Der Informationsfluss in OP ist etwas seltsam. Als Zuschauer erfährt man nicht unbedingt chronologisch die Hintergründe der Schmuggelaffäre, und daher geht es vermutlich vielen Fans so, dass ihnen dieser Film insbesondere etwas konstruiert und merkwürdig vorkommt – wenngleich das in TLD und TWINE nochmal ähnlich ist. Allen drei Bonds ist nämlich gemein, dass die Pläne der Schurken und die Abläufe ihres Plans schon zu weiten Teilen ins Rollen geraten sind, ehe Bond überhaupt aktiv wird, und das zudem einige Teile des Plans off screen ablaufen und sich nur aus einem sauberen "zwischen den Zeilen" lesen ergeben.Nico hat geschrieben: 5. Dezember 2023 11:16 Ich hab diese ganze Schmuggelgeschichte nie verstanden.
Was bei OP erschwerend hinzukommt, ist die Tatsache, dass mindestens zwei Details nicht so hundertprozentig erklärt werden, weil da entweder eine Dialogzeile aus dem Skript geflogen ist oder man schlicht glaubte, das Publikum könne auch so folgen und es sei daher nicht elementar, alles bis ins kleinste Detail aufzudröseln.
Ich schlüssel das gerne mal auf. Immerhin habe ich jüngst OP auf Platz 1 meiner Rangliste gesetzt und Lust, über den tollen Film zu reden.
1.) General Orlov, Kamal Khan und Octopussy (bürgerlich: Octavia Charlotte Smythe
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2.) Kamal Khan lässt die echten Kunstschätze von Indien aus mittels Octopussys Zirkus in den Westen schmuggeln. Dort werden sie dann an private Händler auf dem Schwarzmarkt verkauft. Im Film wird gesagt, dass er Khan selten kauft und meistens verkauft, oft Dinge von zweifelhafter Herkunft. Laut des Films handelt es sich bei Kamal Khan um einen afghanischen Prinzen im Exil. Da Khan und Orlov gemeinsame Geschäfte machen, könnte man sich zusammenreimen, dass Khan wohl wegen seiner Sowjet-freundlichen Gesinnung aus seinem eigenen Land geflohen ist. Mit dem Schmuggelgeschäft finanziert er sich weiter seinen distinguierten Playboy-Lifestyle.
3.) Auf irgendeine Weise bekommt der britische Geheimdienst mit, dass auf dem Londoner Schwarzmarkt russische Schätze verkauft werden. Da sie vermutlich davon ausgehen, dass die Russen sich auf diesem Weg Devisen beschaffen, um verdeckte Operationen zu unterstützen, wird 009 auf den Schmugglerring angesetzt. Irgendwie erfährt der bei seinen Ermittlungen von der Kooperation zwischen Orlov und Khan und von Octopussys Zirkus, wodurch es ihm gelingt, die Fälschung eines Fabergé-Eies zu stehlen. Bei seiner Flucht wird er aber entdeckt und von den messerwerfenden Zwillingen ermorden. Allerdings gelingt es ihm trotzdem, das Ei in Sicherheit zu bringen, sodass es beim MI6 landet.
4.) Der britische Geheimdienst ist verwirrt. 009 wurde tot mit diesem gefälschten Fabergé-Ei aufgefunden. Parallel soll das echte Fabergé-Ei bei Sotherbys versteigert werden. Der Verkäufer dürfte ein Privathändler sein, der es von Kamal Khan erworben hat und jetzt selbst zu Geld machen will.
5.) General Orlov erfährt, dass in wenigen Tagen eine Inventur im Kreml gemacht werden soll. Die Fälschungen würden vielleicht nicht auffallen, aber das ein wertvolles Fabergé-Ei nicht auffindbar ist, könnte Verdacht erregen. Also hat er jetzt ein Problem: Die Fälschung hat 009 gestohlen und das Original hat Khan bereits verkauft. Er informiert daher Khan und sagt diesem, dass er bei Sotherbys unbedingt das Ei erwerben muss, damit es so schnell wie möglich nach Russland gebracht werden kann und der Schwindel im Kreml bei der Inventur nicht auffliegt.
