vodkamartini hat geschrieben: 4. Januar 2023 14:48
Also Anatol, jetzt stell dir mal Rockys nächtliche Selbsfindungsfahrt ohne Teppers "No easy war out" bzw. rein instrumental vor und Ankunft plus Trainingsauftakt in Russland ohne Survivors "Burning Heart" und sag mir ganz ehrlich, dass du das viel besser finden würdest.
Also wenn das so ist, dann sollten aber alle Filme ab sofort nur noch mit Gesang gezeigt werden!
Also bei Shivago und Love Story bin ich zum Glück schon längst entschlummert, bis der goldene Prager losschmalzen kann.
Shot Down In A Blaze Of Glory – So starb Billy the Kid
Young Guns II (1990) – Geoff Murphy
Nein, der sechs Jahre nach dem Ableben von Sam Peckinpah entstandene Young Guns II (YG2) hat natürlich direkt nichts mit der Regie-Legende zu tun. Da er in meinen Augen aber ein wunderbares Gegenstück zu Peckinpahs Pat Garrett & Billy the Kid darstellt und darüber hinaus beide Filme auch noch ein paar schöne Parallelen bzw. Bezüge zueinander aufweisen, möchte ich ihm hier ein paar Zeilen widmen.
Der vergleichsweise günstig produzierte Neo-Western Young Guns, welcher die Geschichte der Regulatoren um Billy the Kid während des Lincoln County War erzählt, entpuppte sich im Jahr 1988 als veritabler Hit. Einer der Gründe dafür war sicherlich auch, dass man für die Besetzung der Regulatoren mit Emilio Estevez, Charly Sheen, Kiefer Sutherland, Lou Diamond Philips und Dermot Mulroney auf einige der seinerzeit gerade angesagtesten Jungstars Hollywoods zurückgriff. Grund genug für das produzierende Studio Morgan Creek bereits zwei Jahre später eine Fortsetzung in Auftrag zu geben, dieses Mal aber mit erheblich mehr Aufwand. Und als Geschichte suchte man sich keine andere aus, als eben jene, die bereits Peckinpah 1973 verfilmt hatte: der Konflikt zwischen Billy the Kid und seinem alten Freund Pat Garrett.
Vergleicht man die beiden Filme, dann fällt zunächst einmal auf, dass beide den (nahezu) gleichen Stoff komplett unterschiedlich bearbeiten. Setzte Peckinpah ganz auf seine zentralen Figuren und Leitmotive, welche er mit eher lose zusammenhängenden Episoden zu einem elegisch-wehmütigen Abgesang auf die großen Mythen vermengte so ist der vom Neuseeländer Geoff Murphy inszenierte YG2 praktisch das perfekte Gegenstück, da er den Mythos um Billy the Kid mit durchgängiger Dramaturgie, viel Vitalität und Lebensfreude regelrecht zelebriert.
Parallelen findet man wie bereits gesagt aber durchaus. So erinnern einzelne Sequenzen von YG2 nicht nur aufgrund der gemeinsamen historischen Vorlage an Peckinpahs Klassiker, sondern auch weil Murphy hier ganz offensichtlich den großen Vorgänger seinen Respekt zollen wollte. Am deutlichsten wird dies vermutlich in der Sequenz mit Billys Flucht und dem Tod Bob Ollingers, aber auch die Szenen in Fort Sumner sowie die Belagerung des Blockhauses weisen Ähnlichkeiten auf. Dennoch: wie im gesamten Film weiss YG2 auch in diesen Szenen seinen ganz eigenen Stempel aufzudrücken, vor allem durch einen wesentlich leichteren Ansatz mit viel Humor, wodurch ein enorm hoher Spass- und Gute-Laune-Pegel erreicht wird.
Allerdings ist gerade die Ollinger-Szene ein perfektes Beispiel dafür, dass der Film trotz der hohen Humor- und Sprüchedichte (Billy witzelt nachdem er Ollinger erschossen hat und dieser zuvor – wie bei Peckinpah – über seine 18 Dimes philosophiert hatte: „Best Dollar eighty I ever spend“) immer auch den etwas ernsteren Aspekte der Geschichte Rechnung trägt (in diesem Fall durch die Erschiessung Bells, welche Billy sichtlich an die Nieren geht). Und das ist auch wichtig, da vor allem in der zweiten Filmhälfte kräftig gestorben wird. Da ist es dann schon bemerkenswert, wie mühelos der Film den Spagat zwischen Humor und Ernsthaftigkeit hinbekommtSpoiler
(so ist der Tod von Chavez eine der anrührendsten und schönsten Momente des Films)
.
