Wer Boxen unter "boxerischen" Gesichtspunkten sehen will, schaut sich einen Boxkampf an. Wer Boxen unter filmischen Gesichtspunkten sehen will, schaut sich einen Boxerfilm an.
Ich schaue nie Sport. Ich finde da wenig Unterhaltung oder Faszination darin. Eishockey kann amüsant sein, aber ein ganzes Spiel ist irgendwann auch nur noch ermüdend. Und Fussball finde ich noch viel langweiliger.
Ein Boxerfilm hat ja auch ganz andere Möglichkeiten - Kameraführung, Schnitt, Choreographie, Drehbuch - einen Boxkampf zu zeigen als die Boxkämpfe, die uns im TV gezeigt werden. Und dadurch ist ein Boxkampf im Film einfach ein besser gefilmter und mit Highlights zusammengeschnittener Boxkampf. Im Film sind die Boxkämpfe vollständig ausgearbeitete Ringschlachten, währenddessen viele Boxkämpfe extreme Längen aufweisen, und nach kurzer Zeit wieder vorbei sein können, wie z.B. der typisch dröge Abtast-Klitschko-Kampf, bei dem ein überraschender K.O nach wenigen Runden einen wenig guten Boxkampf für das Publikum bietet.
In Rocky geht es um sehr viel mehr als ums Boxen, im Prinzip ist das nur ein Vehikel für den Charakter. Und wie HCN schon so richtig feststellte, die Realität ist so viel öder (kennen wir ja auch von unserem James und "echter" Geheimdienstarbeit).
@vodka: tolle Review! Einen Bezug zwischen Creed und Deutschrock herzustellen, das muss dir erst mal jemand nachmachen!
Bezüglich des Realitätsgrades der Rockyschen Boxszenen: die Kämpfe in den Rocky-Filmen waren von Anfang an als dramaturgische Ringoper konzipiert. Dass man dabei klare Linien bei den Stilen der Boxer und den jeweiligen Ausführungen einem zwar realistischeren, aber eben auch unspektakuläreren Ansatz den Vorzug gab liegt eigentlich auf der Hand. Hinzukommt, dass sich das Boxen in den letzten 40 Jahren wie viele andere Sportarten entwickelt hat. Wenn man sich die großen Kämpfe von Ali, Frazier, Norton oder Foreman anschaut, so sind diese oftmals deutlich spektakulärer, auch weil man sich nicht so stark egalisierte wie heute, da unter den Topboxern eine größere stilistische Varianz herrschte. Hier mal ein Beispiel aus dem zweiten Ali-Frazier-Kampf, das sieht schon etwas anders aus als wenn Klitschko heute seine statische Ringbeherrschung abzieht (bzw. abgezogen hat) und ist stilistisch gar nicht so weit weg von den frühen Rocky-Filmen (was Wunder, war Ali zusammen mit Louis doch das Vorbild für Apollo, während Marciano und Frazier eine Art Blaupause für Rocky darstellten).
Ich bevorzuge in jedem Fall die stark dramatisierten Ringschlachten der Rocky-Filme gegenüber einem realistischeren Ansatz. So ist dann auch bezeichnenderweise der Film, in welchem man sich bei der Inszenierung des Kampfes am meisten an der Realität orientiert hat (zumindest in Bezug auf die optische Präsentation, aber auch in Teilen bezüglich der Boxszenen selbst), nämlich Rocky Balboa, der diesbezüglich schwächste Film in meinen Augen. Rocky ist großes Drama und genau so müssen auch die Boxkämpfe sein.
Vielen Dank, anatol. Ja, manchaml habe ich ganz sonderbare Assoziationen.
Ansosnsten war ich sehr überrascht von der emotionalen Wucht des Films. Interessantrweise habe ich bei "The Revenant" weit weniger mitgefiebert (sah immer DiCaprio im Schnee) als hier. Mehrere Gänsehautmomente in "Creed", null in "Revenant". Deshalb auch die höhere Wertung.
Ein paar Gänsehaut Momente hat The Revenant schon, aber es ist kein Film der mich emotional groß packt, dafür sind mir die Hauptcharaktere zu gleichgültig. Das heißt das Schicksal der Tiere, das hat mich schon berührt.
Aber es ist ja auch ein Film über die brutale Landnahme, über die Vergewaltigung der Natur.
Maibaum hat geschrieben:Ein paar Gänsehaut Momente hat The Revenant schon, aber es ist kein Film der mich emotional groß packt, dafür sind mir die Hauptcharaktere zu gleichgültig. Das heißt das Schicksal der Tiere, das hat mich schon berührt.
Aber es ist ja auch ein Film über die brutale Landnahme, über die Vergewaltigung der Natur.
Genau so sehe ich das auch. DiCaprios Figur belibt einem seltsam gleichgültig, was definitiv eine Schwäche des Skripts bzw. seines Spiels ist. Als Frontier-Film ist er dagegen großartig.
@Goldi
Ich will gar nicht so sehr sticheln, sehe "Revenant" ja auch bei 8/10. Aber es ist schon seltsam - und ein Stück weit enttäuschend-, dass einen ein solch grausames und extremes Schicksal nicht so recht packt. Der in visueller und inszenatorisch simpler angelegte "Creed" dagegen schafft dies beinahe spielerisch.