So jetzt habe ich den Roman auch komplett durch und für alle die es interessiert, hier meine Bewertung.
Carte Blanche, Jeffrey Deaver, 2011
Ich war eigentlich schon immer ein deutlich größerer Fan der Filme als der Romane. Immer schwerer muss es aber für die Autoren heute werden, den Spagat zu schaffen zwischen dem Bond der Fleming Romane einerseits und dem bekannten Bond aus den Filmen andererseits. Dazwischen klaffen nämlich durchaus Welten. Wie auch immer, dank der aktuell wieder geerdeten Bondfilme, hätte es Deaver zumindest leichter haben können, eine Verbindung zwischen Fleming- und Filmbond zu schaffen. Doch der Roman zeigt auch, dass eben die Craig Filme vielleicht geerdet sind, aber dennoch fantastisch und spektakulär. Dies ist Deavers Roman nicht.
Zunächst mal fällt auf, dass der Roman uns lange darüber im unklaren lässt, worum es eigentlich geht. Dabei wird jedoch die Realität der Geheimdienst-Tätigkeit sehr genau und vermutlich treffend beschrieben. Man findet irgendwelche verdächtigen Schnipsel und versucht daraus Schlussfolgerungen zu ziehen... Freunden der Spionage-geprägten Fleming Romane dürfte das gefallen. Ich muss sagen, bis etwa Seite 300 war es mir zu lahm. Was bis dahin gefällt ist höchtens hier und da die Charakterisierung Bonds. Sein Markenbewusstsein, seine Autobegeisterung, seine Flirtaktivitäten. A propos: Irgendwie scheint Deaver alles in diesen Roman gepackt zu haben, was nur geht, und damit meist zu viel. Es mag ja OK sein, dass es 3-4 Frauen in eine, Romand/Film gibt für Bond, dass aber gleich jede eine wichtige Rolle spielt und Bond irgendwie direkt mit jeder etwas ernsthafteres anfängt ist irgendwie merkwüridg. Gleiches gilt für die Nebencharaktere: So viele gab es bei Fleming nie - und viele sind einfach verwirrend oder überflüssig. Da muss Bond ständig mit irgendwem von einem anderen Geheimdienst zusammen arbeiten und alle stellen sich zunächst als unfähig raus...
Erst ab Seite 300 weiß man dann langsam worum es geht und das Tempo nimmt zu. Endlich kommt es zu spannenden Szenen und der Countdown läuft. Der Roman eignet sich sicher nicht für eine Verfilmung aber es gibt zumindest Szenen, die auch im Film sehr gut wirken würden: SPOILER
- wenn Bond sich unter Tarnung in die Organisation des Bösewichts einmischt
- wenn Bond als Vertrauensbeweis einen wehrlosen vor den Augen des Bösewichts erschießen muss
- der erste Showdown im Gebäude des Bösewichts
- die Szene in der Bond zusammen mit dem Bösewicht im TV anschauen muss, wie über dessen Explosion in London berichtet wird
Daneben gibt es Elemente, an denen sich die Filmproduzenten wirklich orientieren könnten. Hierzu zähle ich vor allem die gelungene Neuinterprätation des Q-Charakters! So kann das in der heutigen Welt funktionieren...
Letztlich kommt es dann am Ende noch zu einigen Wendungen. Leider wird das ganze dadurch absurder und sogar schwächer. Sicher: Hydt ist kein großer Bösewicht. Aber die Wendung am Ende macht es eher schlimmer. Daneben gefällt mir der Charakter des Nial Dunne sehr gut - als Mischung aus Kronsteen und Grant.
Alles in allem ein Roman der langatmig beginnt, dann an Fahrt aufnimmt und einige spannende Situation erzeugt, um am Ende doch etwas bedeutungslos unterzugehen. Schade. Aber er zeigt auch, was für großartige Arbeit die Filmproduzenten alle 2 Jahre abliefern, denn sie schaffen es - bis auf wenige Ausnahmen - Bond etwas "larger than life" artiges zu verleihen, was dem Roman fehlt
Dieser Roman könnte euch gefallen, wenn ihr den Film FYEO mögt oder den Romand FRWL - ohne dass Carte Blanche jedoch die Klase hätte.