craigistheman hat geschrieben: Gestern 17:28
Mir ist die Tanker-Jagd in ihrer Ästhetik zu "amerikanisch". Diese fetten Trucks, das passt meiner Ansicht nach überhaupt nicht zu Bond und reiht sich nahtlos in eine lange Liste befremdlicher stilistischer Anbiederungen an den Zeitgeist (Key West als Setting, DEA-Drogenplot, Bond und Felix sind plötzlich ganz dicke Buddies, Massenschlägerei in einer Stripbar und und und).
Da Licence to Kill sich ja bewusst etwas (eben wohl dosiert) vom üblichen Bond-Film abheben will, passen solche Stilbrüche (will man sie als solche bezeichnen) eigentlich ganz gut zum Film. Ich finde dann auch Tanklaster jetzt nicht mehr oder weniger zu Bond passend als einen Film später die Krawall-Fahrt mit dem Panzer quer durch St. Petersburg, was genauso auch einem Arnold Schwarzenegger in irgendeinem 90s Kracher zuzutrauen gewesen wäre.
Es ist eigentlich sogar ganz nett, Bond mal in einem etwas anderen Umfeld zu zeigen. Gerade diese schäbige Hinterhof-Kneipe, in der er und Bouvier auf Dario treffen und ihm die Kauleiste neu arrangieren, ist so ein schönes kleines Setting, das Licence to Kill auch sehr gewinnbringend einsetzt. Bond ist hier halt nicht wie sonst "auf Arbeit" und kann dem feinen Luxus frönen, den ihm der britische Steuerzahler finanziert, sondern ermittelt auf eigene Faust in einer Rachemission, und das verschlägt ihn dann auch mal an solche Orte. Es passt ohnehin sehr gut in die 80er, in denen man Bond vermehrt auch mal unglamouröser, in gewöhnlicher Umgebung zeigte (man denke an die Ostblock-Wohnung von Kara im Vorgänger), und ist in Licence to Kill auch noch inhaltlich im besonderen Maße gerechtfertigt, also aus meiner Sicht alles prima. Die Filme müssen sich ja in Details auch voneinander unterscheiden, und ich würde Glen positiv anrechnen, dass er den Einsatz eines betont etwas anderen Beitrags zur Serie auch mit entsprechender Konsequenz durchzieht.
Ich sehe da insgesamt wenige bis keine Zeitgeist-Anbiederungen (nicht mehr oder weniger als sonst in der Reihe üblich). Bond und Felix sind beste Freunde, aber das ist in der Darstellung weit vom damals populären Buddy-Kino entfernt (selbst in der einzigen gemeinsamen Actionszene sind sie so gut wie gar nicht gemeinsam im Bild), Key West passt halt zu Bond so wie jede Location mit Palmen und Strand (und ist ehrlich gesagt auch richtig schick eingefangen), und einen Drogenplot kann ich im Film quasi nicht erkennen. Bond geht es die ganze Zeit um Rache. Sanchez ist Drogenbaron, ja, aber irgendwas muss er halt machen, und Ende der 80er waren lateinamerikanische Drogenbarone nicht nur im Kino, sondern auch in der Realität ein populäres Feindbild. Licence to Kill vorzuwerfen, so eine Type aufzugreifen, ist in etwa so, als werfe man den 60ern die bösen Russen vor.
Michael Kamen an den Soundtrack zu lassen war sicher ein Zugeständnis an den damals neuen Klang von Actionfilmen (Kamen war mit "Lethal Weapon" und "Stirb langsam" gewissermaßen dessen Urheber geworden), und der härtere Gewaltgrad dürfte auch aus dieser Marschrichtung zu der Zeit resultieren. In For Your Eyes Only wäre eine Szene wie die Ermordung von Milton Krest wohl nicht vorgekommen. Beides ist im Rahmen der Reihe sicher ein Fremdkörper, aber das betont natürlich umso mehr den Außenseiter-Status des Films, den er durch seine "Bond sieht rot"-Ausgangslage so oder so erworben hätte.
PS: Ich glaube übrigens sogar, dass der Film glatt davon profitiert hätte, Bond und Leiter in der PTS noch mehr als perfekt eingespieltes Duo zu etablieren, um ihre Freundschaft noch stärker zu grundieren und später daraus emotionales Kapital zu schlagen. Die Szenen auf der Hochzeit sind alle ganz gut und effektiv genug, aber es hätte noch etwas vertieft werden können, hätten sich die beiden zumindest die erste Actionszene vor dem Angel-Ausflug wirklich geteilt. Das wäre dann vielleicht manchen Zuschauern zu sehr "Lethal Weapon" gewesen und daher hat man davon abgesehen (zumal dann ja gerne das doofe "Bond muss immer im Zentrum jedes Films stehen"-Argument gezückt wird), in Teilen kann ich das auch verstehen.