Re: Zuletzt gesehener Film

9601
iHaveCNit: Wege des Lebens – The Roads Not Taken (2020)
19.08.2020


Wenn ich an Filme mit Charakteren denke, die an Alzheimer und Demenz erkrankt sind, kommen mir sehr schnell die Til-Schweiger-Tragikomödie und der Zuschauermagnet „Honig im Kopf“ als auch die für Julianne Moore oscarprämierte Literaturverfilmung „Still Alice“ in den Sinn. Aktuell ist mit „Wege des Lebens - The Roads Not Taken“ von Sally Potter auch ein intimes Drama in den Kinos, dass vielleicht etwas kurz und oberflächlich ist, aber im Kern vor allem von seinem Darstellerdou Javier Bardem und Elle Fanning getragen wird.

Molly sollte eigentlich einen für ihren Beruf wichtigen Vortrag halten, doch dann kommt etwas dazwischen. Ihr Vater Leo, den sie einige Zeit nicht gesehen hat ist geistig verwirrt und benötigt für wichtige Termine außerhalb seiner vier Wände eine Begleitperson. Während Molly einen Zugang zu ihrem Vater sucht, scheint sich Leo in Scheinwelten zu verlieren, die mit früheren Lebensstationen zu tun haben.

Eine Person hat mir einmal über Demenz erzählt, dass man sich diese Krankheit wie ein Bücherregal vorstellen kann. Während das Regal selbst der Körper mit seinen Grundfunktionen ist, wird das Regal im Laufe des Lebens mit vielen Erfahrungen, Erlebnissen und Erlerntem in Form von Büchern gefüllt. Bei Demenz fallen im Laufe der Zeit viele dieser Bücher aus dem Regal – und selbst wenn man Bücher lange Zeit im Regal hatte, kann man sich nicht mehr sicher sein, den Inhalt zu kennen. Und so kommt es, dass der Film sich mit insgesamt 3 Büchern auseinandersetzt, die miteinander verwoben werden. Sowohl die Handlung im Hier und Jetzt als auch 2 weitere Szenarien werden hier miteinander kombiniert, bei denen wir uns nicht sicher sein können, ob Teile des Inhalts tatsächlich so passiert sind oder ob sie dem verwirrten Geist entstammen. Genau das versucht Regisseurin Sally Potter in ihrem Film darzustellen, der in weniger als 90 Minuten leider für die thematische Aufbereitung ein wenig zu kurz ist und vieles nur anreißt und nicht die mögliche Tiefe erreicht. In Nebenrollen sehen wir zum Beispiel Laura Linney und Salma Hayek, aber der Kern des Films sind vor allem das Vater-Tochter-Duo aus Elle Fanning und Javier Bardem, das dem sehr intimen und bodenständigen Film sehr gut tut, von dem ich gerne eine längere Version mit wesentlich mehr Tiefgang und emotionaler Bindung gesehen hätte.

„Wege des Lebens – The Roads Not Taken“ - My First Look – 7/10 Punkte.
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Re: Zuletzt gesehener Film

9602
GoldenProjectile hat geschrieben: 19. August 2020 20:46 Verwirrend war aber etwas, dass eine der Mütter offenbar Tenebraeus oder so ähnlich heisst. Ist das in den Originalen auch schon so? Das hat nichts mit dem Argento-Film Tenebrae zu tun, der ja nicht Teil dieser Hexen-Mythologie ist?
Du meinst Mater Tenebrarum, die Mutter der Dunkelheit, welcher die Antagonisten-Rolle in Inferno, dem Mittelteil von Argentos Trilogie, zufällt. Tenebrae bzw. Tenebre heisst halt Dunkelheit, der gleichnamige Film hat inhaltlich aber nix mit dem Hexen-Zeug zu tun. Allerdings dürfte sich Argento beim Titel wahrscheinlich schon selbst inspiriert haben. :)
GoldenProjectile hat geschrieben: 19. August 2020 20:46 Ja, die Träne ist eine Sauerei und der mit Abstand schwächste Film, den ich von Argento kenne.
Es kann durchaus auch ein Segen sein, wenn man nicht alle Filme des silbernen Herren kennt. :D Persönlich würde ich den TV-mäßigen The Card Player, den Revolutions-Klamauk Le cinque giornate, den digital-dilettantischen Dracula und den grotesken Il Fantasme dell'opera noch unter dem Tränendrücker ansiedeln. Vor allem bei letzterem ist es angesichts der prunkvollen Ausstattung, den teilweise wunderschönen Bildern und Morricones geandiosem Score eine echte Tragödie, dass da so ein schlechter Film bei rauskam.
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Re: Zuletzt gesehener Film

