Welches sind eure zwei Lieblingsfilme von Sam Peckinpah?

The Deadly Companions (Keine Stimmen)
Ride the High Country (Keine Stimmen)
Major Dundee (Keine Stimmen)
The Wild Bunch
Insgesamt abgegebene Stimmen: 3 (38%)
The Ballad of Cable Hogue (Keine Stimmen)
Straw Dogs (Keine Stimmen)
Junior Bonner (Keine Stimmen)
The Getaway (Ein Mann Explodiert) (Keine Stimmen)
Pat Garrett & Billy the Kid
Insgesamt abgegebene Stimmen: 2 (25%)
Bring me the Head of Alfredo Garcia
Insgesamt abgegebene Stimmen: 2 (25%)
The Killer Elite (Keine Stimmen)
Cross of Iron
Insgesamt abgegebene Stimmen: 1 (13%)
Convoy (Keine Stimmen)
The Osterman Weekend (Keine Stimmen)
Insgesamt abgegebene Stimmen: 8

Re: Passion & Poetry - Die Filme von Sam Peckinpah

211
Mea Culpa, aber ich schaffe es aktuell einfach nicht ausführliche Reviews zu schreiben, aber ich arbeite durchaus mit. ;)

Ein paar Gedanken zu "Getaway"

- eigentlich ein storytechnisch handelsüblicher Thriller; ein Mann will raus, muss dafür dann aber wieder einbrechen, was nicht nach Plan verläuft womit das erneute Einsitzen droht;
- interessant ist, was Peckinpah aus diesen simplen Genre-Versatzstücken heraus holt und durchweg eine fiebrige, gehetzte Atmosphäre schafft;
- der Auftakt ist eine rasante Montage, die in wenigen Bildern Doc McCoy Dilemma schildert; die enervierende Routine im Knast und die Sehnsucht nach seiner jungen Frau;
- die Action ist nach heutigen Maßstäben nicht sonderlich aufregend, aber ihrer Zeit voraus sowohl was Schnitt, Choreographie und vor allem Brutalität betrifft;
- McQueen trägt den Film mühelos und lässt einen wehmütig an das Zeitalter charismatischer Filmstars zurück denken; er braucht kaum Worte um das Innenleben seiner Figur offen zu legen, arbeitet hauptsächlich mit Blicken und Körpersprache und Peckinpah weiß das zu nutzen;
- die damals sehr angesagte Ali MacGraw ist da deutlich limitierter, aber ihre natürliche, teils verletzliche, teils toughe Art harmoniert sehr gut mit McQueens Spiel, die echte Liebesaffäre der beiden dürfte da nicht geschadet haben;
- im Finale zeigt Peckinpah nochmals seine Action-Stärken und unterläuft die Erwartung mit einem positiven Ende;

Insgesamt ein starker Genrefilm, der aber zumindest für mich nicht ganz die Klasse von Bulllit, McQueens zweitem Stoiker-Thriller-Klassiker, erreicht. Der damals hoch gelobte Score von Quincy Jones - Peckinpah wollte ihn eigentlich nicht, aber McQueen setzte sich durch - wirkt auf mich etwas cheesig und reißt mich manchmal aus der Atmosphäre.

Wie gut der Film dennoch ist, beweist das späte Remake von Donaldson, das zwar besser ist als sein Ruf (mit einer besser besetzten und spielenden Hauptdarstellerin), aber praktisch in Vergessenheit geraten ist, weil keinen eigenen Stil, keine Ecken und Kanten aufweisend.
http://www.vodkasreviews.de


https://www.ofdb.de/autor/reviews/45039/

Re: Passion & Poetry - Die Filme von Sam Peckinpah

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Ja, das Ende des Films, daß sie mit dem Geld davon kommen, das war damals im US Genre Kino was Neues. Geworben wurde ja auch mit "they get away with murder", aber natürlich lassen sie nur die als Leichen zurück die das "verdient haben".

Gegenüber Bullitt sehe ich ihn aber als den weitaus besseren Film, mehr noch wenn ich mir McQueens Filmographie anschaue, dann sind die beiden Peckinpah Filme für mich mit Abstand das Beste was er gemacht hat. Handwerklich sowieso.

