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The Crow (Rupert Sanders)
Grauenhaft. Einfach grauenhaft. Eine Romanze mit der Substanz einer Bravo-Fotolovestory dauert ein halbes Jahrhundert an, bis dann im Schnellverfahren „The Crow“ neu adaptiert wird. Ohne Stil, ohne Können, ohne Gespür für Film. Es ist nicht mal mehr lustig, wie viel Geld und Ressourcen für so einen hanebüchenen Schwachsinn verschwendet werden. Als ich die Pressevorführung zu „The Crow“ verließ, ging vor mir ein Kollege vom Spiegel aus dem Saal und sagte lauthals: „Seit meiner ersten Ehe hat mich nichts mehr so enttäuscht wie die Scheiße.“ Ich lass das mal so stehen. 1/10
Argylle (Matthew Vaughn)
Leider nicht das lang ersehnte Spin-off zum Chauffeur aus „Stirb langsam“. Vaughn will in bester „Kingsman“-Manier gängige Bond-Klischees variieren, stellt sich dabei aber dümmer an als alle „Austin Powers“-Filme, und lässt ein paar der grottigsten Darstellerleistungen des Jahres auf die Welt los (Dua Lipa fällt selbst in ihren 90 Sekunden Screentime noch negativ auf). Die meisten Witze erinnern an TikTok-Videos und die Meta-Erzählung ist eine absolute Katastrophe: Was ist eigentlich real? Ist Argylle real? Wer ist Argylle? Bin ich Argylle? Und: Wen juckts?! Ar-geil? Nö, Ar-scheiße. 1/10
Alter weißer Mann (Simon Verhoeven)
An dem Tag, an dem ich „Alter weißer Mann“ (eine Komödie um Wokeness und Gendersprache mit Jan Josef Liefers & Elyas M’Barek) im Kino sah, stand fest, dass Donald Trump wieder US-Präsident wird, die deutsche Bundesregierung sich auflöst und der Hund meines Vaters gestorben ist. Bitte ordnet ihr nun diese vier Ereignisse nach der Heftigkeit ihres katastrophalen Ausmaßes ein, von „Die Welt geht unter“ bis „Ich binde mich an eine Tonne Stahl und gehe damit am tiefsten Punkt der Nordsee schwimmen“. Egal, wie ihr euch entscheidet: Es gibt hier kein falsch. Jede Reihenfolge stimmt. 1/10
Kraven the Hunter (J.C. Chandor)
Aaron Taylor-Johnson läuft, als habe er eine Kackwurst zwischen den Arschbacken stecken, Russell Crowe spielt eine russische Karikatur von John Goodman, der Plot um Voodoo-Jäger ist komplett an den Haaren herbeigezogen, und wer auch immer für den Schnitt verantwortlich war, gehört in der Öffentlichkeit gevierteilt. Ich hätte wirklich was Vernünftiges lernen sollen. Einige meiner alten Schulfreunde können sich mittlerweile Häuser bauen (!!), während mein größtes Privileg ist, diesen cineastischen Durchfall zwei Tage vor Kinostart sehen zu können. 1/10 für Kraven, 0/10 für meinen Werdegang.
Deadpool & Wolverine
Martin Scorsese beschrieb Superheldenfilme einst als Freizeitpark-Attraktionen. Mit dem dritten „Deadpool“ frisst die Nerdkultur sich selbst von innen auf. Der Kinosaal wird zu einem Raum voller besserwisserischer Studenten mit erhobenen Händen, die bei jeder Anspielung darauf warten, orgasmisch zu explodieren. Nichts hier ist ernst gemeint, will etwas erzählen oder anbieten. Das ist kein Film mehr, sondern eine überproduzierte Comic-Con-Veranstaltung, zugleich der seelenloseste Exzess des Turbokapitalismus in der Geschichte des bisherigen Blockbusterkinos. Pfui! 1/10
The Beekeeper (David Ayer)
Wenn ich in diesem dummen und reaktionären Faustschlagporno noch einen weiteren schlechten Bienenwitz hätte ertragen müssen, hätte die Leinwand was abbekommen. Jason Statham ist seit „The Expendables 4“ sich wohl zu fein dafür, noch eine Choreo zu lernen, also wird die Action grundsätzlich grässlich verschnitten. Dazu kommt ein Plot, der so himmelschreiend scheiße ist, dass es jeder Beschreibung spottet. Mehr gibt es nicht zu sagen: Wenn ein stumpfer „Treten und Schießen“-Film nicht mal das Treten und Schießen hinkriegt… Summ Summ Dumm. 1,5/10
Rebel Moon – Part 2: Die Narbenmacherin (Zack Snyder)
Es muss sich um Steuerbetrug handeln. Snyder setzt bei Netflix sein „Seven Samurai … in SPACE!“ fort, und zeigt in teilnahmslosen Bildschirmhintergrund Motiven mindestens eine Stunde lang seine taffen Krieger beim Nichtstun auf einer Farm. Da schrammt „Rebel Moon“ lange knapp am Landwirtschafts-Porno vorbei. Erst im Finale kommt endlich die Action, auf die man zwei Filme gewartet hat, und sie ist natürlich Hundescheiße. Was hat man von Zack Snyder auch erwartet? Dieser Zweiteiler taugt nur als Erinnerung daran, möglichst schnell das überteuerte Netflix-Abo zu kündigen. 1,5/10
Red One (Jake Kasdan)
250 Millionen Dollar. 250 verfickte Millionen Dollar, für einen Film, in dem Dwayne Johnson einen ELF spielt, der gemeinsam mit Chris Evans den entführten Weihnachtsmann retten muss. Atemberaubend hässlich getrickst, komplett an sich selbst desinteressiert läuft dieser Mist, der selbst im Streaming noch billig wirken würde, an einem vorbei, und verbrennt vor aller Augen mehr Geld, als damals Heath Ledgers Joker in „The Dark Knight“. Was zur Hölle? 250 Millionen Dollar für diesen Sondermüll? Hollywood muss wirklich untergehen und mal komplett von vorne anfangen. Ich kann nicht mehr. 2/10
Miller’s Girl (Jade Halley Barlett)
Auf Plattformen wie Wattpad oder Tumblr sammeln sich seit Jahren im Netz notgeile 14-jährige Mädels, die ihre pubertären-erotischen Fantasien in peinlichen Fanfictions verewigen. Jetzt gibt es das auch als Film. Jenna Ortega verführt an einer Schule, an der es offenbar nur vier Menschen gibt, ihren Lehrer Martin Freeman, beziehungsweise versucht sie es, aber der Film ist dann sogar zu blöd, wenigstens mal ein bisschen Rein-Raus-Nikolaus zu spielen. 90 Minuten Vorspiel ohne Klimax. Nur für Leute zu empfehlen, die Pornos vor allem wegen der Dialoge im ersten Akt anschauen. 2/10
Borderlands (Eli Roth)
