Welches ist euer Lieblingsfilm von Edgar Wright?

Shaun of the Dead (Keine Stimmen)
Hot Fuzz
Insgesamt abgegebene Stimmen: 1 (14%)
Scott Pilgrim vs. The World
Insgesamt abgegebene Stimmen: 2 (29%)
The World's End
Insgesamt abgegebene Stimmen: 1 (14%)
Baby Driver
Insgesamt abgegebene Stimmen: 2 (29%)
The Sparks Brothers (Keine Stimmen)
Last Night in Soho
Insgesamt abgegebene Stimmen: 1 (14%)
Insgesamt abgegebene Stimmen: 7

Re: A Pint and a Cornetto - Der Edgar Wright Thread

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Mir ist das Setting und der Hintergrund einfach näher, aber das ist ja das Schöne, dass das ein jeder ein wenig anders sieht. :)

Ich setzt mal meine Huldigung von damals rein, kann ich immer noch mitgehen:

“Mad Boys - krasse Jungs“

PC (Police Constable) Nicholas Angel ist ein Londoner Superbulle und der Star seiner Abteilung. Seine Verhaftungsrate liegt 400 Prozent höher als bei jedem anderen seiner Kollegen. Er ist Meisterschütze, Experte in Nahkampf und Terrorismusbekämpfung und nebenbei auch noch Schachgenie. Natürlich hat er die besten Noten in sämtlichen polizeilichen Theorie- und Praxistests. Kurz: Angel ist hochmotiviert, hochintelligent und gnadenlos effektiv.
Nein, hier handelt es sich nicht um den neuesten Copreißer von Bruce Willis oder Mel Gibson. Auch unser Lieblingspummelchen Steven Seagal hat seinem Oeuvre keinen weiteren Direct-to-DVD Meilenstein hinzugefügt. Hot Fuzz ist vielmehr eine gnadenlose Parodie auf testosterongeschwängerte Actionkracher Marke Stirb langsam, Bad Boys oder Terminator.
Wer jetzt meint, ihn erwarte ein Film im Stil von Hot Shots oder Scary Movie liegt (glücklicherweise) wieder falsch. Hot Fuzz ist alles andere als eine platte Teenagerklamotte, bei der sich jeder Gag bereits aus 10 Kilometer Entfernung mit Blaulicht und Sirenegeheul ankündigt, nur um dann nicht einmal ein Zucken der Mundwinkel zu verursachen. Nein, bei diesem Film kann man wirklich lachen. Versprochen!

Und er hat eine Story. Wie eingangs ausgeführt, ist Top Cop Nicholas Angel (Simon Pegg) so erfolgreich, dass er den Rest des London Metropolitan Police Service wie hinterwäldlerische Stümper aussehen lässt, die ihre Polizeimarken im Supermarkt oder beim Glücksspiel erworben haben. Der Führungsriege kommt daraufhin der rettende Einfall, den unliebsamen Streberbullen wegzuloben. Angel wird kurzerhand zum Sergeant befördert und in das idyllische Dörfchen Sandford versetzt. Dort bestehen die schwersten Delikte aus „Kapitalverbrechen“ wie öffentliches Urinieren und Geschwindigkeitsüberschreitungen. Das Aufspüren und Wiedereinfangen entflohener Haustiere gehört da bereits zu den anspruchsvolleren Polizeiaufgaben. Das letzte Gewaltverbrechen liegt Jahrzehnte zurück. Auch die örtliche Polizeieinheit entspricht nicht gerade Angels Vorstellungen von einer gut funktionierenden Behörde. Sämtliche Mitarbeiter wirken faul, inkompetent, desinteressiert und gelangweilt.
Sein neuer Partner PC Danny Butterman (Nick Frost) fügt sich perfekt ins trübe Gesamtbild, mit einer kleinen - aber entscheidenden - Ausnahme: Er bewundert Angel vorbehaltlos und sieht in dem Londoner Supercop die fleischgewordene Inkarnation seiner sämtlichen filmischen Actionidole. Diese Heldenverehrung seines Partners geht Angel allerdings zunehmend auf die Nerven. Als sich der frustrierte Strafversetzte schon beinahe mit seiner trostlosen Zukunftsperspektive abgefunden hat, wird das verschlafene Nest von einer Serie bizarrer Todesfälle erschüttert. Gegen den Widerstand des einflussreichen Gemeinderats (u.a. mit Ex-Bond Timothy Dalton als schmierigem Supermarktchef) und seiner gesamten Polizeieinheit beginnt Angel eine Mord- und Verschwörungstheorie zu entwickeln, bei dem ihm lediglich sein actionvernarrter Partner zur Seite steht. Bei ihren Ermittlungen kommen sie schließlich einem dunklen Geheimnis auf die Spur, das das scheinbar so friedliche Dorf bereits seit Jahrzehnten umgibt. In einem bleihaltigen Actionshowdown sorgen sie schließlich für Ruhe und Ordnung.