Die vielleicht schönste Parallele zum Peckinpah-Film ist aber die Besetzung von James Coburn in der Chisum-Rolle. Coburn kehrte mit YG2 erstmals wieder auf die große Leinwand zurück, nachdem er zuvor krankheitsbedingt ein halbes Jahrzehnt nicht arbeiten konnte. Und welcher Film wäre für sein Comeback perfekter gewesen, als die Neu-Erzählung eines seiner größten Erfolge. Coburns Rolle mag überschaubar sein, aber mit seiner Präsenz und schauspielerischen Qualität adelt er den Film. Und es ist passenderweise auch er, der Pat Garrett rekrutiert und auf die Jagd nach Billy the Kid schickt.
Überhaupt ist die Besetzung von YG2 einer seiner grössten Trümpfe. Die Jungstars agieren durch die Bank überzeugend und werden von einer mit zahlreichen Charakterdarstellern und -Köpfen durchzogenen Besetzung tatkräftig unterstützt. Absolut brillant agiert erneut Emilio Estevez in der Titelrolle, dem es wie selbstverständlich gelingt, seinem jungenhaften Schalk immer wieder auch etwas düstere Aspekte zu entlocken. Estevez Darstellung ist schlicht begeisternd und man kommt nicht umhin festzustellen, dass er absolut perfekt für die Rolle war.
Wie bereits erwähnt agiert YG2 im Gegensatz zu PG&BTK mit einer durchgängigen Dramaturgie. Die bekannte Geschichte wird um etliche Aspekte bereichert, so setzt die Handlung bereits deutlich früher ein und zeigt Billy und Pat noch zusammen ihrem ungesetzlichen Tun nachgehen. Ebenfalls deutlich mehr wird auf die politischen Ränkespiele eingegangen, so behandelt der Film etwa den „Deal“ zwischen Billy und Gouverneur Wallace über eine Begnadigung, welcher sich aber als Finte herausstellt und Billy kurzzeitig hinter Gittern bringt. Auch ist YG2 ganz klar ein „Billy the Kid“-Film, währen die Garrett-Figur hier deutlich im Hintergrund bleibt. Ein weiterer bereichernder Unterschied zur Peckinpah-Fassung ist die Rahmenhandlung um Brushy Bill, einen steinalten Cowboy, der im Jahr 1950 über einen Rechtsanwalt eine Begnadigung für seine 70 Jahre zurückliegenden Taten – als Billy the Kid - erreichen will. Nicht nur liefert dies einen stimmungsvollen Einstieg in den Film, sondern über den als Erzähler auftretenden Brushy Bill auch eine schöne Ambivalenz: ist er wirklich Billy the Kid? Ein netter Kniff, da so der eigentlich kraft der historischen Fakten feststehende Ausgang der Geschichte für den Zuschauer doch durchgängig offen bleibt.
YG2 ist eine spektakuläre Neu-Interpretation des Billy-the-Kid-Mythos und macht genau das, was man sich eigentlich von allen Sequels und Remakes wünschen würde: es zieht konsequent sein eigenes Ding durch und kann einem bekannten Stoff so seinen ganz eigenen Blick abgewinnen. Eine fabelhafte Besetzung, eine schwungvoll-einfallsreiche Inszenierung, eine wendungsreich-abwechselnde Handlung, farbige Figuren mit durchaus etwas Tiefgang, ein sensationeller Soundtrack von Alan Silvestri (einer seine besten!) und ein schmissiger Titelsong von Jon Bon Jovi – YG2 ist quasi die Hair Metal-Version des Stoffes. Mehr Pose als Substanz? Ja, das ist wohl so, aber hell yeah – was für eine Pose!
Wertung 9 / 10
Dieser Fan-Trailer gibt einen schönen Einblick in den Film, die Spoiler-Warnung kann man ruhig ignorieren, da nichts wesentliches verraten wird:
Ich mag den auch. Esteves passt super in die Rolle, er verkörpert sowohl die kindliche Ausstrahlung wie auch die kaltblütige Gefährlichkeit des echten Kid sehr überzeugend.