Freunde des schlechten Films: Guckt „Borderlands“. Das Teil ist der Gipfel der Scheißigkeit! Da haben sie diese Videospieladaption schon zigmal mit Nachdrehs beglückt, und dann fehlen immer noch offensichtlich Szenen. Cate Blanchett und Jamie Lee Curtis kaspern sich durch das absurdeste Skript, mit dem sie in ihren Karrieren je konfrontiert wurden. Hemmungsloser Kitsch wechselt sich mit Gen-Z-Humor der untersten Sparte ab und das alles sieht aus, als hätte man den Jungs von Asylum ein Blockbuster-Budget gegeben. Absoluter Kernschrott, taugt nur als Kuriosität. 2/10
Nur noch ein einziges Mal (Justin Baldoni)
So romantisch kann häusliche Gewalt sein! Gut, der Mistkerl hat seiner Liebsten jetzt mal eine geballert, aber eine süße Entschuldigung und etwas Musik von Taylor Swift und Lana del Rey drüber und schon sieht so ein blaues Auge irgendwie modisch aus. Sorry für den Zynismus, aber so einen frauenfeindlichen Dreck will ich wirklich nicht mehr sehen müssen. Diese leblose filmische Hülle ist mit der Subtilität eines Instagram-Postings umgesetzt worden und versagt handwerklich auf nahezu allen Ebenen. #mies #BitteKeinWeiteresMal #KinokriseFürSchwachköpfeErklärt 2/10
Madame Web (S.J. Clarkson)
Die unfreiwillige Komödie des Jahres. Dakota Johnson läuft durch das Marvel-Superhelden-Abenteuer mit einer ausgestellten Bocklosigkeit, für die sie beinahe Respekt verdient. Ein großes inhaltliches Mysterium entpuppt sich als Pepsi-Werbung, der chaotische Schnitt verursacht Kopfschmerzen und wann immer der Bösewicht spricht, ist sein Mund nicht zu sehen, da man nach dem Dreh wohl den ganzen Plot noch mal umgeschrieben hat. Wollte man damit was retten? Kaum vorstellbar, dass das Teil mal noch beschissener war. Dakota, Darling, bitte entlass deinen Agenten. 2/10
Winnie the Pooh: Blood and Honey 2 (Rhys Frake-Waterfield)
Der Masochist in mir hat sich auf Teil 2 des Hundertmorgenwald-Slashers irgendwie gefreut. Ich wurde nicht enttäuscht: Auch im erneuten Anlauf ist das inkompetentes Filmemachen vom Feinsten! Niemand kann schauspielen, kein einziger Kill ist kreativ inszeniert, und wenn man jedes Mal einen trinkt, sobald ein Dialogwitz daneben geht, könnte man ein reales Todesopfer dieses Films werden. Trash vom Feinsten also, so stumpfsinnig primitiv wie tatsächlich lustig. Jetzt aber bitte nicht noch einen davon. So masochistisch veranlagt bin ich dann auch wieder nicht. 3/10
Joker: Folie à Deux (Todd Phillips)
Es gibt nur zwei Arten von Szenen im zweiten „Joker“-Film: die Musical-Szenen, in denen Joaquin Phoenix und Lady Gaga alte Songs aus den 50ern singen, was nie eine Verbindung zum Plot hat, und die Gerichtsszenen, in denen verschiedene Darsteller aus dem Vorgänger noch einmal erzählen, was mit ihren Figuren im ersten Teil passiert ist. Klingt sinnlos? Ist es auch. Wer sich das Geld sparen will: einfach eine Frank-Sinatra-Playlist anschmeißen und eine Inhaltsangabe des Originalfilms durchlesen. Ist vermutlich auch unterhaltsamer und intellektuell irgendwie anregender. 3/10
Im Wasser der Seine (Xavier Gens)
Bei Netflix hatte jemand im Autorenraum eine dolle Idee: „Wir machen genau das, was schon ausnahmslos jeder andere Hai-Film gemacht hat, aber dieses Mal in der Seine.“ Selbst Trash-Fans können 90 Minuten nur gelangweilt den altbekannten Klischees beiwohnen (selbst der profitgierige Bürgermeister ist dabei!), weil Gens den Käse nicht mal auf lustig bügelt. Erst im letzten Akt gibt es dann die „Sharknado“-artigen Übertreibungen, für die wir unsere Hai-Filme doch alle so lieben. Muss man sonst noch irgendwas sagen? Ach ja, der Name des Hais ist Lillith. Dankt mir dann später. 3/10
Blink Twice (Zoe Kravitz)
Lahmer K.O.-Tropfen-Thriller, bei dem zum x-ten Mal in den letzten Jahren konzeptionell bei „Get Out“ abgeguckt wird. Die feministische Botschaft ist so subtil wie ein Glitzer kotzendes Einhorn. Kravitz inszeniert selbst Vergewaltigungsszenen im neumodern stylischen Schick, hat über Geschlechter-Dynamiken nix zu erzählen und setzt auf plumpe Schocks, die aber einzig dazu dienen, die reaktionäre „Message“ zu verbreiten. Eigentlich nur was für richtig devote Typen, die mit dem Kauf ihrer Kinokarte Ablass dafür zahlen wollen, dass sie nun „leider“ als Schwanzträger geboren wurden. 3/10
Imaginary (Jeff Wadlow)
Der cleverste Titel des Jahres! Man muss sich beim Angucken von „Imaginary“ nämlich einfach nur einen gruseligen Horrorfilm vorstellen, und dann bekommt man auch einen. Nur halt in der eigenen Fantasie, nicht auf der Leinwand. Da läuft die neueste Gruselhaus-, äh, Pardon, Blumhouse-Kacke, dieses Mal mit einem dämonischen Teddybären, weil … warum nicht? Spannung gibt’s nicht, echte Schocker auch nicht und die Figuren sind alle dermaßen unsympathische Nervensägen, dass zumindest ihr Ableben für Erheiterung sorgt. Leider überleben einige von ihnen. 3/10
Venom 3 – The Last Dance (Kelly Marcel)
Wie hat es „Venom“ auf drei Filme geschafft? Ich weiß gar nicht mehr, was ich zu dem Teil noch sagen soll. Seelenlos? Ja. Mies getrickst? Klar. Scheiße gespielt? Natürlich. Gibt es einen Plot? Nö. Will ich noch irgendwas sagen? Och … muss nicht. Im Titel steht ja zum Glück „Last“, also ist jetzt hoffentlich mal Schluss mit der Scheiße. Tom Hardy sah eh so aus, als hätte er auch keine Lust mehr. Kann ich einerseits verstehen, andererseits wird man bei solchen Projekten eigentlich zu gut bezahlt, um dann vor der Kamera dermaßen die Arbeit zu verweigern. Ach, wisst ihr, egal. 3/10
Priscilla (Sofia Coppola)
Sofia Coppola hat einen Film über eine Frau gedreht, die im goldenen Käfig festsetzt? Na, das ist ja mal ganz was Neues! Okay, Spaß beiseite: Die unglamouröse, eher traurige Existenz von Priscilla Presley im Schatten von Gatten und Rock-Legende Elvis zu zeigen, ist nicht uninteressant, doch Coppola hat keine Idee, wie sie der monotonen Einöde dieses Lebens ein Sujet abverlangen kann. Priscilla wird so von Coppola objektifiziert. Sie ist kein Charakter, nur ein Symbol dafür, dass selbst die wohlsituierten Frauen unter dem Patriarchat leiden. Für 110 Minuten ziemlich dünn. 3/10