9603
iHaveCNit: The Climb (2020)
20.08.2020


Irgendwie interessant, dass sich ein wenig der Kreis geschlossen hat. Die ersten bewegten Bilder in Form eines Trailers zum Film „The Climb“ habe ich vor wenigen Wochen bei der Sichtung von „Auf der Couch in Tunis“ im selben Kinosaal auf dem selben Platz um die selbe Uhrzeit gesehen und mir danach gedacht - den Film setzt du dir mal auf deine Liste und hältst die Augen auf. Und so hatte ich im Kinosaal heute eine zufällige Privatvorstellung von „The Climb“, der mir überaus gut gefallen hat.

Kyle steht kurz vor der Hochzeit mit Ava. Gemeinsam mit seinem besten Freund Mike ist er gerade auf einer Fahrradtour durch Frankreich, als ihm Mike gesteht, schon über sehr lange Zeit eine Affäre mit Ava zu haben. Jahre später muss Mike einen persönlichen Verlust verkraften und es gibt eine Kette von Ereignissen, die scheinbar dafür sorgen, dass sich Geschichte wiederholt.

Der Regisseur Michael Angelo Covino, der hier gemeinsam mit seinem guten Freund Kyle Marvin den Film sowohl produziert als auch geschrieben hat, spielt sich quasi selbst und hat mit seinem guten Freund Kyle, der im Film sich auch quasi selbst spielt den perfekten Schauspielpartner gefunden. Die Chemie der beiden ist so unglaublich authentisch und macht den Film zu einem fast selbstverständlichen und bodenständigen Erlebnis. Mike ist ein unkontrollierter und selbstzerstörerischer Tollpatsch, während Kyle ein sehr gutherziger aber auch leicht zu manipulierender Mensch ist – doch beide haben ihr eigenes Päckchen zu tragen, dass beide immer wieder auseinander driften lässt aber auch immer wieder zusammenführt. Für den Film haben sich beide dann ein paar ganz besondere Ideen einfallen lassen. Zum einen wird die Freundschaft der beiden in Form von 7 Kapiteln erzählt, die allesamt Schlüsselmomente in der Beziehung der beiden darstellen. Zum anderen wird der Film in möglichst wenigen Plansequenzen inszeniert, die in ihren Variationen unfassbar toll geplant und durchgeführt worden sind, weil oft sehr viel passiert. Zum Beispiel läuft die Kamera erst bei einem Thanksgiving komplett innerhalb der Wohnung, wohingegen nach einem Zeitsprung die Kamera bei einem Weihnachtsfest zum Großteil um das Haus gleitet. Darüber hinaus gibt es die ein oder andere skurrile Gesangs- und Tanzeinlage. Die ganzen beiläufigen Referenzen durch gewählte Songs und einen Film bei einem Kinobesuch in Bezug auf die Liebe der Beiden zum französischen Kino selbst konnte ich für mich persönlich nicht entschlüsseln, da mir persönlich hier der Bezug fehlt. Insgesamt hat mir der Film mal wieder einen großartigen Kinobesuch beschert.

„The Climb“ - My First Look – 8/10 Punkte.
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Re: Zuletzt gesehener Film

9604
Aus purer Langeweile und weil es kostenlos war:

"Geminin Man", Ang Lee

Warum um alles in der Welt wurde dieser Film gedreht und warum ausgerechnet von Ang Lee der ja mal ein gewisses inhaltliches oder auch nur visuelles Niveau hatte?
Ehrlich, ich verstehe die Welt nicht.

Gemini Man wirkt wie die zum x-ten Mal recycelte Version eines selbst von van Damme abgelehnten Scripts aus den späten 90ern. Der Film nimmt ein an sich schon im Near-Future Sci-Fi abgenutztes Thema (Universal Soldier, Sixth Day, Replicas, Replicant, Die Insel, Oblivion, ...) ohne auch nur zu versuchen dem etwas Neues abzugewinnen.

