Das Box-Office-Ergebnis wird der Film absolut verdienen. Ein Remake eines Stoffs aus den 50ern zu machen und keine Änderungen vorzunehmen, um ihn an das heutige Klima und die heutige Situation anzupassen (außer kulturell passendes Casting), kommt bei der heutigen Generation nicht an. Welch ein Wunder aber auch …West Side Story ist, so wie Spielberg den Stoff bearbeitet (oder halt nicht bearbeitet), im Moment weder thematisch sonderlich relevant noch zeitgemäß. Wenn ein Remake zur rechten Zeit käme, dann wäre es Miss Saigon (seit die USA Afghanistan "aufgegeben" haben) oder The King and I (der sich mit Rassismus und Sexismus auseinandersetzt, bei dem niemand gewinnt). Beide hätten auch den Vorteil, nicht schon unendlich oft durchgekaut worden zu sein.Invincible1958 hat geschrieben: 9. Dezember 2021 19:50 West Side Story (Steven Spielberg, 2021) 8,5/10
Für mich sein beste Regiearbeit seit (mindestens) "Catch Me If You Can" (2002).
Leider wird der Film aufgrund der Musical-Vorurteile, die einige haben, kombiniert mit der Covid-Angst, kommerziell untergehen.
Ändert aber ja zum Glück nichts an der Klasse des Films.
Buchstäblich JEDE High-School in den USA führt West Side Story mindestens alle fünf Jahre auf. Die meisten Leute haben West Side Story gesehen, und nichts, was Spielberg daraus gemacht hat, war in irgendeiner Form sonderlich neuartig, besonders oder revolutionär. Er hat bei der Auswahl der Darsteller auf "Authentizität" geachtet, was man in Teilen übrigens anfechten könnte, aber Politik zieht die Leute nicht ins Kino und es ist nicht genug, um einen ausgelutschten Stoff weniger ausgelutscht zu machen. Mehr Diversität ist schön und gut, aber ich hätte mir gewünscht, Spielberg hätte irgendeine Vision für dieses Material gehabt, hätte die Lieder modernisiert, hätte die Geschichte vielleicht in unsere Gegenwart 2021 verlegt, statt sie in nostalgischer Ehrfurcht unangetastet zu lassen. Letztlich wird er mit dieser Flucht in Altbewährtes und Bekanntes auch Leonard Bernstein und Stephen Sondheim nicht gerecht, die mit ihrer Kunst am Puls der Zeit sein wollten und sich immer neu erfunden haben im Laufe ihrer langen Karrieren.
In einer Zeit, in der der 1961er Film in zig Auflagen auf DVD und Blu-ray erschienen ist und sicher auch auf irgendwelchen Streamingportalen verfügbar wäre, stellt sich mir die Frage, was mir ein so uninspirierter Nachklapp des exakt selben eigentlich bringen soll. Es gab Momente, in denen habe ich Spielbergs Film durchaus für nett befunden, manche Passagen habe ich gemocht, insbesondere alle, in denen Rachel Zegler singt, aber dennoch dachte ich die ganze Zeit: "Na klar gefällt mir das, ich kenne es ja schon. Und den 1961er Film liebe ich alter Musical-Fan abgöttisch." Ich höre gerne "America", ich höre gerne "I feel pretty", also tue ich das auch bei Spielberg. Eine eigene Leistung hat er aber damit noch nicht vollbracht. Es ist also vielleicht nicht sein schlechtester, wohl aber der überflüssigste Film seiner Laufbahn. Er verkauft hier keinen Film, er verkauft die Erinnerung an einen alten Film, er verkauft die Erinnerung an jede Schultheatervorstellung.
Robert Wise hat ein Bühnenstück, welches anzusehen viele sich damals nicht hätten leisten können, auf die große Leinwand gebracht, er hat es für alle zugänglich gemacht, er hat 10 Oscars dafür gewonnen. Es ist ein grandioser Film. Steven Spielberg erinnert mich jetzt drei Stunden lang daran, wie grandios Robert Wise damals war, wie großartig Leonard Bernstein und Stephen Sondheim sind. Mir reicht das im Jahr 2021 leider nicht für eine positive Bewertung.