(Achtung - wer den Film noch nicht gesehen hat…sollte vielleicht bis nach dem Schauen warten!!!)
Was soll ich sagen???
Gestern habe ich Spectre dann zum zweiten Mal gesehen und bin der Meinung, dass man einen guten Film gedreht hat, ABER ich kann im Moment nicht sagen, dass der Film grandios sei/ist!
Aber fangen wir mit dem an was absolut sehenswert ist und richtig, richtig Spaß macht: DANIEL CRAIG!!!
Ich hatte das andernorts schon genauso plump ausgedrückt, aber ich tue es wieder und aus Überzeugung: der Mann ist eine coole Sau - aber sowas von!!!
Die Art wie er sich bewegt, diese ganze Art, wenn er so ganz galant in Mexiko aus dem Fenster steigt, über die Balustraden spaziert, der Anzug perfekt sitzend und die Hemdmanschetten gerade ziehend (eine Art Markenzeichen der Craig-Ära wie es scheint und ähnlich zu sehen, wie das zurecht rücken der Krawatte von Sir Sean und Sir Roger)…wenn das nicht cool ist, dann weiß ich nicht. Dazu die bondige Musik von Thomas Newman, die grandiose Kamerafahrt. Klasse!
Was hat Craig alles über sich ergehen lassen müssen, als bekannt wurde, dass er der neue Bond ist und ja ich gebe zu, auch ich hatte kurz Vorbehalte.
Aber er hat alle Lügen gestraft und liefert eine mehr als überzeugende Leistung - von Anfang an und hat diese kontinuierlich ausgebaut und mit jedem Film weiter verfeinert!
Es mag manchem wie eine abgedroschene Floskel vorkommen, dass Timothy Dalton mit seiner Interpretation schon damals goldrichtig lag, nur das Pech hatte dies in einer Ära zu tun, in der vor allem die Produzenten noch unsicher waren: einerseits wollte man einen neuen Weg, aber so ganz von der (gelungenen) Moore-Ära wollte man nicht weg.
Craig hatte das Glück und den richtigen „Riecher“ eine ähnliche und romanbasierte Interpretation der Rolle zu liefern zu einer Zeit, wo auch die Produzenten erkannt haben, dass die Filme sich ändern müssen.
Also zusammengefasst: Craig liefert einen absolut überzeugenden Bond, der einmal mehr ein Sammelsurium an Gefühlen präsentiert und eines das bisher nur zaghaft, in Skyfall schon etwas prägnanter und hier nun ausgiebig zur Schau gestellt wird: Humor! Auch das kann er…die Szenen in Rom zum Beispiel, während der Auto-Jagd. Das macht Spaß.
Es ist schön zu sehen, dass auch die „anderen“ Figuren wie Monneypenny und Q gebührende Auftritte haben und auch hier der Humor nicht zu kurz kommt.
Ja der Humor gefällt mir und es gibt in der Tat ein paar schöne Lacher (der Opa mit seinem Fiat, das elegante landen mit dem Fallschirm und das freundliche „Guten Abend“), ABER genau da ist irgendwo auch die Krux die ich mit dem Film habe - die Leichtigkeit!
Ja das ist mehr persönlich, aber ich bin in den letzten 3 Filmen auf einen Bond „getrimmt“ worden, der doch sehr in die Tiefe geht, der auch viel von der Psyche preisgegeben hat. Die Filme waren auch nachdenklich (bei aller Action) und wie Skyfall fast düster,trotz des feinen Humors den auch dieser Film schon hatte.
Aber hier, hatte ich doch Probleme mich auf einen definitiv leichteren Bond einzulassen. Die Frage ist wie das „breite“ Publikum darauf reagieren wird. Wobei die Einnahmeseite zu bestätigen scheint, dass der neue, etwas leichtere Weg wohl der Richtige ist.
Der Film selbst ist durchaus gut inszeniert, aber im Vergleich zu Skyfall etwas unausgewogener. Die Pre-Title ist absolut rasant und in einem wahnwitzigem Tempo inszeniert.
Auch alles was danach kommt ist gelungen. Die Szenen in Rom sind rasant und von atemberaubender Schönheit (im Bezug auf die „Kulisse“ Rom), ABER danach verliert der Film doch an Fahrt und irgendwie gelingt es Mendes nicht mehr, an das vorgegebene Tempo anzuknüpfen.
Der Film hat durchaus ein paar Längen, wie z. B. die Tangier-Szenen und auch die Zug-Szene, wobei ich jetzt nicht von der „Schlägerei im Zug“-Verbeugung vor From Russia with love rede! Überhaupt ist das auch ein schönes (schon in Skyfall aufgegriffenes) Spiel, kleine Anspielungen auf die (eigentlich nicht, nach neuer Zeitrechnung, existierende) Vergangenheit: Dr. No blitzt einem entgegen, wenn Bond und Frau Doktor bei Blofeld eingeladen sind und sich darauf freuen und ein Abendkleid auf dem Bett liegt. Von diesen Anspielungen sind ja doch einige enthalten.
In den Drehberichten zu Skyfall oder im Audio-Kommentar (bin nicht mehr sicher) sagte Mendes ja, dass es für ihn wichtig sei, dass die Action nicht zu viel sei, sondern häppchenweise serviert werden müsse. Das war in SF schön anzusehen und gelungen, hier aber hat es nicht ganz funktioniert. Ab Rom geht dem Film die Puste aus, trotz toller Action-Szenen.
Es sind letztlich alles persönliche Eindrücke und ich muss sagen, dass ich damals auch FRWL zuerst in Teilen langweilig fand (ja ich weiß, Sakrileg) und er heute auf Platz 3 meiner persönlichen Bestenliste steht! Von daher ist es durchaus möglich, dass Spectre bei mir noch eine Wandlung erleben wird.
