Welches sind die drei besten Scorsese-Filme?

Who's that knocking at my door? (Keine Stimmen)
Boxcar Bertha (Keine Stimmen)
Mean Streets (Keine Stimmen)
Alice doesn't live here anymore (Keine Stimmen)
Taxi Driver
Insgesamt abgegebene Stimmen: 4 (19%)
New York, New York (Keine Stimmen)
Raging Bull (Keine Stimmen)
The King of Comedy (Keine Stimmen)
After Hours (Keine Stimmen)
The Color of Money
Insgesamt abgegebene Stimmen: 1 (5%)
The Last Temptation of Christ
Insgesamt abgegebene Stimmen: 1 (5%)
Life Lessons
Insgesamt abgegebene Stimmen: 1 (5%)
Goodfellas
Insgesamt abgegebene Stimmen: 3 (14%)
Cape Fear (Keine Stimmen)
Age of Innocence (Keine Stimmen)
Casino
Insgesamt abgegebene Stimmen: 4 (19%)
Kundun (Keine Stimmen)
Bringing out the Dead (Keine Stimmen)
Gangs of New York (Keine Stimmen)
Aviator (Keine Stimmen)
The Departed
Insgesamt abgegebene Stimmen: 4 (19%)
Shutter Island
Insgesamt abgegebene Stimmen: 1 (5%)
Hugo Cabret (Keine Stimmen)
The Wolf of Wall Street
Insgesamt abgegebene Stimmen: 2 (10%)
Silence (Keine Stimmen)
The Irishman (Keine Stimmen)
Insgesamt abgegebene Stimmen: 21

Re: Die Filme des Martin Scorsese

421
Eigentlich würd ich den Iren auch gern im Kino schauen, aber die VÖ-Politik von netflix und ihren Kollaborateuren ist ja mal echt für den Allerwertesten. Ganze 2 Vorstellungen in einer Woche, noch dazu zu für mich recht ungünstigen Zeiten (zugegeben Einzelschicksal). Kotzt mich ziemlich an, wenn die feinen Netflixler schon ihre Filme in die Kinos bringen, dann doch bitte auch richtig und nicht als Quasi-Sondervorstellung. Ich hasse diese schöne, neue streaming-Welt, sagte ich das schon!? :mrgreen:
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Re: Die Filme des Martin Scorsese

422
AnatolGogol hat geschrieben: 18. November 2019 13:32 Eigentlich würd ich den Iren auch gern im Kino schauen
Sauerei! Hier läuft er während einer Kinowoche (Donnerstag bis Mittwoch) ziemlich regulär im Programm, keine Ahnung, wie das nächste Woche sein wird, und die ganzen Ankündigungen, ob, wann und wo der läuft, änderten zuvor auch andauernd. Zum Glück kann ich ihn am Mittwoch noch mitnehmen. Dass er zu unchristlichen Zeiten läuft kann bei der ausufernden Laufzeit natürlich schnell passieren, da habe ich mit 19:30 in der Innenstadt wohl noch glück gehabt.
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Re: Die Filme des Martin Scorsese

424
Ich hab letzte Woche mal wieder Die Farbe des Geldes geschaut und ganz so begeistert wie einst im Mai hat mich der Film dann dieses Mal doch nicht zurück gelassen. Hat immer noch Spass gemacht Paulchen Neumann zuzuschauen bei seinem eindrucksvollen Spiel und die tollen Kamerafahrten von Ballhaus zu geniessen. Aber so richtig packend war es nicht mehr, mit ein bisschen Wohlwollen würd ich trotzdem noch 8 Punkte geben. Aber was mir dieses Mal sehr deutlich auffiel, ist wie unterschiedlich ich das Ende wie auch generell die Aussage des Films mittlerweile auffasse. Für mich war das Ende immer positiv gemeint und der Film mehr oder weniger die Geschichte von jemandem, der sich noch einmal aufrafft und am Ende besser da steht als zu Beginn des Films. „Hey, ich bin wieder da“ hatte ich wortwörtlich verstanden. Mittlerweile bin ich mir da gar nicht mehr sicher, ob das nicht vielleicht gänzlich gegenteilig zu verstehen ist. So viel Zeit und Anstrengung wie der Film unternimmt Betrug und Selbstbetrug zu thematisieren (gerade auch das Motiv, dass der Betrüger selbst aufs Kreuz gelegt wird, weil es sich selbst belügt) kann eigentlich kein ungewollter Zufall sein. Ich tendiere daher eher zu der Sichtweise, dass Newman am Ende sich nur vormacht, er wäre wieder „zurück“. Eine Chance gegen Vincent hat er auch mit seiner Brille nicht, wie er wohl in seinem Alter auch keine Zukunft im professionellen Billard hat. Er macht sich da genau so was vor, wie den ganzen Film über. Die Figur hat nichts dazu gelernt und ist immer noch genau so in ihrer Selbstgerechtigkeit gefangen wie zu Beginn des Films. Selbst seine moralische Überlegenheit gegenüber Vincent ist eigentlich ein Witz, da dieser ja nur genau das gemacht hat, was ihm Fast Eddie den ganzen Film über beibringen wollte. Merkwürdig, wie pessimistisch ich die Aussage des Films jetzt sehe, der Film war früher immer fast schon eine Art Feel-good-Movie für mich.
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Re: Die Filme des Martin Scorsese