Leider ist auch die Ausführung nahezu unterirdisch: Ausgerechnet den kaum gealterterten Will Smith für eine Rolle zu besetzen, die davon lebt dass man einen klaren Unterschied zwischem dem 50jährigen und dem 20jährigen Ich erkennt, ist schon eine große Dummheit. Dann aber die jüngere Version auch noch so schlecht mit CGI zu animieren bzw zu verjüngern ist schon eine Frechheit.
Erschwerend kommt in den vielen Actionszenen noch das für so viele CGI-Actionfilme heute typische völlige Fehlen von physikalischem Verständnis hinzu.
Schade eigentlich: Willis, Owen und Winstead machen ihre Sache soweit es das Drehbuch erlaubt recht gut.


P.S.: Lese gerade, dass das Drehbuch seit 20 jährigen in der Hollywood Production Hell gewesen sein soll...
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Re: Zuletzt gesehener Film

9605
Größtenteils Zustimmung, mit kleinen Einschränkungen. Will Smith in der Rolle zu besetzen ist wirklich konfus, der ist seit Independence Day kaum gealtert. Warum nicht Liam Neeson? Warum nicht Mel Gibson? Warum nicht Samuel L. Jackson? Usw. Und seine Teenie-Version sieht auch noch übel mies aus – zumal im O-Ton der Eindruck dadurch verstärkt wird, dass Smiths 50er Stimme gar nicht mit seinem 20er Gesicht harmonieren will. Hmm, ein 50er hat Probleme mit seinem jüngeren Ich und findet durch den Kampf zu sich selbst? Hatten wir das nicht schon in sehr viel besser? Ach ja, hieß "Looper". Das Script ist leider wirklich hoffnungslos überholt, in den frühen 90ern wäre der Film vielleicht tatsächlich cool gewesen.

Aber die Action mochte ich. Zumindest die ausgestellte Motorradjagd am Ende des ersten Akts. Danach gibt es leider kaum noch richtig große, gute Action. Das Finale ist uninspiriertes Geballer in einer US-Kleinstadt und völlig beliebig.
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Re: Zuletzt gesehener Film

9606
Cop Land (1997, James Mangold)

Netter Film, der witzigerweise im weiteren Sinne ein wenig die Prämisse von Hot Fuzz, einem meiner Lieblingsfilme, vorweg nimmt (Cop springt über seinen menschlichen Schatten um das Böse in einer vermeintlich idyllischen Kleinstadt zu besiegen, das zuvor jahrelang unter den Teppich gekehrt wurde), aber natürlich ganz anders ausgestaltet ist. Weder als Thriller noch als Charakterdrama ist Mangolds Frühwerk eine Offenbarung, macht seine Sache aber trotzdem sehr gut. Die Dramaturgie ist etwas schwammig, so gibt es immer wieder den "Lichtschaltereffekt" wie ich ihn nenne, bei dem ein bestimmtes Ereignis bezüglich seiner Folgen einfach so lange vergessen wird bis es der Film wieder braucht, es sind eher die Einzelszenen die sehr gelungen, und zum Teil richtig intensiv sind. Die Besetzung ist absolut gut, vor allem Stallone, der den teddybärenhaften Sheriff in all seinen Facetten sehr glaubhaft anlegt. Der Rest rekrutiert sich aus Scorseses Stammpersonal, das nichts zu tun hatte weil Marty gerade den Dalai-Lama-Film drehte. Ray Liotta setzt eins zu eins den paranoiden Junkie aus Goodfellas fort (warum nicht, es passt) und De Niro macht De Niro-typische Manierismen mit grossem Schnurrbart, aber wie schon in Ronin: daran kann ich auch Spass haben, wenn es in den Film passt und die Rolle nicht viel mehr erfordert. Der Mann hatte genug brilliert, als eine Art schauspielernde Variante seiner selbst (wie es tausend andere Stars auch sind) ist er auch mal sehenswert, macht ihn als Darsteller vielleicht sogar "greifbarer" wenn man auch ein bisschen diese Seite von ihm kennt, als wenn er sich immer wieder komplett verwandelt wie in den 70ern und 80ern. Genug über De Niro gebrabbelt: Cop Land ist ein solider Film für den Sonntsgabend.

