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von Casino Hille
'Q Branch' - MODERATOR
Hitman: Agent 47
Früher hielt man sich die Hand vor Stirn und Augenpaar, wenn einem der Infantilismus einer Sache in reinster Form begegnete und einem jedes Verständnis dafür ausblieb. Im Internetjargon der Jugend des Jahres 2015 nennt man diese Praktik leicht verschmitzt die "Facepalm". Sie kommt immer dann zum Einsatz, wenn man in einer leicht frustrierenden Mischung aus peinlicher Berührtheit und Fremdscham sich mit nichts anderem mehr zu helfen weiß, als eben jener "Facepalm". Wer dieses ganz natürliche Phänomen einmal an sich selbst austesten will, dem ist dank Regisseur Aleksander Bach bald geholfen: Mit "Hitman: Agent 47" wagte sich der Werbefilmer an eine filmische Adaption der beliebten Videospielreihe, über einen Auftragskiller ohne Identität, mit Glatze und Strichcode-Tattoo im Nacken. Mit jenen Spiele, in welchen der Spieler als "Hitman" in verschiedenen Level eine Vielzahl an Rambo- oder Stealth-Möglichkeiten erhält, seine Ziele mehr oder weniger unbemerkt zu eliminieren, hat dies nicht mehr viel zu tun und mit gutem Kino auch nicht so wirklich: "Facepalm - The Movie"?
Das immerhin von drei Autoren (unter anderem Skip Woods) zusammengeschusterte Script, hält sich immerhin dramaturgisch an die Vorlage: Wie in den Spielen scheint eine übergreifende Handlung hier nur sehr beiläufig präsent, die Spannung wird episodisch aufgebaut, entwickelt und wieder abgebaut. In der Theorie. Denn, was prinzipiell eine reizvolle brutale Menschenjagd hätte werden können, verkommt unter Bachs lärmendem Actiongetöse zu unplausibler und primitiver Schauwertvergeudung. Das in Shanghai, Potsdam und Berlin gefilmte Spektakel will ganz offensichtlich nur möglichst brutale (aber mit Wink auf die Zielgruppe dennoch blutleere) Shootouts und krachende Effektbonbons offerieren, und lässt sich dafür auch vom geringen Budget und schwammigen Animationen abhalten. Dramaturgisch bleibt die (sich in den wenigen bedeutungsschwangeren Dialogen komplex gebenden) Story eine Orgie an Bedeutungslosigkeiten und oberflächlichem Getue, die Charaktere wirken dabei auf dem Armaturenbrett entworfen. Menschlich sind hier weder Film noch Figuren, wie im Videospiel entpuppt sich das Geschehen als steigernde Aneinanderreihung immer brachialerer Destruktionslevel.
Doch anders als bei einem Computerspiel bleibt der Zuschauer hier außen vor, er wird dazu verdammt, diesen Leveln passiv beizuwohnen. Während die Spiele also durch die Atmosphäre und das taktische Denken punkten, sieht man hier dem fürchterlich hölzernem Rupert Friend als Agent 47 dabei zu, wie er sich durch Gegnerhorden ballert und hin und wieder gegen den schauspielerisch auf Autopilot agierendem Zachary Quinto antritt. Trotz der geringen Laufzeit von 96 Minuten artet dies schnell in enorm repetitive Abläufe aus, es mangelt an allen Ecken und Enden an Abwechslung. Die Gegner, die ohnehin nur austauschbares Kanonenfutter für den Antihelden sind, bekommen nicht mal ein vernünftiges Oberhaupt zugesprochen: Thomas Kretschmann quält sich hier nach "Avengers: Age of Ultron" zum zweiten Mal binnen kürzester Zeit durch eine Schurkenrolle, die man bestenfalls als ungewöhnlich langen Cameo bezeichnen dürfte. Seine Motivation wird kurz vor Schluss in zwei Nebensätzen angerissen, seine Diabolik darf er nur in übertriebenen chargierenden Passagen mit dem Holzhammer präsentieren. Da zudem fast ausnahmslose jedes Gefecht in Lagerhallen, Hotelzimmern oder Forschungslaboren (sprich: offensichtlichen Studiokulissen) stattfindet, kommen einem die Anderthalb Stunden schnell deutlich länger vor, als sie eigentlich sein dürften. Schade außerdem, dass die 2-3 kleineren philosophischen Fragestellungen, die der Plot und die Spiele geboten hätten, hier bestenfalls angerissen werden. Die Frage nach der potenziellen Empathiefähigkeit potenziell emotionslos gezüchteter Menschen bleibt virulent, eine etwas weniger schemenhafte Aufteilung von Gut und Böse fällt unter "gewollt und nicht gekonnt".
