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von danielcc
00-Agent
so, es ist soweit. Nr. 22 meiner Bond-marathon Filmkritik. so eben habe ich Quantum of Solace erstmals auf Englisch gesehen nachdem ich den Film bereits diverse Male im Kino gesehen hatte.
Zunächst einiges vorab:
Ich habe CR geliebt und der damit eingeleitete Neubeginn der Serie war richtig und konsequent. Daniel Craig ist ein großartiger Bond der schlicht alle Bond-Merkmale perfekt in sich vereinigt:
- Männer wollen sein wie er
- Frauen wollen ihn
- er ist cool er ist charmant, er hat Witz und Härte je nach Situation.
Auch schafft er es (im Gegensatz zu Connery) in beiden Filmen den gleichen Charakter zu spielen. Er bleibt sich treu und man hat nach QOS wirklich das Gefühl, dass man "diesen Bond" nun kennt, man weiß was ihn zu dem gemacht hat, was er nun ist. In diesem Zusammenhang ein schönes Motiv seiner beiden Filme: Bond wird zu 007 indem er zwei Leute eiskalt ermordet. 007 wird aber erst zu dem coolen, souveränen Agenten den wir lieben, als er zwei Bösewichte eben nicht tötet. Eine schöne Rahmenhandlung.
Mit Marc Foster hat man einen Regisseur gewählt, der ohne jede Action-Erfahrung eine komische Wahl zu sein schien. Foster ist aber weiß Gott nicht der "arthouse Regisseur" als der er dargestellt wird. Er ist ein Mann, der komerzielle FIlme dreht, die auch mal Anspruch haben dürfen und sich manchmal auch schwere Stoffe aussucht.
Zum Film selbst:
Meine Überzeugung ist es, dass die PTS eines Bondfilms den Ton und die Stimmung vorgibt. Und hier ist auch gleich der Schlüssel zu einem der Probleme, die viele scheinbar mit dem FIlm haben. Die Autoverfolgung ist so ziemlich alles - sie ist spannend, sie ist atemberaubend, sie ist aufwendig, sie ist schnell und heftig. ABER sie ist eines nicht und zwar witzig. Bondfilme sind dadurch berühmt geworden, dass der Zuschauer inmitten harter Action Luft zum Durchatmen hat und die Härte und Ernsthaftigkeit immer durch Witz unterbrochen werden. Dies fehlt in QOS vollständig und darunter leidet der Film! Da schon die PTS so ernst ist und einem das Lachen eher im Halse stecken bleibt, ist einem auch im restlichen Film nicht mehr so leicht zu Lachen zu Mute (achtet mal darauf, wie stark die frühen Szenen den Rest eines Films bestimmen), obwohl der Film sarkastisch-ironischen Bondhumor en masse bietet.
Um eines gleich vorweg zu sagen: Ich hasse die den Bourne Filmen nachempfundene Kameraführung und Schnitttechnik. Sie ist zu schnell als das man auf der großen Leinwand eine Möglichkeit hätte, Details zu erkennen, dem Gehirn fehlen wichtige Fixpunkte, man verliert die Orientierung. Das mag Absicht sein aber warum? Hier liegt der Hase begraben: EIn solcher Stil kann Sinn machen, wenn er der Story angepasst ist (Bournes permanente hektische Flucht-Situation!). Dies ist aber hier gar nicht gegeben! Bonds Mission ist ja keineswegs durch Zeitdruck bestimmt und somit ist der Stil vollkommen unnötig (hingegen hätte TB oder TND einen solchen Stil vertragen, da in beiden FIlmen Bond ja unter Zeitdruck handelt). Ich glaube, Foster hatte nicht genug Zeit und Erfahrung und hat daher auf Teile des Bourne Teams bei der Second Unit vertraut. Dennoch ist schön zu sehen, wie im Laufe des FIlms die Action übersichtlicher wird. Je klarer Bond sieht, je mehr er weiß und je weniger er durch Emotionen getrieben wird, desto strukturierter erscheint auch die Action.
Wir bleiben bei der Action und gehen chronologisch durch den Film. Dieser hat wie ich finde große Pacing Probleme im ersten Drittel! Ein großer Fehler ist für mich die Position des Vorspanns (als des Titelsongs). Man hätte es machen sollen wie bei TWINE: Autoverfolgung, die viel zu kurze Befragung Whites und die anschließende Sienna Action wären zusammen genommen eine hervorragende PTS gewesen, die in sich auch schlüssig gewesen wäre. Mitchells Tod am Ende wäre die perfekte Einleitung des Songs gewesen.