Mit Hot Fuzz ist Regisseur Edgar Wright und seinen Hauptdarstellern Simon Pegg und Nick Frost eine superbe Actionparodie gelungen. Bereits mit der inzwischen Kultstatus genießenden Zombie-Komödie Shaun of the Dead (2004) bewiesen die drei Briten ihr Ausnahmetalent für abgründigen Humor, bizarre Einfälle sowie die genussvolle Persiflage gängiger Genremuster. Wright, Pegg und Frost haben nie einen Hehl aus ihre Liebe zum Splatter- und Actionkino gemacht. Ihre Filme sind keinesfalls als bösartige Veräppelung, sondern vielmehr als liebevoll ironische Verbeugung vor dem Ausgangsmaterial zu verstehen. Der im englischen Werbematerial enthaltene Spruch „From the guys, wo have seen every action movie ever made“ ist durchaus ernst gemeint.
Schon das Story-Grundgerüst ist eine augenzwinkernde Hommage an die reißbrettartigen Plots zahlloser Actionfilme: Unbequemer, oft auch abgehalfterter Supercop (hier Streber Angel) wird auf einen langweiligen Routineposten (Sandford) abgeschoben, der sich unvermutet als explosives Wespennest (Mordserie) entpuppt. Natürlich glaubt ihm keiner (Sandford Police), so dass er schließlich gegen widrigste Umstände und eine feindliche Übermacht (Gemeinderat) die Situation im meist bleihaltigen Alleingang retten muss.
Allein in der Filmographie von Actionikone Bruce Willis finden sich nicht weniger als vier Streifen nach exakt diesem Strickmuster (Tödliche Nähe 1993, Das Mercury Puzzle 1998, Hostage - Entführt 2005 und 16 Blocks 2006).

Zitiert wird aber auch Bildsprache und Schnitttechnik des modernen Actionkinos. Augenscheinlichstes Vorbild sind hier Michael Bays Bad Boys-Filme. Wenn Sergeant Angel in einer stakattoartig geschnittenen Szene, untermalt von einem Hans Zimmer-ähnlichem Bombastscore zwei Kugelschreiber zur Protokollierung zückt, weiß auch der letzte Kinozuschauer, wer bzw. was hier aufs Korn genommen wird. Die 360°-Kamerafahrt um die Protagonisten Angel und Butterman nach überstandenem Showdown, ist in Bildkomposition und Technik sogar eine exakte Kopie aus Bad Boys. Auch aus Kathryn Bigolows Surf-Actioner Gefährliche Brandung wird „wörtlich“ zitiert. Neben den beiden bereits erwähnten Filmen, verbergen sich zahllose Hinweise auf mehr als ein Dutzend weiterer Actionklassiker (u.a. Léon - der Profi, Nur 48 Stunden, Beverly Hills Cop, City Cobra, Blues Brothers, James Bond 007 - Lizenz zum Töten, Matrix und Dirty Harry, um nur die am Deutlichsten erkennbaren zu nennen).
Dass sich die beiden Cops Bad Boys II und Gefährliche Brandung im Verlauf der Filmhandlung bei einer gemeinsamen DVD-Session reinziehen, treibt das ironische Spiel mit den Versatzstücken des Genres auf die Spitze und macht das Vergnügen für den Zuschauer perfekt. Überhaupt ist die Idee, den tölpelhaften Butterman als Actionnarr und DVD-Junkie einzuführen ein postmodernistischer Geniestreich der Drehbuchautoren (Regisseur Wright und Hauptdarsteller Pegg). Ein eingefleischter Actionfan erlebt ein krachendes Actionfeuerwerk in einer liebevollen Actionparodie für wahre Actionfans.