Re: Passion & Poetry - Die Filme von Sam Peckinpah

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Maibaum hat geschrieben: 31. Dezember 2022 11:24 Gegenüber Bullitt sehe ich ihn aber als den weitaus besseren Film, mehr noch wenn ich mir McQueens Filmographie anschaue, dann sind die beiden Peckinpah Filme für mich mit Abstand das Beste was er gemacht hat. Handwerklich sowieso.
Das mit Bullitt sehe ich auch so, finde den doch recht altbacken. Bzgl. McQs Filmographie bin ich auch bei dir, dass die beiden Pecks da das Beste sind. Mit Abstand? Phhhh, mmmhhh ja, irgendwie schon alleinstehend, aber es gibt auch andere richtig gute Filme vom King of Cool. Le Mans ist auf seine eigene Art auch ein echter Meilenstein, Flammendes Inferno genau so. Das mögen beides vielleicht sehr genre-spezifische Klassiker sein, aber immerhin haben sie auf ihrem Gebiet Maßstäbe gesetzt. Unter filmischen Gesichtspunkten würde ich Gesprengte Ketten, Nevada Smith, Thomas Crown und Papillon noch recht weit vorne sehen (so im 8,5er Bereich) und etwas dahinter Cincinnati Kid, Kanonenboot und die 7 glorreichen Halunken.
"Ihr bescheisst ja!?" - "Wir? Äh-Äh!" - "Na Na!"

Re: Passion & Poetry - Die Filme von Sam Peckinpah

214
Bei mir ist es eher so, dass ich McQueen immer wahnsinnig gerne sehe, aber nicht so sehr seine Filme. Da ist keiner dabei, der mich durchweg begeistert. Bullitt ist für mich die Nummer 1, aber das hat andere Gründe.

"Ob der pessimistisch-lakonische Schluss, die bewusst authentische und gegen filmische Konventionen verstoßende Herangehensweise an den Polizistenalltag, oder die in großen Teilen durch präzise Bilder und Gesten erzählte Handlung, BULLITT fand viele Nachahmer und rief auch noch Jahrzehnte später zitierfreudige Bewunderer wie Michael Mann auf den Plan. Das Finale von HEAT (1995) auf dem Flughafen von Los Angeles, ist eine beinahe ehrfürchtige Vorbeugung vor BULLITT, dessen Schlussakt Mann thematisch, optisch und dramaturgisch aufgreift. Auch heute noch, mehr als 50 Jahre nach seiner Entstehung, steht Yates Film quasi monolithisch in der Polizei-Thriller-Landschaft und lässt den V8 unter der auf den ersten Blick unscheinbaren Inszenierungs-Karosserie bedrohlich blubbern. Mit BULLITT hat die Coolness Genre-Einzug gehalten, womit beide Wortbedeutungen gemeint sind: Kühle und Lässigkeit."

Thomas Crown, Gesprengte Ketten, Cincinnati Kit, alles ganz gute Filme, aber alle zumindest für mich ohne großen Nachhall. Den Junior Bonner habe ich tatsächlich noch nie gesehen, oder kann mich nicht daran erinnern.
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SAMARATHON RUNDE 5 - Pat Garrett & Billy the Kid

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Pat Garrett & Billy the Kid (1973) – Sam Peckinpah

Sam Peckinpah Kämpfe mit seinen auftraggebenden Studios und Produzenten sind legendär und besonders ins kollektive filmhistorische Gedächtnis ein ging seine “Schlacht” um seinen letzten Western, Pat Garrett & Billy the Kid. Peckinpah begriff den Westernmythos um den Tod von Billy the Kid als logische Fortführung seiner vorangegangenen Werke, da auch hier der Verrat von Freundschaft und der Wandel der Zeiten eine entscheidende Rolle einnehmen. Entsprechend schwebte ihm ein eher schwermütiger und charakterorientierter Film vor – ganz im Gegensatz zu seinem geldgebenden Studio MGM, welches eher einen klassischen, actionorientierten Western in dem Stoff sah. Und so kam es, wie es kommen musste: die von Peckinpah vorgelegte Preview-Fassung wurde von MGM als zu langsam und schwermütig abgelehnt und der im Anschluss vom Schnitt ausgeschlossene Peckinpah musste mit ansehen, wie sein Film stark gekürzt und in seiner Wirkung verfremdet veröffentlicht wurde. Zum Klassiker schaffte es der Film dennoch, auch weil in späteren Jahren mit der Preview-Fassung (aka Turner-Cut) und dem sogenannten Seydor-Cut zwei Fassungen nachgereicht wurden, welche den ursprünglichen Intentionen des Regisseurs mehr oder weniger Rechnung trugen.

Hinsichtlich der erwähnten Schlüsselthemen ist die Parallele zwischen dem zum Sheriff „konvertierten“ Garrett, welcher Jagd auf seinen Freund und ehemaligen Mit-Kriminellen Billy macht und Pike Bishop und Deke Thornton aus The Wild Bunch offensichtlich – und dennoch gibt es hier einen gravierenden Unterschied. Im Gegensatz zum unter Zwang handelnden Thornton entscheidet sich Garrett aus freien Stücken sein altes Leben hinter sich zu lassen. Nein, er hat kein wirkliches Interesse daran seinen alten Kameraden zu schaden (und entsprechend lässte er ihnen mehrere Möglichkeiten der Konfrontation zu entgehen), aber romantisierte Freundschaftsideale oder moralische Bedenken stehen ihm bei seinem Vorhaben trotzdem nicht im Wege.