Darüber hinaus halte ich die Parallelmontage eim Palio Rennen für Effekthascherei. Sie macht keinen Sinn und zeigt nur um so deutlicher, dass man eben NICHT vor Ort war und die Action während des Palios drehen durfte. Gleichzeitig zeigt sich beim Palio eine der Stärken des FIlms, nämlich Arnolds Soundtrack. An Stellen hält sie den Film zusammen.
Man mag die schnell inszenierten Actionszenen lieben oder nicht, ich finde es aber schade, dass dadurch in einigen Momenten Spannung verschenkt wird (etwa wenn Bond vom Dach zu rutschen droht). Wenn man keine Gelegenheit hat, das Geschehen zu verstehen, dann kann man auch nicht mitfiebern. Es fehlen oft Establishing Shots, die einem Orientierung geben. Ich muss gestehen, QOS war für mich der erste Bondfilm, bei dem ich auf den Ausgang einer Actionszene mehr gewartet habe, als auf die Action selbst.
Nach dieser PTS und dem Vorspann hätte es mit einem echten Location- und Stimmungswechsel wunderbar mit den London Szenen weitergehen können. Letztlich ist die gesamte "Exposition" des Films ja mit Mitchells Tod beendet, nicht mit Bonds Ankunft im Safehouse! SO hätte es Sinn gemacht. Auch wäre das anschließende wiederholte Reisen Bonds nicht so aufgefallen.
Nun ja, Bond landet in Haiti - die Bondmelodie wird angedeutet - und es geht spannend weiter. Nach dem hervorrangend inszenierten, knallharten Kampf gegen Slade (gute Action braucht keine Musik!) kommt die wohl schwächste Actionszene des FIlms, die Bootsszene. Hier gilt wie immer, dass eine Actionszene dann gut ist, wenn sie Bond weiterbringt und der Aufwand im Verhältnis zum Ausgang steht. Hier bringt die Szene Bond gar nicht weiter und man weiß nicht mals, warum er Camille erst rettet, um Sie dann zurückzulassen. (Dass der Ausgang der Szene nicht mals in SlowMo zu erkennen ist, soll hier nicht näher besprochen werden).
Was im ganzen Film auffällt, ist die unglaublich "effiziente" Inszenierung Fosters. Wäre der Film "gewöhnlich" inszeniert worden, er wäre leicht 20-30 Minuten länger. Foster deutet unzählige Dinge nur an, und schneidet dann Bewegungen, die in anderen Filmen in Gänze gezeigt würden (Beispiel: Dialog mit M und Bond später im Hotel; Bond schaut zum Schlafzimmer, CUT, er öffnet die Tür; der Weg dorthin wird gar nicht gezeigt). Oft kann man wichtige Details verpassen, die nur in einer Blitzeinstellung gezeigt werden, andere Zusammenhänge muss man sich gleich ganz denken. Foster zeigt oft nur Ergebnisse oder den Ausgang einer Aktion, ohne jedes Detail zu zeigen (man denke an die spätere Opernszene, wo nicht gezeigt wird, wie Bond den Quantum Mann überwältigt auf der Toilette)
Nach 30 Minuten hat Foster nun 4 Actionszenen gezeigt, und dennoch beginnt für mich der Film erst danach. Der Vergleich ist übertrieben, aber das erste Drittel wirkt im Vergleich zum starken Rest fast wie das letzte Drittel von DAD im Vergleich zu dessen Anfang.
Am Ende der Bootsszene nimmt sich Foster erstmals Zeit für Atmosphäre. Endlich gibt es mal einen ruhigen Moment. Endlich kann auch Bond mal durchatmen. Erstmals nehmen wir auch die Umgebung richtig wahr (Foster zeigt erstmals nach der ersten Einstellung des FIlms wieder eine weite Landschaftsaufnahme). Von nun ja geht es ruhiger weiter. Dies gilt für die Inszenierung, nicht aber für das permanente Reisen Bonds. Es folgt die Opernszene, die leider unter verschenktem Potenzial leidet. Während Bonds Beobachtung der Situation noch toll inszeniert ist, macht die anschließende Action keinen Sinn, sie ist nicht zu erkennen, und die Parallelmontage ist abermals stumpfsinnig und effekthaschend. Auch Bonds kurze Konfrontation mit Greene ist eher traurig als spanend. Immerhin folgt die schöne kleine Bond-Szene am Schalter der Fluggesellschaft (typisch Bond!) und es geht weiter nach Italien und damit zur wunderschönen Mathis Einführung. EIner der wenigen ruhigen Dialoge im Film, eine Szene die vor Atmossphäre nur so strotzt und in deren Dialog und Inszenierung wirklich mal Präzision steckt. Langsam hat sich der Humor im Film auch seinen Platz zurückgekämpft, der durch die ernste Exposition fast auf hoffnungslosem Posten schien.