Wertung: 7 / 10
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Re: Zuletzt gesehener Film

9607
Den finde ich auch prima, auf die "Hot Fuzz"-Parallelen bin ich noch nie gekommen! :D Stallone ist richtig stark darin und das an der Seite mehrerer Weltklasse-Schauspieler. Imo der Film Nummero Uno den man jemandem zeigen muss, um ihn von Stallones Schauspiel-Qualitäten zu überzeugen. De Niro ist definitiv eher im gemütlichen Autopilot unterwegs, der Rest der Besetzung auf den Punkt gecastet. Dürfte der beste Film von James Mangold sein, dessen letzte Filme alle weit hinter ihren Erwartungen zurückblieben.
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Re: Zuletzt gesehener Film

9608
CopLand konnte mich nie wirklich begeistern. Ich fand den insgesamt zu schleppend und auch dramaturgisch recht unspektakulär. Dem geballten Schauspieler-Adel zuzuschauen macht zwar einiges gut, aber insgesamt würde ich sogar nochmal einen halben Punkt unter GPs Wertung bleiben.
Casino Hille hat geschrieben: 24. August 2020 09:03 Stallone ist richtig stark darin und das an der Seite mehrerer Weltklasse-Schauspieler. Imo der Film Nummero Uno den man jemandem zeigen muss, um ihn von Stallones Schauspiel-Qualitäten zu überzeugen.
Ich weiß nicht. Stallone ist schon gut, keine Frage. Aber angesichts des Kritiker-Bohais seinerzeit hatte ich wunderweißwas gedacht und dann waren Film und auch darstellerische Leitungen am Ende doch nur ok bis gut. Ich habe bei Stallone in CopLand jedenfalls nichts gesehen, was er zuvor nicht auch schon so oder besser gezeigt hat. Rocky bleibt wie ich finde bis heute der Goldstandard unter Stallones schauspielerischen Leistungen und das wäre dann auch der Film, den ich jemandem zeigen würde, um ihn von Slys Schauspiel-Qualitäten zu überzeugen. :) Aber auch davon ab würde ich seine Auftritte in F.I.S.T., Paradise Alley, Rocky II und First Blood auf mindstens dem gleichen Niveau ansiedeln wie seinen taub-tumben Sheriff.
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Re: Zuletzt gesehener Film

9609
Ja, aber Rocky wird gemeinhin von einer breiten Masse mit Stallone assoziiert, da hört man gerne: Der Sly spielt im Grunde nur sich selbst. Und da finde ich Cop Land, wo er in Teilen gegen seine typischen Rollen anspielt, schon sehr fein von seiner Seite aus (wie du weißt halte ich Stallone generell für einen starken Schauspieler, der niemandem etwas beweisen muss), gerade als gut gemeinten "Überzeugungsversuch". Zum Film: Kann ich alles nachvollziehen, ein sonderlich spektakulärer Film ist es wirklich nicht, aber gut geschrieben finde ich den schon und auch sinnvoll getaktet. Mir hat der gut gefallen, habe ihn aber eh nur ein einziges Mal gesehen.
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Re: Zuletzt gesehener Film

9611
Ich halte Stallone ja generell und nach wie vor für einen eher miesen Schauspieler, und in Copland konnte er mich auch nicht überzeugen. Aber auch abgesehen davon war ich von Copland ähnlich wie Anatol wenig beeindruckt. Ein passabler 6/10 Film der vom Potential sehr viel besser hätte sein können, wenn nicht gar sein müssen.

Re: Zuletzt gesehener Film

9612
iHaveCNit: Tesla (2020)
24.08.2020


Irgendwie witzig aber auch komplett passend, dass mit knapp 1 Monat Abstand zwei Filme mit dem gleichen Thema in die Kinos kommen. Und vor allem auch für mich als jemand, der selbst in der Energiebranche arbeitet, kann man ganze 3 Filme aus dem aktuellen Filmprogramm als „berufliches Interesse“ werten. Nach „Marie Curie“ und „Edison – Ein Leben voller Licht“ gibt es nun auch noch einen Blick auf den Visionär, der auf beiden Seiten damals im „Current War“ beteiligt war. Die Rede ist von Nikola Tesla, der bereits zum Beispiel in Christopher Nolans „Prestige“ von David Bowie und auch in „Edison – Ein Leben voller Licht“ von Nicholas Hoult gespielt worden ist. Hier in „Tesla“ darf Ethan Hawke die Rolle übernehmen.

