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Mad Max (Keine Stimmen)
Mad Max: Der Vollstrecker
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Mad Max: Fury Road
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Re: Mad Max

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AnatolGogol hat geschrieben: 6. Juni 2024 13:26
Casino Hille hat geschrieben: 6. Juni 2024 11:26 Welche Charakterentwicklung durchläuft Max im zweiten Teil?
Die Entwicklung, die ich wahrnehme ist die, dass Max sich zumindest wieder in Teilen der bzw. einer Gesellschaft zuwendet (und damit nicht mehr gänzlich egoistische Motive verfolgt), nachdem er zu Beginn und in der ersten Filmhälfte sich komplett davon losgelöst hat. Ob er keine andere Wahl hat: ich weiss nicht, weil was könnte er sich denn für einen Deal erhoffen? Sein Wagen ist hinüber, damit ist auch das Benzin nicht mehr wirklich attraktiv. An einem Teilhaben an Papagallos Truppe hat er ja auch kein wirkliches Interesse, wie das Ende zeigt. Bliebe als Motivation nur noch Rache und die kann ich dann tatsächlich auch nicht gänzlich von der Hand weisen. Dadurch, dass Miller Maxs Beziehungen zum Gyro Captain und dem Feral Kid aber vergleichweise viel Zeit einräumt würde ich schon vermuten, dass gerade seine Rettung durch den Captain da in Bezug auf sein Verhalten anderen Menschen gegenüber ihn schon etwas nachdenklich gemacht hat. Andererseits hat er auch keine Skrupel das Kid bei vollem Tempo auf seinem rasenden Truck nach Munition fischen zu lassen.
Ich habe deshalb gefragt, weil ich Max im Road Warrior sehr gut vergleichbar mit Clint Eastwood in den drei Leone-Italowestern finde - und in denen macht er jeweils meines Erachtens auch keine tatsächliche Charakterentwicklung durch, bestenfalls eine sehr oberflächliche im Sinne von: "Er ändert seine Entscheidung und macht statt A jetzt B." Letztlich sehe ich in beiden den Archetypus eines einsamen Wolfs, der nach außen kalt und egoistisch zu agieren scheint, in entscheidenden Momenten aber seine mitfühlende Ader beweist. Eastwoods Figur zeigt beispielsweise, als er grade einer von zwei glorreichen Halunken ist, Mitgefühl beim Massaker auf der Brücke und äußert sich dementsprechend, später gibt er dem einen sterbenden Poncho-tragenden Soldaten noch ein paar Züge vom Glimmstängel ab. Ähnlich würde ich das beim ausgeflippten Maximilian auch sehen: Das ist ein Typ, der in dieser kaputten Welt stark abgehärtet wurde, und deshalb überleben konnte, der aber anders als die wirklich verrückten Psychos rund um Hummungus noch einen Teil seiner Menschlichkeit bewahrt hat und im entscheidenden Moment hilft. Er trägt in allen Filmen noch Teile seiner Polizeiuniform, hat diese Vergangenheit also nie ganz abgelegt.
AnatolGogol hat geschrieben: 9. Juni 2024 20:14 Die Grimmigkeit weicht einer kindgerechten Albernheit und der Härte- und Brutalitätsgrad einer comichaften Überdrehtheit. Diese Abkehr findet dabei in einem Maße statt, dass mir persönlich keine filmische Fortsetzung bekannt ist, die sich so stark vom Stil seines/seiner Vorgänger unterscheidet (dagegen ist selbst Boormans Exorzist 2 in stilisticher Hinsicht eine geradezu lineare Fortsetzung der Friedkinschen Originals).
Challenge accepted. Ich werfe mal gut gelaunt "Highlander 2", "Evil Dead 2" (und mehr noch: "Armee der Finsternis") und "Return to Oz" in den Raum. Ach ja, "Rocky Horror Picture Show" ist auch krass anders als die restlichen Filme der "Rocky"-Reihe.
AnatolGogol hat geschrieben: 9. Juni 2024 20:14 Das beginnt schon mit dem ersten Drittel in Bartertown, einer Art maximal-überdrehter-und-albernen Version von Big Trouble in Jabbas Palast des Todes, bei dem schon beinahe jeglicher Anflug von Ernsthaftigkeit – oder sagen wir besser sich-selbst-Ernstnehmen – getilgt wird (beinahe, da zumindest der Tod von Blaster für einen kleinen und raren Moment inhaltlichen Tiefgangs sorgt). Einziges Highlight in dieser albernen Rummelplatz-Orgie ist der Kampf in der Donnerkuppel zwischen Max und Blaster, der zwar nicht hart oder brutal ist, aber zumindest einigermaßen einfallsreich (btw: MasterBlaster ist eine ganz ordentliche Referenz an Ben-Hur – auch ganz passend, da Frank Thring hier ja auch mitmischt – jedenfalls deutlich ordentlicher als die diversen eher weniger geglückten Lawrence-Anspielungen). Bereits hier fällt auf, wie einfallslos die Inszenierung das zwar aufwändige, aber auch extrem inhaltsleere Treiben abfilmt. Auch gelingt es den beiden Regisseuren nicht, die elementaren Figuren (also Max und Gegenspielerin Aunty) einzuführen. Sie werden gezeigt, aber nicht charakterisiert – etwas, was sich leider auch durch den Rest des Films zieht.
Ich weiß nicht, ob ich da ganz mitgehen kann. Die Welt, die da mit Bartertown aufgemacht wird, ist gar nicht so uninteressant - und ich weiß nicht, ob Miller und Ogilvie das tatsächlich "nicht ernst nehmen". Die zweigepolte Stadt, die in Ober- und Unterschicht zerfällt und auf Schweinescheiße aufgebaut ist, ist schon ein - auch im Rahmen einer solchen Dystopie, die schon im Vorgänger einer gewissen Comiclogik folgte - ernstes und nicht uninteressantes Szenario. Man kann darüber streiten, ob der aufgemachte Kontrast und die gewählte Symbolik den Bogen überspannt, aber bewusst selbst parodierende Ansätze sehe ich da (noch) nicht. MasterBlaster ist zum Beispiel eine - wie ich finde - herrliche Idee, die sehr gut in einer Linie mit Toecutter und Hummungus passt.

Der Kampf in der Donnerkuppel ist dann richtig großartig, bis er aufgelöst wird. Das war der erste Moment, in dem der Film mich aktiv verärgert hat: Nur weil Blaster sich als einer mit Trisomie 21 oder sonstiger psychischer Behinderung entpuppt, hat Max Skrupel, ihn zu töten? Echt jetzt? Obwohl er weiß, dass er seinen Deal mit Aunty ansonsten brechen würde und ihm dementsprechend mutmaßlich der Tod erwartet? Schwachsinn. Das kaufe ich dem Film nicht ab. Eine sehr gute Beobachtung deinerseits ist übrigens, dass der Film es verpasst, vor allem Max vernünftig einzuführen. Direkt nachdem ihm seine Kamele gemopst werden rennt er auf die Kamera zu und wird von da an wie eine ikonische Figur behandelt - ist er nach den Vorgängern vielleicht auch, aber auf einen charakterdefinierenden Moment zu Beginn wartet man vergeblich. Dass es sich bei "Jenseits der Donnerkuppel" um eine Fortsetzung handelt, ist da auch keine Entschuldigung. Jeder Bond- und jeder Indy-Film leistet diese "Re-Introduction" nichts desto trotz.
AnatolGogol hat geschrieben: 9. Juni 2024 20:14 Weiter geht’s mit dem Mitteldrittel, einer Art Max im Peter-Pan-Land. Nachdem bereits die Bartertown-Passage extrem kindgerecht daherkam, nimmt der Film nun endgültig einen Schwenk in Richtung Kinder-/Jugendfilm a la Goonies – nur leider nicht annähernd so munter und unterhaltsam. Hinzu kommt, dass Miller hier am ganz großen dramaturgischen Rad dreht und den wie erwähnt zuvor nicht eingeführten Max nun als Messiasfigur stilisiert. Zusammen mit dem infantilen Lost-Kiddies-Plot hat das leider doch sehr viel Ähnlichkeiten mit dem vielfach zitierten der Farbe beim Trocknen Zuschauen. Es ist lahm, uninteressant und doof – nur leider noch nicht mal zum Lachen doof.

