschichte klarkommen und es oft der Lead ist, der auf die erstbeste Frauenrolle losgeht, egal ob es passt oder nicht. Vom Ende her betrachtet macht die ganze Sache dann aber natürlich schon etwas mehr Sinn. 7,5 / 10

Dann hatte ich heute noch Spass mit Sons of Katie Elder (Henry Hathaway, 1965). Die Geschichte ist von Anfang an toll erzählt, einfach eine runde Sache, die Drama, Comedy, Substanz und Action mühelos unter einen Cowboyhut bringt. Die Brüderkonstellation ist launig - auch wenn Michael Anderson Jr. eher aussieht wie der Enkel von John Wayne und Earl Holliman vergleichsweise blass bleibt - und Wayne und Martin machen chemie-technisch genau dort weiter, wo sie in Rio Bravo aufgehört haben. Das Breitwandformat bietet einige spektakuläre Bilder und es fällt positiv auf (siehe oben) dass Martha Hyer nicht als Love Interest herhalten muss. Der Schlussakt konnte dann nicht mehr ganz mit den ersten beiden Dritteln mithalten, da hatte ich irgendwie etwas mehr oder zumindest anderes erwartet, ohne es genau beschreiben zu können. Aber es reicht sicher für 8 / 10.
We'll always have Marburg

Let the sheep out, kid.

Re: Das Western-Genre: Tipps, Kritiken & Diskussionen

409
Sehe ich beide sehr ähnlich, außer daß Hyer schon als "love interest" in den Film eingebaut ist, denn genau genommen ist ihre Rolle doch komplett überflüssig, außer um eine wenig mit Wayne herumzuturteln. Davon abgesehen ist The Sons of Katie Elder ist wirklich ein sehr, sehr angenehmer Film.
In Broken Arrow dagegen ist es mal wieder die typische Pocahontas Liebe, ohne die geht es selten in diesen Filmen.
Die düster-pessimistische Variante des indianerfreundlichen Westerns war ja im selben Jahr Devil's Doorway von Anthony Mann.

Ich schaue gerade, angeregt durch diesen Thread hier, mal wieder die 6 Ranown Filme von Boetticher. Großer Spaß.
Um dafür Zeit zu schaffen habe ich The Eternals nach ca 30 min einfach mal schnell gelöscht.

Re: Das Western-Genre: Tipps, Kritiken & Diskussionen

410
Maibaum hat geschrieben: 2. Mai 2025 13:03 Die düster-pessimistische Variante des indianerfreundlichen Westerns war ja im selben Jahr Devil's Doorway von Anthony Mann.
Mist, ich glaube allmählich ich kann hier noch so viele Western schauen und davon berichten, du nennst immer noch einen mehr der mir fehlt...

Das stimmt natürlich schon mit Hyer, aber es hält sich doch noch sehr im Rahmen und ich bin froh dass man die zigte Alibi-Romanze ausgelassen hat. Als sie das erste mal aufkreuzte dachte ich schon, jetzt streiten sich die Brüder sicher bald sabbernd um ihre Gunst.

Was heisst eigentlich Ranown in diesem Kontext?
We'll always have Marburg

Let the sheep out, kid.

Re: Das Western-Genre: Tipps, Kritiken & Diskussionen

412
Ja, genau, das wird aus diesem Grunde Ranown Zyklus genannt, das ist so ein geläufiger Begriff geworden. Brown und Scott hatte schon vorher zusammen viele Western gemacht, aber erst ab The Tall T haben die Beiden auch zusammen als Produzenten fungiert. Im Vorspann stand zunächst "A Scott-Brown Production" und dann, zumindest im Letzten Comanche Station, stand da "Ranown Production".
Auch 7 Men from Now, der 1. Boetticher/Scott Film nach einem Drehbuch von Burt Kennedy, wird zum Zyklus dazu gezählt, obwohl er rein faktisch von John Waynes Gesellschaft Batjac für Warner produziert wurde. Wayne wollte ursprünglich auch die Hauptrolle spielen, und es ist interessant sich vorzustellen wie der Film dann mit einem fraglos höheren Budget geworden wäre, und wie dann die weitere Karriere Boettichers verlaufen wäre.

Der ebenfalls vom Team Boetticher Scott gedrehte Westbound (1959) wird da normalerweise nicht zu gezählt, er ist weder von Kennedy geschrieben noch von Brown produziert, vor allem aber hat er weder vom Stil noch vom Plot her Ähnlichkeit mit den anderen 6 Ranowns, das war ein Film den Boetticher nur gemacht hat um sein Lieblingsprojekt The Rise and Fall of Legs Diamond für Warner realisieren zu können, und er hat Westbound auch selber nur abschätzig beurteilt.