425
AnatolGogol hat geschrieben: 18. November 2019 13:32 Ich hasse diese schöne, neue streaming-Welt, sagte ich das schon!? :mrgreen:
Klar, einige lehnen das partout ab, und das ist auch in Ordnung. Aber Streaming Kanäle bieten auch neue ungeahnte Möglichkeiten, die leider zu Gunsten von Filmen wie dem Irishman nicht so richtig genutzt werden. Portale wie Netflix, Amazon Prime etc. haben Freiheiten, die (etwas vereinfacht gesagt) das Kino nicht hat - und sie können Freiheiten bieten, die den Studios zu riskant wären. Leider ist da zumindest im Film momentan noch der Wunsch Vater des Gedanken. Natürlich ist ein dialogintensiver 210 Minüter wie Scorseses Ire ein Risiko. Aber Streaming dürfte gerne experimenteller sein. Netflix und Co. hätten so viele Möglichkeiten, kreativen und innovativen Ideen eine Chance zu geben und zu experimentieren. Es gäbe zahlreiche Ansätze, um gängige Storytelling-Strukturen durch dieses neue Medium zu erweitern - der Streaming-Film "Black Mirror: Bandersnatch" hat sich etwa am interaktiven Erzählen versucht, dass in der Gaming-Szene längst ein Standard ist. Stattdessen für extrem viel Geld Scorsese zu unterstützen, seine besten Zeiten noch einmal zu durchleben... Klar, seine Fans wird es freuen und viele Cineasten auch. Und ein guter Film ist immer noch ein guter Film - egal wer ihn bezahlt. Aber das alles fühlt sich für mich etwas verschenkt an. Als wäre der Ire eben etwas, dass ich schon oft genug im Kino gesehen habe und das ich jetzt nicht unbedingt nochmal in Überlänge von Netflix brauche. Und auch wenn das alles jetzt schlecht für "The Irishman" klingt, hat er mir schon gefallen. Nur sonderlich inspiriert hat er sich für mich nicht angefühlt. Das ist der Unterschied zwischen einem netten, handwerklich exzellenten Film wie "The Irishman" und einem großartigen, handwerklich vielleicht im Vergleich zu heute nicht mehr technisch astreinen Film wie "GoodFellas" oder "Taxi Driver". Mit "The Irishman" versuchen Netflix und Scorsese zu sehr, das Kino der frühen 90er zu rekonstruieren, statt den nächsten "GoodFellas" dieser Generation zu verwirklichen. Wenn man versteht, was ich meine.
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Re: Die Filme des Martin Scorsese

426
Mag sein Hille, aber ich lehne es ab Geld für etwas auszugeben, was ich gar nicht sehen will. Wenn ich The Irishman sehen möchte muss ich ein Abo abschliessen und zahle somit für Zeug (zB Endlos-Serien), an denen ich kein Interesse habe. Gut, jetzt langsam öffnet sich auch netflix und lässt Filme im Kino laufen (aber eben wie und mit welchen Restriktionen) und auch auf Kanälen außerhalb ihres Streamingdienstes veröffentlichen (Roma kommt nächstes Jahr tatsächlich doch noch auf BD raus). Aber das ändert nichts daran, dass ich die VÖ-Politik von netflix nicht gut finde:
- Ich will nicht für Sachen zahlen, die ich nicht sehen will
- Ich will nicht mein ganzes Leben auf den Kopf stellen, damit ich die eine Vorstellung im Kino nicht verpasse
- Und ich will auch keine gefühlt 2 Jahre warten, bis ein Film endlich mal auf nem Non-Streaming-Medium rauskommt