Wie Peckinpahs Film ist auch Young Guns II vor allem ein sehr typischer Vertreter seiner Entstehungszeit (minus der gesellschaftskritischen Ansätze, was aber auch wiederum sehr gut in die Zeit passt). Schnell flott, direkt, mit Pop/Rock-Titelsong und deutlichen Anleihen bei der mit Miami Vice salonfähig gewordenen MTV-Ästhetik. Zwar von 1990, aber Filme dieses und auf jeden Fall noch der kommenden zwei Jahre atmen den typischen 80er-Geist, der ja auch erst so 1983/1984 durchgängig erkennbar ist.
William Petersen steht nicht so im Zentrum wie weiland Coburn, aber auch er macht seine Sache sehr gut, (schade, dass er nicht mehr solche Highlights wie To Live and Die in LA verbuchen konnte).
Sonderlich spannend ist er zwar nicht, was er mit Peckinpahs Version teilt, aber wie das Vorbild (sofern es eines war) lebt er von Stimmungen und seinen Darstellern.
Casino Hille hat geschrieben: 4. Januar 2023 13:25
Nein, aber den schönen "Das Gold der sieben Berge" von Gordon Douglas mit unserem Roger M007e habe ich gesehen, der war durchaus hübsch, hat mir Spaß gemacht.
Ja, der ist auch gut. Sein zweitbester Western, wobei Douglas auch viele mittelmäßige und einige schwache Western gedreht hat.
Barquero käme dann danach, zusammen mit Yellowstone Kelly, aber Rio Conchos ist viel besser.
Dann muss ich mir "Rio Conchos" mal ansehen. Ich habe dennoch eine Schwäche für "Barquero", der reißt mich mit, den finde ich auch in seiner Grundsituation schon sehr spannend und aufregend. Vermutlich werte ich den deutlich besser, als er letztlich ist, aber Lee van Cleef ist hier einfach so cool wie sonst nie und ich hab einen merkwürdig engen Zugang zum Film.
Der Estevez-Western klingt auch interessant, General Gogol, muss ich mir unbedingt ansehen.
Casino Hille hat geschrieben: 5. Januar 2023 12:57
Der Estevez-Western klingt auch interessant, General Gogol, muss ich mir unbedingt ansehen.
Da du ja ein großer Prince of Thieves-Fan bist könnte der tatsächlich genau das richtige für dich sein, die Filme sind sich durchaus ähnlich (und haben beide Christian Slater im Stinkstiefel-Modus ).
Casino Hille hat geschrieben: 5. Januar 2023 12:57
Dann muss ich mir "Rio Conchos" mal ansehen. Ich habe dennoch eine Schwäche für "Barquero", der reißt mich mit, den finde ich auch in seiner Grundsituation schon sehr spannend und aufregend. Vermutlich werte ich den deutlich besser, als er letztlich ist, aber Lee van Cleef ist hier einfach so cool wie sonst nie und ich hab einen merkwürdig engen Zugang zum Film.
Ja, ich mag den ja auch, aber auf einem kleineren Level.
Stilistisch ist da nicht alles so gelungen. Und die stärkste Figur ist für mich die von Forrest Tucker, während ich LvC eher ok als wirklich gut empfinde, und der durchgeknallte Warren Oates ist auch nicht ganz so gut wie er vielleicht sein könnte. Dafür gibt es noch viele einprägsame Nebendarsteller.
Die beiden Young Guns Western müsste ich noch mal schauen, aber ich fand die beide nur so halb gelungen.
In Deutschland waren die glaube ich im Kino praktisch gar nicht zu sehen, damals waren Western im Kino wirklich mausetot.
Na na na na na na na na na na na na na na na na... SPOILER!
Bring Me The Head Of Alfredo Garcia (Sam Peckinpah, 1974)
"There ain't nothing sacred about a hole in the ground. Or the man that's in it. Or you. Or me."
Dass Pat Garrett und Billy the Kid mit vereinten Kräften die letzten Brücken zwischen Sam Peckinpah und der Produktionsmaschinerie Hollywoods niederbrannten konnte Bloody Sam nur kurz aufhalten. Schon im nächsten Jahr kehrte er zurück mit einem bizarren mexikanischen Low-Budget-Film über einen ausgebrannten Racheengel und seinen letzten verbliebenen Freund und Gesprächspartner: Einen verrottenden menschlichen Kopf. Dass Alfredo Garcia deutlich kleinere Brötchen backt zeigt sich nur schon deswegen, weil hier ein William Holden, Dustin Hoffman oder Steve McQueen fehlt und stattdessen Warren Oates, der in Peckinpah's frühen Western auf Nebenrollen abonniert war, zum Hauptdarsteller befördert wird. Oates packt die Gelegenheit beim Schopf und liefert mit fieser Rotzbremse und Sams Sonnenbrille im Gesicht eine darstellerische Tour de Force.