Foster legt nach mit einer der für mich schönsten Bondszenen überhaupt, im Flugzeug unter erkennbarem Einfluss diverser Vesper Cocktails. Wunderschöne Metapher: "Whats keeping you awake?" - Natürlich Vesper! Ja, der Cocktail aber eben auch die Erinnerung an sie! Welcher Bonddarsteller hätte diese Szene bitte besser spielen können als Craig?
Angekommen in Bolivien wird es nun immer spaßiger. Fields Rolle ist ein perfektes Bondgirl der alten Schule, die Dialoge sind auf den Punkt gebracht. Bond pur! Nächster emotionaler Höhepunkt ist Mathis Tod. Wieder wird Bond weiterentwickelt und wächst als Charakter. Mathis letzte Worte bringen Bond letztlich dazu, im Showdown auf blose Rache zu verzichten. Bonds Umgang mit Mathis Leiche wurde leider von vielen fehlgedeutet.
Parallel entwickelt Foster eine Nebenstory, die leider nicht würdig ausgestaltet wird:
Bond stehen immer mehr unter Verdacht, M zweifelt immer mehr an ihm. Alles letztlich geschickt eingefädelt von Greene und seinen CIA Kontakten (auch hier verstenktes Potenzial bei der Oper, da der Leibwächter vom Dach ja von Greenes Männern unbewusst erschossen wird, ohne dass dieser Mord gezielt auf Bonds Konto gehen soll). Die Machenschaften Greenes und die Art wie er alle ausspielt ist genial und passen in unsere Zeit. Doch der Zuschauer hat Ms Dilemma noch gar nicht verstanden als es sich auch schon wieder auföst. Dennoch schön zu sehen, wie sie letztlich erkennt, dass sie eben nur BOND vertrauen kann.
Die Flugzeugaction ist nett und ehrlich inszeniert. Der Abschluss ist aber schwach und wirkt aufgesetzt. Der Zufall bringt Bond weiter und erst nun erkennt man, worum es im Film eigentlich geht - bzw. worum es Greene geht. Eine oft gehörte Kritik, ist die dass die Story schwach oder nicht existent sei. Das ist quatsch! Die Story ist relevant, aktuell und sehr präzise entwickelt. Doch es ist Fosters "effizienter" Erzählstil, der es schwierig macht, alles mitzukriegen. Hier wird nicht in alter Bondtradition alles doppelt erzählt so, dass auch wirklich jeder versteht worum es geht. Der Grund ist klar: Es soll um Charakterentwicklung im Film gehen, nicht um eine typische Weltbedrohungs-Story. Greenes Plan, so schön und raffiniert er auch ist, stellt nur den Background dar.Doch CR zeigt wie man diese Balance besser gestalten kann.
Schön hingegen sind die Parallelen zu CR, so etwa gleicht die Szene mit Bond und Camille im Sinkhole der Duschszene in CR, und Bonds Dialoge mit M führen deren Gespräche über Vertrauen und Misstrauen aus CR weiter. Überhaupt halte ich die Szene im Hotel bei M für eine der besten im Film.
Der Film endet mit einem schönen, aber überraschend kurzen Showdown. Fast wie bei DN ist Bond fernab von der Zivilisation und jeder Unterstützung auf sich allein gestellt (schön, wie plötzlich die sonst omnipräsenten Kommunikationsmittel keine Rolle mehr spielen). Wie er im richtigen Moment Camille hilft anstatt Greene zu töten, auch schön. Seine finale Konfrontation mit Greene in der Wüste ist brillant. Er hat seine Lektion gelernt und lässt Greene in dessen Wüste von seinen Leuten töten (während seine Vesper ertrunken war!).
Die Russland Sequenz am Ende bringt alles zu einem würdigen Abschluss. Bonds Vesper-Komplex ist aufgearbeitet, seine Reputation hergestellt, M vertraut ihm, wir haben "unseren" Bond zurück. Sorry, he "never left".
Fazit:
QOS ist ein schwieriger Film. Ein Film der unter zu viel Hektik in der Entstehung leidet, der sehr viel Potenzial hatte, was leider hier und da verschenkt wurde. Letztlich wird der Film aber wachsen, da er auch aufgrund seiner Kürze auf kleinerem Fernsehformat immer wieder begeistern kann. Mich erinnert er in seiner Gradlinigkeit, Bodenständigkeit und Kürze an Dr. No.
Was fehlt ist ein übergreifendes Motiv, eine wiederkehrende Metapher, eine gewisse Bedeutung, die man von einem Foster hätte erwarten können.
Sorry, sehr lang geworden, wer bis zum Ende liest, kriegt Gummipunkte!
Zuletzt geändert von
danielcc am 8. April 2009 17:52, insgesamt 7-mal geändert.
"It's been a long time - and finally, here we are"