Godzilla x Kong: The New Empire (Adam Wingard)
Guckt man einen Film mit so einem Titel wegen der Handlung? Nein. Hauptsache die Monster kloppen sich. Aber muss das Skript SO hanebüchen und dumm sein? Der halbe Film spielt in der sogenannten Hohlerde, einer Welt, in der keine physikalischen Gesetze gelten und daher riesige Dinos, Affen und Echsen munter tun können, was immer die Computereffekte hergeben. Die sehen übrigens auch immer mieser aus. Kein Wunder, wenn 98 Prozent der Bildinhalte animiert oder ‚erweitert‘ werden müssen. Wirklich zum Heulen, dass das wohl der gegenwärtige Blockbuster-Standard ist. 3/10
Bob Marley: One Love (Reinaldo Marcus Green)
Bob Marley hat ein sehr interessantes Leben gelebt, wie man in den Texttafeln zu Beginn und am Ende dieses Biopics erfährt. In dem Teil dazwischen, in dem wir tatsächlich etwas von seinem Leben sehen, singt er nur ein paar seiner Welthits und hat Probleme mit seiner großen Liebe. Vermutlich weil die die Texttafeln nicht gelesen hat und deshalb von dieser schalen Marley-Interpretation ziemlich gelangweilt ist. Wer sich für Marley interessiert, sollte lieber einfach den Wikipedia-Eintrag über ihn lesen. Da erfährt man mehr über seinen Charakter, und es ist ganz erheblich zeitsparender. 3/10
Wicked: Part One (Jon M. Chu)
Ein revisionistisches Musical-Prequel zu „Der Zauberer von Oz”. Der Broadway-Megahit hat großartige Songs und herausragende Sängerinnen (Cynthia Erivo, Ariana Grande) im Angebot, scheitert aber an der Inkompetenz des Regisseurs. Chu inszeniert nahezu alle Tanzszenen in Close-Ups, erstickt seinen Film in einer grauen saturierten Digitaloptik, die jeden Zauber vermissen lässt und braucht 160 Minuten, um die erste Hälfte einer Show zu erzählen, die in voller Länge auf der Bühne nur 150 Minuten dauert. Teil 2 kommt nächstes Jahr. Meine Vorfreude ist stark begrenzt. 3,5/10
Back to Black (Sam Taylor-Johnson)
Echt jetzt? Ein Film über Amy Winehouse und dann heißt er noch nicht mal „Rehab“? Schwache Leistung. Die Hauptdarstellerin Marisa Abela trifft die tragische Musikerin exzellent, ansonsten ist das hier das x-te Musiker-Biopic, das nach „Bohemian Rhapsody“ in Auftrag gegeben wurde und selbst Nicht-Fans nix Neues über den Star im Mittelpunkt zu erzählen weiß, zumal natürlich alles so massentauglich wie möglich geschönt wurde. Inszenatorische Qualitäten sind zu erkennen, vor allem im Bildaufbau, aber gebraucht hat „Back to Black“ wohl niemand so wirklich. 4/10
Furiosa: A Mad Max Saga (George Miller)
Wir entwickeln uns zurück. In nahezu jeder Actionszene in „Furiosa“ schaut man den Darstellern dabei zu, wie sie vor offensichtlichen LED-Wänden performen. Das ist von den Rückprojektionen des alten Studiokinos nicht mehr weit entfernt. „Furiosa“ ist grauenhaft artifiziell, setzt auf scheußliche Effekte und eine glatte Digitaloptik. Auch die Geschichte ist nicht der Rede wert, und lässt die kinetische Energie von „Fury Road“ vermissen. Vielleicht ist ein „Mad Max“-Film ohne Mad Max auch einfach eine blöde Idee. Ein überlanger und unwürdiger fünfter Teil der Kultreihe. 4/10
Longlegs (Oz Perkins)
Ich hab „Longlegs“ nicht kapiert. Klar, Perkins hat ein paar atmosphärische Momente drauf und Nicolas Cage überdreht wie eh und je, was ich durchaus gerne mitnehme. Aber warum dieser Film jetzt manche bis ins Mark erschüttert hat blieb mir unverständlich. Ist der seltsame Humor nicht total deplatziert? Sind die Anleihen an „Das Schweigen der Lämmer“ angesichts der sehr dünnen Figuren nicht beinahe vermessen? Und werden Szenen gruselig, nur weil sie fast komplett in Dunkelheit gehüllt sind? Ich bin ratlos. Aber es kann einen auch nicht alles packen. 4/10
Fly Me to the Moon (Greg Berlanti)
In Zeiten, in denen Verschwörungstheorien wieder en vogue sind, ist es etwas befremdlich, eine süße RomCom darüber zu drehen, wie Scarlett Johansson und Channing Tatum die Mondlandung inszenieren. Tatum und Johansson haben nur leider kaum Chemie miteinander, und die flache TV-Optik (trotz eines Budgets von 100 Millionen Dollar) sorgt auch nicht gerade für tolle Bilder. Ein paar Gags und Pointen zünden aber immerhin ganz ordentlich, vor allem die an einer Stelle genervt geäußerte Frage, warum die NASA denn nicht einfach Stanley Kubrick engagiert hat. 4/10
Die Farbe Lila (Blitz Bazawule)
Steven Spielberg hat uns ja schon einmal was von der Sklaverei erzählt, aber was damals 1985 gefehlt hat, sind eine Nummer an Gospel-Broadway-Musicaleinlagen – sagte keiner jemals. Die Singsang-Variante ist die Friede-Freude-Glücksbärchi-Version der Geschichte. War schon doof damals auf den Baumwollplantagen, aber die Schwarzen haben sich natürlich nicht unterkriegen lassen, oder so. Ein paar Darstellerinnen sind gut, und Bazawule kann Gesangs- und Tanzszenen durchaus inszenieren, aber abseits der Musik herrschen hier dennoch starke tonale Dissonanzen vor. 4/10
Megalopolis (Francis Ford Coppola)
„Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen.“ – Helmut Schmidt. 4/10
Ghostbusters: Frozen Empire (Gil Kenan)
Waren die 80s „Ghostbusters“-Filme nicht mal Parodien und sarkastische Variationen von Blockbuster-Klischees? Warum zieht „Frozen Empire“ dann all das ernst durch, was die früheren Teile veralbert haben? Spätestens wenn die Rentnertruppe zu ‚epischer‘ Musik in einen CGI-Showdown à la Marvel einzieht, hat das mit „Ghostbusters“ nur noch wenig zu tun. Der überladene, zu ernste Film hat außer Spektakel wenig zu bieten. Der Vorgänger „Legacy“ war ein schönes, sentimentales spätes Finale zur Reihe. Sorry Nostalgiker: Man hätte es dabei belassen sollen. 4/10
Vaiana 2 (Dave Derrick Jr.)