6.) Kamal Khan geht zu der Auktion, bei der auch Bond zugegen ist. Er erfährt, dass Khan normalerweise Dinge verkauft. Jetzt aber geht er mit seinen Geboten weit über den Kaufpreis, um das Fabergé-Ei zu bekommen. Bond hat daher den Verdacht, dass Khan das Ei kaufen muss und keine andere Wahl hat. Er treibt den Preis künstlich in die Höhe und tauscht unbemerkt das Original gegen die Fälschung aus, die 009 gestohlen hat.
7.) Khan kauft das Ei zurück – weiß aber nicht, dass er jetzt die Fälschung bekommen hat und nicht das Original (es kann ihm theoretisch auch egal sein – Hauptsache, das Ei ist rechtzeitig im Kreml). Er informiert Orlov, dass dieser es in Indien abholen soll, um es zurück nach Russland in den Kreml zu bringen. Dann aber taucht beim Backgammon in Indien plötzlich der Mann von der Auktion, nämlich James Bond, auf und hat ein identisches Fabergé-Ei bei sich. Da Khan ja glaubt, er habe das Original gekauft, muss er jetzt davon ausgehen, Bond sei in Besitz der gestohlenen Fälschung. Der Verdacht liegt also nahe, dass Bond ein Geheimagent oder Ermittler ist, der den Fall des gefälschten Eies untersucht.
8.) So oder so: Khan braucht das andere Ei unbedingt, da es ein Beweis für die Schmuggelaktivitäten von ihm und Octopussy ist. Er setzt daher erst Gobinda auf Bond an, dessen Mordanschlag aber scheitert. Als er sich mit Octopussy berät, verbietet ihm diese, Bond zu töten. Daher wird Magda darauf angesetzt, 007 zu verführen und ihm das Ei zu stehlen. Es gelingt ihr. Khan hat jetzt "beide" Fabergé-Eier, das Original und die Fälschung. Trotzdem will Khan wissen, wer ihm auf den Fersen ist und wie viel Bond bereits weiß, also wird dieser entführt und soll in Khans Palast gefoltert werden.
9.) Als Bond nachts im Palast die Flucht gelingt, bekommt er mit, wie General Orlov mit seinem Hubschrauber in Indien eintrifft und sich mit dem Khan trifft. Hier berichtet Kamal Khan seinem russischen Partner stolz, dass er die gestohlene Fälschung zurückbekommen habe (präsentiert Orlov dabei aber das echte Ei, da er nie erfahren hat, dass die Eier von Bond bei Sotherbys vertauscht wurden). Gleichzeitig übergibt er ihm das tatsächlich gefälschte Ei (beide halten es für das Original), damit der General es im Kreml platzieren kann.
10.) Orlov hat mittlerweile seinen eigenen Plan gefasst. Er will die nächste große Schmuggel-Lieferung ohne Octopussys Wissen durch eine Atombombe auszutauschen, und diese bei einer Zirkusvorstellung auf einem US-Waffenstützpunkt in Westdeutschland detonieren zu lassen. Jeder soll daraufhin glauben, dass es eine amerikanische Bombe war, die versehentlich explodiert ist. Er glaubt, damit die westdeutschen Abrüstungskampagnen zu befeuern und den daraus folgenden Abbau militärischer NATO-Anlagen nutzen zu können, um die sowjetische Staatsführung davon zu überzeugen, den Westen zu überfallen.