Den Vogel schiesst Miller dann im letzten Drittel ab, als er sein eigenes Finale vom Road Warrior plagiiert – nur in schlecht. Natürlich auch hier keine Härte und keine Brutalität. Schlimmer aber noch: es ist einfach nicht gut in Szene gesetzt. Hier ist nichts mehr übrig von der innovativen und der spektakulären Inszenierung der Actionszenen der beiden Vorgänger. Stattdessen darf man sich darüber wundern, warum er mitten im Klimax seines Films sich die Zeit nimmt das ohnehin nicht sonderlich hohe Tempo weiter zu drosseln, wenn er uns dabei zuschauen lässt, wie zwei der Lost Children ihre Unkenntnis über den Umgang mit einem Plattenspieler zum Besten geben.
Ganz so vernichtend wie du (2/10 sind wirklich sehr hart - aber du erklärst total verständlich, wie du zu dem Urteil kommst!) sehe ich den dritten Maxi nicht (siehe Review oben), aber im Kern triffst du den Nagel auf den Kopf. Grundsätzlich ist die Idee, den einstigen Papa aus Teil 1 auf eine Bande Kinder treffen zu lassen gar nicht so abwegig, aber leider ist die Umsetzung wirklich misslungen. Als Max auf die Kiddies trifft, ist erstmal fünfzehn Minuten Pause und kompletter erzählerischer Stillstand. Da passiert nix mehr, es gibt keine Entwicklungen, es gibt keine interessanten Dynamiken. Ein paar der Bälger müssen extra Reißaus nehmen, damit Max überhaupt noch was zu tun bekommt. Skriptseitig ist das mindestens schluderig gearbeitet.

Und auch beim Actionfinale teile ich deine Meinung in dem Umfang zwar nicht, bin im Kern aber an Bord. Mich stört kindlicher Slapstick nicht unbedingt (ob es zu Mad Max passt, ist wieder eine andere Frage), aber es ist schon merkwürdig, wie wenig Tempo Miller und Ogilvie in die Action bekommen. Wie du richtig sagst, wird da teilweise viel zu lange pausiert und man verstrickt sich in irrelevante Nebenepisoden, die auch kaum zur Charakterisierung der Kids beitragen, die für mich - um ehrlich zu sein - allesamt gesichtslos geblieben sind. Bis auf das eine Mädel, das am Ende die peinliche Schlussansprache halten darf, habe ich die alle nicht auseinander halten können und das darf nicht sein, wenn sie so elementar ins Geschehen eingebunden werden - was hier soweit geht, dass Max teilweise zum Beifahrer in seinem eigenen Showdown verkommt.
AnatolGogol hat geschrieben: 9. Juni 2024 20:14 Exemplarisch auch, wie substanzlos die zuvor nur rudimentär eingeführte Figur von Bruce Spence samt Sohnemännchen bleibt. Oder wie die – zumindest in Papierform – Streithähne Max und Aunty am Ende einfach mal ohne Groll ihrer Wege ziehen.
Hier sind wir jetzt doch mal grundlegend anderer Ansicht. Als Aunty zum Schluss das Mäxchen dann verschont, war das einer der wenigen coolen Momente in der zweiten Filmhälfte für mich. Das fand ich ehrlich gesagt ziemlich lässig, wie sie da anerkennend nickt und mit neu gewonnenem Respekt vor ihm kehrt macht. Ich verstehe, was du meinst, wenn du sagst, dass dir da das dramaturgische Gewicht fehlt, aber sie lässt ihn halt so oder so ohne Proviant oder sonstiges mitten im Wasteland stehen und lädt ihn nicht auf eine Cola zu sich ein. Das wäre dann wirklich etwas viel. :wink:

Btw: Wie seltsam bitte, Bruce Spence im dritten Teil wieder einen Piloten (plus Kind!) spielen zu lassen, wenn er gar nicht dieselbe Figur wie die aus dem Vorgänger sein soll. Ich weiß: Kontinuität muss man nicht überbewerten, aber in der ersten Szene war ich doch gut verwirrt, dass der Gyrocopter-Pilot jetzt mit eigenem Nachwuchs den ollen Gibson bestiehlt. :mrgreen:
vodkamartini hat geschrieben: 9. Juni 2024 21:17 Nihilismus, Pessimismus und Aporie sind nicht verschwunden, aber, so die entscheidende Botschaft, es gibt Hoffnung. Eine durchaus bemerkenswerte Neuorientierung im bis dato knallfinsteren Mad Max-Kosmos.

(...)

George Miller greift damit den aus aus vielen Religionen bekannten „Messias“-Mythos auf, was aber sowohl im Kontext seines Worldbuilding wie auch in dem seines Protagonisten sinnhaft erscheint. Die Apokalypse ist nicht nur mit dem Ende allen Lebens konnotiert, sie steht auch für Zeitenwende und Neuanfang. Die Figur des Max Rockatansky wiederum beginnt als aufrechter Familienvater, durchläuft dann die Stationen vom blindwütigen Racheengel zum mythischen Einzelgänger und wartet fortan auf irgendeine Form der Erlösung. Diese könnte natürlich durch Tod, aber eben auch durch eine weitere Metamorphose hin zu einem positiver eingestellten Charakter erfolgen. Miller entschied sich für letzteres und verfolgt diesen Weg fortan konsequent mit dem Trilogieabschluss.
Ich finde deine Interpretation der Entwicklung von Mad Max, vom Menschen zum Mythos bis zum Messias, ziemlich interessant und möchte dir das gar nicht unbedingt in Abrede erstellen. Es kommt mir aber unweigerlich die Frage: Ist der Schluss vom "Road Warrior"-Vorgänger nicht auch schon ein hoffnungsvoller? Die Truppe rund um den kleinen Jungen und den Gyrocopter-Piloten reist da doch auch in ein gelobtes Land jenseits der Wüsten-Einöde, und der Off-Erzähler berichtet uns, dass sie eine neue Gesellschaft aufgebaut haben und sie das Max und seinem Opfer zu verdanken haben. An sich wiederholt Miller (zusammen mit Ogilvie) diesen Schluss doch eigentlich im dritten Film nur, überhöht ihn aber zusätzlich durch diese religiöse Moses-Komponente. Das ist vielleicht dicker aufgetragen als zuvor, aber ist es so fundamental anders?
vodkamartini hat geschrieben: 9. Juni 2024 21:17Zur Auswahl stehen u.a. Death, Hard Labor, Gulag, Amputation und Life Imprisonment. Immerhin gibt es eine Chance von 1:9 auf „Freispruch“. Max, der sich weigerte seinen Gegner zu töten, landet auf „Gulag“. Dazu wird er rückwärts auf ein Pferd gesetzt und ohne Wasser in die Wüste getrieben.
Hierzu mal eine dumme Frage, mit der ich mich jetzt sicherlich blamiere: Müsste es nicht "Exil" statt "Gulag" heißen? Mit einem Gulag verbinde ich nicht, auf ein Pferd gesetzt und davon geschickt zu werden. Für mich hatte dieses Ergebnis auf dem Rad erst bedeutet, dass Max jetzt unten in der Unterwelt Schweinescheiße schaufeln muss, aber seltsamerweise bedeutet in der Postapokalypse Gulag wohl, jemanden einfach ins Nichts reiten zu lassen. Kann mir das jemand erklären?
Agent 009 hat geschrieben: 21. Mai 2015 10:13 So gibt es zwar Action, aber keine richtige Brutalität im Film, die in den beiden Vorgängern noch sehr präsent war. Hier überleben die 'Bösen' beinahe alles, ohne großen Schaden zu nehmen. Die Geschichte um die Gruppe von Kindern, die in der Wüste überlebt und eine Art Stamm hat, Max als ihren strahlenden Helden sieht ist sehr Familientauglich, wie der ganze Film an sich. Das ganze wirkt weichgespült um ein breites Publikum zu erreichen, was dem Film stellenweise nicht wirklich gut tut. Mehr Konsequenz in einigen Handlungen wäre sicherlich gut gewesen, aber das wäre nicht möglich gewesen, ohne den Film gleich 'härter' zu machen.
Ja, es ist schräg, wie "wenig Tote" es im Donnerkuppel-Film gibt - und besonders schräg ist, dass eines der Kiddies so ganz nebenbei im Treibsand versinkt und krepiert, ohne das es eine der Figuren im Anschluss je wieder groß interessieren würde. Das wirkte auf mich, als wäre es entweder ein Überbleibsel aus Millers ursprünglich geplanter "Lord of the Flies"-Quasiadaption oder aus einem anderweitig früheren Skriptentwurf.
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Re: Mad Max

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Casino Hille hat geschrieben: 12. Juni 2024 19:51 Challenge accepted. Ich werfe mal gut gelaunt "Highlander 2", "Evil Dead 2" (und mehr noch: "Armee der Finsternis") und "Return to Oz" in den Raum. Ach ja, "Rocky Horror Picture Show" ist auch krass anders als die restlichen Filme der "Rocky"-Reihe.
Tatsächlich finde ich Highlander 2 deutlich weniger vom Vorgänger abweichend als MM3. Anders ist der natürlich durchaus, gerade auch durch die diversen Albernheiten (die man in diesem Maße dann doch nicht in Teil 1 findet: zB die Vogeltypen), aber nicht so gravierend wie MM3. Evil Dead 2 ist zwar albern-humoristisch, aber ein echtes Remake ist es trotzdem und trotz tonaler Verschiebung arbeitet Raimi hier mit den gleichen Methoden wie in Teil 1. Von daher sehe ich da irgendwo schon noch eine gewisse durchgängig Linie. Zumal Armee dann ja den humoristischen Einschlag des Vorgängers beibehält. In jedem Fall sind die stilistischen/tonalen Veränderungen innerhalb der Serie aber mehr in einander übergehend wie bei den Mäxen. Bei Rocky Horror bin ich dann aber bei dir (obwohl Stallone später dann ja mit dem Rocky-Musical zu den Wurzeln zurückgekehrt ist :lol: ).