Erinnert sich einer an die 90er und 00er, als für viele Disney-Kinofilme billige DVD-Fortsetzungen nachgeschoben wurden, sowas wie „Der König der Löwen 2“ oder „Bambi 2“? Sowas gibt’s jetzt auch im Kino: „Vaiana 2“ ist überdeutlich der Versuch, drei produzierte Episoden einer nie fertiggestellten Disney+-Serie zum einstigen Kino-Hit zu einer Filmfortsetzung zu verbinden. Die Animationsqualität ist schwächer als beim Vorgänger 2016, der Humor zahnloser und die drei Geschichten hängen nur dürftig zusammen. Disney nimmt sein Publikum leider gar nicht mehr für voll. 4/10
Bad Boys – Ride or Die (Adil El Arbi, Bilall Fallah)
Selten haben sich zwei Regisseure so selbstverliebt in dollen Kamera-Tricks und Gimmicks verloren. Die Action im vierten „Bad Boys“ ist pure Poserei. Da gibt es POV-Shots, hektisches Hin und Her Gewackel, und sonstige schräge Tricks, womit man wohl aufwerten wollte, wie unspektakulär die Baller-Orgien choreographiert wurden. Trotz dieser unübersichtlichen Selbstzweck-Spielereien ist „Ride or Die“ recht in Ordnung, hat sogar 1-2 ganz nette Wendungen und unterhaltsame Nebenfiguren. Mehr konnte man von dieser ziemlich mauen Reihe ohnehin nie wirklich erwarten. 4/10
Drive-Away Dolls (Ethan Coen)
Ohne seinen Bruder Joel scheint dem guten Ethan etwas zu fehlen, denn „Drive-Away Dolls“ sieht aus, als hätten ein paar Studenten für ihren Abschlussfilm versucht, den Stil der Coen-Brüder zu imitieren, nur ohne je verstanden zu haben, was ihn auszeichnet. Die postmodernen Scherze zünden nicht, die Gaststars (u.a. Pedro Pascal & Miley Cyrus) werden sinnlos verheizt, und das ganze Dildo-Gelabere lässt diesen Film konservativer wirken als er wohl beabsichtigte. Vereinzelt blitzt der Witz von einst auf, und die Kameraarbeit ist richtig schick, aber mehr kommt nicht herum. 4/10
Civil War (Alex Garland)
Hä? Garland konstruiert einen Bürgerkrieg in den USA, in dem Kalifornien und Texas (!!!) zusammen gegen den Rest der Nation aufbegehren, um die x-te abgedroschene „War is bad, mkay“-Geschichte zu erzählen? Trotz der brisanten Ausgangslage steckt in diesem Film nichts Politisches, nicht mal im Subtext, stattdessen gibt es die üblichen Kriegsbilder zu sehen, die aber kritisch gemeint sind, weil die Figuren das in den Dialogen so sagen. Klar: Unspannend sind viele Szenen nicht, Kirsten Dunst spielt fantastisch, und doch hat Garland bei allem Bohei eigentlich nix zu erzählen. 5/10
Trap (M. Night Shyamalan)
Die Prämisse mit einem Serienkiller, der auf einem Quasi-Taylor-Swift-Konzert mit seiner Tochter festsitzt, das von der Polizei als Falle arrangiert wurde, ist cool, und solange der Film auf dem Konzert bleibt, gelingen Shyamalan ein paar kluge Spannungsmomente. Natürlich muss der Meister des bekloppten Twists im dritten Akt aber den Konzertsaal verlassen und mehrere Wendungen aneinanderreihen, die wohl nur in seinem Kopf Sinn ergeben. Wäre Josh Hartnetts tolle Performance nicht, man würde „Trap“ sein langes Bullshit-Ende nur noch sehr viel übler nehmen. 5/10
Dune: Teil 2 (Denis Villeneuve)
„Lawrence von Arrakis: Mehr Sand“ ist ein Blockbuster-Getöse mit durchweg wummernder Tonspur, gigantomanischen Bildern, jedem Hollywood-Star, der nicht schnell genug weglaufen konnte und eine stilistisch nahtlose Fortsetzung des Vorgängers. Einige Actionszenen sind zutiefst beeindruckend, allerdings erinnert das Drehbuch gerne an eine auf seriös gespielte Variante von „Das Leben des Brian“. Tonal ist „Die Wüste bebt“ daher enorm unausgeglichen, zugleich recht albern und doch stets bleiern schwer. Fortsetzung („Dune: Noch warm und schon Sand drüber“) folgt. 5/10
The Apprentice – The Trump Story (Ali Abbasi)
Für eine solche Biopic-Annäherung eignet sich Donald Trump leider kaum. Nicht nur, weil wir ihn alle 2024 echt genug gesehen haben, sondern auch, weil er als reale Person schon so sehr seine eigene Karikatur ist, dass man psychologisch nur wenig aus ihm herausholen kann. Sebastian Stan ist zudem in der Rolle fehlbesetzt. Trotzdem hat „The Apprentice“ seine Momente, erzählt etwas vom misogynen, menschenverachtenden Ursprung des Kapitalismus, und baut daraus ein paar überzeugende Dramen-Momente. Es hätte aber mehr sein müssen, um sich als Projekt wirklich zu lohnen. 5/10
If – Imaginäre Freunde (John Krasinski)
Ich kann Ryan Reynolds nicht mehr sehen. Seine bloße Erscheinung bringt mich zum Gähnen. Der immer selbe Humor wird auch nicht besser, wenn er mit einem Haufen klobig animierter Fabelwesen interagiert. Sieht man von dieser Reynolds-Fatigue ab, ist „If“ als Kinderfilm recht in Ordnung. Das Szenario erinnert an eine Kinder-Version der „Men in Black“, es gibt ein paar echte Lacher und putzige Ideen. Krasinski scheut zudem ein paar ungewohnt ernste Themen nicht. Trotzdem: Für Reynolds gibt es meinerseits mittlerweile Punktabzug. Es tut mir nicht mal mehr leid. 5/10
Sweethearts (Jordan Weiss)
Zwei beste Freunde (ein Männlein, ein Weiblein) von der Uni sind mit ihren Fernbeziehungen unzufrieden und unterstützen sich gegenseitig beim Schlussmachen! Erfreulicherweise bleiben die platonische Freundschaft der beiden in diesem Teenie-Film mal tatsächlich platonisch, und die Chemie der beiden Darsteller (Nico Hiraga, Kiernan Shipka) funktioniert anständig. Natürlich ist das seicht, natürlich hat man die Gags schon tausendfach gehört, aber ich fands insgesamt ganz sympathisch. Für 13-jährige Mädels ein potentiell neuer bester Film, der jemals gedreht wurde. 5/10
MaXXXine (Ti West)
Nach „X“ und „Pearl“ schließt West mit „MaXXXine“ die seltsamste Horrortrilogie der jüngeren Vergangenheit ab. So gut wie die Vorgänger ist „MaXXXine“ nicht mehr, wenngleich die Missbrauchs-Verhältnisse in der Filmindustrie dennoch ganz clever herausgearbeitet werden, und Mia Goth ein drittes Mal sagenhaft hochklassig agiert. Das Skript hat aber viele Schwächen: Die Slasher-Metzeleien werden nur dürftig legitimiert, die anderen Frauenfiguren (Elizabeth Debicki, Michelle Monaghan) bleiben blass. Und der eigentliche „Endgegner“ kommt ziemlich aus dem Nichts. 5/10
