(inkl. allfälliger Spoiler, daher nur lesen wer den Film schon gesehen hat):
Lange musste man sich gedulden, nun ist er endlich da: Der neuste Bond-Film und zugleich Daniel Craigs letzter Auftritt in der Titelrolle nach insgesamt fünf Filmen, die in unregelmässigen Abständen seit 2006 veröffentlicht wurden. Daniel Craigs Einstandsfilm, «Casino Royale», sollte bis heute einer der beliebtesten Bondfilme bleiben und belegt bei vielen Fans einen Spitzenplatz auf ihren Bestenlisten. Auch die folgenden Filme waren zumeist Box-Office-Hits, selbst wenn längst nicht alle Fans über die seither eingeschlagene Richtung glücklich sein mögen. Der Versuch, Bond menschlicher und verletzlicher darzustellen, begeisterte viele Fans und Daniel Craig wusste diese Rolle gut auszufüllen, es ist aber auch nicht von der Hand zu weisen, dass nach mittlerweile fünf eher ernsten Filmen der lockere Ton früherer Produktionen, zumindest aus meiner Sicht, vermisst wird.
Lange war unklar, ob Daniel Craig nach «Spectre» noch für einen weiteren Auftritt als James Bond engagiert werden konnte, doch den Produzenten gelang es, ihn nochmals für einen weiteren Film zu überreden, um damit offene Handlungsstränge zu Ende zu bringen und ihm einen vernünftigen Abschied von der Reihe zu bescheren.
Trotz des langen zeitlichen Abstands seit dem letzten Film und einer relativ turbulenten Vor-Produktion, während welcher sogar der Regisseur und später der Komponist ausgetauscht wurde, musste man sich erfahrungsgemäss eher keine ernsthaften Sorgen machen, dass das präsentierte Ergebnis schwach ausfallen würde. In der Regel präsentierte sich die Bond-Reihe nach schwierigen Phasen keinesfalls geschwächt, vielmehr waren solche Umstände sogar oftmals ein Antrieb, erst recht ein hochwertiges Produkt abzuliefern.
Mit der Verpflichtung des amerikanischen Regisseurs Cary Fukunaga, der auch am Drehbuch mitarbeitete, kehrt man zu einem Regisseur zurück, der einen optisch weniger auffälligen Stil präsentiert, als das noch bei seinen Vorgängern Marc Forster («Ein Quantum Trost») und Sam Mendes («Skyfall», «Spectre») der Fall war. Damit erinnert der Film in seinen besseren Momenten auch ein wenig an die Inszenierung, welche Martin Campbell in «Casino Royale» etablierte, was eine angenehme Überraschung darstellt.
So beginnt der Film, nach einer kurzen Vorgeschichte aus der Vergangenheit, auch mit einer herausragend inszenierten «Pre-Title»-Sequenz, in der die Bilder aus dem italienischen Matera einen hervorragenden optischen Schauplatz abgeben. Dazu liefert der Film einen passenden Soundtrack von Hans Zimmer, der sich an dieser Stelle auch nicht davor scheut ein musikalisches Thema eines früheren Bondfilms zu zitieren.
Darüber hinaus weiss die in der «Pre-Title»-Sequenz gezeigte, rasante Autoverfolgungsjagd durch die italischen Dörfer zu beeindrucken. Selbst wenn man viele Teile davor schon in den Filmtrailern sehen konnte, wird man bestens unterhalten – sogar ein Bond-typisches Gadget darf der Bond-Fan in dieser Sequenz entdecken.
Einziger Wehrmutstropfen: Der Film schliesst inhaltlich mehr oder weniger direkt an seinen Vorgänger «Spectre» an, was viele Zuschauer bereits in dieser Sequenz verwirren dürfte und unangenehme Erinnerungen an «Ein Quantum Trost» hervorruft, der ebenfalls stark abhängig von seinem direkten Vorgängerfilm war. Der Unterhaltung tut dies an dieser Stelle aber noch keinen Abbruch.
Die anschliessende Titelsequenz ist wie gewohnt sehr schön und fantasievoll gestaltet, der aus meiner Sicht eher durchschnittliche Titelsong wird aufgrund der passend gewählten Bilder deutlich aufgewertet.
James Bond in Rente zu sehen, vermag dem Zuschauer etwas ungewohnt vorkommen, aber die Macher haben spätestens seit der Reihe um Daniel Craig nicht davor gescheut, neue Wege zu gehen und diese Idee wurde durchaus gelungen umgesetzt. So darf man auch einige schöne Bilder aus Jamaika bewundern, auch wenn diese, vermutlich aufgrund ihrer künstlich anmutenden Farbgebung, nie die Atmosphäre früherer Bondfilme ausstrahlen, die an diesem Schauplatz gehandelt haben. Aber sei’s drum, man freut sich dennoch, dass die Bondreihe wieder ihren Weg in die Karibik gefunden hat – eine richtig klassische Bond-Location.