11.) Da Orlov ein hitziges Temperament hat und es reicht, eines der Eier im Kreml zu platzieren, zerbricht er vor Wut das Fabergé-Ei, welches er für die Fälschung hält. In Wahrheit hat er jetzt das Original zerdeppert. Ein wenig irritierend ist für uns Zuschauer, dass Kamal Khan auf diesen Wutausbruch sehr schockiert guckend reagiert, weshalb man denken könnte, Khan wüsste, dass Orlov das echte Ei zerschlagen hat. Dem ist nicht so. Da Khan mit den echten Schätzen Geld verdient, bedeutet die Zerstörung der vermeintlichen "Fälschung" und die Rückgabe des vermeintlichen Original-Eies in den Kreml für ihn schließlich, dass ihm ein ordentlicher Batzen Moneten durch die Finger geht.
12.) Bond entkommt aus Khans Palast und macht später im Film die Bekanntschaft mit Octopussy. Jetzt erfahren wir, warum Khan von ihr dazu angehalten wurde, 007 nicht zu töten: Sie möchte selbst mit James Kontakt aufnehmen, um sich bei ihm dafür zu bedanken, dass der vor vielen Jahren ihren Vater Major Dexter Smythe nicht ermordete (wie es sein Auftrag war), sondern ihm die Möglichkeit eines ehrenvollen Suizids einräumte. Sie schützt Bond vor Khan, der daraufhin Schergen anheuert, um Bond zu töten. Octopussy darf dabei nicht sterben oder von Khans Einmischung erfahren, da er und Orlov sie und ihren Schmuggel noch brauchen, um die Atombombe nach Westdeutschland zu schmuggeln.
13.) Bond wird "getötet" (er entkommt in Wahrheit aus Octopussys Palast) und nimmt in Ostdeutschland wieder die Verfolgung auf. Jetzt erfährt er, dass der Kunstschatz durch Orlov heimlich ausgetauscht wird. In die Kanone, in der sonst die Schmuckstücke verborgen sind, wird eine Atombombe eingebaut. Die wertvollen Kunstschätze enthält Kamal Khan hingegen als mehr als üppige Bezahlung. Da Khan aber mit nach Westdeutschland fährt und man die Juwelen jetzt nicht mehr über die Grenze schmuggeln kann (denn am Platz des Schatzes ist ja nun die Nuklearwaffe), also nimmt Orlov sie erstmal wieder an sich. Der Plan ist wohl, dass Orlov die Schmuckstücke später in Indien Khan als Bezahlung überreicht, sobald die Explosion erfolgt ist.
14.) Bei der Inventur im Kreml fliegt auf, dass viele der Zarenschätze durch Fälschungen ausgetauscht wurden. Gogol und Co. reisen daraufhin nach Ostdeutschland, um General Orlov zu verhaften.
15.) Bond stiehlt eines der Autos von Orlovs Männern – dummerweise jenes, in welchem die Schmuckstücke (die später als Bezahlung für den Khan gedacht sind) platziert wurden und verwendet es bei seiner Flucht, um zum fahrenden Zirkuszug zu gelangen. Dabei wird das Auto in einem See versenkt und kurz darauf von Gogol geborgen, der die echten Schätze im Kofferraum findet (wodurch diese nach Ende des Films wieder im Kreml landen – bis auf das zerstörte Fabergé-Ei ist also zumindest der gegen die Bombe ausgetauschte Teil des Zarenschatzes (die finale Schmuggelfuhre) wieder dort, wo er hingehört).
16.) Als Orlov mitbekommt, dass Bond den Zug bestiegen hat, jagt er diesem fanatisch nach und stürmt dabei auch über die innerdeutsche Grenze, wodurch er von DDR-Soldaten erschoßen wird. Gogol kommt "gerade rechtzeitig", um den Tod Orlovs noch mitanzusehen. Dessen Bemerkung, er werde bald "ein Held der Sowjetunion" sein, besorgt Gogol zwar immens, aber da der Zug schon in Westdeutschland ist, hat er keine Möglichkeit mehr, etwas zu unternehmen.