Neben zahllosen Anspielungen auf bekannte Actionfilme bietet Hot Fuzz aber auch Hinweise auf die Vorliebe der Macher für das Splatter- und Horrorkino. Die dörfliche Mordserie wird doch mit recht expliziten Gewaltdarstellungen „garniert“ und die von Angel aufgedeckte Verschwörung zeigt deutliche Anleihen bei diversen Horrorstreifen. Auch hier gelingt es, das Genre auf liebevolle Art zu persiflieren, ohne auf billige Lacher setzend den Film in platte Lächerlichkeiten abgleiten zu lassen. Die Gewaltserie ist ein realer Handlungsstrang, ebenso wie die Aufdeckung der Verschwörung oder die skurrile Dorfatmosphäre.
Dieser Punkt unterscheidet Hot Fuzz auch von nummernrevueartigen Machwerken wie Scary Movie, bei denen lediglich Gag an Gag gereiht wird, ohne dass der Film als eigenständiges Produkt bestehen könnte. Ganz anders Hot Fuzz: Neben seiner klar parodistischen und gagorientierten Grundausrichtung, funktioniert der Film auch als im dörflichen Milieu angesiedelter Whodunit- und Polizeithriller.
Zusätzlich der bereits beschriebenen Vorzüge glänzt Hot Fuzz - ganz in der Tradition von Nur 48 Stunden oder der Lethal Weapon-Reihe - aber auch noch mit einer Batterie spritziger Wortgefechte und markanter Sprüche. Zwei der gelungensten Szenen spielen während der finalen Actionsequenz. Bei einem adrenalinhaltigen Shootout im dörflichen Supermarkt überwältigt Angel einen Widersacher und verfrachtet ihn kurzerhand in eine Tiefkühltruhe. Im Anschluss diskutiert er mit seinem Partner, was hier wohl der angebrachteste und v.a. coolste Oneliner wäre. Die nymphomanische Polizistin Doris Thatcher ist ihren männlichen Kollegen da einen Schritt voraus. Als sie im selben Supermarkt einen weiblichen Gegner mit einem herumliegenden Surfbett erledigt, kommentiert sie den Hieb mit dem markigen Spruch: „Ich kann auch Frauen flachlegen.“
Schlussendlich funktioniert Hot Fuzz auch vortrefflich als Rätselraten für Cineasten. Es dürfte schier unmöglich sein, sämtliche Hinweise, Zitate und Anspielungen beim ersten Filmgenuss zu identifizieren. Darüber hinaus gibt es eine Reihe von Cameos zu entdecken (u.a. Peter Jackson und Cate Blanchett). Viel Spass bei der Suche!

Fazit:
Hot Fuzz ist eine postmodernistische Filmpersiflage, wie sie nur alle Jubeljahre auf den Leinwänden erscheint. Das Shaun of the Dead-Trio Edgar Wright, Simon Pegg und Nick Frost zündet ein wahres Feuerwerk an Gags, skurrilen Einfällen und liebevollen Filmzitaten. In erster Linie als Hommage an das High Octane-Actionkino gedacht, kommen auch Fans von Splatter und Horror auf ihre Kosten. Der Film ist so vollgepackt mit Anspielungen, Zitaten und Andeutungen auf zahllose Actionklassiker, dass ein wiederholtes Ansehen fast Pflicht ist. Hot Fuzz ist keine platte Gag-Aneinanderreihung Marke Scary Movie, sondern eine glänzend geschriebene Genreparodie von Actionfans für Actionfans. Da ich mich selbst zu diesem erlauchten Kreis zähle und mich im Kino seit Jahren nicht mehr so königlich amüsiert und prächtig unterhalten habe, gebe ich völlig subjektiv die volle Ladung und schieße das ganze Magazin leer: 10 von 10 Punkten.
Aber jetzt genug der Worte. Jede weitere Zeile würde eine Unmenge von Spoilern produzieren, was gerade im Fall von Hot Fuzz ein Kapitalverbrechen wäre - um im gängigen Jargon zu bleiben. Also rein ins Kino und ablachen. Viel Spass!

(10/ 10 Punkten)
http://www.vodkasreviews.de


https://www.ofdb.de/autor/reviews/45039/

Re: A Pint and a Cornetto - Der Edgar Wright Thread

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Jetzt habt ihr zwei "Hot Fuzz" und "The World's End" völlig abgefeiert, da breche ich nochmal eine Lanze für "Shaun of the Dead". Ich habe den letztes Jahr im Kino gesehen und war vollkommen begeistert und außer mir, dass sich zuvor die Genialität des Films mir gar nicht so sehr erschlossen hatte. Der Film braucht sich vor dem großen Romero-Vorbild absolut nicht verstecken, zusammen bilden die beiden wahrscheinlich den Zombiefilm-Goldstandard. Sensationell, was Wright da an schrägen Figuren und tollen visuellen Kniffen auffährt, und wie kongenial das alles ineinander geht.
https://filmduelle.de/

Let the sheep out, kid.