Der serbokroatische Visionär Nikola Tesla wird im Stromkrieg zwischen dem Gleichsstrom von Thomas Edison und dem Wechselstrom von George Westinghouse auf beiden Seiten seinen entsprechenden Einfluss haben. Danach möchte er sich selbst noch seinen eigenen Visionen widmen, jedoch ist es für für ihn nicht leicht, entsprechende Finanzmittel – selbst bei J.P. Morgan, dem Vater seiner Freundin Anne.

„Tesla“ kann als Biopic vielleicht für den ein oder anderen etwas konfus und verwirrend sein, aber das ist eine interessante Herangehensweise, die somit auch dem etwas konfus und wirr scheinenden Charakter und Geist von Tesla in Ansätzen gerecht wird. Durch die Handlung wird man hier eher von der von Eve Hewson gespielten Anne Morgan geleitet, die neben einem Voice-Over auch gerne mal den Zuschauer durch die 4. Wand direkt anspricht, über viele geschichtliche und technische Zusammenhänge aufklärt und auch mal an einem Macbook sitzt und zum googlen auffordert. Der Film liefert darüber hinaus auch mal ganz subtile Hinweise auf heutige Errungenschaften, die durch Visionen Teslas überhaupt erst möglich gewesen sind. So checkt Edison durchaus auch mal sein Smartphone. Mit einem für heutige Zeiten relativ überschaubaren und eher niedrigem Budget von knapp 5 Millionen hat der Film einige auch interessante optische Ideen zu bieten, wenn er vor allem Tesla auf eine Bühne stellt und der Hintergrund auf einer Leinwand projiziert wird. So kommt vieles im Film auch überraschend aus dem Nichts und auch Ethan Hawke macht eine gute Figur dabei.

„Tesla“ - My First Look – 8/10 Punkte.
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Re: Zuletzt gesehener Film

9613
The King (2019, David Michôd)
und
Uncut Gems (2019, Josh & Benny Safdie)

Ersterer ist eine Adaptation von Shakespeares King-Henry-Geschichten, primär Henry V, seinem Aufstieg zum Thron und dem Feldzug nach Frankreich. Ein mittelalterlicher Historienfilm, der erfreulich altmodisch ausschaut verglichen mit der digitalen Brühe von z.B. Ritchies King Arthur, aber dennoch sehr aufwändig und bildgewaltig in Ausstattung, Kostümen und Inszenierung. Michôd mag nicht das volle dramatische Potential der Geschichte ausschöpfen, aber die Dramatik ist vorhanden, sowohl in der Darstellung des zerrissenen Protagonisten als auch in der Darstellung des Krieges, wobei letztere bockstark dreckig, ruppig und knallhart, aber dennoch mit einem poetischen Hauch versehen inszeniert wird, ganz besonders die abschliessende Schlacht um Agincourt. Timothée Chalamet ist natürlich mal wieder grossartig als King Henry, keiner in seinem Alter könnte aktuell diese Rolle mit solch einer reifen Präsenz spielen und die Führerschaft der Figur derart glaubwürdig verkörpern. Anfangs noch mit der leicht gelangweilten Attitüde des frühreifen Jugendlichen, die er schon in so vielen Filmen gemeistert hat, später dann mit einer Härte die einen abkaufen lässt, dass dieser Mann England anführt. Gut sind auch Co-Schreiberling Joel Edgerton als brummeliger Falstaff und Sean Harris, dessen Rolle vor zwanzig Jahren von Jeremy Irons gespielt worden wäre, nicht nur weil die sich unverschämt gleichen. Die Schau spielt mal wieder Robert Pattinson, der in nur zehn Minuten Screentime mit diabolischem Charisma um sich schmeisst.

Uncut Gems ist ähnlich wie der letzte Streich der Safdie-Brüder eine Schnitzeljagd durchs Milieu der Amateurgangster, nur diesmal mit mehr Humor. Adam Sandler ist gleichermassen witzig wie todnervig als spielsüchtiger Juwelenhändler, der sich, um seine Schulden gegenüber drei zunehmend ungeduldigen Geldeintreibern auszugleichen, immer tiefer in ein Netz aus Sportwetten, Schmuckauktionen und anderen finanziellen Wagnissen manövriert. Als temporeiche Thrillerkomödie mit vielen unglücklichen, schwarzhumorigen Zufällen in der Geschichte versprüht der Film ein wenig das Flair der klassischen Guy-Ritchie-Caper wie Lock Stock oder Snatch. Eine einfallsreich getaktete Chose, die mit viel schwarzem Humor aber auch mit der dramatischen Sensibilität eines Indie-Films aufwartet.