Denn der Film macht schnell klar: Garretts Seitenwechsel und dem damit verbundenen Bruch mit seiner Vergangenheit ist in erster Linie eine Frage der Moral. Pats Handlungen mögen gesetzlich legitimiert sein, moralisch ist sein Handeln mehr als fragwürdig. So ist jedenfalls die Einordnung von Peckinpah, der kaum eine Gelegenheit verstreichen lässt, um zu zeigen wie moralisch degeneriert Garretts Auftraggeber und Partner sind. So wird der Zuschauer Zeuge von Mord, Vergewaltigung und Folter – alles unter dem Deckmantel des Gesetzes. Während die Outlaws um Billy zwar formell außerhalb des Gesetzes agieren, jedoch moralisch dennoch weitgehend richtig handeln. Entsprechend lässt er seinen Film in zwei sich parallel entwickelnen Subplots verlaufen: Pat und Billy treffen gleich zu Beginn und am Ende des Films aufeinander, dazwischen entwickeln sich ihre Subplots unabhängig voneinander (stimmt nicht ganz, da die beiden bei Billys Gefangennahme noch einmal aufeinandertreffen). Auf eine echte Handlung verzichtet Peckinpah dabei, die einzelnen Sequenzen auf dem Weg zum großen finalen Aufeinandertreffen sind vielmehr charakterdefinierende Szenen, in welchen vor allem die bereits erwähnte moralische Komponente herausgearbeitet wird.

Dass sich der filmische Rebell hier eher dem Outlaw Billy verbunden fühlt kann dabei keine wirkliche Überraschung sein, entsprechend ist die weitgehend eindeutige Zuordnung von „gut“ und „verwerflich“ in seinem Film auch nicht sonderlich verwunderlich. Aber mindestens genau so stark wie an der moralischen Komponente zeigt sich Peckinpah eh an der Motivierung seiner Figuren interessiert. Warum entzieht sich Billy trotz diverser Chancen nicht dem Konflikt mit Pat? Warum bleibt Garretts Handeln immer zielgerichtet, obwohl der Film keinen Zweifel daran lässt, dass er sich über die moralische Verwerflichkeit seines Handelns und seiner neuen Partner im Klaren ist. Die Antwort ist so klar wie einfach: sie können beide nicht anders. In einem der Schlüsselsätze in der anfänglichen Begegnung der beiden entgegnet Billy auf Pats Aussage, dass er nun das Gesetz vertrete, da sich die Zeiten geändert haben, dass die Zeiten sich geändert haben mögen, er aber nicht. Entsprechend stellt die Flucht nach Mexiko und damit die Aufgabe seines gewohnten Lebens (welches gleichbedeutend mit seinen Prinzipien ist) keine echte Alternative für ihn dar. Und bei Pat ist es genau umgekehrt: seine Entscheidung die Seiten zu wechseln mag rational nachvollziehbar sein, mit dem Bruch mit seiner Vergangenheit bricht er aber auch mit seinen Prinzipien. In einem seiner gelungensten filmischen Kniffe (der wunderbaren Parallelmontage im Prolog sowie der Spiegelszene nach Billys Tod) macht Peckinpah zweimal deutlich, dass der Verrat seiner Ideale eigentlich auch einhergeht mit dem Ende seines Lebens (daher sollte der Film meinem Verständnis nach aus so enden wie im Turner-Cut: also mit dem Ende von Pats Leben). Es mag ein Leben nach dem Verrat geben, aber ob es auch ein lebenswertes Leben ist, das stellt der Film stark in Zweifel.