Aber sag mir lieber, um was es in der Geldfarbe jetzt eigentlich geht! :D
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Re: Die Filme des Martin Scorsese

427
Casino Hille hat geschrieben: 18. November 2019 13:01 Nicht wirklich. The Irishman ist kein Totalausfall, wie Martin leider mittlerweile einige auf dem Kerbholz hat, doch trotz der unterhaltsamen Regie bleibt 210 Minuten lang die Frage offen, was uns Scorsese Neues erzählen will? Jede Einstellung, jeder Spannungsmoment, jede Geste, jeder auflockernde Witz, jede Intrige haben wir schon unzählige Male in diesem Genre gesehen. Die Frage mag unfair klingen, denn The Irishman ist als bewusster Gegenpol zur extrem repetitiven Blockbuster-Ära angelehnt - allein es fehlt das Alleinstellungsmerkmal. Ein mit viel Routine und großem handwerklichen Können erzähltes Machodrama? Sicher. Aber einen neuen Klassiker schafft man nicht, in dem man Robert De Niro, Al Pacino und Joe Pesci einfach Jahre später nochmal die sein lässt, die sie auf der Leinwand schon dutzende Male gewesen sind - und in dem man selbst all das in technischer Brillanz wiederholt, was man als Regisseur sein Lebenswerk über bereits wiederholt ausgelotet hat. Hat es mir gefallen? Ja. Aber bleibt irgendwas hängen, außer der Lust, mal wieder GoodFellas und Godfather zu schauen? Ich fürchte nicht.
Die Stärke des Films ist, dass der Tod der Sympathieträger stark thematisiert wird, bzw. die Frage "Und wozu das alles?", wenn man am Ende im Heim vor sich hin vegetiert.
In The Irishman wird die Mafia anders als in den alten Filmen nicht romantisiert. Es zerfällt alles. Das ist ein bedeutender Unterschied.

Re: Die Filme des Martin Scorsese

428
Ich bin ja einer der wenigen hier, die von Scorsese aus den letzten zwanzig Jahren mindestens Departed und Silence noch sehr gut fand, und so dürfte es nicht überraschen, dass mir der Ire, eben im Kino, sehr gut gefallen hat.

Das liegt vor allem daran, dass er die zwei vermeintlichen Schwierigkeiten, die man dem Film leicht vorwerfen könnte, weitgehend elegant umschifft. Erstens macht sich die doch sehr üppige Laufzeit von fast dreieinhalb Stunden kaum negativ bemerkbar, da Marty auch vieles zu erzählen hat und den Stoff dramaturgisch flott strukturiert. Der Ire wird gewissermassen von zwei verschachtelten Rahmenerzählungen eingeklammert, die ihm vor allem im ersten Drittel einen dynamischen Einstieg in die Geschichte erlauben ohne zu stark in der Zeit hin- und her zu springen oder von der erstaunlich gradlinig geschilderten Kernhandlung abzulenken. Befreit vom Ballast von zu viel und zu kompliziertem Kontext - nicht zuletzt, da zeitliche Fixpunkte immer nur in Gestalt von z.B. Fernsehnachrichten auftreten und der Film nicht in Daten und Jahreszahlen festgehalten werden will - gelingt eine schöne Balance zwischen informativem Background und der immerzu im Fokus stehenden Entwicklung und Geschichte der zentralen Charaktere.

Zweitens gerät der Film nicht in die Falle, andauernd die vergangenen, glorreichen Tage von Goodfellas und Casino zu beschwören (und früher war bei Scorsese ja scheinbar immer alles besser). Dass die Erzähltechnik sehr ähnlich funktioniert und die Welt, in der sich die Figuren bewegen sowieso, ist klar. Aber der Ire ist zu sehr an seiner eigenen Geschichte interessiert, als dass er wie eine Art Best-of oder eine Zelebrierung seines Regisseurs wirkt. Aufmachung und Inszenierung - visuell, aber auch musikalisch - sind ausserdem wesentlich nüchterner als Scorseses früheren Werke im Genre des biografischen Mafiafilms, was diesen Punkt weiter unterstützt.