7,5 Punkte für beide.
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Re: Zuletzt gesehener Film

9614
iHaveCNit: Master Cheng in Pohjanjoki (2020)
25.08.2020


So manch einen Film habe auch ich nicht auf dem Schirm, aber bei den Filmstarts vom 30.07.2020 ist dann über einige Wochen ein Film im Gedächtnis geblieben, der mich dann doch nach dem Trailer interessiert hat. Und so habe ich mir dann letztendlich Mika Kaurismäkis Film „Master Cheng in Pohjanjoki“ im Kino angesehen und frage mich, warum ich überhaupt so lange mit der Sichtung gewartet habe.

Der aus Shanghai stammende Koch Cheng und sein Sohn Niu Niu steigen aus einem Bus. Sie sind in der finnischen Provinz im Örtchen Pohjanjoki angekommen. Cheng trifft in der dortigen Raststätte auf die Betreiberin Sirkka. Offenbar sucht Cheng einen gewissen „Fongtron“, der niemand etwas sagt. So gewährt Sirkka ihm erst mal Obdach und Cheng bietet ihr die Hilfe in der Küche an, während er weiter nach Fongtron sucht und den örtlichen Bürgern die gesunde chinesische Küche näherbringt, scheint ihn und Sirkka mehr zu verbinden als eigentlich gedacht.

„Master Cheng ...“ ist ein sehr schöner Film, der mir sehr gut gefallen hat. Das liegt an der weitestgehend unkitschigen Erzählung der Geschichte. Optisch bekommen wir vor allem großartige Landschaftsaufnahmen der finnischen Provinz geliefert, die mit ihrer unberührten Weite und Ruhe eine tolle Atmosphäre für einen entschleunigten Urlaub liefern könnte – und mich definitiv genau wie die dort präsentierte Kultur daran erinnert in den kommenden Jahren einfach mal meinen eigenen persönlichen Urlaub in dieser Region zu verbringen. Die Geschichte nähert sich auch komplett entspannt und behutsam seinen Hauptcharakteren. Sowohl Cheng und seinen Sohn als auch Sirkka haben mit persönlichen Schicksalen zu kämpfen, die nach und nach offenbart werden und die sich nach und nach ergebende Bindung der beiden wirkt so selbstverständlich, natürlich, dezent und schüchtern, so dass ich ihnen die sich ergebende Romanze glaube, was sowohl dem Spiel von Chu Pak Hong und Anna-Maija Tuokko geschuldet ist und mit dem von Lucas Hsuan gespielten Sohn Niu Niu toll ergänzt wird. Das Aufeinanderprallen der Kulturen, vor allem wenn es um die Grundsätze chinesischer Ansätze für eine gesunde Ernährung als auch das Erleben der finnischen Kultur für Cheng geht sind auch vollkommen bodenständig eingearbeitet. Natürlich kommt es gegen Ende dann noch zu einer etwas herausfordernden Situation, die jedoch mit einer entsprechenden Leichtigkeit gelöst wird. So liefert der Film ein sehr schönes Wohlfühlkino der besonderen Sorte. Wenn man sich nicht daran stört, dass der Film auch mehrsprachig ist, dann ist der Film eine Sichtung wert.

„Master Cheng in Pohjanjoki“ - My First Look – 8/10 Punkte.
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Re: Zuletzt gesehener Film

9615
Sondervorstellung: Die Blechtrommel (Ohne Wertung für 2020) – gesehen am 31.08.2020 (deutscher Filmstart: 03.05.1979)
Wiederaufführung des ersten deutschen Oscarpreisträgers für den Oscar des besten nicht englischsprachigen Films. Mit der Sichtung habe ich eine kleine aber auch wichtige Wissenslücke geschlossen, da ich bisher weder den Film von Volker Schlöndorff, noch das Buch von Günter Grass gelesen habe. Der Film liefert einen extrem unbequemen Blick auf eines der dunkelsten Kapitel der jüngeren deutschen Geschichte aus der Sicht eines kleinen Jungen, der sich im Alter von 3 Jahren weigert zu wachsen und sich seinen Weg durch die Welt trommelnd und gläserberstend bahnt. Zum aktuellen Zeitpunkt möchte ich dem Film noch keine Wertung geben.
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