Schön auch, den Charakter Felix Leiter wieder in einem Bondfilm zu sehen (überzeugend: Jeffrey Wright) und auch die Einführung der Agentin Nomi (Lashana Lynch), welche nun die Stelle von Bond übernommen hat, darf als gelungen angesehen werden.
Nur schade, dass die Szenen in der Karibik von relativ kurzer Dauer sind – die Szenen auf Jamaika und insbesondere auf Kuba strahlen richtiges Bondfeeling aus – an dieser Stelle wirkt der Film am lebhaftesten und auch die amüsanteren Momente des Films sind in diesen Sequenzen zu finden, ohne je in Klamauk zu verfallen.
Die Szenen in Kuba sollen dann auch die besten des ganzen Films darstellen. Da jene Szenen weitgehend nachts spielen, vermögen diese optisch zwar nicht an jene aus der Italien-Sequenz anschliessen, aber der Spass-Faktor wird hier dennoch ganz gross geschrieben. Ana de Armas macht in der Rolle als Paloma sehr viel Spass und erweist sich als überzeugender Teampartner für James Bond. Die dabei gezeigte Action zeigt zwar keine ganz grossen «Wow»-Momente, macht aber sehr viel Spass, ist lebendig inszeniert und glänzt durch amüsante Einfälle in bester «Bond»-Tradition. Dazu liefert Hans Zimmer musikalisch einen der besten Tracks des gesamten Films.
Die Bondreihe, so scheint es, scheint zur Hochform aufzulaufen, denn lange hat man sich nicht mehr so gut unterhalten gefühlt.
Doch leider scheint dies nur eine Momentaufnahme gewesen zu sein, denn nach einigen dramatischen Wendungen zeigt sich der Film spätestens mit der Rückkehr nach London plötzlich von einer anderen, weitaus ernsteren Seite, und je länger der Film dauert, fühlt man sich daran erinnert, dass man hier wohl einer Art «Spectre Teil 2» beiwohnt. Dies ist natürlich insbesondere inhaltlich auszumachen, aber auch inszenatorisch: Mit ausgedehnten, in die Länge gezogenen Szenen, begleitet von dramatischer, teils unheimlicher Musik, zeigen sich durchaus Parallelen zum Vorgänger auf.
Dies ist insbesondere bedauerlich, weil der Film dadurch stark abhängig von seinem Vorgänger bleibt und an Eigenständigkeit einbüsst. Der spätestens seit «Spectre» eingeführte Versuch, alle Craig-Bondfilme inhaltlich zu verbinden, wirkt ausserdem wie ein Versuch, von anderen aktuellen Filmreihen (insbesondere Marvel) abzukupfern und dem Craig-Bond ein eigenes «Universum» zu geben. Dabei kommt nie der Eindruck auf, dass dies von Anfang an so geplant war, stattdessen wirken die Versuche, bis auf wenige gelungene Anspielungen, weitgehend aufgesetzt. Somit bleiben «Casino Royale» und «Skyfall» im Grunde die einzigen Bondfilme aus der Craig-Ära, die auch als Einzelfilme gut funktionieren, was höchst bedauerlich ist. Frühere Bondfilme wiesen auch übergreifende Elemente auf und dennoch schaffte man es weitgehend, jene Filme auch als eigenständige Werke zu präsentieren.
Ein weiteres Problem ist die überlang präsentierte Liebesgeschichte von James Bond und Madeleine Swann (Léa Seydoux), die aufgrund der fehlenden Chemie zwischen den beiden Darstellern nicht richtig zu überzeugen vermag. Wenn man dies mit den erfrischenden, überaus lebhaften Szenen zwischen Bond und Vesper (Eva Green) aus «Casino Royale» vergleicht, bleibt der Zuschauer hier weitgehend ratlos zurück. Daniel Craig und Léa Seydoux geben zwar ihr bestes, aber der Funke will jedoch, wie bereits in «Spectre», nicht richtig überspringen.