Die Fotografin (Ellen Kuras)
Es ist immer schwer, wenn ein außergewöhnliches Leben in einem gewöhnlichen Film adaptiert wird. Die Fotografin Lee Miller ist eine bemerkenswerte Persönlichkeit und verdient ihr filmisches Porträt, selbst wenn am Ende ihre Leistungen weitaus mehr Respekt abverlangen als die Präsentation dieser. Kate Winslet ist in der Hauptrolle völlig in Ordnung, und Kuras macht prinzipiell mit ihrem Film nichts falsch, verlässt das Mittelmaß allerdings auch nie. Und wenn Lee Miller eines nun wirklich nicht gewesen ist, dann eine Frau, die man irgendwo im Mittelmaß verorten würde. 5/10
Der Junge und der Reiher (Hayao Miyazaki)
Die besten Anime-Filme werden vor allem dafür gefeiert, dass sie „Momente“ kreieren, die einen zutiefst bewegen. Man denke an „Prinzessin Mononoke“ oder „Mein Nachbar Totoro“. Auch der „Junge und der Reiher“ ist sehr bemüht, solche Momente zu erschaffen, vergisst aber den Klebstoff dazwischen. Diese symbolische Erzählung ist so frustrierend getaktet und strukturiert, dass die emotional gemeinten Höhepunkte merkwürdig hohl bleiben. Hübsch anzusehen ist der Stil sicherlich, aber das reicht nicht, um von der narrativen Leere gänzlich abzulenken. 5/10
Das Erwachen der Jägerin (Neil Burger)
Ein psychologisches Sumpf-Drama, das sich im letzten Drittel zum Home-Invasion-Thriller wandelt und drei starke Performances von Daisy Ridley, Gil Birmingham und Ben Mendelsohn zu bieten hat. Klingt gut? Ja, eigentlich schon, aber wird leider so stromlinienförmig und vorhersehbar erzählt, dass es nur zum mäßig aufregenden Einmalschauen reicht, zumal vor allem das Ende versagt. Hier wäre locker ein um Klassen besserer Film drin gewesen, aber es hat nicht sollen sein. Der talentierten Miss Ridley kann man für die Zukunft nur qualitativ hochwertigere Projekte wünschen. 5/10
Kill (Nikhil Nagesh Bhat)
Die ersten fünfundvierzig Minuten muss man diesen indischen Film durchhalten, denn die Romanze dort ist immer 5 vor Bollywood. Aber sobald der Titel im Bild auftaucht, wird ein Gemetzel abgefackelt, bei dem sich der Magen umdreht. In hyperbrutalen Kämpfen vernichtet der Hauptdarsteller einen ganzen Zug voller Gangster, bricht ihnen die Knochen, schlitzt sie an allen Ecken und Enden auf, bis es aussieht, als würde der Zug selbst an inneren Blutungen leiden. Das ist zwar repetitiv, aber als Schlachtplatte ein ehrliches primitives Fest. Selbst John Wick müsste kotzen. 5/10
Emilia Pérez (Jacques Audiard)
Die Idee, eine Geschichte über einen mexikanischen Gangster, der sich zur Frau um operieren lassen will, als Melange aus Musical, Telenovela und „Sicario“-Verschnitt zu inszenieren, war gewagt. Mal wird in lustiger Werbeoptik über Penisse und Vaginas geträllert, mal ist diese Trans-Geschichte dann bitter und ernst gemeint. Eine sehr eigenwillige Mischung, die oft eher abschreckt als fasziniert, die inszenatorisch aber in den Musical-Szenen auch einiges anbietet und immerhin für eine Seherfahrung sorgt, die selbst regelmäßige Kinogänger definitiv noch nicht erlebt haben. 5/10
Heretic (Scott Beck, Bryan Woods)
Hugh Grant gibt mal wieder das Arschloch. Dieses Mal will er zwei Teenie-Missionarinnen in Glaubensfragen verwickeln – und umbringen. Denn während die erste Hälfte interessante theologische Konflikte aufmacht, entpuppt sich der zweite Teil des Films als banaler Geisterbahn-Grusler, dem sehr schnell die Ideen ausgehen. Trotzdem hatte mich dieser kleine Kammerspiel-Thriller am Haken. Vielleicht mag ich Grant einfach in Arschloch-Rollen. Es ist kein richtig guter Film, sicher, aber er hielt mich bei der Stange. Das passierte 2024 einfach zu oft überhaupt nicht. 5/10
Gladiator II (Ridley Scott)
Der Titel ist bloß Beschiss. „Gladiator II“ ist eigentlich „Gladiator I“, genau derselbe Plot mit genau denselben Figuren, nur schwächer besetzt, deutlich digitaler und artifizieller aufgemacht und mit großen Problemen im Pacing. Paul Mescal kann einen solchen Effektfilm nicht tragen, Scott verliert sich in krawalligen Mätzchen. Richtig Spaß machen eher die Nebenplots, in denen mal etwas vom Original abgewichen wird. Und ja, die Seeschlacht im gefluteten Kolosseum ist eine bärenstarke Actionsequenz. Gerade so also noch okay, aber auch wirklich gerade nur so noch. 5/10
Wo die Lüge hinfällt (Will Gluck)
Der Aufhänger dieser sehr losen RomCom-Neuinterpretation von William Shakespeares „Viel Lärm um Nichts“ ist vollkommen bescheuert und eigentlich unverzeihlich mies konstruiert – eigentlich. Denn Sydney Sweeney und Glen Powell sind als Leads dann doch wirklich charmant anzuschauen. Die Chemie zwischen den beiden ist greifbar, und sie lassen jederzeit eine gewisse selbstironische Distanz zum von ihnen verlangten Kitsch erkennen. Klar, viel mehr als „Hübsche Menschen an hübschen Orten“ ist das trotzdem nicht, dafür funktioniert es aber recht schmerzfrei. 5,5/10
Hagen – Im Tal der Nibelungen (Cyrill Boss, Philipp Stennert)
Viele Kritiken haben sich gefreut, dass mit „Hagen“ mal auch ein echter Historienblockbuster in Deutschland produziert wurde. Und sie haben recht: „Hagen“ braucht sich hinter der aktuellen US-Konkurrenz nicht zu verstecken. Als Ausstattungskino macht das einiges her und ist schön anzusehen, quasi das deutsche „Excalibur“ oder „Game of Thrones“. Erzählerisch wäre mehr drin gewesen. Die Dekonstruktion des Nibelungen-Mythos bleibt intellektuell etwas schwach auf der Brust, wenngleich die Figuren durchaus fesseln. Handwerklich top, und ausreichend unterhaltsam. 6/10
All of Us Strangers (Andrew Haigh)
Sehr schöner Mix aus schwulem Liebesdrama und Geistergeschichte, die als Traumabewältigungsmechanismus fungiert, mit einem wunderbaren Andrew Scott im Zentrum und einem fast ebenbürtigen Paul Mescal. Die ästhetischen Sexszenen, die schönen atmosphärischen und stimmungsvollen Bilder gehen eine gelungene Melange ein, die fesselt und berührt. Das dumme Ende reißt es dann etwas runter. Da wird „All of Us Strangers“ leider naiv und manipulativ und flüchtet sich in die Esoterik. Außerdem: „The Power of Love“ von Frankie Goes To Hollywood einspielen? Echt jetzt? 6/10
