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von Casino Hille
'Q Branch' - MODERATOR
Jurassic Park
Nicht jeder erfolgreiche Bestseller eignet sich direkt als Vorlage für einen großen Hollywood-Blockbuster. Erst recht nicht Romane wie "DinoPark" von Michael Crichton, welcher bereits durch seinen Inhalt als unverfilmbar erscheint. Um die Geschichte eines Milliardärs, der auf einer Insel nahe Costa Rica einen Freizeitpark mit lebenden Dinosauriern vorstellt, glaubhaft auf die Leinwand zu bringen, brauchte es 1993 schon einen Film-Magier wie Steven Spielberg ("Jäger des verlorenen Schatzes") auf dem Regiestuhl. Gesagt, getan. "Jurassic Park" brach an den Kinokassen mehrere Rekorde und revolutionierte mit den computergenerierten und/oder animatronischen Dinosauriern die Tricktechnik entscheidend. Doch nur auf seinen Inhalt reduziert ist "Jurassic Park" besonders eines: Ein filmisches Pendant zu einem echten Vergnügungspark und ein Spaß für die ganze Familie.
Während Crichtons Vorlage besonders als Parabel oder Analogie dient, um die Mechanismen der Chaostheorie zu verdeutlichen und gleichzeitig eine nicht unwichtige Kritik an der menschlichen Erhöhung über Mutter Natur loszuwerden, fährt Spielberg beide Ansätze in seinem Film stark zurück. Zwar verkörpert der herrlich aufgelegte Jeff Goldblum als kauziger Mathematiker immer noch die Ideen des Romans und darf hin und wieder in kleinen geistreichen Dialogen jene Überbleibsel dieser Themen in den Vordergrund stellen, doch entscheidet sich die Regie bereits recht früh, inhaltlich andere Schwerpunkte zu setzen. Mit dem Protagonisten Dr. Grant, den Sam Neill mit sichtlichem Engagement darstellt, präsentiert Spielberg eine kinderfeindliche Person, die durch die Abenteuer im Jurassic Park nach und nach aufweicht und den Wert der Familie schätzen lernt. So entwickelt sich "Jurassic Park" schnell statt eines Horrorfilmes (was sich ob des Inhalts ebenfalls angeboten hätte) eher zu einem Abenteuerfilm mit Gruseltouch für die jüngeren Zuschauer. Besonders sticht dies ins Auge, wenn man die erste Stunde des Filmes mit der zweiten vergleicht. In den ersten sechzig Minuten nimmt man sich viel Zeit, die Atmosphäre zu entwickeln, entlarvt das Geheimnis des Parks Stück für Stück, bringt Charaktere in Stellung und - ganz wichtig - gibt sich expositionellen Szenen hin. Dabei entpuppt sich besonders aufgrund des lebhaften Spiels aller Akteure eben jenes Vorgehen als höchst unterhaltsam, ohne, dass der Film wirklich spannend werden muss, es ist faszinierend genug, mit den (bewusst schlicht gehaltenen) Charakteren den Park und seine Attraktionen zu entdecken.
Besonders hier gelingt es Spielberg, seine technischen Stärken voll und ganz auszuspielen. Die getricksten Dinosaurier sehen einfach nur fantastisch aus und man darf ohne zu zögern von einem Triumph der Effektarbeit sprechen. Nie zweifelt man an den unwirklichen Kreaturen, sondern sie erscheinen von vornherein als absolut lebensnah und zum Anfassen echt, was den Grundplot des Filmes erst wirklich glaubwürdig macht. Die Szenen im Besucherzentrum, in dem die Experten sofort durchdrehen und wissen wollen, wie das alles funktioniert, spiegelt praktisch direkt den Wunsch des Zuschauers wieder, der ins glatte Staunen verfällt. Nebenbei setzen auch überraschend treffende Besetzungen in kleineren Rollen wie Samuel L. Jackson, Richard Attenborough, aber am meisten der abgedrehte Auftritt von Wayne Knight ein paar schauspielerische Akzente. Als der Film sich dann in den Park traut und das eigentliche Abenteuer beginnt, gelingt Spielberg recht mittig im Film eine brillant inszenierte Sequenz, die von Kameramann Dean Cundey großartig fotografiert ist: Der Angriff eines T-Rexs auf die Besichtigenden, bei dem man sich (wie die Figuren im Film) kaum zu bewegen traut und welche klar den Höhepunkt der Geschichte darstellt. Doch bereits der Ausgang der Szene offenbart die großen Schwächen im Konzept des filmischen Freizeitvergnügens: die unbedingte Hingabe zum Familienfilm.
Denn ohne die Vorlage wirklich mit der nötigen Konsequenz ins Kino zu transportieren, hält Spielberg an seiner Idee des Familienthemas fest und so gerät die zweite Stunde zu einer recht müden und routinierten Episodenerzählung über Grants Flucht vor den Bestien mit zwei Kindern, die leider weder sonderlich viel schauspielerisches Talent aufweisen, noch wirklich authentisch und "menschlich" wirken, da ihen die Regie oft zu viele Talente zugesteht. Dass zudem mit Goldblum und Knight die beiden größten Glanzlichter recht schnell aus der Geschichte genommen werden und der Film sich zunehmend auf die profillose Rolle der blassen Laura Dern fokussiert, ist ein zusätzliches Ärgernis. Doch wirklich schade an der zweiten Hälfte ist, dass sie zwar durchaus unterhalten kann, allerdings jedes mögliche Potential an allen Ecken und Enden liegen lässt. Die Veloceraptoren können trotz ihrer bedrohlichen Einführung nie wirklich ängstigen, weil im Hinblick auf die Freigabe niemand mal so richtig blutig von hinnen scheiden darf und zudem sowieso wenn dann nur möglichst belanglose Nebencharaktere (teilweise sogar im Off) ihr Leben lassen. Zusätzliche Gefahrensituationen, in denen man um das Leben der Kinder bangen soll (wie eine recht einfallslose Jagd durch einen großen Küchenraum), leiden ebenfalls unter dieser Ausrichtung, da man Spielberg einen möglichen Tod der kindlichen Protagonisten bei der enormen Familientauglichkeit der Handlung ohnehin nicht abnimmt. Wenigstens erzeugt John Williams Score an einigen Momenten ein wenig Spannung, doch so richtig vermag "Jurassic Park" einen leider nicht zu packen.
Fazit: "Jurassic Park" wird sein Unterhaltsamkeitsfaktor zum Verhängnis, denn gerade die Gute-Laune-Stimmung des Filmes und die fehlende Brutalität und Kompromisslosigkeit lassen die Reise um Leben und Tod durch den Dinosaurier-Park eher wie einen gemütlichen Spaziergang und eine romangetreuere Umsetzung mit den ursprünglichen Kernthemen verlockend erscheinen, doch gestaltet sich Spielbergs technischer Meilenstein immer noch als durchweg unterhaltsames Familienkino, bei dem man ob seiner Ausrichtung für die jüngere Zielgruppe gerne mal ein Auge zudrücken kann.
7/10
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Let the sheep out, kid.