Der Film lebt in erster Linie von seinen zahlreichen wunderbaren Sequenzen, welche häufig wie abgeschlossene Episoden wirken, ohne dabei den Film zu fragmentieren. Ein echte, durchgängige Handlung hat Pat Garrett & Billy the Kid eigentlich nicht (sieht man mal vom rudimentären Rahmen, dass Pat eben Billy jagt ab), da jede der für sich einzelnen Sequenzen aber den Charakteren mehr Tiefe verleiht und die Schlüsselthemen weiter vertieft ist das am Ende kein Problem. Problematischer erweist sich da, dass gerade in der zweiten Hälfte manche der Sequenzen sich leicht redundant anfühlen, da der Punkt auf den sie abzielen so oder ähnlich bereits in anderen Sequenzen gemacht wurde (etwa das Ende der Truthahn-Szene und der Überfall auf das mexikanische Pärchen, welche beide die moralische Verkommenheit der Chisum-Gefolgschaft und damit Pat Garretts Auftraggeber demonstrieren). Diese Redundanz ist dann interessanterweise auch weitgehend Fassungs-unabhängig. Auch wird der Film gefühlt mit voranschreitender Laufzeit immer langsamer, auch da die größeren Actionmomente weitgehend in Hälfte eins zu finden sind. Langsamer ist natürlich nicht synonym mit schlechter, aber in Kombination mit der erwähnten leichten Redundanz einzelner Szenen sowie einem diskutablen, da nicht immer runden Schnitt, macht sich dies in meinen Augen dann schon zumindest leicht negativ bemerkbar.

Darstellerisch ist der Film eine echte Sahneschnitte, da Peckinpah-typisch selbst die kleinsten Rollen perfekt besetzt sind. Die Hauptdarsteller tragen den Film mühelos und vor allem Coburn ist grossartig als widerwillig seinen Konventionen zum Trotz handelnder Haudegen. Keine Frage, Jimmy und Kris sind mindestens ein Jahrzehnt zu alt gemessen an den historischen Vorbildern (und gerade der fast 40jährige Kristofferson ist nun wirklich alles andere als „The Kid“), aber ähnlich wie in Fords Liberty Valence spielt das angesicht des Charismas und der schauspielerischen Klasse der Hauptdarsteller eigentlich überhaupt keine Rolle.

Pat Garrett & Billy the Kid ist ein wehmütiger Abgesang auf einen der grössten Mythen des Wilden Westens und somit passenderweise auch ein gelungener Schlussakkord unter den Peckinpahschen Western. Ein Charakterfilm durch und durch, der mit einer Vielzahl an wunderbaren charakterdefinierenden Sequenzen aufzutrumpfen weiss und jeder Zeit ein grossartiges Auge für Stimmung und Atmosphäre beweist. Auch wenn gerade in der zweiten Filmhälfte strutkturell und inhaltlich nicht alles ganz rund läuft und sich – fassungsunabhängig – immer wieder auch kleinere handwerkliche Defizite bemerkbar machen (welche ich der Enstehungsgeschichte des Film ankreiden würde): in Summe ist Pat Garrett & Billy the Kid ein grossartiges Stück Kino.

Wertung: 8,5 / 10
"Ihr bescheisst ja!?" - "Wir? Äh-Äh!" - "Na Na!"

SAMARATON RUNDE 5 – Exkurs

216
SAMARATON RUNDE 5 – Exkurs

Die Frage aller Fragen oder welche Fassung von Pat Garrett & Billy the Kid ist denn nun die beste?

Die Frage nach der besten Fassung des Films lässt sich natürlich nur subjektiv beantworten und eines gleich vorweg: es gibt keine Fassung, mit der ich wirklich vollumfänglich zufrieden wäre. Und tasächlich sind die Dinge, die mich davon abhalten den Film als Meisterwerk in der Klasse eines Wild Bunch einzustufen dann auch alles Dinge, die man in jeder Fassung findet. A propos jede Fassung: die Kinofassung (welche ich zugegebenermaßen aber auch nur einmal vor gefühlt Hundert Jahren gesehen habe) fällt qualitativ schon unangenehm raus und wird daher in den folgenden Ausführungen auch ignoriert.

Vorweg noch eine weitere Anmerkung: unabhängig von persönlichen Präferenzen stellt für mich der Turner-Cut, also Peckinpahs Preview-Fassung, letztlich die einzige von Sam abgenommene Fassung dar. Der Seydor-Cut mag in bester Absicht gemäß den Intentionen Peckinpahs erstellt worden sein, allein alle Änderung basieren auf Mutmaßungen, was Peckinpah eventuell noch gemacht hätte: das bekannte Spiel mit der Fahrradkette. Von daher mag dem Turner-Cut noch der Feinschliff fehlen und er mag auch Material an Bord haben, das letztlich rausgefallen wäre, aber zumindest ist er von Peckinpah autorisiert. Die diversen inhaltlichen und stilistischen Änderungen des Seydor-Cuts sehe ich daher grundsätzlich kritisch.

