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von danielcc
00-Agent
Stimme Anatol nahezu 100%ig zu.
Aber erst mal zu Teil 3:
Wie schon mehrfach von diversen Mit-Foristen bemerkt: Teil 3 setzt wiederum auf die Stärken der Neuverfilmungen offenbart aber auch die Schwächen, wobei die Stärken hier besonders hervorstechen, während man die Schwächen zumindest etwas kaschieren konnte.
Was bedeutet das?
Die Stärken sind ganz klar die Figuren und Charaktermomente, sowie der Humor. Umso mehr Zeit verwendet Teil 3 auch darauf, die Figuren einzuführen bzw. auszubauen. So steht auch dieses Mal klar Old Shatterhand im Vordergrund und man gibt sich besonders viel Zeit damit, sein Leben zu zeigen, seine Familienidyll. Doch absolut herausrandend war für mich hier der Bösewicht Santer Jr. Zurecht widmet der Film seinen Hintergründen, seinen Motiven einen Großteil der ersten Filmhälfte und dabei kommt für mich mitunter eine der interessantesten Bösewichtfiguren heraus, die ich seit sehr langer Zeit im Film gesehen habe. Selten bekommt man einen runderen, vollkommeneren Charakter in einem Unterhaltungsfilm präsentiert. All die Facetten seines Charakters (Schauspielambitioneen, Geltungssucht, Gier,...) werden nicht einfach nur behauptet sondern wunderbar dargestellt und mehr noch, sie dienen wirklich und wahrhaftig der Story. Mit Michael Maertens hat man diese komplexe Figur dann auch meisterhaft besetzt, denn alle Szenen mit ihm werden zum Fest und sind klar die Highlights der Trilogie.
Dass zwischen Shatterhand Familienidyll und Santer Jr. Fixierung abermals wenig Platz für Winnetou ist, wäre nicht weiter schlimm, wenn der Film nicht im Mittelteil einen gravierenden Fehler machen würde - nämlich in dem er den Fokus auf Winnetou und seine Indianerstamm-Vereinigung legt. Auch hier sind wieder die Parallelen zu Cameron's Avatar offensichtlich - leider fehlt es dann am Ende an Aufwand und Budget um dieses Vereinigung auch glaubhaft in einen großen Kampf münden zu lassen, der diesem Fokus der Handlung gerecht werden würde.
Doch leider ist das doch zu knappe Budget und auch wohl auch das Talent der Personen hinter der Kamera das Problem der Trilogie wenn es um Actioninszenierung geht. Dass der Fokus der Neuverfilmungen klar auf Charakteren und Dialogen liegt ist an sich kein Problem. Doch man kann eben keinen großen Showdown vorgaukeln, wenn am Ende trotz Vereinigung aller Indianerstämme nur 30 Mann immer wieder durchs Bild reiten. Umso beachtlicher der Respekt für die alten Karl May Verfilmungen, wo man in solchen Szenen immer geklotzt hat. Hier verkommt der Satz der Häuptlings ob der Größe und Bedeutung dieser Schlacht zum unfreiwilligen Lacher.
Positiv bleibt jedoch anzumerken, dass mit dem Kampf der beiden Häuptlinge die einzige Actionszene der Trilogie glaubhaft inszeniert wurde, und dabei sogar noch atmosphärischer als irgendeine Szene in den Originalfilmen.
Abermals großartig ist die Kameraarbeit. Nicht nur, dass der Film wie die beiden Vorgänger locker auch als Kinoarbeit durchgehen würde, nein im dritten Teil hat man noch einen drauf gesetzt und präsentiert noch spannendere Bilder. Dabei entfernt sich der Film optisch noch deutlicher von den 60er Jahren Vorbildern, da mit viel Nebel und Dunkelheit auch ganz andere Stimmungen erzeugt werden (teilweise ungeplant wie das lange Making of zeigt aber die Bilder hier von der nebligen Prärie oder die Luftaufnahme der Helden im Kanu sind locker so imposant wie Deakins Aufnahmen von Schottland in SF oder die viel gelobte Arbeit in The Revenant)
Teil 3 setzt aber auch in anderer Hinsicht noch einen drauf nämlich was Anspruch und Aussage angeht. Angefangen von der sehr greifbar gemachten May'schen Botschaft von der Völkerverständigung, die sich immer wieder in Shatterhands Bemühen, aber auch in der Vereinigung der Indianerstämme zeigt. Doch noch mehr hat mich hier begeistert, wie der Film im Grunde nahezu tagesaktuell daher kommt. Ohne große Mühe erkennt man Anspielungen auf die Flüchtlingsproblematik, auf populistische Bewegungen à la AfD, auf die "post-faktische" Zeit, da ist ein wenig Trump- und Kapitalismus Kritik, und nicht zuletzt garniert Maertens das Ganze mit deutlichen Anspielungen auf Goebbels/Hitler. Das Ganze funktioniert ganz prächtig, da es den Original May wunderbar kombiniert bzw. überträgt auf unsere Zeit. In wenigen Szenen zeigt der Film, was passiert, wenn ein Desinteresse an Fakten kombiniert durch populistische Äußerungen, Propaganda und Anstachelungen (und Geld im Hintergrund) auf einen Nährboden von Ressentiments treffen. Große Klasse! Leider ist für mich dann auch nach der Verurteilung der Helden für lange Zeit die Luft raus, da (wie oben beschrieben) ein falscher Fokus auf Winnetou und die Stammesvereinigung gelegt wird.
Wie würde ich die Filme einzeln bewerten? Das ist gar nicht so leicht, da die Schwankungen innerhalb der Filme größer sind als die Schwankungen zwischen den Filmen:
Teil 1: 6,5
Teil 2: 7
Teil 3: 7,5-8
"It's been a long time - and finally, here we are"