Patrice hat geschrieben: 8. April 2024 19:44
Ab London wird gesagt, dass das Virus auf jede Person übertragen wird. Das geht so lange weiter, bis irgendjemand, der die Bots in sich trägt, die Zielperson berührt. Warum zum Teufel sagt Q zu Bond über das Radio kurz vor dem letzten Treppenaufstieg, dass das Virus ungefährlich ist, solange Bond nicht bei der Zielperson ist? Was stimmt den nu? Ist das Virus frei übertragbar, oder muss das Virus an Person X ausgesetzt werden, die definitiv in Kontakt zur Zielperson steht, da eine Übertragung an dritte nicht möglich ist?
Ja, das ist nicht direkt unlogisch, aber aus Autorensicht ein bisschen dämlich. Q erklärt vorher ganz eindeutig, dass es theoretisch reicht, EINEN einzigen Menschen mit tödlichen Nanobots zu infizieren, da die sich per Berührung auf jeden Menschen übertragen und so irgendwann bei der Zielperson ankommen würden. Dann sagt er zum infizierten Bond aber, er brauche sich ja nur von Madeleine und Mathilde fernhalten und der antwortet: "Das wird nicht funktionieren."
Genau; stimmt auch, James. Für Madeleine und Mathilde wäre das Spiel aus, sobald Bond irgendeinen Menschen berührt, denn der berührt wieder weitere, die berühren wieder weitere und irgendwann sterben Frau und Kind. Und es ist unglücklich, dass der Typ, der das vorher erklärt hat, im Finale plötzlich die Spielregeln selbst vergessen hat.
Man kann das erklären: Er ist Bonds Freund, er will ihn nicht sterben sehen, er redet ohne Nachzudenken drauf los. Aber ich würde als Drehbuchautor auch nicht unbedingt die "intellektuelle, wissenschaftliche Instanz" etwas so eindeutig falsches sagen lassen, wenn es im direkten Widerspruch zum tatsächlichen Kontext der Sachlage steht. Das ist - wie vieles - im Detail nicht durchdacht.
Patrice hat geschrieben: 8. April 2024 22:10
warum kümmert er sich nicht selbst um die Sicherheit seiner eigenen Familie?
Darauf gibt es eine eindeutige Antwort: Weil NTTD ein Bond-Film ist und damit Bond der Held sein muss, der die Welt rettet. Und das ist eine von vielen Stellen, die sich durch die ganze Craig-Ära ziehen, wo Broccoli, Wilson, Purvis, Wade und der jeweilige Regisseur sich nicht festlegen können und die Komfort-Zone nicht zu arg verlassen wollen. Die letzten paar Filme sollen persönlicher sein, sie sollen charaktergetrieben sein, sie sollen den "Menschen" James Bond näher beleuchten, aber wann immer man diese intimere Grundhaltung zugunsten der alten Formel opfern kann, wird dies sofort gemacht.
In SP hat man den ganzen Bruder-Plot reingeschrieben, Blofeld und Bond zu persönlich verbundenen Rivalen gemacht, Blofelds ganzes Treiben als persönliche Vendetta neu interpretiert. Es gibt den "Author of all pain"-Monolog, es gibt das Aufeinandertreffen mit der Glasscheibe, es gibt die "Kuckuck"-Metapher und so weiter, aber Bond reagiert auf diesen ganzen Kram
nie. Bond steht souverän über allem drüber. Blofeld ist ein gekränkter Quasi-Bruder, aber Bond geht mit Blofeld in SP so um wie in jedem anderen Bond-Film früher. Und das ist schwach. Diese ganze Hintergrundgeschichte ist ein einziges narratives Gimmick, um die persönlichen Einsätze für Bond zu erhöhen, aber sie können es nicht wirklich persönlich werden lassen, weil Bond eben immer Bond bleiben muss. Wenn das aber die Haltung ist, dann braucht man es gar nicht zu machen.
Ein richtig emotionaler Bond in SP, der von der ganzen Oberhauser-Sache richtig angefasst ist, ist das Letzte, was ich sehen will. Als Fan ist mir der "klassische" Bond lieber. Aber ich mag mir auch keinen Apfel als Birne verkaufen lassen. Wenn ihr es machen wollt, dann macht es richtig.
Und NTTD macht genau denselben Fehler. Das soll doch ein intimer und persönlicher Film sein, ein Film über einen älteren James Bond, der die Liebe seines Lebens findet, sie seiner Charakterfehler wegen von sich stößt, diesen Irrtum (zu) spät einsieht, endlich eine Familie findet und quasi auf der Schwelle zum Glück dann für das größere Wohl sterben muss. Also: Macht doch einfach den Film. Wozu Nanobots und Weltbedrohung, wozu Schurken-Hideout und Endlos-Action, wozu Nomi und Paloma und Felix und und und... Das ist doch gar nicht der Film, den vor allem Daniel Craig und Barbara Broccoli machen wollten. Das, was die beiden erzählen wollten, ist Bonds Tod und seine tragische neu gefundene Familie auf dem Weg dorthin. Der Rest sind Nebelkerzen.
Nomi als Figur würde für mich sofort zigfach besser funktionieren, wenn sie in Norwegen in die Action involviert wäre und Safins Männer ausschalten würde, während Bond bei seiner Familie bleibt. Nomi als Figur würde für mich sofort zigfach besser funktionieren, wenn sie im Showdown die Welt retten würde und Bond mit seiner Familie davonfährt, um deren Sicherheit zu gewährleisten. Das wäre der persönlichere Film. Nomi als seine Nachfolgerin macht jetzt "seinen Job" (auch symbolisch dadurch, dass sie eben genau das tut, was normalerweise Bond in diesen Filmen tun würden), während er ein intimes, nur auf sich, sein Glück und seine Familie bezogenes Finale durchstehen müsste. Er könnte dann meinetwegen auch sterben.
craigistheman hat geschrieben: 8. April 2024 12:07
Wieso auch nicht auf's Ganze gehen und den Showodown so gestalten, dass Nomi die Tore öffnet, während Bond mit seiner Familie entkommt während sich Safin an deren Fersen häftet, so à la Max Cady in Cape Fear?
Genau so. Ich werde glaube ich auch dann, wenn wir bei Bond-Film 30 angekommen sind (circa im Jahr 2147) noch nicht verstehen, wieso man nicht genau das gemacht hat. Das wäre das logische Finale eines tatsächlich persönlichen und intimen Bonds. Die ganze Einführung der Nomi-Figur ergäbe so viel mehr Sinn (gerade in der aktuell nicht existenten Verknüpfung zum thematischen Rest des Films), wenn sie im Film tatsächlich seine Rolle übernehmen würde. Aber das darf nicht sein, weil man in den Craig-Filmen "alles anders" machen, aber dabei "bloß nichts ändern" möchte. Ein zugegeben generelles Problem im aktuellen Franchise-Kino Hollywoods. Alles soll neu und modern sein, Helden müssen dekonstruiert und psychologisiert werden, aber das Publikum soll trotzdem das serviert bekommen, was es immer bekommen hat (denn Zuschauer sind Gewohnheitstiere), also bekommt man immer nur was Halbes, zum vollen Preis natürlich.