Peckinpah gelang es mit Alfredo Garcia auf meisterliche Weise, Exploitations-Skurrilitäten und den Tiefgang der figürlichen Tragik unter einen Hut zu kriegen. Frauenheld Alfredo Garcia hat auf seinen amourösen Abenteuern die Tochter des falschen mexikanischen Tycoons geschwängert und wird zum Ziel einer grossangelegten Kopfgeldjagd. Ohne das Wissen seiner Jäger hat Garcia allerdings schon bei einem Autounfall den Löffel abgegeben. Oates nimmt als abgebrannter, das Geheimnis kennender Bartender Bennie trotzdem die Herausforderung an. Das Ziel: Alfredo aus dem Sarg buddeln, im wahrsten Sinne des Wortes das Kopfgeld kassieren und mit der Belohnung endlich seine Freundin Elita an den Traualtar und in ein besseres Leben führen.
Im Zentrum des Films stehen zwei zwischenmenschliche Beziehungen. Da wären einmal Bennie und Elita als Paar, das ähnlich wie die McCoys in The Getaway vor einige Prüfungen gestellt wird. Doch während die McCoys ihre Probleme überwinden können und mit Geld, Freiheit und ihrer gefestigten Liebe nochmal von vorne beginnen, bleibt Bennie und Elita dies verwehrt. Peckinpah reisst Elita kurz vor dem Ziel aus dem Leben und schickt Bennie damit auf seinen blutigen Feldzug und Oates schwitzt, weint, schiesst, blutet und schreit sich durch die Folgen seines tragischen Schicksals als der vielleicht mehrdimensionalste aller Peckinpah-Protagonisten. Dann ist da aber noch die Beziehung zwischen Bennie und Alfredo Garcia. Lebend begegnen sich die beiden kein einziges Mal (nicht zuletzt weil Alfredo sowieso nie lebend auftritt), aber am Ende hat Bennie wegen Alfredo nicht nur alles verloren, eine Affäre des mexikanischen Gigolos mit Elita ist auch eine der genannten Beziehungsprüfungen, die Bennie mit seinem Heiratsantrag zunächst zu überwinden scheint, bevor ihn und Elita das tragische Schicksal ereilt. Doch damit nicht genug, am Ende, nach Elitas Tod ist der faulige Kopf des Gigolos das letzte, was Bennie noch geblieben ist und das bizarre Duo absolviert den letzten Schritt der Reise, den blutigen Rachefeldzug durch die Hierarchie der Kopfgeldjäger, gemeinsam.
Die schaurige Friedhofsszene, in der Alfredos Grab aufgerissen wird, gliedert den Film in seine zwei Teile. Bennie mit und Bennie ohne Elita, und damit auch Bennie mit der Hoffnung auf den perfekten Ausweg in ein neues Eheleben und Bennie als gebrochener Mann, der nichts mehr zu verlieren hat und keinen mehr zum Reden in seinem Auto, ausser dem stinkenden Leichenteil, das ihm die gesamte Misere eingebrockt hat. Rundherum scheint sich nicht viel verändert zu haben, das Leben der Guten und Bösen in Mexiko, von Peckinpah einmal mehr schwelgerisch in seiner folkloristischen Pracht inszeniert, geht weiter. Aber für Bennie hat es alles verändert und damit trumpft der Film eben am meisten auf. Er lässt einen am tragischen Schicksal seines Protagonisten teilhaben.
Mit Bring Me The Head Of Alfredo Garcia nimmt sich Peckinpah eine besonders gewagte Prämisse vor (diesmal wirklich). Doch unter dem schrägen mexikanischen Revenge-Actioner schlummert die bemerkenswert tragische Odyssee eines Mannes auf der Zielgeraden, nachdem er alles verloren hat. Es geht in Peckinpahs zehntem Spielfilm primär um einen Kopf, aber eigentlich ist es ein Film, der zu Herzen geht.
Achtung! Die Review enthält Spoiler und konkrete Hinweise auf die Handlungs- und Figurenentwicklung. Wer den Film also nicht kennt bzw. nicht vorab zu viele Informationen bekommen möchte, der sollte ab jetzt nicht weiterlesen!