Worin unterscheiden sich die beiden Versionen denn nun genau? Grob in folgendem: der Seydor-Cut übernimmt vieles des Feinschnittes der Kinofassung. Soll heissen: während im Turner-Cut viele Szenen und Einstellungen noch deutlich länger sind, ist der Seydor-Cut hier bereits kürzer. Das nehme ich prinzipiell als positiv wahr, da dadurch der Film einen etwas flotteren Rhythmus bekommt. Da es sich hier – weitgehend – um handwerkliche Kürzungen handelt (wobei die Grenzen zu inhaltlichen Kürzungen natürlich immer fliessend sind, aber zumindest fällt hier inhaltlich nur wenig der Schere zum Opfer), sehe ich diesen Feinschnitt als eine handwerkliche Anpassung an, die dem Turner-Cut – hätte Sam weiter an seinem Film arbeiten dürfen – sicherlich auch noch zugekommen wäre. Vermutlich nicht identisch, aber in ähnlichem Maße.

Jedoch: es gibt immer wieder Einstellungen und Momente, die diesem Feinschnitt zum Opfer fielen, bei denen ich es sowohl aufgrund ihrer Qualität als auch inhaltlich bedaure, ja die Kürzungen sogar für grundlegend falsch ansehe. Ein Beispiel hierfür ist die Erschiessung von Olinger. Kurz vor seinem Ende steht Olinger in beiden Fassungen und schaut lächelnd den auf dem Galgen spielenden Kindern zu. Nachdem Olinger erschossen wurde gibt es im Turner-Cut eine Einstellung, in welchen die Kinder weiter munter auf dem Galgen spielen, als ob nicht passiert wäre. Diese Einstellung fehlt im Seydor-Cut und ich wette Haus und Hof, dass Peck diesen kleinen Moment nie rausgenommen hätte (allein schon, da er ja quasi die Beantwortung der ersten Einstellung mit den Kindern ist). Ein weiteres Beispiel ist der Cameo-Auftritt von Peckinpah. Im Seydor-Cut ist dieser kaum noch vorhanden, u.a. fehlen Sams Worte über den Sarg und dass er nachdem er Billy begraben hat abhauen wird, ebenso seine Beschimpfungen gegenüber Pat am Ende seiner Rede. Durch die extreme Kürze im Seydor-Cut macht die Szene keinen Sinn mehr und sie blieb vermutlich nur drin als Ehrerweisung gegenüber dem Regisseur. Also entweder länger und mit entsprechender Relevanz oder ganz raus!

Ein weiterer Punkt bezüglich des Feinschnittes: es gibt immer wieder Einstellungen im Seydor-Cut, denen man bei genauer Betrachtung die Kürzungen anmerkt. So hat man häufig Momente, in denen jemand zB der einen Einstllung nach rechts schaut und in der nächsten dann in eine ganz andere Richtung - eben weil Material entfernt wurde. Sowas hat man zwar in vielen Filmen, bei PG&BTK kommt es aber bemerkenswert häufig zu solchen unrund wirkenden Übergängen. Auch wirken manche Szenen aufgrund der Kürzungen etwas gehetzt und eben auch unrund.

Der Feinschnitt ist aber natürlich beileibe nicht der einzige Unterschied zwischen den Fassungen. Es gibt mehrere Szenen, die in der jeweils anderen Fassung fehlen. Im Seydor-Cut wurden zwei Szenen mit Pat Garrett neu hinzugefügt, eine mit seiner Frau und die andere mit Billys Freundin Ruthie-Lee. Beide Szenen dienen in nicht unerheblichem Maße zur Charakterisierung von Pat als einem Mann, der wenn nicht innerlich bereits komplett tot (wie es ihm seine Frau vorhält), dann doch zumindest in den letzten Zügen liegend. Beide Szenen funktionieren auch perfekt als Doublette, da jeweils Pat mit einer Frau interagiert. Und so gewohnt und frei er im Umgang mit den Huren ist, so verklemmt und ungewohnt ist sein Umgang mit seiner Gattin. Im Turner-Cut gibt es dafür eine Szene im letzten Drittel, welche Garretts „Partner“ Poe zeigt, wie er Informationen aus einem alten Mann rausprügelt. Diese vergleichsweise lange Szene fügt dem Film nichts Wesentliches an Information hinzu (und ist im Gegensatz zu praktisch jeder anderen Szene auch nicht charakterrelevant für eine der beiden zentralen Figuren) und verstärkt eher das etwas schleppende Tempo der zweiten Hälfte. Roger Spottiswoode äusserte sich auch so, dass die Szene nur von Peckinpah integriert wurde, damit er diese bei Kürzungsaufforderungen von Studioseite wieder rausnehmen konnte. Von daher ist diese Szene eher entbehrlicher Natur.

Auch in der Szenenanordnung gibt es Unterschiede, so kommen einzelne Szenen mal früher, mal später im Handlungsablauf. Grössere Auswirkungen sowohl auf Dramaturgie als auch auf den Film kann ich dadurch aber nicht erkennen.