17.) Der Rest des Films sollte verständlich sein: Bond entschärft in letzter Sekunde die Atombombe und rettet allen das Leben. Octopussy erfährt so, dass Kamal Khan sie verraten hat und stürmt mit ihrer Zirkustruppe in Indien dessen Palast, um sich zu rächen. Der kratzt gerade alles an Geld zusammen, was er noch hat, um sich abzusetzen, kann Octopussy gefangennehmen und 007 muss in letzter Sekunde den Tag (bzw. die Frau) retten.
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Alles klar? Es gibt nun ein paar wenige Kleinigkeiten, die der Film zugegeben nicht optimal erklärt. Etwas unglücklich ist in jedem Fall die Szene, in der Orlov das Ei zerstört, da Khans Reaktion schnell zu falschen Schlussfolgerungen verleitet und die Sache unnötig kompliziert macht. Ebenfalls etwas suboptimal dürfte zudem die Szene in Ms Büro sein, die auf die Auktion bei Sotherbys verweist.
Dort mutmaßen M und Sir Frederick Gray, dass der Verkäufer des Fabergé-Eies (und einiger anderer Wertgegenstände, die bei Sotherbys gelandet sind) ein Russe sei, was aber nicht stimmt. Außerdem wird betont (als Anspielung auf eine Fleming-Kurzgeschichte), das Fabergé-Ei sei aus dem Besitz einer Dame. Unweigerlich werden manche Zuschauer dabei denken, dass die Titelfigur Octopussy gemeint ist – dem ist aber nicht so.
Das Ei kann sich zu dem Zeitpunkt nicht mehr im Besitz von Khan und Octopussy befinden, da sie es dann ja nicht erst kaufen müssten. In Wahrheit haben sie es auf dem Schwarzmarkt weiter verkauft und ihr Käufer verhökert jetzt mehrere der Objekte bei Sotherbys – Glück im Unglück, da sie ja so die Chance erhalten, das Ei noch einmal zurückzubekommen. Die Szene in Ms Büro suggeriert durchaus, dass dieser mysteriöse Verkäufer von Relevanz für den Film sein wird (und als kurz darauf gesagt wird, Khan verkaufe normalerweise Dinge von zweifelhafter Herkunft, muss der Zuschauer denken, dass Khan selbst der Verkäufer des Eies ist, aber was aber wenig Sinn ergibt). In Wahrheit erfahren wir nie, wer der Verkäufer ist, weil es keine Rolle spielt, welche Schwarzmarktkunden Khan bedient.
Außerdem ist es zugegeben sehr seltsam, dass der ominöse Verkäufer so deppert ist, dass er gestohlene russische Kunstschätze bei Sotherbys versteigert. Immerhin verkauft der Kerl da Objekte, die sich eigentlich im Kreml befinden müssten. Es würde mich nicht wundern, wenn ursprünglich im Drehbuch geplant war, dass die Russen von diesen Versteigerungen wissen und die Inventur, die Orlov und Khan überhaupt erst in die Scheiße reitet, nur deswegen angesetzt wird. Dann würde sich auch erklären, warum Orlov das Original-Ei (bzw. was er dafür hält) zur Sicherheit in den Kreml zurückbringen will und die vermeintliche "Fälschung" daher zerstört da sie diese nun tatsächlich nicht mehr brauchen.
Oder aber es war angedacht, dass die Russen erst später im Film davon erfahren und die Fälschungen deshalb bei der stattfindenden Inventur auffliegen. So oder so: Man muss die Kröte schlucken, dass in Sotherbys seelenruhig Schmuckstücke versteigert werden, die sich eigentlich im Besitz der Sowjetunion befinden müssten. Möglich ist aber natürlich, dass der Verkäufer und die Herren bei Sotherbys nicht wissen, dass dieses spezifische Fabergé-Ei normalerweise im Kreml liegen müsste. Es gibt ja viele von den Dingern und einige sind in Russland, andere aber in Privatbesitz.
Ich hoffe, meine Aufschlüsselung war jetzt einigermaßen verständlich und hilft bei der nächsten OP-Sichtung vielleicht dem ein oder anderen.