Auch figürlich ufert das Spektakel nie aus, bleibt in Bezug auf die Menge an Akteuren so überschaubar, wie es ihm möglich ist und konzentriert sich ganz auf seine Protagonisten. Vermutlich wurde im Vorfeld viel über die digitale Verjüngung geschrieben, gelesen hätte ich es nicht. Das computergenerierte Make-up ist aber überwiegend gelungen und schlägt nie zu sehr über die Stränge, so wird De Niro zum Beispiel mit ein, zwei kleinen Ausnahmen nie weit unter das Alter von fünfzig gebracht (zumindest in der Illusion) und die Charaktere überhaupt näher am tatsächlichen Alter ihrer Darsteller gezeigt, so dass das nie ein Problem ist. Höchstens fällt ab und zu die etwas steife Körpersprache der (leicht) verjüngten Herren auf, aber das stört auch nicht, da der Ire seine Rollen ja auch nie besonders physisch anlegt.

De Niro ist zugleich auch sehr überzeugend in seiner Rolle. Dass der gute Bob keine Verwandlungen mehr bietet wie einst in den Siebzigern ist klar, und hätte ich auch nicht erwartet. Stattdessen gibt es ein gelungenes Gleichgewicht zwischen dem Wiedererkennungswert des Darstellers De Niro und einer wirklich gut gespielten Rolle. Vor allem im letzten Drittel darf Bob dann auch in einigen Szenen mit leisen Gesten wahrlich furios auftrumpfen und seine alten Stärken als Charakterdarsteller aufbäumen. Pesci war mein darstellerisches Highlight und spielt zum Glück eine ganz andere Rolle als sein Paradeauftritt in Goodfellas und Casino. Er zeigt eine düstere und eindrucksvolle Präsenz, die in den entscheidenden Momenten menschelt, aber als Ganzes auch immer etwas undurchschaubar bleibt. Bei Pacino (immer noch mit der anderen Stimme und dem anderen Gesicht - sind wir sicher, dass das der Darsteller von Michael Corleone ist?) war ich zuerst gar nicht überzeugt ob der lauten und poltrigen Gesten und hielt es für das reinste Overacting. Mehr und mehr beginnt sein exaltiertes Spiel für die Rolle aber Sinn zu ergeben und er überzeugt gerade auch in den gemeinsamen Szenen mit De Niro*. Ray Liotta war offenbar betrunken, als Scorsese die alte Garde angerufen hat, ist zum falschen Netflix-Casting gegangen und stattdessen in Baumbachs Marriage Story gelandet. Seine Abwesenheit wird geschickt verschleiert von einer Riege guter Nebendarsteller wie Harvey Keitel in einem kleinen Auftritt und dem seit langem unterschätzten Stephen Graham als ebenso gefährlicher wie nervtötender Mafia-Hitzkopf.

Der beste Scorsese seit Ewigkeiten? Nicht für mich. Dafür war Silence vorletztes Jahr viel zu gut. Ein starker Scorsese? Auf jeden Fall.

Wertung: 8,5 / 10

* Dass ich zur Einstimmung gestern Donnie Brasco geschaut habe liegt nur am Genre und dem Umstand, dass ich den vorher noch nie gesehen hatte und sowieso auf meiner Liste hatte. Reiner Zufall ist dagegen, dass die Beziehung und die Freundschaft der Protagonisten in beiden Filmen ähnlich oder besser gesagt vergleichbar ist. Und da können Pacino - De Niro 2019 in meinen Augen Pacino - Depp 1997 locker das Wasser reichen. In den kleineren Aspekten, die sich mir emotional jetzt erst langsam zu entfalten beginnen, entwickeln die beiden Grossväter des New-Hollywood-Kinos eine ebenso herzliche wie problematisch-komplexe Beziehung, die vor allem von Bob in zwei entscheidenden Szenen darstellerisch enorm stark reflektiert wird.
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Re: Die Filme des Martin Scorsese

