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von vodkamartini
Agent
The Heavy Entertainment Show (München Olympiastadion, Sa. 22.7.17)
a, Robbie Williams ist etwas älter geworden. Ja, er ist körperlich nicht mehr in der Form seiner Glanztage. Und ja, seine mit dem aktuellen Album „The Heavy Entertainment Show“ betitelte Tour ist eine verkappte Greatest Hits-Veranstaltung. Dennoch, und das ist das wahrhaft erstaunliche, ist auch ein dergestalt „limitierter“ Robbie immer noch eine Rampensau wie man sie im Pop-Rock-Zirkus nicht häufig findet. Sein übergroßes Ego ist gepaart mit einem enormen Maß an Selbstironie sowie einem ungeheuren Spaß am Faxenmachen. Die Augen funkeln, die Körpersprache ist auf Angriff gebürstet und der Schalk blitzt aus allen Poren. So gesehen hatte auch ein „halber Robbie“ nicht die geringsten Schwierigkeiten das gestrige Münchener Mainstream-Publikum binnen Sekunden in verzückte Ekstase zu versetzen. Dass er sich - wie der Autor durchaus treffend feststellt - „auf das große Damals“ verlässt, ist kein Manko. Im Gegenteil. Die versammelten 70000 wollten genau das hören, erleben, feiern und hatten dafür ja auch ganz ordentlich in die Tasche gelangt.
Will man Künstler vom Status eine Robbie Williams dafür kritisieren, dass sie auf ihren Torneen verstärkt auf die große Zahl genau jener Songs zurück greifen, die ihren Legenden-Status erst begründet hatten, dann muss man sich ernsthaft fragen, warum weitaus betagtere Truppen wie die Rolling Stones, ACDC oder U2 noch immer über die Bühnen dieser Welt turnen und dafür auch noch von der Musikpresse bejubelt werden. Denn die letzten starken, relevanten Alben liegen noch einige Jahrzehnte länger zurück wie Williams „Escapology“ (2002), weshalb sie konsequenterweise schon längst in den Best-of-Dauerschleife-Modus geschaltet haben. U2 fällt heuer gar nichts besseres ein, als mit ihrem größten Album „The Joshua Tree“ (von 1987!) auf Tour zu gehen, weil man mit dem neuen Material nach wie vor unzufrieden ist.
Da hat es deutlich mehr Charme, wenn Robbie sich über seine zwar lukrative, aber musikhistorisch eher unbedeutende Take That-Vergangenheit und seine erkennbar weniger erfolgreiche Nach-Guy-Chambers-Phase lustig macht. Nach dem Motto: klar hatte ich früher bessere Songs und deswegen verschone ich euch auch weitestgehend vom aktuelleren Rest. Das Publikum jedenfalls ist dankbar ob so viel selbstkritischer Offenheit und steht auch auf den Rängen beinahe durchgängig. Es spürt, dass der Entertainer trotz Rückenleiden alles gibt und gesanglich wie humoristisch alle Register zieht. Ob mit, oder ohne (Big) Band, oder gleich a capella, Robbie ist stimmgewaltig wie eh und je. Seine Witze und komischen Einlagen mögen einstudiert sein, aber sie wirken dennoch frisch und unverkrampft. Und dass er „Something Stupid“ mit Hilfe einer Freiwilligen aus dem Publikum durch den Kakao zieht, passt wunderbar ins ironische Gesamtkonzept, zumal das Duett mit Nicole Kidman auch schon im damaligen Musikvideo recht humorvoll angelegt war und textlich wie musikalisch ohnehin leicht-beschwingte Kost ist.
Ein wenig schade wie überraschend war lediglich das einigermaßen abrupte Ende. 100 Minuten, zumal bei noch gut einer halben Stunde Luft bis zur üblichen Münchner Sperrstunde, sind für den selbsternannten „Heavy Entertainment Champion of the World“ dann doch ein wenig dürftig. Nicht nur weil „No Regrets“ und vor allem „Supreme“ den Abend noch aufgewertet hätten, sondern weil Robbie seinen Fans auch das übliche Zugaben-Ping Pong vor enthielt und im Gegensatz zur sonstigen Redseligkeit das Ende weder ankündigte noch flapsig kommentierte.
Ansonsten bleibt die Erinnerung an ein perfekt choreographiertes und inszeniertes Pop-Spektakel, das diejenigen Lügen straft, die Stadionkonzerten gemeinhin ob ihrer Größe mangelnde Intimität und eine dem intensiven Musikerlebnis abträgliche Schunkel-Atmosphäre vorwerfen. Als einziges Problem bleibt höchstens der Bühnenaufbau, der bei einer solchen Publikums-Größe kaum entsprechende Ausmaße erreichen kann. Vielleicht wäre auch eine weitere Videoleinwand für den proppenvollen Innenraum keine schlechte Idee gewesen, denn außerhalb der beiden FOS-Bereiche dürfte Robbie vielen wie ein „verzwergter Popriese“ (ja, der musste sein) vorgekommen zu sein. Eine noch wuchtigere Bühne hätte ihn aber nur noch kleiner gemacht, selbiges gilt für eine noch aufwändigere Effekt-Show.
Ob es kein „waghalsig großer Abend“ mehr war - wie Herr Schütz bemängelt - und nur noch ein „zuverlässig guter“, dürfte für das Gros der verzückten Fans und „den will ich auch mal sehen“-Neugierigen kaum eine relevante Frage gewesen sein. Robbie Williams hat auch mit vermeintlich halber Kraft gezeigt, wie man anno 2017 ein Stadion zum Beben bringt. Wenn das dann lediglich gut gewesen sein soll, dann muss sich die Superstar-Konkurrenz aber ganz warm anziehen.
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