Schön war eigentlich, dass man die „Kurve gekriegt“ hat, um zu Spectre zurück zu kehren! Schon bei Casino Royale hatte man das Gefühl, dass Quantum möglicherweise Spectre ist. Ok - es gehörte dazu, aber der Bogen ist mit diesem Film nun gespannt.
Etwas konstruiert und nicht 100 % glaubwürdig, fand ich, dass man Silva mit in’s Boot nahm. Es ist nicht unbedingt unlogisch, aber Silva wirkte in Skyfall eigentlich „selbstständig“ und auf Rache an M sinnend sehr persönlich. Da erscheint die Aussage von Oberhauser, allias Blofeld, dass er das alles gewesen sei, nicht so komplett stimmig.
Ach ja…Blofeld: Christoph Walz ist schon wirklich gut als Bösewicht. Diese Sanftheit, dieses Schmeicheln und doch eigentlich abgrundtief böse - das hat er sehr gut dargestellt und auch hier wieder der Wink in die Vergangenheit, wenn Walz dann fast die selbe Narbe hat, wie Donald Pleasance in You Only live twice!
Nur bei der „Folter“-Szene fehlte mir in seinem Spiel ein bißchen die Motivation…das Böse. Da kam Walz etwas zu lieb rüber…mein bisheriger Eindruck.
Somit muss ich wieder zur Eingangsfrage zurück kommen…was soll ich sagen?
Wir haben hier einen Film der bis in die Nebenrollen top besetzt ist (es hat mich sehr gefreut Jesper Christensen als Mr. White wieder zu sehen), mit einer Musik von Thomas Newman die durchaus funktioniert (die Wiederholungen sprach ich ja bei der Besprechung zur Musik mal an, die aber möglicherweise auf den Einfluss Dritter zurück zu führen sind oder aber den Versuch Newman’s darstellen, bestimmte Themen für bestimme Situationen zu etablieren) ein Film der sehr gut fotografiert ist, wobei ich hier die Kameraführung hervorheben möchte - aber der in vielen Szenen so übermäßig eingesetzte Gelbstich hat mich etwas gestört und der vom Grundsatz auch sehr gut inszeniert wurde, mit viel Liebe zum Detail und als Brückenschlag zu denen, die die Leichtigkeit der „alten“ Filme so schmerzlich vermisst hatten.
Wir haben aber auch einen Film, der nicht mehr ganz die Tiefe der Vorgänger erreicht, was all diejenigen (vielleicht) enttäuschen wird, die auch hier wieder einen „Autoren-Film-Bond“ erwartet haben.
Wie dem auch sei: der Film ist gut - überhaupt keine Frage und die Frage nach einem neuen Darsteller, stellt sich für mich nicht!!!
Craig ist derart sattelfest und derart überzeugend…bitte, bitte noch einen machen!!! Wobei ich glaube: er wird. Als Co-Produzent wird er wohl zusätzlich zu seiner Gage wirklich gut verdienen. Wie in der Rundmail von Wolfgang Thürauf ja zu lesen war, hat der Film die 700 Millionen (!!!!) Euro-Grenze geschafft und sollte mittlerweile Gewinne einfahren. Die Auswertung über DVD/BluRay ist ja noch nicht angelaufen!
Craig ist cool, er ist ein grandioser Schauspieler!!! Seine Coolness wirkt authentisch und nicht aufgesetzt, wie es z. B. bei (vergebt mir) Pierce Brosnan der Fall war!
Im Gesamtwerk Craigs fällt mir eine abschließende Bewertung der Filme, wie schon bei Skyfall schwer! Ist nun Casino oder Skyfall das Maß aller Craig-Bonds??? Skyfall hatte endlich wieder alle Elemente der Bond-Historie inklusive feinen Humors. Casino war „radikal“ in dem Sinne, dass man mit vielen Traditionen brach und vielleicht dadurch einen modernen Klassiker geliefert hat, den Mendes als großartigen Film bezeichnete. Andere fanden das James Bond zu sehr Bourne geworden sei…hm, würde ich so jetzt nicht unterschreiben wollen: Bond hat sich seit 2006 vor allem in den ersten beiden Filmen, weit vom Vertrauten entfernt - einerseits. Andererseits waren aber auch diese Filme wesentlich bondiger und atmosphärischer (was für mich das Gleiche ist) als alles was wir in der Brosnan-Ära serviert bekamen…
Was ich (nach derzeitigem Stand und zweimal sehen) sagen kann: Spectre gehörtauf jeden Fall ein würdiger 3. Platz im Craig-Kanon! Quantum muss da leider auf Platz 4 verweilen - obschon dieser Film das Zeug und Potential gehabt hätte, ein ganz großer zu werden. Es gab soviele wirklich extremst bondige Momente, aber Marc Forster war es nicht vergönnt, sein großes und durchschimmerndes Vorbild OHMSS zu erreichen. Das lag sicherlich auch am Drehbuch und aber möglicherweise auch an einer gewissen Unsicherheit des Regisseurs, seinen Willen durchzusetzen.
Vielleicht kommt rüber, dass ich mich durchaus mit einer endgültigen Bewertung dieses Filmes schwer tue, was aber nicht darüber hinwegtäuschen soll, dass es ein verdammt guter Bond ist und ich vielleicht einfach noch etwas Zeit brauche, um das zu erkenne!
In diesem Sinne…mein Name ist Roth, Jens Roth
"Ich bin mit meiner kleinen Ratte Gassi gewesen, da ist mir das dumme Ding doch weggelaufen! Wo ist Sie denn???" James Bond (Sean Connery) in Diamantenfieber