Casino Hille hat geschrieben: 12. Juni 2024 19:51Ich weiß nicht, ob ich da ganz mitgehen kann. Die Welt, die da mit Bartertown aufgemacht wird, ist gar nicht so uninteressant - und ich weiß nicht, ob Miller und Ogilvie das tatsächlich "nicht ernst nehmen". Die zweigepolte Stadt, die in Ober- und Unterschicht zerfällt und auf Schweinescheiße aufgebaut ist, ist schon ein - auch im Rahmen einer solchen Dystopie, die schon im Vorgänger einer gewissen Comiclogik folgte - ernstes und nicht uninteressantes Szenario. Man kann darüber streiten, ob der aufgemachte Kontrast und die gewählte Symbolik den Bogen überspannt, aber bewusst selbst parodierende Ansätze sehe ich da (noch) nicht. MasterBlaster ist zum Beispiel eine - wie ich finde - herrliche Idee, die sehr gut in einer Linie mit Toecutter und Hummungus passt.
Ich finde die Ideen ebenfalls nicht verkehrt, aber die Umsetzung ist in meinen Augen nicht geglückt. Das liegt auch daran, dass die Skurrilität im Gegensatz zu den Vorgängern hier nie etwas bedrohliches, sondern immer etwas albernes hat. Die Kulissen sind in MM3 aufwändiger, aber irgendwie fühlt es sich auch alles viel mehr nach Attrappen an als zB die Benzin-Festung in Teil 2, die sehr real anmutet. Mein Empfinden liegt sicherlich auch daran, dass MM3 als erster Serienbeitrag ganz offensichtlich stark im Studio entstanden ist, so wird gerade die Donnerkuppel den Studiogeruch nie so recht los. Und ganz schlimm finde ich im ersten Bartertown-Drittel Jarres Musik, die ebenfalls den albernen Freakshow-Charakter verstärkt. Komischerweise wirft er diesen Stil danach komplett ab und geht übergangslos in den Lean-Modus (ohne allerdings hier jemals die Qualität seines eigenen grandiosen Vorwerk auch jemals nur zu annähernd zu erreichen).
Casino Hille hat geschrieben: 12. Juni 2024 19:51 Eine sehr gute Beobachtung deinerseits ist übrigens, dass der Film es verpasst, vor allem Max vernünftig einzuführen. Direkt nachdem ihm seine Kamele gemopst werden rennt er auf die Kamera zu und wird von da an wie eine ikonische Figur behandelt - ist er nach den Vorgängern vielleicht auch, aber auf einen charakterdefinierenden Moment zu Beginn wartet man vergeblich. Dass es sich bei "Jenseits der Donnerkuppel" um eine Fortsetzung handelt, ist da auch keine Entschuldigung. Jeder Bond- und jeder Indy-Film leistet diese "Re-Introduction" nichts desto trotz.
Ja, und das bricht dem Film wie ich finde dann auch endgültig das Genick. Wie soll ich Anteil an Figuren nehmen, für die sich ganz offensichtlich der Film selber nicht wirklich interessiert? Ich bin da ganz bei dir: mir reicht es hier nicht, dass wir Max bereits in den beiden Vorgängern kennengelernt haben. Gerade, wenn er hier noch eine gewisse Charakterentwicklung durchmachen soll (die so zwar auch nicht so stark sehe wie zB vodka, aber in gewisser Weise noch nachvollziehen kann - zumindest auf theoretischer Ebene). Da muss auch in einem dritten Teil zumindest ein bisschen was kommen, was die Figur charakterisiert und ihr Gewicht verleiht. Ich denke da zB an die einführenden Szenen im Kloster in Rambo III. Aber in MM3 sehe ich da nichts in der Form.
Casino Hille hat geschrieben: 12. Juni 2024 19:51 Wie du richtig sagst, wird da teilweise viel zu lange pausiert und man verstrickt sich in irrelevante Nebenepisoden, die auch kaum zur Charakterisierung der Kids beitragen, die für mich - um ehrlich zu sein - allesamt gesichtslos geblieben sind. Bis auf das eine Mädel, das am Ende die peinliche Schlussansprache halten darf, habe ich die alle nicht auseinander halten können und das darf nicht sein, wenn sie so elementar ins Geschehen eingebunden werden - was hier soweit geht, dass Max teilweise zum Beifahrer in seinem eigenen Showdown verkommt.
Das sehe ich auch so und das ist - wie bereits geschrieben - der Genickbruch. Der Film will mir verkaufen, dass die Beziehung Max-Kinder wichtig und elementar ist, in der praktischen Umsetzung hat das für mich aber keinerlei Gewicht. Beispiel: als die Kids ihr Lager verlassen und Max ihnen nachspürt geht eines der Kiddies im Sandloch hopps. Wer das war? Egal, der Film hat sich ja vorher keine Zeit genommen die Kids (oder zumindest ein paar davon) halbwegs einzuführen und zu charakterisieren. Jetzt vergleiche man das mit der ja ganz offensichtlichen Vorlage dieser Szene aus Lawrence von Arabien: Lean baut Lawrence Diener Daud und die Beziehung der beiden über eine Stunde lang auf. Dann stirbt Daud vor den Augen des hilflosen Lawrence im Treibsand und wir als Publikum sind gleichermaßen betroffen und hilflos. Nun erwarte ich von einem Film wie MM3 nicht eine Figurenzeichnung wie bei Lean, aber eben zumindest ein Mindestmaß. Und das gerade, wenn der Film statt Action auf "gewichtigere" Themen und Charakterentwicklung setzen will. DAS ist für mich das Kernproblem von MM3: das sind theoretische Konzepte, die in der praktischen Umsetzung nicht die notwendige Unterfütterung bekommen.

Casino Hille hat geschrieben: 12. Juni 2024 19:51 Hier sind wir jetzt doch mal grundlegend anderer Ansicht. Als Aunty zum Schluss das Mäxchen dann verschont, war das einer der wenigen coolen Momente in der zweiten Filmhälfte für mich. Das fand ich ehrlich gesagt ziemlich lässig, wie sie da anerkennend nickt und mit neu gewonnenem Respekt vor ihm kehrt macht. Ich verstehe, was du meinst, wenn du sagst, dass dir da das dramaturgische Gewicht fehlt, aber sie lässt ihn halt so oder so ohne Proviant oder sonstiges mitten im Wasteland stehen und lädt ihn nicht auf eine Cola zu sich ein. Das wäre dann wirklich etwas viel. :wink:
Nachdem sie alles verloren hat und in ein nicht mehr funktionales und überlebensfähiges Bartertown (brillant im resigniert-deprimierten Blick von Frank Thring vermittelt, nachdem Max & Co die Unterwelt zerlegt haben und mit dem Zug fliehen, für mich vermutlich die beste Szene/Einstellung des Films - also Thrings Spiel, nicht die vorangehende Actionszene) zurückkehren muss? Daher sehe ich auch nicht, dass sie Max irgendwie zurücklässt, sie selbst hat ja keinen Platz mehr, wo sie hin kann. Das in Kombination mit Turners Anti-Schauspiel NACHDEM uns der Film vorher die große Vergeltungssucht von Aunty verkaufen wollt, das ist für mich nicht glaubwürdig und komplett widersprüchlich.
Casino Hille hat geschrieben: 12. Juni 2024 19:51 An sich wiederholt Miller (zusammen mit Ogilvie) diesen Schluss doch eigentlich im dritten Film nur, überhöht ihn aber zusätzlich durch diese religiöse Moses-Komponente. Das ist vielleicht dicker aufgetragen als zuvor, aber ist es so fundamental anders?
Sehe ich auch so. Wobei die Komponente, dass sich Max bewusst "opfert", damit seine Kollegen fliehen können, hier tatsächlich etwas neues ist. Aber auch hier gilt: das funktioniert für mich nicht, da weder die Figuren, die er rettet zuvor so vom Film behandelt worden sind, dass ich diese Opfer auch als solches empfinde noch die Beziehung von Max zu dem zusammengewüfelten Haufen vernünftig etabliert worden ist. Das ist für mich bei MM2 alles viel besser aufgebaut, gerade in Maxs Beziehung zum Gyro Captain und dem Feral Kid, wodurch auch Max selber besser charakterisiert wird und seine Handlungen auch erst ein gewisses Gewicht bekommen.
"Ihr bescheisst ja!?" - "Wir? Äh-Äh!" - "Na Na!"