Die vielleicht augenscheinlichsten Fassungsunterschiede finden sich im Beginn und im Schluss des Films. Der Prolog unterscheidet sich in den zwei Fassungen darin, dass der Seydor-Cut hier nicht die Titelsequenz integriert, während im Turner-Cut über Freeze-Frames die Titel eingeblendet werden. Der Seydor-Cut hängt nach Pats und Billys Gespräch dafür eine eigene Titelsequenz an. Zudem wird im Turner-Cut die zweite Zeitebene über die Titeleinblendung viel früher etabliert, im Seydor-Cut schiesst der (junge) Billy auf den alten Pat ohne Ankündigung. Durch die fehlenden Freezeframes und die damit ebenfalls fehlenden Pausen (durch die Titel) wirken diverse Umschnitte nach den kurzen Kommentaren von Bright, Jones und Stanton etwas unrund. Der Seydor-Cut endet mit dem davon reitenden Pat, der Turner-Cut schneidet über zu Pats Tod aus dem Prolog und endet mit einem Freezeframe seiner Kutsche. Kann ich mit allen Änderungen des Seydor-Cuts einigermaßen gut leben, dann sind diese Eingriffe für mich ein No-Go. Der in der Turner-Fassung so rund laufende Prolog mit seinem selbstverständlichen Zeitebenen-Wechseln wirkt bei Seydor angestrengt. Statt wie im Turner-Cut eine fliessend integrierte Titelsequenz wird eine gefühlt viel zu spät kommende und abgetrennte nachgereicht. Durch den sterbenden Garrett am Ende schliesst der Turner-Cut die Klammer des anfänglichen Prologes und beendet den Film auch inhaltlich stimmig: Garrett stirbt (innerlich) mit der Ermordung von Kid, es gibt keine Zukunft für ihn. Das Ende des Seydor-Cuts mit dem davonreitenden Garrett wirkt dagegen etwas belanglos.

Von daher: eine Mischung aus beiden Fassungen mit stärkerer inhaltlichen Gewichtung auf den Turner-Cut wäre wohl mein Ideal. Der Feinschnitt des Seydor-Cuts plus ein paar elementare Einstellungen (Olingers Tod, die zugenähte Hose, das Kartenspiel während der Belagerung, die nackten Huren während Poes Besuch, Pats „what you want and what you get“ Monolog) sowie beide zusätzliche Szenen des Seydor-Cuts, ohne die Poe-prügelt-Opa-Szene des Turner-Cuts und mit Anfang & Ende gemäß der Turner-Fassung. Und muss ich es explizit erwähnen: natürlich Knockin‘ on Heaven’s Door in der instrumentalen Version ohne Schlagzeug bei Slim Pickens Sterbeszene am Fluß! :D
"Ihr bescheisst ja!?" - "Wir? Äh-Äh!" - "Na Na!"

Re: SAMARATON RUNDE 5 – Exkurs

217
AnatolGogol hat geschrieben: 2. Januar 2023 13:50 Und muss ich es explizit erwähnen: natürlich Knockin‘ on Heaven’s Door in der instrumentalen Version ohne Schlagzeug bei Slim Pickens Sterbeszene am Fluß! :D
Pfffffff...!

Ich werde heute den alles überragenden GP Cut schauen, in dem Dylan die Traveling Wilburys dabei hat und den gesamten Film in ein fideles Wilburys-Musical verwandelt. George Harrison hat mehr Screentime als Kris Kristofferson. Glaubt mir, Peckinpah hätte es so gewollt. :D
We'll always have Marburg

Let the sheep out, kid.

Re: Passion & Poetry - Die Filme von Sam Peckinpah

218
Für mich war der Film schon in der Kinofassung ein glatter 10er. Die hat ihre ganz eigenen Qualitäten, gerade durch die Verkürzung auf die Szenen in denen viel gestorben wird. Die hat ihren ganz eigenen Rhythmus, aber durch die episodische Erzählweise kann sie trotzdem die Qualitäten des Films voll entfalten. Auch inhaltlich ist fast alles da was den Film ausmacht, man muß nur genauer hin schauen.

