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von 007James Bond
Agent
Wer den Film nicht gesehen hat, sollte diese Kritik nicht lesen!
Shutter Island
Martin Scorsese, 2010
Shutter Island ist eine raffinierte Neuinterpretation des expressionistischen Klassikers 'Das Cabinet des Dr. Caligari' von 1919.
Während 'Caligari' aber wenig filmische Qualität besitzt, sondern mehr Theater ist, hat Shutter Island eine vollendete Ich-Erzählform Inszenierung. Scorsese manipuliert uns ohne auch nur einmal zu lügen. Die Kamera verzichtet nicht darauf die nervösen Wachen zu zeigen, wenn ein gefährlicher Psychotiker sich frei bewegt, oder den abschweifenden Blick der Patientin zu Teddy Daniels Partner bei der Befragung über Dr. Sheehen einzufangen. Selbst wenn die Tatsachen frei ausgesprochen werden, wie im Dialog mit George Noyce in Trakt C oder dem Anstaltsdirektor im Auto, verlässt die Kamera den Protagonisten nicht.
Von der ersten Minute an finden sich zahlreiche solcher Hinweise auf die Wahrheit, welche uns nie vorenthalten werden. Wir sehen die Wahrheit aber interpretieren sie so, wie der Protagonist es will, ohne uns dessen bewusst zu sein. Erst wenn der Protagonist die Wahrheit eingesteht, sehen wir sie, doch zweifeln wieder an ihr, wenn er sie erneut verweigert.
Das Rätsel um Shutter Island ist entgegen vielfachem Glauben am Ende des Films nicht ungelöst, offen. Es ist nur schwer zu akzeptieren das man 2 Stunden lang verrückt war… .
Der Film zeigt, wie manipulierbar die jüngste Kunstform sein kann. Kuleschov demonstrierte vor 81 Jahren mit seinem berühmten Montage-Experiment das entscheidend ist, WIE man etwas erzählt. Scorsese zeigt wie bedeutend es ist, WER etwas erzählt. In dieser Hinsicht sehe ich dies als seinen wichtigsten Film (ohne alle zu kennen) und als Filmtheoretisch bedeutendsten seit langem.
Trotzdem bleibt mir wie bei all seinen Filmen die ich bisher gesehen habe ein fader Beigeschmack der „Überinszenierung“. Beispielhaft ist der erste Dialog auf der Fähre mit zahlreichen Umschnitten von frontalem, abgewinkeltem und rückseitigem Master-Shot auf Shot-Reserve-Shots in verschiedenen Einstellungsgrößen und umgekehrt.
Einer seiner ersten großen Erfolge ist übrigens Mittwoch Nacht auf der ARD zu sehen: Wie ein wilder Stier!