Dies kann teilweise auch dem Drehbuch geschuldet sein, welches dem Film insbesondere in der zweiten Hälfte einige unnötige Längen beschert. Auch die Geschichte um die DNA-Waffe und den Nano-Bots erweist sich als unnötig konfus und lässt weder richtiges Agenten-Feeling, noch eine richtige Spannung zu. Wer wen aus welchen Gründen infiziert und wer mit wem zusammenarbeitet, wird zunehmend undurchsichtiger, und damit leider auch uninteressanter. Mehrfachsichtungen können helfen, um offene Fragen zu klären, doch ein Bondfilm sollte auch bei der Erstsichtung nicht derart viele Fragen aufwerfen.
Während Christoph Waltz als Blofeld einen soliden, aber ziemlich kurzen Auftritt hinlegt, soll von Rami Malek mit Safin der neuste Gegenspieler von Bond aufgebaut werden, doch leider lässt ihn das Drehbuch weitgehend im Stich, sodass seine Motive zu undurchsichtig bleiben und Safin so trotz sichtlich bemühtem Malek nie richtig im Film ankommt.
Immerhin, die im Film präsentierte Action ist gut inszeniert, hat Tempo und Druck ohne in übertriebene Schnittfrequenzen oder andere Kamera-Spielereien zu verfallen. Auch eine Sequenz in Norwegen gefällt dabei durchaus und bietet in einem nebligen Waldstück auch eine gute Portion Atmosphäre.
Etwas bedauerlich ist jedoch, dass der Film keine richtigen, Bond-typischen Action-Höhepunkte mit «Wow»-Faktor liefert, an welche man sich noch lange über den Film hinaus erinnert, wie es zum Beispiel «Casino Royale» mit der Parkour-Verfolgung und den Kämpfen auf den Kränen schaffte.
Auch was die eigentlich für Bond-Filme bekannten Gadgets anbelangt ist man wiederum sehr zurückhaltend, obwohl die heutige Technologie sicherlich einiges hergeben würde, was man im Film verwenden könnte. Lediglich ein Flugzeug, das zugleich als U-Boot taugt, vermag kurze Akzente zu setzen, auch wenn jenes teilweise offensichtlich auf dem Computer entstanden zu sein scheint, sobald es sich in der Luft befindet.
Immerhin: Ben Whishaw legt wieder einen sympathischen Auftritt als Q hin, und auch die Leistungen von Naomie Harris als Moneypenny und insbesondere Ralph Fiennes als M überzeugen. Letzterer darf auch eine sehr gut geschriebene, mitunter amüsante Unterhaltung mit James Bond bestreiten.
Erfreulich ist der Schauplatz des Showdowns; Produktionsdesigner Mark Tildesley hat sichtlich versucht, dem Bösewicht eine optisch interessante Basis in bester Bond-Tradition zu verschaffen - sehr schön! Im Gegensatz zum Vorgängerfilm hat man es auch geschafft, in dieser Basis einige brauchbare Actionszenen zu inszenieren. An die besseren Showdowns aus früheren Bondfilmen vermag man jedoch leider aufgrund fehlenden Highlight-Szenen und einem schwachen Endkampf nicht anzuknüpfen.
Als besonders ärgerlich erweist sich der Abschluss der Geschichte. Aufgrund der bereits angesprochenen Probleme im Drehbuch schafft es der Film nicht, eine überzeugende Emotionalität aufzubauen und wirkt dadurch an den entsprechenden Stellen aufgesetzt. Darüber hinaus wirken die getätigten Entscheidungen, die Geschichte des Craig-Bonds so abzuschliessen, sehr forciert. Ob James Bonds Erfinder Ian Fleming, an dessen Vision sich die Produzenten angeblich immer wieder so gerne orientieren, mit dieser Entscheidung glücklich gewesen wäre, bleibt offen, aber für diesen Film -und rückwirkend auch den vorhergehenden Filmen- hat man sich aus meiner Sicht damit keinen Gefallen getan.
Das 25. Bondabenteuer schliesst das Kapitel Daniel Craig somit in einem optisch sehr gut inszenierten, zumindest in der ersten Filmhälfte durchaus unterhaltsamen Abenteuer ab und erfreut darüber hinaus mit einer gelungenen musikalischen Untermalung von Hans Zimmer. Doch einige unübersehbare Längen insbesondere in der zweiten Hälfte, eine mitunter konfus dargereichte und zunehmend uninteressante Geschichte, aufgesetzte Dramatik und insbesondere ein schwaches Ende schmälern den Gesamteindruck beträchtlich, sodass man am Ende einen zwar brauchbaren Actionthriller vorliegen hat, der aber als Bond-Abenteuer leider kaum noch zu erkennen ist.
Bleibt zu hoffen, dass James Bond mit dem nächsten Abenteuer wieder zu alter Stärke zurückfindet, denn wie heisst es so schön: "James Bond will return".
(knappe) 6/10