Bring Me The Head Of Alfredo Garcia (1974) – Sam Peckinpah
Bring Me The Head Of Alfredo Garcia (BMTHOAG) war nach den vielen studio-bedingten Querelen um die Produktion des Vorgänger-Filmes Pat Garrett & Billy The Kid für Peckinpah in mancherlei Hinsicht ein Befreiungsschlag. Der außerhalb des Studio-Systems, vollständig in Mexiko gedrehte Film ermöglichte es dem kontroversen Regisseur endlich wieder vollumfänglich Einfluss auf das fertige Werk zu nehmen. Und so ist BMTHOAG nicht nur einer der persönlichsten Filme von Peckinpah, sondern auch einer seiner düstersten – Die aufzehrenden Kämpfe um Pat Garrett & Billy The Kid hatte eindeutige Spuren hinterlassen.
Gleichwohl BMTHOAG zahlreiche Parallelen zu Sams Vorwerk aufweist, so unterscheidet er sich doch in einer auswegslosen, grundsätzlich pessimisitischen Kernaussage weitgehend von seinen Vorgängern . Dass Peckinpah das Scheitern seiner Figuren thematisiert, das ist wahrlich nichts neues, allerdings ist BMTHOAG weit mehr als das: es ist eine düstere Reise in den Abgrund. Nicht nur, dass die zentrale Figur des heruntergekommenen, amerikanischen Bar-Pianisten Bennie im Verlauf des Films alles was ihm lieb und teuer ist verliert – er verliert auch seine Hoffnung. Und das ist wohl auch der Punkt, indem sich BMTHOAG maßgeblich von seinen Vorgängern unterscheidet: hier gibt es keine Hoffnung, keinen Lebensmut, keine romantisierte Verklärung, wie man sie bei aller Untergangsstimmung immer doch auch in Peckinpahs Vorwerken antreffen konnte.
Im Stile eine griechischen Tragödie lässt Peckinpah von Anfang an keinen Zweifel daran, dass Bennies fatale Entscheidung, sich in die Vendetta eines mexikanischen Großgrundbesitzers hineinziehen zu lassen, ihn zwangsläufig in den Abgrund führen wird. Immer wieder setzt Sam gezielte Hinweise auf die Unausweichlichkeit des bevorstehenden Schicksals, so können aufmerksame Ohren bereits in dem Moment, als Bennie das Angebot von seinen zwielichtigen Auftraggebern (Gig Young und Robert Webber als eine Art seriöse Version von Mr. Wint und Mr. Kidd) erhält, sich an der Jagd nach Alfredo Garcias Kopf zu beteiligen, im Hintergrund die Geräusche eines Vekehrsunfall wahrnehmen.
Dies bleibt nicht die einzige Warnung, doch Bennie – bestrebt davon seinem in seinen Augen nicht zufriedenstellenden Leben eine entscheidende Wendung zu geben – nimmt keine davon wahr. In einer der Schlüsselszenen – welche in ihrer friedlichen Natur-Idylle einen herben Kontrast zum Rest des Films darstellt – prophezeit ihm seine Lebensgefährtin Elita bereits exakt den weiteren Verlauf der Geschichte. Sie werde ihn verlassen, sollte Bennie tatsächlich den Körper des toten Alfredos entweihen – was genau so auch eintrifft (wenn auch anders, als man Elitas Worte zunächst versteht). Mit jedem Stück Weges, das Bennie zurücklegt auf dem Weg zu Alfredos Grab (und damit immer weiter weg von den eigenen morlalischen Werten) begibt er sich weiter an den Abgrund.
So ist dann auch die Beinahe-Vergewaltigung von Elita durch The Kid und seinen Hippie-Kollegen die vielleicht grösste Warnung an Bennie, sein unseliges Vorhaben doch noch sein zu lassen. Auch, weil ihm hier klar vor Augen geführt wird, was er zu verlieren hat – nämlich die Liebe seines Lebens, Elita. Bei allem düsteren Fatalismus gelingt es Peckinpah darüberhinaus auch meisterhaft die Liebe zwischen Bennie und Elita dem Zuschauer auf sehr wahrhaftige Art nahezubringen. Ja, die Gefühle des oft so kalt und zynischen Benny für Lupita sind echt und der spröde Gringo bringt es sogar über sich, dies zu artikulieren. Hier offenbart sich ein weiteres Kernthema des Films: ein Mann, der sein bereits vorhandenes Glück nicht erkennt bzw. nur teilweise zu schätzen weiss, setzt genau dieses aufs Spiel auf einem Kreuzzug nach einer vagen Vorstellung von einem besseren Leben und verliert dabei alles.
