Re: Ben Affleck und seine Filme
31Heute endlich The Town zum ersten Mal in der Kinofassung, statt im viel längeren Extended Cut mit alternativem Ende gesehen, und was soll ich sagen, The Town ist einer der Filme, dem die Kürzungen für das Theatrical Release definitiv gut getan haben. Ich erinnere mich noch, bei der Erstsichtung sehr enttäuscht darüber gewesen zu sein, wie sehr die für sich genommen stark geschriebenen Charakterszenen (insbesondere die Beziehung zwischen Affleck und Hall) den Plot immer wieder stark ausgebremst haben, sodass man zwar viel Arbeit in die Vertiefung der Figuren hatte, für seine Geduld aber meist erst viel zu spät belohnt wurde. Das Pacing funktionierte in diesem Cut überhaupt nicht und siehe da, die Kinofassung entfernt größtenteils (meiner Erinnerung nach zumindest) vor allem viele der Paarszenen, die für den Handlungsentlauf nicht entscheidend sind oder zumindest später keinen größeren Payoff erhalten. Und schon wird aus einem zu lang geratenen, etwas schwer fälligem Melodram ein packender Mix aus Milieustudie und Actionreißer. Die zwei größeren Shootouts (Nonnen-Verfolgungsjagd und das bleihaltige Finale) sind drastisch, packend und brillant naturalistisch inszeniert und brauchen den Vergleich zum übergroßen Vorbild Heat auf gar keinen Fall zu scheuen. Alle Darsteller leisten wunderbare Arbeit, wobei Ben Affleck als Protagonist fast noch am wenigsten heraussticht bei dem farbenfrohen Supporting Cast. Blake Lively war selten so gut wie hier als abgehalfterte White Trash Tussi, Jeremy Renner spielt ganz groß auf als fast schon psychopathischer Adrenalinfreak, Rebecca Hall ist so umwerfend authentisch wie immer und Jon Hamm wurde für die Rolle des mies gelaunten FBI-Ermittlers geboren. Das Drehbuch besticht vor allem in der hohen Dialogqualität (die Gastauftrittler Chris Cooper und Pete Postlethwaite etwa dürfen sich dank famoser Monologe von ihrer besten Seite zeigen) und mag sich sicher in einigen Plotpoints etwas zu stark an Heat orientieren (besonders das letzte Telefonat ist quasi einszueins entnommen), bringt seine Schäfchen aber emotional allesamt ins Trockene. Im Vergleich zum Alternative Ending hat mir dieses Ende hier deutlich besser gefallen und wirkt weitaus abgeschlossener als der etwas kurios gesetzte Schlusspunkt der längeren Fassung. Richtig klasse ist die (in dieser Länge) entwickelte Romanze zwischen Hall und Affleck, die ohne überzogenen Kitsch auskommt und sich sehr nachvollziehbar aufbaut, man spürt die wachsende Verbundenheit der beiden ganz wunderbar. Der große Unterschied zu Heat ist wohl, dass Affleck seinen Film keinesfalls als Gangster-Epos begreift und einen viel geerdeteren Ansatz verfolgt, der eher an einen The Killing von Kubrick denken lässt. Auf jeden Fall zeigt The Town stilistisch eine deutliche Weiterentwicklung von Regisseur Affleck nach Gone Baby Gone, die dann in Argo noch mal eine neue Qualität erreichen sollte. Ironischerweise hat man nach den zwei Stunden in Charlestown fast das Bedürfnis, sich nach mehr von diesen Charakteren und ihrem Umfeld zu sehnen, doch wie meine Erfahrung mit der Langfassung zeigt: Manchmal ist mehr das was man will, aber nicht was man braucht.
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Let the sheep out, kid.
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