Immaculate (Michael Mohan)
Wer den Twist von diesem Nonnen-Grusler errät, soll mir bitte per E-Mail ganz unverbindlich sechs Zahlen zwischen 6 und 49 schreiben. „Immaculate“ ist für 2024, was „The Pope’s Exorcist“ für 2023 war. Irgendwo an der Schwelle zwischen Horror und Trash entwickelt sich diese Geschichte in so eine abstruse Richtung, dass es ehrlich spannend wird, dem Handlungsverlauf zu folgen. Hier passt wirklich rein gar nichts zusammen, aber es bleibt so wie Hauptdarstellerin Sydney Sweeney, die sich tapfer durch das Skript kämpft, definitiv ziemlich lange noch in Erinnerung. 6/10
The Substance (Coralie Fargeat)
Cronenberg’scher Bodyhorror als feministischer MeToo-Kommentar. Keine schlechte Idee und der Mix hat seine Vorzüge. Demi Moore spielt so gut wie seit Jahrzehnten nicht mehr, die letzte halbe Stunde ist in Punkto Abartigkeit auf einem Niveau mit „Die Fliege“ und der Soundtrack hat richtig Energie. Der belehrende Unterton ist in seiner Penetranz aber immer kurz davor, in tiefsten „Barbie“-Gefilden zu wildern und so schlagen zwei Herzen in meiner Brust. Als Genrekino ein schickes fieses Teil, aber als „Messagekino“ sehr aufdringlich und geradezu nervtötend. Trotzdem noch: 6/10
The End We Start From (Mahalia Belo)
Jodie Comer ist eine der besten Darstellerinnen ihrer Generation, und das Überschwemmungsdrama „The End We Start From“ stellt das erneut unter Beweis. Die Angst und Verzweiflung einer frisch gewordenen Mutter auf der Flucht verkörpert sie so exzellent, dass es unter die Haut geht. Der Film selbst ist etwas sehr introspektiv geraten, setzt in seiner Fotografie beinahe auf Stillleben, so ruhig und poetisch will er sein. Manchmal wirkt das ein wenig prätentiös und behäbig, selbst für Fans von Slowburnern. Ziemlich „artsy“, aber als Seherfahrung auch gar nicht so uninteressant. 6/10
Next Goal Wins (Taika Waititi)
So lustig wie zu seinen Hochzeiten ist der irre Kiwi-Regisseur Waititi leider nicht mehr. Sein hübscher kleiner Geheimtipp über die wohl schlechteste Fußballmannschaft, die es jemals gegeben hat (wahre Geschichte!) und ihren verzweifelten Trainer (Michael Fassbender … ja, den gibt es noch) ist aber trotzdem ganz nett geworden. Zwar gibt es gar nicht mal so viel zu lachen, dafür sind die meisten Figuren ursympathisch und Waititi erzählt von Losern, die keine Gewinner werden müssen, um sich in ihrem Leben besser zu fühlen. Wohlfühlkino mit therapeutischer Wirkung. 6/10
Schlaft gut, ihr fiesen Gedanken (Hannah Marks)
Noch so ein Teenie-Film, der echt in Ordnung ist, vor allem da Hauptdarstellerin Isabela Merced echt was draufhat und die Protagonistin voller Zwangsneurosen und Angststörungen überzeugend gibt. Die Geschichte um den Versuch des Mädels, zusammen mit einem Freund aus Kindheitstagen an viel Geld zu kommen, ist wenig plausibel, aber ein guter Aufhänger für viele herzliche Szenen, in denen sich die Teens mal tatsächlich wie echte Teens benehmen. Und wie gut ist bitte der Originaltitel „Turtles All The Way Down“? Ein netter kleiner Zeitvertreib, tut trotz Melancholie nicht weh. 6/10
Transformers One (Josh Cooley)
Hey: Ein Transformers-Film, der nicht scheiße ist! Darf man das überhaupt? Weiß Michael Bay, dass das geht? Dieser Animationsfilm ist wirklich putzig und fängt genau den Esprit ein, mit dem Nachmittagscartoons ihr junges Publikum an die Glotze fesseln. Es gibt sogar ein paar Actionszenen, in denen man die Transformationen der Hauptfiguren richtig nachvollziehen kann. Es geschehen Zeiten und Wunder. Der Humor ist für Erwachsene vielleicht etwas zu kindlich, aber trotzdem hat dieser Film Charme. Hat ja auch nur insgesamt acht Anläufe gedauert. 6/10
Kinds of Kindness (Yorgos Lanthimos)
Als Statement mag es langweilig sein, aber wie bei jedem Episodenfilm sind auch die drei Kapitel in „Kinds of Kindness“ einfach nicht alle gleich gut. Während das erste Kapitel richtig Spaß macht und viele schöne Einfälle des schrägen Griechen aufweisen kann, nimmt die Handlungsqualität der zwei folgenden Episoden zunehmend ab. Emma Stone, Jesse Plemons und Margaret Qualley spielen stark, und Lanthimos macht in Punkto Bild- und Lichtgestaltung niemand was vor, doch „Kinds of Kindness“ ist bei aller Bewunderung für ihn wirklich keine seiner stärkeren Arbeiten. 6/10
Twisters (Lee Isaac Chung)
An Bill Paxton und Helen Hunt in „Twister“ kommen Daisy Edgar-Jones, Glen Powell und Anthony Ramos im Sequel nicht heran. Trotzdem macht die Tornado-Jagd auf der großen Leinwand einiges her. Chung weiß, dass sein Film mehr technische Leistungsschau als emotional packend sein muss und feuert daher ein Effektspektakel ab, das sich sehen lassen kann. Spannend daran bleibt, dass „Twisters“ wie der Vorgänger eine Ecke der USA in den Mittelpunkt stellt, die es sonst selten zu sehen gibt und sie dann nach allen Regeln der Kunst den Erdboden gleichmacht. 6/10
Alles steht Kopf 2 (Kelsey Mann)
An das großartige Original konnte Pixar im zweiten Anlauf nicht mehr anknüpfen. Recht mutlos wird der Vorgänger einfach nur wiederholt, zumal dieses Mal so viele Emotionen im Kopf der armen Riley herumwuseln, dass jede im Einzelnen zu wenige Höhepunkte erhält. Die Animationsqualität ist wieder sensationell und im letzten Akt darf man erneut mitfiebern, es gibt auch einiges zu lachen, trotzdem enttäuscht es, wenn jetzt selbst die einstige größte Kreativschmiede Hollywoods nur noch auf gängige Rezepturen setzt. Kein Reinfall, aber auch echt nichts, was im Kopf bleibt. 6/10
Beetlejuice Beetlejuice (Tim Burton)
Klar ist „Beetlejuice Beeltejuice“ an sich nur eine Wiederholung des Vorgängers und hat kaum einen neuen kreativen Einfall, da man alles schon im Vorgänger gesehen hat. Trotzdem ist das Wiedersehen mit dem Lottergeist ein schöner Spaß. Burton inszeniert Dekor-Filme wie niemand sonst und obgleich alles total überfrachtet ist, machen die Bilderwelten des Untoten-Reichs auch beim zweiten Mal noch Freude. Wenn alle späten Sequels so simplen Fun garantieren würden, dann müsste ich nicht halb so oft genervt meckern, wie ihr es alle von mir gewohnt seid. Danke Timmy. 6/10