429
AnatolGogol hat geschrieben: 18. November 2019 15:34 Mag sein Hille, aber ich lehne es ab Geld für etwas auszugeben, was ich gar nicht sehen will.
Öhm... sollst du ja auch nicht? :wink: Ich habe eher unabhängig von deinem Beitrag versucht, darüber zu sinnieren, dass die neue Streaming-Welt, die du angesprochen hattest, für mich noch so ihre Tücken hat. Aber nicht, weil sie so neu und anders ist, sondern weil sie alten Wein in neuen Schläuchen präsentiert. Die Streaming-Dienste hätten so viele narrative Möglichkeiten, Dinge zu tun, die Film und Fernsehen eben nicht können. Stattdessen bieten sie Leuten wie Scorsese eine Plattform, um Filme zu drehen, die der Mann seit über dreißig Jahren dreht. Das ist für mich etwas sehr schade - aber wer von Netflix und Co. eh Abstand hält, der freut sich natürlich, wenn das Angebot dort (zumindest der Teil, der nach draußen ins Kino dringt) genau das ist, was man dort sonst auch zu sehen kriegt.
Invincible1958 hat geschrieben: 18. November 2019 22:43 In The Irishman wird die Mafia anders als in den alten Filmen nicht romantisiert. Es zerfällt alles. Das ist ein bedeutender Unterschied.
Naja, so bedeutend nun auch wieder nicht und GoodFellas war schon 1990 das entromantisierte Gegengewicht zu Coppolas Godfather (die phonetische Ähnlichkeit der zwei Titel ist da sicher kein Zufall - und wenn doch, dann ein besonders schöner). Nicht falsch verstehen: ich fand den Irishman schon in Ordnung. Nicht mehr, nicht weniger. Aber es ist schon schade, dass einem Meister des Genres wie Martin Scorsese in über drei Stunden nichts, aber auch gar nichts einfällt, dass er so nicht schon erzählt hat. Ich widerspreche auch dem Post von Eric entschieden: Doch, Irishman ist ein Scorsese Best of, es ist die vierte oder fünfte Variation seiner GoodFellas Geschichte und das geht so weit, dass die Regie viele Stellen der Handlung mehr abarbeitet als sie zu entwickeln, gerade die schiere Zahl an Nebenfiguren erfüllen die meiste Zeit Checklisten-Kriterien. Erst der lange Schluss, da wird es etwas spannender, da entwickelt sich der Stoff etwas, aber um da etwas Großes draus zu machen, dafür hätte der Ire von vornherein ein anderer Film sein müssen. Natürlich gibt es Unterschiede zu den alten Mafia-Dramen, aber die liegen eher in der heutigen Bildsprache und den modernen Sehgewohnheiten begründet und auch darin hebt sich The Irishman leider kein Stück ab.
GoldenProjectile hat geschrieben: 21. November 2019 01:38 Aufmachung und Inszenierung - visuell, aber auch musikalisch - sind ausserdem wesentlich nüchterner als Scorseses früheren Werke im Genre des biografischen Mafiafilms, was diesen Punkt weiter unterstützt.
Allerdings ist The Irishman auch deutlich bunter bzw farblich sehr viel breiter angelegt als die sehr nüchterne, naturalistische Farbgebung anderer/früherer Scorsese Filme. Auch hier ist The Irishman eben eindeutig ein Kind seiner Zeit.
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Re: Die Filme des Martin Scorsese

430
Casino Hille hat geschrieben: 21. November 2019 15:54 (die phonetische Ähnlichkeit der zwei Titel ist da sicher kein Zufall - und wenn doch, dann ein besonders schöner).
Ein bisschen schon, da der Film eigentlich genau wie das Sachbuch von Pileggi Wiseguys heissen sollte, was meines Wissens nach auch der gebräuchlichere Eigenname in Mafiakreisen ist als Goodfellas. Als sich eine Reihe von Produktionen zeitgleich aber identisch oder ähnlich nannte wechselte Scorsese auf den weniger geläufigen Mafianamen, den ich als Titel aber bevorzuge.
Casino Hille hat geschrieben: 21. November 2019 15:54 Ich widerspreche auch dem Post von Eric entschieden: Doch, Irishman ist ein Scorsese Best of, es ist die vierte oder fünfte Variation seiner GoodFellas Geschichte
Da gab es aber in den letzten Jahren eine ganze Riege an ähnlichen Geschichten, z.B. der Waffenschieber-Film mit Miles Teller und der Goldsucher-Film mit Matthew McConaughey. Klar, Goodfellas hat die Geschichte vom Aufstieg und Fall auch nicht erfunden, aber ich finde den 1990er-Scorsese in dieser Hinsicht so prägend, dass ich diese Crime-Bios tatsächlich auch alle "nur" als eine Variation von Goodfellas angesehen habe.