Re: Mad Max

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AnatolGogol hat geschrieben: 12. Juni 2024 20:46 Die Kulissen sind in MM3 aufwändiger, aber irgendwie fühlt es sich auch alles viel mehr nach Attrappen an als zB die Benzin-Festung in Teil 2, die sehr real anmutet. Mein Empfinden liegt sicherlich auch daran, dass MM3 als erster Serienbeitrag ganz offensichtlich stark im Studio entstanden ist, so wird gerade die Donnerkuppel den Studiogeruch nie so recht los. Und ganz schlimm finde ich im ersten Bartertown-Drittel Jarres Musik, die ebenfalls den albernen Freakshow-Charakter verstärkt. Komischerweise wirft er diesen Stil danach komplett ab und geht übergangslos in den Lean-Modus
Ja, das lässt sich nicht verleugnen - obwohl zumindest die Einführung von Bartertown dann schon ein sehr großes offenes Set ist, das richtig prächtig ausgestattet ist. Ich weiß, was du meinst, aber zum Beispiel die Unterwelt empfinde ich gar nicht als albern, sondern musste eher an bizarre Bilderwelten eines Terry Gilliam denken. Und das die Ausrichtung von MM3 schriller ist als die des Vorgängers, dem ist sicherlich so, allerdings lebt so eine Reihe ja vom Variantenreichtum ihrer Settings. Das Wüsten-Las-Vegas ist nicht vergleichbar mit der Benzin-Farm aus dem Vorgänger, muss sie meines Erachtens aber auch nicht sein.

Jarres Musik: Ja, die ist durchweg nicht gut und seine zahlreichen Selbstzitate in Richtung des arabischen Lawrence sind fast ein wenig faul. Höchstwahrscheinlich hat Miller diesen Stil aber so von ihm verlangt, immerhin zitiert der Film auch auf visueller Ebene großzügig bei David Leans großem Meisterwerk. Brian May war ohne Frage der bessere Komponist für die Reihe, und auch dieser Junkie XL hat in den Nachfolgern den Ton der Reihe eher getroffen.
AnatolGogol hat geschrieben: 12. Juni 2024 20:46
Casino Hille hat geschrieben: 12. Juni 2024 19:51 Als Aunty zum Schluss das Mäxchen dann verschont, war das einer der wenigen coolen Momente in der zweiten Filmhälfte für mich. Das fand ich ehrlich gesagt ziemlich lässig, wie sie da anerkennend nickt und mit neu gewonnenem Respekt vor ihm kehrt macht.
Nachdem sie alles verloren hat und in ein nicht mehr funktionales und überlebensfähiges Bartertown (brillant im resigniert-deprimierten Blick von Frank Thring vermittelt, nachdem Max & Co die Unterwelt zerlegt haben und mit dem Zug fliehen, für mich vermutlich die beste Szene/Einstellung des Films - also Thrings Spiel, nicht die vorangehende Actionszene) zurückkehren muss?
Fair enough. Ich gebe aber zu bedenken, dass Aunty immer noch ihre Anhängerschaft, mehrere motorisierte Karren und einen Haufen Benzin hat. Max hat in der Schlussszene gar nichts. Die Chance auf ein anderes Leben (mit den Bälgern) hat er geopfert, er steht ohne Proviant oder sonstiges mutterseelenallein in der Wüste - und Aunty überlässt ihn diesem Schicksal. Finde ich nicht soooo wahnsinnig abwegig.
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Diary of a Madmax

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Mad Max: Fury Road

Verbringt ein Film viele Jahre in dem, was in Hollywood als „Produktionshölle“ bezeichnet wird, dann gilt er unter Cineasten gerne schon vor Kinostart als abgeschrieben. Zu viele Köche verderben ja bekanntlich den Brei. Daher dürfte manch einer nicht schlecht gestaunt haben, als bei den Filmfestspielen in Cannes 2015 außer Konkurrenz vor allem ein Film die Kritiker zum Jubeln animierte: „Mad Max: Fury Road“, der vierte Teil der Endzeitsaga des australischen Regisseurs George Miller, der ursprünglich mal ein Arzt war und Unfallopfer behandelte, und 1979 mit dem Erstling der Reihe für nur 400.000 Dollar einen Kultfilm schuf.

Dieser erste „Mad Max“ war wenig mehr als eine exploitative, mit Mythen angereicherte Antwort auf das Autorennkino der 70er, in dem der titelgebende Cop Max Rockatansky noch als relativ zurechnungsfähiger Straßenpolizist Motorradgangs nachjagte. Was heute mit „Mad Max“ assoziiert wird, also die atomverstrahlte Wüste, die Überlieferung von Western-Bausteinen ins Roadmovie-Segment und die ikonische Tanklasterjagd, eine der beeindruckendsten Stuntsequenzen der Filmgeschichte, stammen aus der Fortsetzung „Der Vollstrecker“, der in den 80er Jahren unzählige miese Nachahmer folgten.

Die „Mad Max“-Reihe steht für ein Autorenkino, das auf Nötigste reduziert ist und sich als Melange aus Kunst- und Trashfilm versteht. Und sie ließ Miller nie los: Seit der dritte Teil, „Jenseits der Donnerkuppel“, 1985 die meisten Fans enttäuscht hatte, plante er immer, in die wüste Postapokalypse zurückzukehren. Seit 1998 arbeitete er konkret an einem neuen Film, doch spätestens mit Beginn des Irakkriegs wenige Jahre später wurde die Thematik des Films, immerhin ein Krieg motorisierter Banden um Öl, als zu problematisch eingeschätzt.

2006 nahm das Projekt wieder Fahrt auf. Ex-Hauptdarsteller Mel Gibson hatte sich mittlerweile mit antisemitischen Eskapaden ins Abseits geschossen. 2009 waren Darsteller gefunden. 2011 sollte der Dreh im australischen Broken Hill beginnen, doch nachdem heftiger Starkregen dort überraschend üppige Blumenlandschaften erzeugt hatte, verlegte man die Produktion für 2012 spontan nach Namibia. Es wurde von Komplikationen am Set berichtet, die beiden Hauptdarsteller Tom Hardy und Charlize Theron hätten sich untereinander und auch mit Miller in die Haare bekommen. 2013 durften die Stars zurück in die Wüste für aufwendige Nachdrehs.

Fans und Presse waren sich einig: das Projekt war zum Scheitern verurteilt. Die Berichte über die Produktion klangen abschreckend. Miller hatte zuletzt vor allem Kinderfilme mit sprechenden Tieren – darunter „Ein Schweinchen namens Babe“ und „Happy Feet“ – verantwortet, und schien mit 70 Jahren vielleicht auch etwas zu alt für die rockige „Mad Max“-Reihe von einst. Dann aber jubelte man in Cannes, bei den Oscars gab es sechs Trophäen bei zehn Nominierungen und das äußerst renommierte National Board of Review kürte „Fury Road“ gar zum besten Film des Jahres 2015.

Dreißig Jahre mussten Fans auf diesen Film warten, und Miller spannt sie nicht lange auf die Folter. Es dauert nur Minuten, da ist der wortkarge Max bereits in die Gefangenschaft eines religiös-faschistischen Kults unter Herrschaft des wahnsinnigen Immortan Joe geraten. Immortan Joe regiert in seiner Felsenfestung über eine der letzten Wasserressourcen, hält sich tödlich verstrahlte Warboys als Sklaven und fruchtbare Frauen als Gebärmaschinen. Bis seine Vollstreckerin Furiosa fünf der anderen Frauen entführt und mit ihnen in einem aufgemotzten Kampflaster in die Wüste flieht. Immortan Joe jagt ihr mit seinem PS-gestärkten Heer voller deformierter Krieger in retrofuturistischen Monstertrucks nach und Max findet sich recht bald – widerwillig – auf Seite der Frauen wieder.

Viel mehr gibt es zur dramaturgischen Klammer nicht zu sagen – eigentlich ist „Fury Road“ damit schon auserzählt. Nach etwa fünfzehn Minuten beginnt die wilde Hetzjagd und sie wird die kommenden zwei Stunden bestenfalls für kurze atmosphärische Ruhepausen unterbrochen. Was einem Plot noch am ähnlichsten kommt ist die amüsante Pointe, dass die Flucht der Helden im dritten Akt eine 180-Grad-Wendung macht und man nicht mehr von A nach B, sondern wieder zurück von B nach A fährt.

