craigistheman hat geschrieben: 1. August 2022 16:35
War so klar, dass du jetzt diese Szene herauskramst, um deinen Standpunkt klar zu machen
Sie ist nun einmal im Film und für mich sehr elementar für die Art und Weise, wie Hunt den Bond in OHMSS anlegt – nämlich in direkter Tradition der fünf Vorgängerfilme. Wenn Hunt wirklich ein Interesse daran gehabt hätte, einen anderen Ansatz für Bond zu wählen, mehr in Richtung Dandy, Charmeur, empathischer, lässiger, dann wäre diese Szene so nicht im Film. Ich mag die Szene auf dem Papier, sie ist klassischer Bond (Lazenby guckt nur halt so bedröppelt). Sie ist aber vor allem auch eine Szene, die genauso aus den vorherigen Bonds stammen könnte. Von dieser Marschrichtung ist man erst in den 1970ern abgewichen, als spätestens in TMWTGG klar wurde, dass Roger Moore in solchen Szenen weitaus weniger glaubwürdig wirkt (er war nicht der richtige Typ Mann, um einen Ohrfeigen-Bond zu spielen).
Die Beziehung zu Tracy ist im ersten Drittel ja auch inhaltlich einzig und allein dadurch legitimiert, dass Bond sie vor dem Selbstmord rettet, dann natürlich mit ihr in die Kiste hüpft und sich die gemeinsame Zeit mit ihr von da an durch Draco gut bezahlen lässt. Richtige Verliebtheit kommt erst nach dem Piz Gloria Abschnitt auf, davor ist Bond der gute alte Romeo-Agent, der sich mit qualmendem Willy für Krone und Vaterland hingebungsvoll aufopfert. Die kitschige "We have all the time in the world"-Montage kann man als Kompromiss beschreiben, um Erzählzeit abzukürzen, ist aber inhaltlich nicht mehr als ein Werbevideo für Louis Armstrong. Richtig toll verliebt können die zwei danach nicht sein, da der Film sich die folgenden 50 Minuten nicht mehr die Bohne für die olle Tracy interessiert. Bond übrigens auch nicht.
craigistheman hat geschrieben: 1. August 2022 16:35
Was ist mit der PTS, Bonds Aktion im Casino, die Szene im Hotel vor und nach der Schelle, Dracos Geburtstag, die Flucht, die Scheune, der Showdown, das Finale? Sorry, ich kann da jetzt nicht zu jeder einzelnen Szene ein YT-Video verlinken - bin bei der Arbeit. Ich sehe da schon eine völlig andere Gangart als bei Connery, der auch körperlich eine andere Dominanz ausstrahlt.
Da kommen wir nicht zusammen. In jeder einzelnen Szene, die du nennst, habe ich kein Problem, mir Connery vorzustellen, der allerhöchstens in der kitschigen Scheunenszene seinen Bond minimal romantischer veranlagt hätte spielen müssen – was einem so guten Schauspieler aber wohl kaum schwergefallen wäre. Er hätte da bestimmt auch Lust drauf gehabt, seinen Bond-Part um ein paar neue Facetten zu erweitern, schließlich wollte er sich zu dem Zeitpunkt in seiner Karrierephase ohnehin weiterentwickeln und ausprobieren. Lazenby hingegen ist gerade in der Scheunenszene ein Totalausfall und weiß nicht, wo er mit Mimik und Stimme hin soll. Rigg ist allerdings ähnlich furchtbar, es mangelt den beiden insbesondere an gemeinsamer Chemie.
Ich sehe das ganz nüchtern: In OHMSS habe ich einen Totalausfall in der Rolle, während es alternativ mit Sean Connery die Idealbesetzung für den Part gegeben hätte. Nicht schwierig zu überlegen, wen ich da lieber gesehen hätte. Selbst wenn Hunt in OHMSS mutig gewesen wäre, die Rolle anders zu interpretieren oder sie in eine neue Richtung zu stoßen (was er beides schlicht nicht tat, sondern halt einfach in wenigen Passagen Fleming abpauste und in den restlichen Business as usual walten ließ), und Connery dadurch wirklich nicht mehr gepasst hätte, würde ich mir wünschen, sie hätten dafür einen richtigen Schauspieler besetzt.
vodkamartini hat geschrieben: 1. August 2022 16:17
1. Sean hätte die Rolle nicht nur problemlos bei exakt demselben Skript spielen können, sondern dies auch ganz sicher besser gemacht.
2. Seine angebliche Frauenverachtung ist erst in den letzte Jahren immer häufiger zu lesen gewesen, was sicher mit der Metoo-Bewegung zusammen hängt und ein Zeitgeistphänomen ist. Die Bond-Figur ist im Kern ein Macho, allerdings immer mit einem Augenzwinkern, und daran hat sich bis heute nicht allzuviel geändert.zumindest akustisch kaschiert.
100 Prozent, das ist der Knackpunkt. Mit dem exakt selben Spiel hätte Connery auf einige hier vielleicht befremdlich gewirkt (ich wette dagegen!), aber er hätte zu 100 Prozent jede einzelne Szene fachlich besser gespielt als Lazenby. Er wäre ein glaubhafter Casanova auf Piz Gloria gewesen, weiterhin in allen anderen Szenen der abgebrühte Killer und die Liebe zu Tracy hätte vielleicht sogar eine Portion Augenzwinkern bekommen, was dem finalen Punch und Hunts Hang zu Kitsch nicht geschadet hätte. Für mich ist das tatsächlich etwas unverständlich, wie man einem vielseitigen Schauspieler wie Connery abschreiben will, eine minimalst andere Auslegung der Bond-Rolle (sofern diese überhaupt im Script angelegt war) überzeugend zu verkörpern, sich dann aber ausgerechnet mit Lazenby zufrieden gibt.
vodkamartini hat geschrieben: 1. August 2022 16:17
3. Lazenby ist kein Schauspieler, was nicht so schlimm wäre, wenn er ein Charisma-Monster wäre wie z.B.Schwarzenegger, aber leider ist da ebenfalls völlige Ebbe.
Exakt. Mir tut das ja auch leid, wenn ich jetzt wie ein Lazenby-Hater klinge, das war / ist bestimmt ein feiner Kerl, der damals sein möglichstes tat und für seinen Status als Amateur wirklich gut war, aber die kleine Schwester von "ganz nett" ist halt immer noch "scheiße". Und ich gebe dir recht: Einer wie Arnold Schwarzenegger war kaum weniger limitiert (hatte vielleicht sogar anfangs weniger natürliches Talent als Lazenby), hat dafür aber so viel Leinwandpräsenz, dass er vollkommen zurecht zum Star wurde, für den viele weltweit gerne ins Kino strömten. Das erkenne ich bei Lazenby nicht, er bleibt immer ein netter Kerl, der sich erstaunlich gut darin schlägt, Connerys Bond nachzuäffen. Dass er möglicherweise einen anderen natürlichen Gang hat und Männer sich 1969 dann anders kleideten als noch wenige Jahre zuvor (zumal er ja einen versnobten Dandy nachäffen soll, nämlich den Hilly), fällt da nie ins Gewicht.
Gerade letzteren Aspekt darf man nicht vergessen: Der etwas andere Umgang mit den Frauen auf Piz Gloria ist nicht einfach eine Laune von Hunt und Co. sondern inhaltlich durch Bonds Tarnung als Sir Hillary Bray (der sich nichts aus Frauen macht!) begründet. Die Frauen sind ja merklich überrascht, als er ihnen plötzlich allein auf dem Zimmer Avancen macht, weil sie zuvor dachten, er sei anders gepolt.