Ich musste gestern während der dreieinhalb Stunden zumindest selten an Goodfellas/Casino denken, und wenn doch, dann war es eine wohlige Vertrautheit innerhalb dieses neuen, eigenständigen Films. So wie man sich freut und wissend lächelt, wenn bei Tarantino ein popkulturell gespickter Dialog ausartet, bei Lynch ein komischer Geist aus einer anderen Welt auftaucht oder bei Bond die Action-Humor-Mische den Geist der Moore-Ära beschwört.
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Re: Die Filme des Martin Scorsese

432
Samedi hat geschrieben: 21. November 2019 17:21 Wie alt ist denn der digital verjüngte De Niro in "The Irishman"?
Die ältesten Szenen spielen in den 50ern, da war Frank Sheeran um die 40. Ein paar kurze Szenen aus dem 2. Weltkrieg aus den 40ern sollen ihn in den 20ern zeigen. Von den 50ern geht es dann durch die 60er (der Großteil des Films) ins Jahr 1975, welches im Rahmen eines Road-Trips eine Rahmenhandlung zeigt.
Das alles wird eingebettet in das Hier und Jetzt, welches in den 90ern spielt (Sheeran im Altersheim).

Hier sieht man drei Varianten seines Looks:
https://www.indiewire.com/wp-content/up ... .16-PM.png

Re: Die Filme des Martin Scorsese

433
Langweilig, geschwätzig, ziellos: The Irishman ist für mich Scorseses mit Abstand schlechtester Film. Seine Überlängen-Filme hatten ja eigentlich durchgängig die Tendenz länger zu laufen, als ihnen gut tat. Aber beim Iren setzt er mit dem Verhältnis zwischen Laufzeit und figürlichem und inhaltlichem Gehalt einen ganz neuen Standard. Die Handlung rund um das Ende von Jimmy Hoffa ist dramaturgisch aufs äusserste reduziert und dient lediglich für eine lose Abfolge von sich inhaltlich wiederholenden Szenen. Bezeichnend, dass Scorsese nahezu die doppelte Laufzeit benötigt um die gleiche Geschichte mit deutlich weniger Inhalt und Figurenentwicklung wie seine Kollegen Jewison und DeVito zu erzählen. Die Hauptdarsteller sind ebenfalls eine einzige Enttäuschung und bieten lediglich die leider mittlerweile von Ihne gewohnte eigene Klischee-Vollbedienung. Ein ganz schrecklicher Film.
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Re: Die Filme des Martin Scorsese

434
Ach Herrje... :D

Jetzt wollte ich schon sagen: Schön, dass es anscheinend geklappt hat mit dem Kinobesuch - aber so schön wars ja in dem Fall wohl nicht :mrgreen:

Ich bin mittlerweile der Überzeugung, dass Scorsese der mit riesigem Abstand kontroverseste Regisseur des Forums ist. In diesem Thread schockiert mich gar nichts mehr :)
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Re: Die Filme des Martin Scorsese

435
AnatolGogol hat geschrieben: 23. November 2019 17:49 Langweilig, geschwätzig, ziellos: The Irishman ist für mich Scorseses mit Abstand schlechtester Film.
Obgleich mir der Ire in einigen Aspekten gut gefiel und ich ihn als Gesamtwerk weder schlecht finde noch ihn an das Ende meiner Scorsese Rangliste packen würde, stimme ich dir im Kern deines schönen Kommentars vollkommen zu. Der Punkt Geschwätzigkeit ist besonders dann auffallend, wenn man ihn mit Godfather, GoodFellas, Once Upon a Time in America, Casino oder auch Serien wie The Sopranos oder Boardwalk Empire vergleicht. Das Maß, in dem die Figuren über sich reden, miteinander reden und sich gegenseitig immer wieder (dem Zuschauer) erklären, sprengt jede Verhältnismäßigkeit. Dialogintensives Erzählen ist nicht per se verkehrt, aber Scorseses Film sieht aus, als hätte er einen absolutistischen Anspruch gehabt, in seinen Rundumschlag wirklich jeden möglichen denkbaren Aspekt der Geschichte zu packen. Und das ist zu viel, es ist ziel- und kernlos und ja, an vielen Stellen auch definitiv langweilig.
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