Hypnose (Ernst De Geer)
Fesselnder kleiner Kunstfilm, bei dem eine Frau durch ihre Hypnose-Therapie alle sozialen Hemmungen verliert. Dabei gehen die Eskapaden nie so weit wie die Affenszene in „The Square“, aber weit genug, dass man einerseits eine diebische Freude an der Unangepasstheit entwickelt und doch klar bleibt, wie egoistisch viele Selbstverwirklichungsrituale eigentlich sind, die wir in unserer Gesellschaft mittlerweile als erstrebenswert ansehen. Darstellerisch exzellent. Es mag zu wenig echte Höhepunkte geben, aber Regiedebütant De Geer sollte man im Auge behalten. 6/10
American Fiction (Cord Jefferson)
So genial und intelligent wie „Tár“ im Vorjahr ist diese Auseinandersetzung mit Cancel Culture und der Woke-Ideologie nicht geraten. Dafür steht „American Fiction“ zu sehr zwischen den Stühlen. Der politisch-satirische Kommentar wechselt sich ab mit einem unausgereiften Familiendrama, das von Jeffrey Wright zwar überzeugend gespielt wird, die Handlung aber unnötig in die Länge zieht und etwas unklar werden lässt, um was es eigentlich gehen sollte. Wenn „American Fiction“ aber lustig ist, dann ist er richtig lustig und legt den Finger gekonnt in die zeitgeistigen Wunden. 6/10
Das erste Omen (Arkasha Stevenson)
Oha, dieses natürlich völlig unnütze Prequel zu „Das Omen“ ist zwar so richtig unnütz, aber als Film für sich betrachtet ganz gut gelungen. Dieser weitgehend altmodische übernatürliche Horrorschocker spielt mit den Vorurteilen, denen Frauen sich oft ausgesetzt fühlen, nach denen ihre begründeten Ängste als Hysterie abgetan werden, bietet zudem atmosphärische Bilder und ein paar sehr effektive Suspense-Szenen. Insgesamt klebt man sicher zu nah an der berühmten Vorlage, und die Anbindung ans Original ist etwas ungeschickt, trotzdem ganz gelungene Genre-Kost. 6/10
A Killer Romance (Richard Linklater)
Glen Powell und Adria Arjona beim Flirten und Liebemachen zuzuschauen ist genauso sexy wie es klingt. Die Komödie um einen Mann, der sich für die Polizei als Auftragskiller ausgibt, um ein paar Depperte in die Falle zu locken, hat viele schöne kleine Einfälle und kommt wie erwähnt als Romanze auch erotisch daher. So richtig glaubhaft ist das Skript aber sicherlich nicht und im letzten Drittel sollte man manche Wendung einfach schlucken, statt sie zu hinterfragen. Die Sympathie für die Hauptdarsteller macht einiges wett und liefert einen netten Abend auf der Couch. 6/10
In a Violent Nature (Chris Nash)
Ein cooler Konzeptfilm, ein Slasher nämlich, der komplett aus der Sicht des Killers erzählt wird. So kriegen wir mal endlich mal zu sehen, was Michael Myers so macht, wenn er grade nicht im Bild ist. Okay, die Antwort ist: schlurfend gehen. Genug gealbert: Mir hat das als Experimentalfilm gefallen, weil es zur Reflexion über die Mechanismen des Genres taugt und die Kills in ihrer Heftigkeit einen ganz anderen Effekt haben, wenn wir mit dem Killer vorher gemeinsam auf Godot gewartet haben. Vermutlich wird bald ein Nachahmer-Film das Potenzial sogar noch stärker ausschöpfen. 6,5/10
A Quiet Place: Tag Eins (Michael Sarnoski)
Während John Krasinski die Rohheit einer verstummten Welt, in der hypersensitive Monster Jagd auf sämtliche Geräusche machen, ausstellte, setzt Sarnoski auf groß angelegte Set-Pieces, in denen Lupita Nyong’o als Todkranke durch den Big Apple vor den Viechern flieht. Der emotionale Background gerät richtig ergreifend und mündet in ein hoch emotionales Ende („I’m Feeling Good“), während die eher horrorlastigen Szenen nur den Genre-Standard abbilden. „A Quiet Place“ hat als Drama aber schon immer besser funktioniert, und tut dies auch noch im immerhin schon dritten Anlauf. 7/10
Robot Dreams (Pablo Berger)
Sehr hübsch aussehender altmodischer Zeichentrickfilm über die Freundschaft zwischen einem Roboter und einem Hund, der ganz ohne Dialoge auskommt, dafür aber mehr Filmreferenzen erhält als so mancher Mehrstünder von Quentin Tarantino. Das viel beschworene Meisterwerk mag das hier nicht sein, aber es gefällt, wie einfach und effizient eine süße Geschichte um Freundschaft und Zusammenhalt erzählt wird und es bleibt die Frage, warum oft die animierten Filme so viel mehr Herzblut in ihrer Umsetzung erkennen lassen. Herzerwärmend für alle Altersklassen. 7/10
Smile 2 – Siehst du es auch? (Parker Finn)
„Smile“ hatte mir kaum gefallen, doch das Sequel ist in jeder Hinsicht eine Verbesserung. Hauptdarstellerin Naomi Scott spielt die Musikerin im Zentrum richtig klasse, Finn inszeniert in beeindruckenden One Shots, die auch ein Alfonso Cuarón nicht besser machen könnte und als Auseinandersetzung mit fanatischen Groupies hat „Smile 2“ eine gute Basis für sehr effektive herausgearbeitete Schockmomente. In einem vollen Kinosaal hat dieser Horrorfilm ausgesprochen gut funktioniert. Der Teaser auf Teil 3 machte ebenfalls Laune. Da lächle ich gerne wieder mit. Also: Mehr davon bitte! 7/10
Super/Man: The Christopher Reeve Story (Ian Bonhote)
Eine wirklich bewegende Doku um den einstigen Superman-Darsteller, vor allem um seine Zeit nach dem schweren Unfall, die ihn körperlich behindert zurückließ. Womöglich wird das Narrativ vom „Held ohne Cape“ etwas zu doll ausgewalzt, aber es fällt schwer, beim Anschauen keine Anteilnahme zu empfinden. Reeve war nicht nur als Superheld eine Ikone auf der Leinwand, sondern hat mit seinem Aktivismus und als Symbolfigur für Menschen mit körperlichen Einschränkungen viel getan. Die Geschichte eines Kämpfers, die aller Schwächen zum Trotz zu Tränen rührt. 7/10
Daddio (Christy Hall)
Nach „Madame Web“ konnte Dakota Johnson mit „Daddio“ wieder unter Beweis stellen, dass sie doch ein paar gute Gene ihrer berühmten Eltern und Großeltern abbekommen hat. In diesem Zwei-Personen-Drama (sie sitzt als Fahrgast bei Sean Penn im Taxi) kommt alles auf die psychologisch hintersinnigen Dialoge und das Schauspiel der beiden Stars an, und vor allem letztere überzeugen, haben sogar eine erstaunliche Chemie miteinander. Ein intim philosophischer Diskurs, der das Rad nicht neu erfindet, aber eine tolle Entschleunigung im sonstigen Kino-Rummel abbildet. 7/10