Stattdessen bestimmen ab jetzt Explosionen, Frontalzusammenstöße und perkussive Heavy-Metal-Orgien das Geschehen, die nicht nur Teil der Tonspur sind, sondern diegetisch stattfinden: einer der Konvois aus Immortan Joes Kuriositätenzirkus gleicht einem rollenden Boxenturm, trägt vier Trommler hinten und hat auf der Kühlerhaube einen Rockmusiker festgekettet, der die gesamte Verfolgungsjagd mit einer feuerspeienden E-Gitarre begleitet. Dieses eine ikonische Bild fasst die filmische Erfahrung treffend zusammen.

Ein Blockbuster nach B-Film-Regeln also. Millers Ziel ist, sein Biest von Actionfilm zwei Stunden lang auf Höchstgeschwindigkeit zu halten und nur dann zu bremsen, wenn es wirklich nicht anders geht. Eigentlich kehrt er hier zum zweiten Teil der Reihe, zu „Der Vollstrecker“ zurück, nimmt die brillante finale Tanklastzugverfolgung und stilisiert sie zur kinetischen Konzeptkunst. Viele der schier unfassbaren, lebensbedrohlichen Einlagen sind real gedreht. Nur einmal dominieren die Bits and Bytes deutlich, am Ende des ersten Akts, als Max und einige der Warboys mit ihren Karosserien in einen gigantischen Sandsturm geraten.

Die Behauptung, die vielerorts zu hören war und von der Marketing-Abteilung massiv unterstützt wurde, „Fury Road“ käme fast ganz ohne CGI aus (Miller behauptete, 90 Prozent der gedrehten Szenen seien reales Filmmaterial), kann aber entkräftet werden. Von den 2.400 Einstellungen im Film sind fast alle am Computer angefasst worden. In nahezu allen Einstellungen wurde der Himmel ausgetauscht. Ganze Kulissen wie eine mehrfach durchfahrene Schlucht oder die Zitadelle des Immortan Joe sind Computerprodukte. Furiosa, herausragend entschlossen von Charakterdarstellerin Charlize Theron verkörpert, bekam digital über die gesamte Laufzeit einen Arm "amputiert".

Zudem ist die Farbgestaltung stark bearbeitet. Miller verabschiedete sich gezielt vom reellen und haptischen Stil der Vorgänger und setzte auf eine übersättigte, aber auch akzentuierte Farbregie. Die unwirkliche Postapokalypse nähert sich damit aber noch mehr der Optik von Comicheften an, denen die früheren „Mad Max“-Filme in ihrer Erzähllogik stark ähnelten. Tatsächlich lässt sich „Fury Road“ fast als abstraktes Kunstwerk betrachten, in dem nur noch Bewegungsabläufe, Töne und Farbkombinationen eine Rolle spielen. Dialoge gibt es eh kaum, eine Handlung ohnehin nicht. Oliver Kaever schrieb für die Zeit, man wähne sich in einer „Mischung aus überlangem Rammstein-Video und einem Gemälde von Hieronymus Bosch“.

Im Kern ist Miller mit dieser sorgfältig bestimmten Montage schneller Aktionsmomente ganz nah am Kino des Sergei Eisenstein, entfernt sich von den Westernmythen, die bei „Mad Max“ immer mitschwangen, und liefert ein entrückt-barockes Kino der Impressionen. Eine so große (Budget: 150 Millionen Dollar) hemmungslose Spielwiese fernab aller Genereprogrammatik ist eine absolute Ausnahmeerscheinung.

Man darf aber auch anmerken, dass der radikale Verzicht auf das Erzählerische dazu führen kann, sich hier einem leeren Spektakel gegenüber zu sehen. Hat man sich an den Actionabläufen, den grellen Wüstenoberflächen und der bizarren Szenendekorierung einmal satt gesehen – wofür die nicht endende Verfolgungsjagd reichlich Gelegenheit bietet – mangelt es dem filmischen Unterfangen rasch an Fallhöhe. Bei aller handwerklicher Brillanz fällt auf, dass es an einem Mel Gibson fehlt, dessen raues Charisma mehr als nur Behauptung war, dessen Menschlichkeit hinter den starrenden Augen immer durchschimmerte. Tom Hardy erweist sich derweil als Fehlbesetzung, schnauft und grunzt sich durch eine bemerkenswert wirre Darstellung. Der Guardian verspottete ihn treffend als „Macho Mr. Bean“.

Max ist ohnehin nur eine Nebenfigur dieses Films, der sich Furiosa und den Sexsklavinnen verschreibt. Im Vorfeld war bekannt geworden, dass Miller die Autorin der berüchtigten „Vagina-Monologe“, Eve Ensler, als feministische Beraterin und Skriptdoktorin engagiert hatte. Im Internet schäumten die rechten Fans, man wolle „Mad Max“ verweiblichen. Doch der progressive Anstrich, der irgendwo in den Ansätzen der dünnen Geschichte gesteckt haben mag, bleibt unter dem Wüstenstaub verborgen. Über Geschlechterbilder oder patriarchale Herrschaftsstrukturen, sexuelle Ausbeutungen und Machtverhältnisse hat Miller nichts zu erzählen.

Dass die Furiosa-Figur dennoch gut ankam, ist wohl in erster Linie Charlize Theron zu verdanken – womit es etwas kurios anmutet, dass Miller ganze neun Jahre später ausgerechnet diesem Charakter einen eigenen Ableger widmete, sich dort aber entschloss, ihre Vorgeschichte zu erzählen, und Theron so der deutlich jüngeren Anya Taylor-Joy weichen musste.

Die einen störten sich am figürlich und narrativ dünnen Überbau, der große Rest erfreute sich an der monumentalen Materialschlacht. In jedem Fall gelang „Mad Max: Fury Road“ eine seltene Ausnahmeleistung: Als vierter Teil einer kultigen Reihe gelang ihm deren Renaissance nach mehreren Jahrzehnten. Millers Film stach bei Veröffentlichung aus dem gleichförmigen Blockbusterkino der Konkurrenz heraus und begriff Action als formalistisch: sie ist nie psychologisch motiviert oder in der Handlungsentwicklung verhaftet, sondern in ihrer technischen Perfektion ausschließlich Selbstzweck. Mit diesem Fest für Puristen strafte George Miller seine Zweifler Lügen – und sorgte nachhaltig dafür, dass die „Produktionshölle“ für Cineasten keinen verlässlichen Indikator mehr darstellt.
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Re: Mad Max - Der Road Warrior aus dem Wasteland

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Ja, da empfinde ich bei vielem sehr ähnlich. Hab den bisher nur im Kino gesehen und das ist ein paar Jahre her. Aber natürlich hat der Film ein Null an Story und eine enorm uncharismatische, fast schon überflüssige Titelfigur. Es ist ohnehin ein Furiosa-Film und kein Mad Max Film. Hardy kann Gibson in Sachen Charisma hinter stoischer Mimik überhaupt nicht das Wasser reichen. Trotzdem hat der Film was, gerade weil er auf eine einzige große Verfolgungsjagd reduziert ist. Das ist dann irgendwann repetitiv und leicht ermüdend, funktioniert aber lange Zeit sehr gut. Im Prinzip hatte das Miller schon in mad Max II durchexerziert, aber in Fury Road ist es dann noch puristischer. Das gilt allerdings nicht für die Bilder. Die sind enorm überstilisiert und wirken dementsprechend künstlich. Das muss man nicht mögen, ist aber dennoch ein Kunstwerk in sich, wie eine grelle PopArt-Phantasie.
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Re: Mad Max - Der Road Warrior aus dem Wasteland

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vodkamartini hat geschrieben: 22. Juli 2024 19:47 Hardy kann Gibson in Sachen Charisma hinter stoischer Mimik überhaupt nicht das Wasser reichen.
Ich finde, man muss den Vergleich zu Gibson gar nicht machen, denn gegen den hätten wohl viele abgestunken. Hardy spielt einfach unabhängig davon erschreckend schlecht (und ja, ich halte ihn generell für einen eher schwachen Darsteller). Dieses seltsame Gegrunze die ganze Zeit mag eine Regieanweisung von Miller gewesen sein (Max hat seine Menschlichkeit hinter sich gelassen und verhält sich mehr wie ein instinktgeleitetes Tier), aber auch in seiner Mimik wirkt er seltsam fehl am Platz und teilweise hat es auf mich den Eindruck, dass Miller ihm nicht richtig vermitteln konnte, worum es in der Szene gerade geht. Ganz merkwürdig ist zum Beispiel die Blutspenden-Szene gegen Ende, da würde ich wirklich gerne wissen, was Miller für Anweisungen gegeben hat und was Hardy glaubte, da zu spielen.
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Casino Hille hat geschrieben: 23. Juli 2024 14:46 Ich finde, man muss den Vergleich zu Gibson gar nicht machen, denn gegen den hätten wohl viele abgestunken. Hardy spielt einfach unabhängig davon erschreckend schlecht (und ja, ich halte ihn generell für einen eher schwachen Darsteller). Dieses seltsame Gegrunze die ganze Zeit mag eine Regieanweisung von Miller gewesen sein (Max hat seine Menschlichkeit hinter sich gelassen und verhält sich mehr wie ein instinktgeleitetes Tier), aber auch in seiner Mimik wirkt er seltsam fehl am Platz und teilweise hat es auf mich den Eindruck, dass Miller ihm nicht richtig vermitteln konnte, worum es in der Szene gerade geht.
Das ist definitiv so. Hardy hat sich später auch mal bei Miller entschuldigt, dafür dass er ihn am Set schlichtweg nicht verstanden hat und deshalb teilweise wohl auch sehr frustriert gewesen sein soll.
Bis auf die von der erwähnte Blutspendeszene hat sich das aber nie auf mich übertragen und ich mag ihn als Max sehr. Aber ich halte ihn auch generell für einen sehr starken Darsteller :D

Hast du Furiosa auch gesehen? Da würde mich deine Einschätzung auch sehr interessieren.