Wer hier noch Hoffnung in die Action setzt, kann nur ein grenzenloser Optimist sein. Sicherlich gelingt es in 1-2 kurzen Passagen, geschickte Anspielungen an die berühmtesten Ableger der Games einzubauen, doch von denen abgesehen, ist die mies getrickste Action nicht nur oft erstaunlich kurz, sondern lässt Genrefilme à la "Matrix" oder die verrücktesten "James Bond"-Abenteuer wie glaubhafte Abhandlungen über physikalische Gesetze erscheinen. Dies wäre für Popcorn-Spaß ja noch verständlich, würde die Absurdität nicht ständig in Unbalance zu Aufwand und Ergebnis stehen. Als der Hitman mit einem Helikopter in ein Bürogebäude kracht, mehrere Etagen, böse Buben und zahlloses Mobiliar mit den Rotorblättern zerfräst und das nur, um den Kampfgeist der bis dato gefesselten blauäugigen Schönheit zu wecken, liegt die Doofheit des Filmes am offensichtlichsten dar und wird - wie auch alles zuvor - auch noch mit ernsten Mienen ohne jede Selbstironie vorgetragen. Nein, frivole Oneliner oder augenzwinkernde Situationskomik halten nie Einzug in das graue Treiben, die gähnende Leere darf nicht mal als falsch verstandene Genreparodie gewertet werden. Und auch der Showdown, der dann einmal kurz wenigstens etwas zu krachen scheint, bleibt Actionstandard aus der Dose - wohl vor allem, um, wenn man der Schlusspointe glaubt, Steigerung für ein Sequel offenzulassen. Es bleibt die Frage, was "Hitman: Agent 47" eigentlich sein wollte: Für einen Actionbegierigen bietet er nur rohen Standard, für Fans der Spiele böse Frustration und für Fans von "Filmen" immerhin eine Vielzahl an "Facepalm"-Momenten...
Fazit: In einer Schlüsselszene von Bachs "Hitman: Agent 47" erlangt der Schurke Le Clerq die Einsicht, dass es vermutlich auf ewig Menschen, Organisationen und Maschinerien geben wird, die sich in erster Linie einfach nur profilieren wollen - ob Bach hier versteckt ein eigenes Fazit zu seinen Beweggründen, dieses Script verfilmen zu wollen, platziert hat, bleibt wie so vieles offen. Damit ist dem lustlosen B-Movie jedoch der perfekte Abschluss gelungen, um sich selbst zu kommentieren. Denn nicht nur den Hitman, auch für den Zuschauer und für das Kino geht es nach dem Film einfach weiter - gewonnen hat dabei niemand, allenfalls knapp 100 Minuten seines Lebens verloren. Wer seine Ansprüche deftig heruntersetzt, der kann bei diesem Nichts an eigentlich allem sicher die lauten Soundeffekte und das ganze Drumherum vergessen, ansonsten muss man sich selbst wohl schon ziemlich egal sein, um einen halbwegs befriedigenden Gesamteindruck zu erhalten. Für alle, die sich in dieser Beschreibung nicht wieder entdecken gilt daher: Meiden. Um jeden Preis.
2,5/10
https://filmduelle.de/
Let the sheep out, kid.