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von Casino Hille
'Q Branch' - MODERATOR
Habe es heute geschafft, mir endlich Silence anzusehen, hauptsächlich weil ich die schauspielerische Arbeit von Adam Driver in den letzten Jahren enorm schätze. Leider hatte der Film abseits des tollen Darsteller-Duos (Garfield & Driver) und einer wahnsinnig atmosphärischen Kameraarbeit nicht allzu viel zu bieten. Obgleich auf dem wunderschön komplexen Roman von Endō Shūsaku basierend, gelingt es dem angepeilten Glaubensepos unter der Führung von Scorsese nur selten, seine Themen um Glauben und Zweifel angemessen zu vertiefen. Die Jesus-Geschichte schwebt wie ein Damoklesschwert über dem Filmplot, doch die beabsichtigten Parallelen sind letztlich viel zu forciert, um einen Aha-Moment auszulösen. Gerade die Off-Kommentare wirken, als habe Scorsese weder Script noch Publikum zugetraut, den Film selbst zu erschließen, zu erklärend legen sie also den Inhalt dar. Natürlich muss man dem Regie-Altmeister anerkennen, dass er plumpe Schwarz-Weiß-Malerei (Böse Japsen kontra Gute Christen) vermeidet und es ist sogar erstaunlich, dass "Silence" trotz der ständigen Möglichkeit nie in eine verleugnende Legimitation von europäischen Kolonialismus im Namen des Herren ausartet. Und dennoch, trotz all dieser lobenswerten Attribute, ist "Silence" mit fast drei Stunden Laufzeit schlicht zu zäh und lang und mäandert, obwohl sie bereits mehrfach ihren Punkt erreicht zu haben scheint. Scorsese, dem seine Kritiker in jüngerer Zeit gerne vorwerfen, seine Filme zu oft mit Wiederholungen in die Länge zu ziehen, verpasst hier mehrfach ein kraftvolles Momentum, um dann letztlich dort zu enden, wo sein Film schon einige Male gewesen ist. Trotz aller Anspielungen an Conrad's "Herz der Finsternis" mangelt es mit zunehmender Laufzeit an dramaturgischer Stringenz. Und trotzdem: Als filmischer Essay zum Thema Stillleben, um nicht zu sagen als spirituelle Erfahrung kann dieser vermutlich sehr persönliche Film durchaus ansprechend wirken, erst recht weil sich der Handlungsfluss jeden erzählerischen Konventionen verweigert. In den fantastischen Landschaftsgemälden der Kamera kann man dich nicht nur verlieren, sondern bekommt die Chance, eine mystische Naturkulisse äußerst expressiv komprimiert zu erspüren, ähnlich wie es auch im Westerndrama "The Revenant" möglich war, sich von der naturalistischen Stimmung fesseln zu lassen und zugleich Verständnis für andere zivilisatorische Umstände zu gewinnen (etwa, wenn man Verständnis für die japanischen Statthalter und ihre uns fremdelnde fernöstliche Philosophie entwickelt). Für die einmalige Erfahrung daher trotz zahlreicher Mängel einen Blick wert - auf einen zweiten wird es für mich aber wohl nicht hinauslaufen.
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Let the sheep out, kid.