Dass Fury Road storyarm wäre würde ich so übrigens nicht unterschreiben. Ich finde der erzählt eine ganze Menge. Nur eben deutlich subtiler. Handlung hat der Film tatsächlich nicht viel, Story in meinen Augen schon.
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Re: Mad Max - Der Road Warrior aus dem Wasteland

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dernamenlose hat geschrieben: 23. Juli 2024 19:28 Dass Fury Road storyarm wäre würde ich so übrigens nicht unterschreiben. Ich finde der erzählt eine ganze Menge. Nur eben deutlich subtiler. Handlung hat der Film tatsächlich nicht viel, Story in meinen Augen schon.
Wenn, dann andersrum. Fury Road hat viel Handlung / Plot, denn es passiert ja die ganze Zeit irgendwas, aber er hat wenig Geschichte / Story, weil es ihm an tieferen Motiven, Figurenentwicklungen, Themen usw. fehlt. Gerade in Anbetracht dessen, dass Miller eine gefeierte Feministin aktiv in den Schaffensprozess einbezog, ist der feministische Überbau (den die Dame damals vorab vollmundig ankündigte) sehr dünn. Aber auch ansonsten dürfen sich die meisten Figuren wenig bis gar nicht entwickeln, jeder zentrale Charakter bleibt auf eine Charakteristik heruntergebrochen beschränkt (was okay ist, Miller arbeitet mit Archetypen) ... Da ist in meinen Augen wenig erzählerisches los. Weiter oben hab ich was von "es ist fast abstrakte Kunst" (Action als purer Formalismus über zwei Stunden gedehnt) geschrieben und ungefähr so sehe ich das dann tatsächlich auch. Ein Erzählinteresse seitens Miller erkenne ich in der Dauer-Materialschlacht nicht - wie gesagt: abgesehen von der netten Pointe, dass sie irgendwann einmal umdrehen und den ganzen Weg wieder zurückfahren.
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Re: Mad Max - Der Road Warrior aus dem Wasteland

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Das ist ein Paradebeispiel für Style over Substance, aber ein bewusst gewähltes. Puristisches Actionkino im gefilterten Pop-Art-Gewand. Kann man mal machen und alle Jubeljahre funktioniert das auch ganz gut (siehe 300). Nur irgendwie glaube ich, dass da wenig nachhallt. Der Hype war hier sehr schnell vorbei, wie Furiosa zeigt. Auch wenn der wiederum mehr Story anbietet.
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Re: Mad Max - Der Road Warrior aus dem Wasteland

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Casino Hille hat geschrieben: 23. Juli 2024 20:53 Wenn, dann andersrum. Fury Road hat viel Handlung / Plot, denn es passiert ja die ganze Zeit irgendwas, aber er hat wenig Geschichte / Story, weil es ihm an tieferen Motiven, Figurenentwicklungen, Themen usw. fehlt.
Dem muss ich deutlich widersprechen. Ja, es passiert die ganze Zeit etwas, aber die Handlung lässt sich trotzdem auf das von dir beschriebene "Die Gruppe fährt von Punkt A zu Punkt B und dann zurück zu Punkt A" herunterbrechen.
Figurenentwicklung gibt es dagegen definitiv. Max entwickelt sich vom instinktgesteuerten emotionslosen Wesen, zu einem Menschen der erst Teamfähigkeit und Vertrauen und schließlich Verantwortungsbewusstsein lernt. Auch wenn er am Ende des Films ein Einzelgänger bleibt und sich eine seiner Kerneigenschaften dadurch nicht (dauerhaft) geändert hat, so sind der Max von Beginn des Films und der Max des Endes zwei völlig unterschiedliche Personen.
Daneben gibt es natürlich auch noch die Geschichte von Nux und seiner Suche nach Bestimmung und Bedeutung, die ihn ebenfalls ändert, wenn auch in geringerem Maße.
Für mich sind die Figuren aber eigentlich mehr Mittel zum Zweck um die Geschichte dieser postapokalyptischen Welt zu erzählen. Und dafür bedient sich der Film einem Haufen von Themen und Motiven. Sei es Hoffnung, Bestimmung, Verantwortung, Macht oder Gier. Dass es Fury Road an diesen Dingen fehlen sollte hallte ich für absurd. Im Gegenteil, der Film hat deshalb so eingeschlagen und unter vielen Filmfans bis heute diese herausragende Bedeutung, weil er seine Geschichte nahezu ausschließlich durch die Bilder erzählt.Und die Geschichte Rechtfertigt die Action, bzw. wird durch sie erzählt. So sehr ich auch die John Wick Filme liebe, aber die können in diesem Punkt beispielsweise nicht mithalten. Denn warum hunderte Profikiller, die alle wissen, dass John Wick der wohl gefährlichste Mann der Welt ist sich ihm ohne jede Deckung entgegenschmeißen wird storytechnisch nicht gerechtfertigt. Es sieht aber halt cool aus. Da sehe ich "style over substance". Bei "Fury Road" sehe ich das nicht, nahezu jede Tat von jeder Figur ergibt sich völlig schlüssig aus dem, was Miller in seinen Bildern präsentiert bzw. erzählt hat. Er erzählt DURCH die Action und das auf eine in meinen Augen sehr gelungene Art und Weise.
vodkamartini hat geschrieben: 23. Juli 2024 20:24 Die Story passt selbst auf einen Bierdeckel, der nur einen schmalen weißen Rand hat. Hardy ist ein Darstelle Omi sehr wenig Ausdrucksmöglichkeiten, vor allem aber mit sehr wenig Charisma. Er ist bullig und strahlt eine gewisse Bedrohlichkeit aus, aber das war´s dann auch schon.
Gut, da gehen unsere Meinungen dann wohl auseinander. Extrem. Für mich ist er ein Darsteller, der alleine durch seine Augen mehr ausdrücken kann als andere mit ihrem gesamten Gesicht. Auch wenn "Fury Road" weit davon entfernt ist sein Potential wirklich zu nutzen.
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Re: Mad Max - Der Road Warrior aus dem Wasteland

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dernamenlose hat geschrieben: 24. Juli 2024 14:11 Max entwickelt sich vom instinktgesteuerten emotionslosen Wesen, zu einem Menschen der erst Teamfähigkeit und Vertrauen und schließlich Verantwortungsbewusstsein lernt. Auch wenn er am Ende des Films ein Einzelgänger bleibt und sich eine seiner Kerneigenschaften dadurch nicht (dauerhaft) geändert hat, so sind der Max von Beginn des Films und der Max des Endes zwei völlig unterschiedliche Personen.
Zwei völlig unterschiedliche Personen sehe ich da nicht - was sehr viel damit zu tun hat, dass Miller sich am Anfang keine Zeit nimmt, um das "emotionslose Wesen" von Max zu etablieren. Im Gegenteil ist er ja jemand, der von der ersten Szene an mit Visionen von seiner Vergangenheit geplagt ist, ein Trauma mit sich herum trägt (also doch gar nicht so emotionslos ist), und dann später zu Beginn des dritten Akts aufgrund seines Traumas kurz überlegt, die Gruppe um Furiosa zu verlassen, ehe er ihnen doch hinterher fährt und ihnen den entscheidenden Tipp gibt, mit dem sie Immortan Joe besiegen können. Aber das ist so sehr auf extrem kurze Momente heruntergebrochen, dass ich da keine große Entwicklung erkennen kann.