Für mich war die Previewfassung, nachdem ich die KF etwa 15 - 20 x gesehen hatte, und dank etlichen Büchern über den Inhalt der fehlenden Szenen recht genau Bescheid wusste, eine kleine Enttäuschung. Abgesehen von der brillanten Auftaktmontage gab es nur wenig was die bestehende Fassung verbesserte, die meisten der neuen Szenen waren inszenatorisch kein Top-Material, und da wo die alten Szenen länger liefen verloren diese teils ihren Rhythmus, wie auch der Film als Ganzes sich plötzlich etwas unrund anfühlte.
Trotz all ihrer Schwächen ist die KF für mich sogar die gelungenere Version, und ich denke sogar daß eine Fassung die nur wenige der neuen Szenen der KF hinzufügt, und dazu noch das ein oder andere kürzere Segment aus der Preview Version, die beste sein könnte. Und diese beiden Szenen wären die 1908 spielende Rahmenhandlung und die Chisum Szene. Auf alle anderen könnte ich tatsächlich verzichten, sie bringen dem film zwar mehr Material zum Interpretieren, aber ästhetisch bringen sie dem Film gar nichts.

Was die Preview Fassungen angeht, so gab es auch 2 Erhaltene davon, die nicht identisch waren, und es gab eine frühere in der Peckinpah lange Szenen, die räumlich weit voneinander entfernt spielen, ineinander geschnitten hatte, ähnlich wie die beiden Auftaktszenen. Außerdem gibt es noch Notizen von 1974 um den Film noch einmal zu überarbeiten, denn das war tatsächlich mal geplant. Von daher ist die Preview Fassung eben nur eine Möglichkeit von vielen.

Und der deutsche Titel ist natürlich totaler Käse, denn "Pat Garrett jagt Billy the Kid" ist bereits eine Fehlinterpretation, außer man versteht es als Ironie. "Pat Garrett weicht Billy the Kid aus" wäre dagegen die eigentliche Beschreibung der Handlung.

Re: Passion & Poetry - Die Filme von Sam Peckinpah

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Maibaum hat geschrieben: 2. Januar 2023 15:37 Von daher ist die Preview Fassung eben nur eine Möglichkeit von vielen.
Aber halt die einzige, die von Peckinpah abgenommen worden ist. :wink:
Maibaum hat geschrieben: 2. Januar 2023 15:37Und der deutsche Titel ist natürlich totaler Käse, denn "Pat Garrett jagt Billy the Kid" ist bereits eine Fehlinterpretation, außer man versteht es als Ironie. "Pat Garrett weicht Billy the Kid aus" wäre dagegen die eigentliche Beschreibung der Handlung.
Findest du nicht, dass spätestens in der zweiten Hälfte Pat seine Bemühungen intensiviert? Klar kann man sein ruppiges Vorgehen in Lemuels Schuppen oder gegenüber Ruthie-Lee auch so sehen, dass seine Gewalt quasi eine Art Übersprungshandlung ist, weil er eigentlich Kid gar nicht jagen will. Aber da er sich Schritt für Schritt Kid annähert finde ich "jagt" jetzt zumindest nicht gänzlich falsch. Ich finde den Titel eher deswegen verkehrt, da es inhaltlich eben nicht um eine Jagd geht, sondern um 2 Charaktere. Deswegen ist der Originaltitel viel besser, der Film dreht sich viel um Pat Garrett und ein bisschen weniger um Billy the Kid (daher auch die Reihenfolge).
"Ihr bescheisst ja!?" - "Wir? Äh-Äh!" - "Na Na!"

Re: Passion & Poetry - Die Filme von Sam Peckinpah

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AnatolGogol hat geschrieben: 2. Januar 2023 15:52
Maibaum hat geschrieben: 2. Januar 2023 15:37 Von daher ist die Preview Fassung eben nur eine Möglichkeit von vielen.
Aber halt die einzige, die von Peckinpah abgenommen worden ist. :wink:
Ja, von den veröffentlichten, aber das besagt nicht viel, denn schon die 2. Preview Fassung, die auch öffentlich öfters in kleinem Rahmen gezeigt wurde, ist teils anders.
Und da ein Rohschnitt niemals niemals zur Veröffentlichung vorgesehen ist, ist das bestimmt keine gewesen die Peckinpah je autorisiert hätte.

Ich denke es ist wichtiger zu schauen welche einem am Besten gefällt, und ich könnte mir ja auch eine eigene basteln, das wäre doch heutzutage kein Größeres Problem mehr.
Gründe für diese oder eine andere Fassung kann man dann finden und diskutieren.

Für mich trifft der "Seydor" Cut halt noch am ehesten Peckinpahs künstlerische Vision. Als Kompromiss der beiden anderen Versionen.