Jedenfalls war auch Burt Kennedy ein wichtiger Faktor, aber 2 der Filme wurden von einem Charles Lang Jr geschrieben, aber sie besitzen doch einige Ähnlichkeiten mit den 4 von Kennedy geschriebenen Western. Diese 4 stehen im Zentrum des Zykluses, und die anderen Beiden an den äußeren Rändern. Zum einen sind das beides Stadt Western, während die 4 Kennedys fast durchweg im Freien spielen, und auch zu großen Teilen in derselben Gegend gedreht wurde, einer Felsformnation die sich Lone Pine nennt. Zum anderen variieren sie auch thematisch, der eine ist der Düsterste, mit einem Protagonisten der feststellen muß daß er aus den falschen Gründen gehandelt hat, und der zum Schuß traurig besoffen aus dem Film reitet, der andere ist der Lässigste, mit einem Helden der sich grinsend ironisch durch die Intrigen des Film bewegt.
Jedoch ist einer der Lang Jr Filme, der lässige Buchanan Rides Alone, wohl von Kennedy ohne Nennung zumindest überarbeitet worden.

Es ist jedenfalls ziemlich interessant, was da so alles zu diesen so unscheinbaren Filmen geschrieben wurde. Bazin nannte 7 Men from Now den bislang intelligentesten Western den er gesehen hat, der aber gleichzeitig auch der am wenigsten intellektuelle ist. Usw usw ...

Re: Das Western-Genre: Tipps, Kritiken & Diskussionen

415
Ui, der Westernthread ist aktiv, da muss ich noch nachliefern: Habe nach Marburg erstmals Hathaways True Grit gesehen. Die Coen-Version war damals, als sie neu war, einer meiner Lieblingsfilme (unter den gefühlt fünf Filmen die ich damals kannte) und auch wenn ich sie länger nicht mehr gesehen habe, ist mir doch einiges an der Erstverfilmung sehr bekannt vorgekommen. Spass gemacht hat es natürlich trotzdem. Die Coen-Fassung ist zu lange her, um mich jetzt an einen Vergleich zu wagen, aber es ist denkbar dass ich heute die schöne Hathaway-Version in ihrem klassischeren Westernlook bevorzugen würde. Worin ich mir ziemlich sicher bin, ist dass der Duke der bessere Cogburn ist als der Dude. Und die 69er-Version hat Robert Duvall, was immer ein Gewinn ist. 8/10
We'll always have Marburg

Let the sheep out, kid.

Re: Das Western-Genre: Tipps, Kritiken & Diskussionen

416
Ja, stimmt, Duvall ist fantastisch. und ich finde den alten Gritter auch besser als den der Coens.

Aber mal eine Sache in dem 68er, der Anfang, der sieht jämmerlich altmodisch aus, und ist auch noch total überflüssig. Wenn der Film als erste Szene Mattis Ankunft am Bahnhof von Fort Smith hätte, dann wäre das so viel besser. Alles was davor war würde man sowieso erfahren, nur dann eben nach und nach.
Sehr schön auch das Spätwestern-Ende auf dem winterlichen Friedhof. Die herbstliche Szenerie zuvor ist natürlich auch kein Zufall, und klar von Peckinpahs Ride the High Country inspiriert. In keinem anderen Western hat das so gut funktioniert wie in diesen Beiden.

Re: Das Western-Genre: Tipps, Kritiken & Diskussionen

417
Stimmt, die herbstliche Atmosphäre wollte ich eigentlich auch noch erwähnen, und stimmt, die erinnert tatsächlich an RtHC. Trotzdem ist der Kampf Cogburn gegen Lucky Neds Bande das einzige, was ich von der Coen-Verfilmung nicht ganz aus dem Kopf kriege, ich glaube da find ich ausnahmsweise die steppenartige Prärie der Coens als Setting etwas stimmiger als Hathaways herbstliche Waldlichtung. Ansonsten ist die Szene im 69er (ich hab schon recht mit der Jahreszahl) aber natürlich mindestens genauso gut.

So störend fand ich die Anfangsszene jetzt nicht, aber sie bringt dem Film tatsächlich nicht viel.
We'll always have Marburg

Let the sheep out, kid.

Re: Das Western-Genre: Tipps, Kritiken & Diskussionen

418
Ja, 1969 stimmt, mein Fehler.

Aber es gibt nebenbei gesagt öfter Abweichungen zwischen den früher üblichen Daten, die auf dem Copyright beruhen, und den IMDB Daten, die das Jahr der Erstaufführung nehmen, aber hier ist beides dasselbe.

Und die Anfangsszenen, puhh ... die sind so bieder, die passen nicht zum Rest des Films, ich würde die raus schneiden.
Ich schaue da vielleicht später noch mal rein.