Max ist die erste halbe Stunde des Films als Figur gar nicht präsent (er ist der ultimativ passive Held und schaut die erste, spektakulärste Verfolgungsjagd des Films nur unbeteiligt zu), trifft dann auf Furiosa und lässt sich da innerhalb weniger Minuten auf ein Zweckbündnis mit ihr ein (wenn auch aus der Not geboren, weil er ohne sie den Truck nicht fahren kann). Dann schenkt sie ihm Vertrauen, er erwidert es und von da an passiert mit ihm nicht mehr viel, außer besagte Szene, in der er sich nicht von seinem angedeuteten Trauma vom Helfen abhalten lässt. Aber gerade die Szene ist emotional hilflos underwritten. Furiosa fragt: "Willste mit?" Er sagt: "Nö." Dann folgt eine 30-sekündige Traumsequenz / Rückblende - und schwupps hat er seine Meinung geändert.

Das ist alles logisch und muss so sein, wenn Miller eben hauptsächlich eine zweistündige Actionszene zeigen will und Charaktermomente (oder alles sonstig erzählerische) so gering wie möglich halten möchte - von der Veranlagung macht er da für mich alles richtig -, aber es führt eben auch dazu, dass das, was skriptseitig vielleicht mal veranlagt war, keinerlei Entwicklung bekommen kann und darf. Selbes Spiel bei der Nux-Figur: Warum wechselt der irgendwann die Seite? Weil das rothaarige Mädel so attraktiv ist? :lol: Eine richtige Glaubenskrise wird bei ihm nicht herausgearbeitet, er behält bis zum Schluss seine religiös-fundamentalistische Ideologie bei. Warum er den Glauben an Immortan Joe verloren haben soll, wird nicht schlüssig.
dernamenlose hat geschrieben: 24. Juli 2024 14:11 Für mich sind die Figuren aber eigentlich mehr Mittel zum Zweck um die Geschichte dieser postapokalyptischen Welt zu erzählen. Und dafür bedient sich der Film einem Haufen von Themen und Motiven. Sei es Hoffnung, Bestimmung, Verantwortung, Macht oder Gier. Dass es Fury Road an diesen Dingen fehlen sollte hallte ich für absurd. Im Gegenteil, der Film hat deshalb so eingeschlagen und unter vielen Filmfans bis heute diese herausragende Bedeutung, weil er seine Geschichte nahezu ausschließlich durch die Bilder erzählt.
Ich bezweifle das, um ehrlich zu sein. Ich denke eher, der puristische Action-Formalismus seitens Miller hat dem Film zu seinem Status verholfen. Genau das lässt sich auch noch immer aus sehr vielen damaligen Internet-Reaktionen auf "Fury Road" herauslesen: "Endlich mal wieder ein Actionfilm, bei dem nicht gewackelt oder schnell geschnitten wird", "100 Prozent handgemachte Explosionen", "Die Tankverfolgung aus Road Warrior auf Steroiden" ... usw. Das ist ein Film, der in meiner Wahrnehmung vor allem für sein zweifelsohne größtenteils makelloses Handwerk geschätzt wird.

Von den von dir angesprochenen Themen erkenne ich in "Fury Road" eigentlich nur das der Hoffnung - wenn Furiosa und der Rest der Mädels-Clique ins buchstäbliche Nichts der Salzwüste fahren, in der wagen Vorstellung, irgendwann vielleicht einen Garten Eden zu finden, dann ist das ein starkes Bild. Und das Wassermotiv bedingt natürlich eine gewisse quasi-mythologische Assoziation zum Lebenselixier und da Immortan Joe eine wandelnde Leiche ist, ein verrotteter Körper unter einer martialischen Rüstung, ist seine Hortung der Wassermengen der Zitadelle eine interessante Komponente. Aber es bleibt eben bei diesen Ansätzen, denn danach fahre ich mit Furiosa und dem bekloppten Maximilian zwei Stunden durch Namibia, über irgendwelche Dünen und durch irgendwelche Schluchten und erfahre ansonsten wenig von der Welt, in der das alles spielt - von den Heavy Metal / Sadomaso Kostümen der Gegenspieler mal abgesehen (die im zweiten Teil der Reihe aber präziser sind).

Besonders enttäuschend ist dann, dass "Fury Road" sich im Vorfeld bewusst als feministischer Actionfilm behauptet hat, aber am Ende nur auf ein paar platte Visualisierungen für patriarchale Unterdrückungen kommt (beispielsweise das "Melken" von Muttermilch), und ansonsten wenig bis kein Interesse an diesen Themen zeigt. Dass in diesem Zusammenhang gerade die Beziehung von Max (der Mann, der sich der Truppe anschließt) und Furiosa komplett asexuell bleibt, ist schon geradezu bemerkenswert.
vodkamartini hat geschrieben: 23. Juli 2024 20:24 Hardy ist ein Darstelle Omi sehr wenig Ausdrucksmöglichkeiten, vor allem aber mit sehr wenig Charisma.
Ja, seh ich auch so. Wenn man bedenkt, wie viele im Internet ihn regelmäßig für einen guten James Bond halten würden ... oh je! :D
Hardy verkörpert eine bestimmte, recht "moderne" Vorstellung von roher Männlichkeit, durch die er als Typ-Besetzung in einigen Filmen durchaus Sinn ergibt (bspw. "Bronson", "The Bikeriders" oder die TV-Serie "Peaky Blinders"). Ich sehe da bei ihm aber meist eher die Limitierungen. Er befindet sich selten in den Zwischentönen oder in Nuancen und ist eher ein Darsteller, der über Gesten arbeitet. Das kann dann, wenn man ihm eine eher überzeichnete Figur schreibt schnell ins hemmungslose Overacting ausarten (siehe: "Venom", "The Dark Knight Rises") oder zu sehr kühlem Understatement führen (siehe: "Inception", "Dame König As Spion").

Bei Mad Max bietet sich der Direktvergleich zu Mel Gibson sicher an, allerdings wird die Rolle in "Fury Road" stark anders angelegt. Gibson spielt - trotz des Charakternamens - nie einen wirklich Wahnsinnigen, sondern einen zutiefst gebrochenen Nihilisten, der seinen Schmerz unter einer stoischen Erscheinung verbirgt. Die Vergleiche zu Drifter-Figuren wie Clint Eastwood in Sergio Leones Italowestern kommt nicht von ungefähr (nur das wir für den keine Hintergrundgeschichte erhalten und Eastwood eine listenreiche Spitzbubigkeit in sein Spiel einfließen lassen darf, was Gibson verwehrt bleibt). Bei Hardy ist Max dann tatsächlich Mad und zeigt psychopathische Schübe, was aber auch der Tatsache geschuldet sein dürfte, dass Hardy eben in groben Tönen besser funktioniert als in feinsinnigen.

Schade ist, dass diese Rollenauslegung nicht wirklich konstant ist, er einerseits animalisch und grobschlächtig erscheinen, andererseits aber auch intelligent und präzise ist. Dafür kann Hardy nichts - sehr wohl aber dafür, wie sprunghaft er innerhalb einziger Szenen chargiert.
dernamenlose hat geschrieben: 23. Juli 2024 19:28 Hast du Furiosa auch gesehen? Da würde mich deine Einschätzung auch sehr interessieren.
Ja, im Kino. Wenn er auf Blu-ray raus ist, werde ich auch noch was zu dem ausführlich schreiben, um die Max-Reihe komplett zu haben. Aber nur mal so viel: Mir hat da vieles gar nicht gefallen, vor allem die Besetzung der Hauptfigur, einige erzählerisch dilettantische Momente und hauptsächlich die sehr schwachen CGI-Effekte, das sah auf der Leinwand teils gruselig schluderig aus.
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Re: Mad Max - Der Road Warrior aus dem Wasteland