Die Szene an Alfredos Grab ist dann der endgültige Point-of-no-return: Bennie verliert nicht nur seine geliebte Elita, sondern damit auch sein vorheriges Leben. Wenn er in einer symbolträchtigen Szene aus Alfredos Grab wiederaufersteht und quasi von den Toten zu den Lebendigen zurückkehrt, dann mag er in gewisserweise „wiedergeboren“ sein, allerdings nun endgültig jenseits aller ihn zuvor zumindest teilweise noch zurückhaltenden Moral. Und auch jenseits des Verstandes, denn seine wiederkehrenden „Dialoge“ mit Alfredos stinkend-verrottendem Kopf lasen ebenfalls keinen Zweifel daran, dass es nicht besonders gut um Bennies Zurechnungsfähigkeit steht.
Was folgt ist eine Spirale der Gewalt, in welcher Bennie die Hintergründe um Alfredos Enthauptung und damit seinem eigenen Unglück zu enträsteln versucht und dabei eine wahre Blutspur hinter sich herzieht. Genau wie sein ehemals heller Leinenanzug im Verlauf der Untergangsreise mehr und mehr verdreckt und verschleisst, so leidet auch Bennies Verstand und seine Seele mehr und mehr unter seinen Taten jenseits jeder Moral. Es ist sicherlich auch der Verdienst von Peckinpahs meisterhafter Inszenierung, dass man trotzdem Sympathie für Bennie empfindet. Mehr noch ist dies aber dem grandiosen Spiel von Warren Oates zu verdanken, der seinen Bennie jederzeit facettenreich und im Guten wie im Schlechten absolut menschlich spielt. Das mag bizarr anmuten angesichts des rabiaten Vorgehens von Bennie in der zweiten Filmhälfte, dennoch gesteht ihm der Film durchgängig auch so etwas wie „relative Moral“ zu. Sein Tun mag gemessen an herkömmlichen Standards moralisch fragwürdig sein, da seine Gegenüber alle aber noch viel fragwürdiger agieren, bleibt bei Bennie ein Rest an Anstand übrig - auch weil er im Umgang mit Alfredo zumindest ein Stückweit seine Menschlichkeit behält.
Dennoch ist seine „Absolution“, welche er sich mit der Erschiessung des Grossgrundbesitzers „El Jefe“ verdient, der die unseligen Vorgänge um Alfredo und damit Bennies Reise in den eigenen Untergang gestartet hat, eine höchst fragwürdige und der Film lässt daran auch keinen Zweifel, da sein Schicksal besiegelt ist. Und so poetisch die letzte Einstellung des Films, ein stummer, frontal gefilmter Gewehrlauf, auch ist, genau so zynisch ist sie auch: alle handelnden Figuren sind tot, es gibt keine Gewinner, nur Verlierer – Pat Garrett hat wahrlich Spuren hinterlassen.
Mit BMTHOAG hat Peckinpah für mich sein zweites, absolut perfektes Meisterwerk abgeliefert. Eine brillante Inszenierung, eine komplexe und jederzeit zielgerichtete Figurenzeichnung und Dramaturgie, ein wunderschön-verstörender Soundtrack von Jerry Fielding, eine einmal mehr grandios besetzte und agierende Darstellerriege um den alles überragenden Warren Oates. BMTHOAG ist aber nicht nur ein düsterer Blick in die menschlichen Abgründe, er ist auch Peckinpah ultimative Liebeserklärung an Mexiko – was angesichts der vielen Gewalt und des Drecks durchaus eine bemerkenswerte Leistung ist und am Ende des so düsteren Films dann doch noch für einen kleinen Lichtblick sorgt.
Jawohl, das sehe ich grösstenteils sehr ähnlich bis identisch, wenn ich mehr Zeit gehabt hätte und besser schreiben könnte wäre etwas ziemlich ähnliches rausgekommen.
Etwas weniger begeistert bin ich vom Ende. Also nicht konzeptionell, da ist es goldrichtig und die einzig logische Konsequenz. Aber die Ausführung finde ich nicht ganz optimal, das geht nach dem tollen Schlusssatz "You take care of the boy. And I'll take care of the father" etwas zu schnell und zu abrupt zu Ende, ist auch ästhetisch nicht die beste Version dieser Bonnie&Clyde-Gedächtnisszene. Aber wie so oft bei Sam ist das Jammern auf ganz hohem Niveau.