Re: Passion & Poetry - Die Filme von Sam Peckinpah

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Maibaum hat geschrieben: 2. Januar 2023 16:23 Ja, von den veröffentlichten, aber das besagt nicht viel, denn schon die 2. Preview Fassung, die auch öffentlich öfters in kleinem Rahmen gezeigt wurde, ist teils anders.
Und da ein Rohschnitt niemals niemals zur Veröffentlichung vorgesehen ist, ist das bestimmt keine gewesen die Peckinpah je autorisiert hätte.
Das mag GEGEN den Turner-Cut sprechen (im Sinne davon, dass er nicht so geblieben wäre), aber es spricht eben NICHT für den Seydor-Cut. Mir ist bei Seydor zuviel Interpretationsspielraum. Wie geschrieben halte ich vor allem den Anfang und das Ende für einfach nicht richtig - und wenn wir hier schon eine von Sam ausgearbeitete Fassung haben (der Anfang und das Ende leiden im Gegensatz zu vielen anderen Szenen nicht wirklich unter zu langen Einstellungen (eher im Gegenteil, siehe meine Kritik an den fehlenden Freezeframes und den dadurch merkwürdig unrunden Rhythmus) und können daher am ehesten noch als "fertig" angesehen werden), dann ist es ja geradezu anmaßend hier etwas zu "basteln", um Peckinpahs Intention näher zu kommen, als eine von ihm abgesegnete Sequenz.
Maibaum hat geschrieben: 2. Januar 2023 16:23 Ich denke es ist wichtiger zu schauen welche einem am Besten gefällt,
klar, das ist immer das entscheidende Kriterium. Aber mir wird der Seydor-Cut zu häufig als ultimative Fassung hingestellt, was ich absolut nicht nachvollziehen kann. Weniger wegen meiner subjektiven Vorlieben als mehr aufgrund der Nicht-Involvierung von Peckinpah.
Maibaum hat geschrieben: 2. Januar 2023 16:23 Für mich trifft der "Seydor" Cut halt noch am ehesten Peckinpahs künstlerische Vision. Als Kompromiss der beiden anderen Versionen.
Ich bin mir nicht sicher, ob Sam das auch so sehen würde. Einen Kompromiss mit der von ihm nicht in den allerhöchsten Ehren gehaltenen Kinofassung, auf eine solche Idee hätte er vermutlich eher nicht ganz so überschwänglich reagiert. :)

Der naheliegendste Kompromiss wäre doch eigentlich der handwerklich bereinigte (also mit sinnigen Einstellungsver- bzw. kürzungen) Turner-Cut mit ggf. noch den beiden Frauen-Szenen aus dem Seydor-Cut.
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Re: Passion & Poetry - Die Filme von Sam Peckinpah

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AnatolGogol hat geschrieben: 2. Januar 2023 15:52

Findest du nicht, dass spätestens in der zweiten Hälfte Pat seine Bemühungen intensiviert? Klar kann man sein ruppiges Vorgehen in Lemuels Schuppen oder gegenüber Ruthie-Lee auch so sehen, dass seine Gewalt quasi eine Art Übersprungshandlung ist, weil er eigentlich Kid gar nicht jagen will. Aber da er sich Schritt für Schritt Kid annähert finde ich "jagt" jetzt zumindest nicht gänzlich falsch.
Achtung Spoiler!

Doch, denn er geht nicht dahin wo Billy ist, da wo er ihn auch in der 1. Szene sofort gefunden hat, statt dessen reitet er herum, tötet er andere, auch alles Leute die er von früher kennt, alles nur weitere Aufforderungen an Billy doch bitte, bitte zu verschwinden, und ihm die bitterste Konsequenz zu ersparen. Und mit jedem tötet er natürlich auch ein wenig sich selbst, so wie er auch seinen Deputy Bell am Anfang indirekt opfert, und später ebenso den alten Sheriff, und mit jedem Toten verhärtet er innerlich mehr. Und deswegen ist es für mich auch total verkehrt die Floßszene so spät zu bringen. Das ist für mich ähnlich schmerzlich wie der Verlust der Knockin Lyrics, das macht etwas kaputt.
Er tötet so lange andere bis er dem Unausweichlichen nicht mehr Ausweichen kann. Und das ist dann eigentlich die Rückkehr des Deputys der ihm aufgedrängt wurde, und der mittlerweile selber das herausgefunden hat, was Pat die ganze Zeit befürchtete.
Und erst dann führt er das konsequent zu Ende, was er bereits vor Beginn der Filmhandlung mit seiner Entscheidung sich anzupassen, begonnen hatte.

Wie mal ein Kritiker so schön geschrieben hat, das "Doppel Selbstporträt des Filmemachers als Verlierer". Und das hat er zur KF geschrieben. Denn das jetzige Ende der "Seydor" Version, das daß der KF ist, das reicht auch schon. Auch wenn natürlich das Schließen des Kreises noch besser ist, noch pessimistischer. Peckinpahs vorherige angepasste Protagonisten (Westrum, Dundee, Thornton, Curly Bonner) kamen alle besser weg.