300
Casino Hille hat geschrieben: 24. Juli 2024 14:45 Zwei völlig unterschiedliche Personen sehe ich da nicht - was sehr viel damit zu tun hat, dass Miller sich am Anfang keine Zeit nimmt, um das "emotionslose Wesen" von Max zu etablieren. Im Gegenteil ist er ja jemand, der von der ersten Szene an mit Visionen von seiner Vergangenheit geplagt ist, ein Trauma mit sich herum trägt (also doch gar nicht so emotionslos ist), und dann später zu Beginn des dritten Akts aufgrund seines Traumas kurz überlegt, die Gruppe um Furiosa zu verlassen, ehe er ihnen doch hinterher fährt und ihnen den entscheidenden Tipp gibt, mit dem sie Immortan Joe besiegen können. Aber das ist so sehr auf extrem kurze Momente heruntergebrochen, dass ich da keine große Entwicklung erkennen kann.
Ich schon. Ja, er trägt von Beginn an ein Trauma mit sich herum, aber zu Beginn rennt er vor ihm weg und lässt damit verbundene Emotionen nicht zu. Auf dem Weg von A nach B wird dann funktioniert das dann nicht mehr. Er ist zunächst gezwungener Maßen, dann freiwillig im Bund mit einer Gruppe, die für einander kämpft und nicht jeder für sich. Er lernt Vertrauen und Zusammenarbeit und reflektiert wohl auch ein bisschen seine Vergangenheit. Sein Ratschlag an Furiosa "Hope is a mistake. If you can´t fix what´s broken, you´ll go insane." zeigt einerseits ein Maß an Interesse und Fürsorge ihr gegenüber, sagt aber andererseits viel mehr über ihn selbst und seine Vergangenheit aus. Andere Filme würden da jetzt eine Rückblende zeigen, oder ihn erzählen lassen, was ihm schlimmes widerfahren ist und was ihn zu dem gemacht hat, was er jetzt ist, aber "Fury Road" verzichtet daraus. Und aus dem, was wir bisher von dieser Welt gesehen haben in Kombination mit diesen zwei Sätzen erfahren wir mehr als genug. Ja, das ist nur ein kurzer Moment, aber er sagt für mich mehr aus, als andere Filme es in zehn Minuten schaffen. Für mich ist die Entwicklung zu dem Max, der an Punkt B beschließt nicht länger vor seiner Vergangenheit wegzulaufen, sondern aus ihr zu lernen und Verantwortung wahrzunehmen völlig schlüssig. Underwritten ist für mich da überhaupt nichts.
Casino Hille hat geschrieben: 24. Juli 2024 14:45 Das ist alles logisch und muss so sein, wenn Miller eben hauptsächlich eine zweistündige Actionszene zeigen will und Charaktermomente (oder alles sonstig erzählerische) so gering wie möglich halten möchte - von der Veranlagung macht er da für mich alles richtig -, aber es führt eben auch dazu, dass das, was skriptseitig vielleicht mal veranlagt war, keinerlei Entwicklung bekommen kann und darf.
Ich sehe halt nicht, dass dieser Film eine große Zahl von "Charaktermomenten" bräuchte. Die Action ist integraler Bestandteil dieser postapokalyptischen Welt. Sie ist Ausdruck dessen, was diese Welt prägt. Sie ist das Lebensziel der Warboys, die einzige Form der Konfliktlösung, Ausdruck von Gier und Macht der Anführer und ein Hindernis für jeden, der aus dieser Logik ausbrechen will. Dadurch erzählt er das Wesen dieser Welt und damit das was sämtliche Figuren geprägt hat. Kleine Einschübe wie die oben beschriebenen reichen dann um eine gewisse Tiefe der Charaktere zu erreichen. Natürlich sind sie nicht die vielschichtigsten Charaktere der Filmgeschichte, aber sie sind auch nicht platt wie Flundern oder vollkommen starr ohne Entwicklung. Aber der eigentliche Star ist hier ohnehin die Welt Es wird eine Geschichte aus dieser zugrunde gegangenen Welt erzählt mit ihr selbst als Hauptperson. Und das funktioniert für mich absolut großartig und ist erzählerisch interessanter als die meisten anderen Actionfilme, die ich bisher gesehen habe.
Casino Hille hat geschrieben: 24. Juli 2024 14:45 Selbes Spiel bei der Nux-Figur: Warum wechselt der irgendwann die Seite? Weil das rothaarige Mädel so attraktiv ist? Eine richtige Glaubenskrise wird bei ihm nicht herausgearbeitet, er behält bis zum Schluss seine religiös-fundamentalistische Ideologie bei. Warum er den Glauben an Immortan Joe verloren haben soll, wird nicht schlüssig.
Vollständig herausgearbeitet wird das nicht, dass ist richtig. Der Film gibt da nur Hinweise. Er zeigt, dass Nux den Eindruck hat versagt zu haben uns seine Chance auf Valhalla vertan wurde. Von der Rothaarigen bekommt er aber das, was Immortan Joe ihm nie geben konnte: Wertschätzung. Und so verschreibt er sich (immer noch auf der Fury Road wo ein Warboy ja hingehört) einer neuen Bestimmung. Wir wissen ja nicht, wie genau der "Glaube" der Warboys eigentlich aussieht. Wer genau Immortan Joe für sie eigentlich ist. Ein Gott? Ihr einziger Gott? Ein Abgesandter der Götter, der die Sterblichen nach Valhalla geleitet? Nux tut auch "im Dienste" der Flüchtenden das gleiche wie zuvor, er kämpft auf der Fury Road. Und da er sich von Immortan Joe nichts mehr erhofft, da dieser sein Scheitern gesehen hat ist es durchaus nachvollziehbar, warum er nun einen anderen Weg wählt auf der Fury Road zu kämpfen und zu sterben. Detailliert erzählt der Film das nicht, aber ich behaupte einfach mal, dass er es auch nicht muss. Zu viel Erklärung würde da in meinen Augen eher stören.
Casino Hille hat geschrieben: 24. Juli 2024 14:45 Ich bezweifle das, um ehrlich zu sein. Ich denke eher, der puristische Action-Formalismus seitens Miller hat dem Film zu seinem Status verholfen. Genau das lässt sich auch noch immer aus sehr vielen damaligen Internet-Reaktionen auf "Fury Road" herauslesen: "Endlich mal wieder ein Actionfilm, bei dem nicht gewackelt oder schnell geschnitten wird", "100 Prozent handgemachte Explosionen", "Die Tankverfolgung aus Road Warrior auf Steroiden" ... usw. Das ist ein Film, der in meiner Wahrnehmung vor allem für sein zweifelsohne größtenteils makelloses Handwerk geschätzt wird.
Dafür Zweifellos auch, wobei der Punkt "Nicht schnell geschnitten" ziemlich absurd ist, da Fury Road sehr schnell geschnitten ist. Er wirkt durch das Centerframing nur zu keiner Sekunde unübersichtlich oder hektisch. Die Erzählung durch die Bilder wurde aber auch schon bei damaligen Kritiken gelobt, wenn sich Filmkritier oder ähnliche heute über den Film äußern wird das noch häufiger erwähnt. Ja, das makellose Handwerk ist ein wichtiger Punkt, vielleicht sogar der wichtigste, aber ich bin definitiv nicht der einzige, der ihn dafür schätzt eben nicht nur das zu sein.
Casino Hille hat geschrieben: 24. Juli 2024 14:45 Von den von dir angesprochenen Themen erkenne ich in "Fury Road" eigentlich nur das der Hoffnung - wenn Furiosa und der Rest der Mädels-Clique ins buchstäbliche Nichts der Salzwüste fahren, in der wagen Vorstellung, irgendwann vielleicht einen Garten Eden zu finden, dann ist das ein starkes Bild.
War nicht der ganze Weg dorthin schon geprägt von Hoffnung. Bis auf Furiosa hat niemand den grünen Ort je gesehen und trotzdem folgen die Frauen ihr in der Hoffnung dorthin zu gelangen. Furiosa ist getragen von der Hoffnung Immortan Joes Horde entkommen zu können, etwas anderes als Hoffnung kann einen nicht zu einem solchen Harakiri-Vorhaben motivieren. Max gibt ihr seinen Rat bezüglich Hoffnung, weil er sieht was sie antreibt, die gesamte Rückfahrt ist geprägt von der Hoffnung die Zitadelle erreichen zu können, etc. Da ist schon noch mehr als dieses eine schöne Bild.
Casino Hille hat geschrieben: 24. Juli 2024 14:45 Aber es bleibt eben bei diesen Ansätzen, denn danach fahre ich mit Furiosa und dem bekloppten Maximilian zwei Stunden durch Namibia, über irgendwelche Dünen und durch irgendwelche Schluchten und erfahre ansonsten wenig von der Welt, in der das alles spielt - von den Heavy Metal / Sadomaso Kostümen der Gegenspieler mal abgesehen (die im zweiten Teil der Reihe aber präziser sind).
Wie schon oben geschrieben: Die Action erzählt zumindest mir eine ganze Menge über die Welt, über ihre Figuren, ihre Motive und ihre Beziehungen. Wenn sie dir da nichts erzählt ist das schade, aber daran kann ich dann vermutlich nix ändern. Wobei sie dir ja auch manches erzählt haben muss, sonst könntest du dich beispielsweise nicht über Nux´ Entwicklung wundern. Seine Religiosität, bzw. die der Warboys im Allgemeinen wird ja ausschließlich über die Action erzählt. Es gibt nie eine Exposition, in der sie eingeführt wird. Das passiert einfach durch die Bilder.
Casino Hille hat geschrieben: 24. Juli 2024 14:45 Ja, seh ich auch so. Wenn man bedenkt, wie viele im Internet ihn regelmäßig für einen guten James Bond halten würden ... oh je!
Dazu gehörte ich definitiv auch. Aber inzwischen ist er zu alt, als dass sich das noch lohnen würde.
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