Wir werden alle sterben! (Benjamin Knight)
Ben hat Angst um das Ende der Welt, reist von Brandenburg über London und Kansas bis nach Yucatan und befragt Leute, wovor sie Angst haben und wie sie mit all den großen aktuellen Krisen so umgehen. Eine sehr schräge kleine Doku-Komödie, die der allgegenwärtigen Untergangsstimmung mit lakonischem Humor und aufrichtigem Interesse an den Gedanken anderer entgegentritt. Kein richtig therapeutisch gemeintes Kino also, eher ein Stimmungsmosaik, wenngleich der Gedanke schon tröstet, dass uns doch alle irgendwie dieselben Fragen quälen. Dicke Empfehlung! 7/10
Love Lies Bleeding (Rose Glass)
Beginnt als lesbische Romanze, wandelt sich zum Psychothriller mit zarten Anleihen an David Lynch und endet als Symbolismus-Kunstfilm, der das Abstrakte nicht scheut. Kristen Stewart und Katy O’Brian sind als ungleiches Paar glaubhaft, Ed Harris haut mal wieder einen morbiden Schurken heraus und Glass inszeniert das, als sei ein Pulp-Magazin in krassen Neon-Farben zum Leben erwacht. Die Grundmotive mögen etwas zu altbekannt sein und es fehlt der eine große Clou, der alles auf ein neues Level hebt, dennoch kann man von Glass in Zukunft einiges erwarten. 7/10
Kleine schmutzige Briefe (Thea Sharrock)
Obgleich diese Kleinstadt-Affäre um ein paar vulgäre anonyme Briefe im England der 20er Jahre spielt, ist „Kleine schmutzige Briefe“ ein bissiger Kommentar auf Shitstorm-Mechanismen auf Social Media. Olivia Colman und Jessie Buckley spielen das richtig schön garstig und biestig, Sharrock feiert regelrecht die befreiende, sogar emanzipatorische Macht von Fäkalsprache. Zugegeben: Es ist kaum auszumalen, wie viel geiler dieser Film hätte sein können, hätte Wes Anderson ihn gedreht, aber auch so ist der Unterhaltungswert hoch. Und der Bri’ish-Faktor ist gar ganz unermesslich! 7/10
Konklave (Edward Berger)
Im Vatikan nichts Neues oder 12 Angry Cardinals? Beides irgendwie. Berger inszeniert eine Papstwahl als Politthriller-Kammerspiel, entlarvt die Abwägungen der Abgesandten Gottes als kühl berechnete Machtspiele von gierigen Opportunisten. Großes Schauspielkino, da Ralph Fiennes, Stanley Tucci, John Lithgow und Isabella Rossellini alle neue Karriere-Bestleistungen abliefern. Das letzte Drittel mag etwas konstruiert ausfallen und eine Wendung zu viel anbieten, aber Berger inszeniert stark genug, dass man an sein Konzept tatsächlich glauben mag. Pun intended. 7/10
Planet der Affen – New Kingdom (Wes Ball)
An die absurden Höhen der vorherigen Trilogie kommt der insgesamt zehnte „Planet der Affen“-Film nicht heran, dafür ist der dritte Akt zu krawallig veranlagt. Dennoch sorgen die schier unglaublich realistischen Effekte wieder für Staunen, ist die politische Komponente für einen Film dieser Art erneut sehr beeindruckend. Erwachsene Sci-Fi für teuer Geld wird kaum noch produziert, und wenn man sich nur noch daran erfreuen darf, wenn es um Kriege zwischen Schimpansen geht, soll es eben so sein. Trotz Franchise-Müdigkeit sind weitere Teile daher ausdrücklich erwünscht. 7,5/10
The Fall Guy (David Leitch)
Mit “Ein Colt für alle Fälle“ hat diese ‚Adaption‘ nix zu tun, aber der Fun-Faktor des Action-Blockbusters ist dennoch hoch. Leitch verbindet noch immer zeitgemäße Actioninszenierung hervorragend mit physischer Comedy und dank der sehr charmanten Konstellation aus Emily Blunt und Ryan Gosling geht die Mixtur noch besser auf als bei „Bullet Train“. Der Plot ist Banane und einige Witze werden ewig ausgewalzt, alles richtig, aber es spielt bei so viel kinetischer Energie kaum eine Rolle. Wie Gosling im Auto zu Taylor Swift heult, war einer der besten Lacher des Jahres. 8/10
Lisa Frankenstein (Zelda Williams)
Wow! Williams bewirbt sich auf den Job als filmische Tochter von Tim Burton. Dieses schräge Gothic-Märchen um ein Teenie-Mädel, das sich in eine hundert Jahre alte Leiche verliebt, diese ausbuddelt und in ihrem Solarium zum Leben erweckt (und danach fröhlich Morde begeht, um ihrem Liebsten neue verbesserte Gliedmaßen zu beschaffen), ist herrlich morbide und bösartig-schräg, aber immer auch liebenswert und in seiner Verwendung von Klischees kreativ ausgefuchst. Eine tolle Überraschung, die in einem Atemzug mit „Beetlejuice“ genannt werden darf. 8/10
City of Darkness (Soi Cheang)
Was ein Brett! In der sogenannten Walled City inmitten von Hongkong, einem riesigen Wohnkomplex, in dem in den 80ern über 35.000 Menschen lebten, inszeniert Cheang eine gewalttätige hochklassig stilisierte Hommage an das alte Martial-Arts-Kino. Die verschiedenen Gegner malträtieren sich gegenseitig mit Motorrädern, Eisenstangen und Ziegelsteinen. Die Choreografie ist atemberaubend, dank der überzeugenden Drahtarbeit immer ein wenig jenseitig, und es bleibt sogar noch Platz für dreckig-schwarzen Humor. Testosteron-Kino mit Klassenkampf-Unterbau. 8/10
Alien: Romulus (Fede Alvarez)
Der beste „Alien“-Film seit 1986. Alvarez geht zu den Ursprüngen des kosmischen Horrors zurück und zeigt einen Einfallsreichtum bei der Erschaffung denkwürdiger Set-Pieces, der so nicht zu erwarten war. Vor allem das letzte Drittel ist ein filmgewordener Albtraum mit einem abartig-kühnen Figurendesign. Die Darsteller überzeugen durch die Bank, die Kulissen sind ein Traum und die Verknüpfung der „Alien“-Reihe mit dem „Prometheus“-Prequel ein genialer Schachzug. Etwas weniger anbiedernder Fanservice und wir hätten es mit einem modernen Franchise-Meisterwerk zu tun. 8,5/10
The Bikeriders (Jeff Nichols)
Sensationelles Bikerdrama, das strukturell „Easy Rider“ mit „GoodFellas“ mischt und in allen Kernrollen mit u.a. Jodie Comer, Austin Butler und Tom Hardy exzellent besetzt ist. Weniger eine Studie um Kriminelle als ein Einblick in den sozialen Freiheitsbegriff, den das Americana verspricht. Ganz toll ist der Einsatz von Musik. Zeitgenössische Songs der späten 60er werden in kunstvoll arrangierten Parallelmontagen als inhaltliche Verstärkung eingesetzt, ähnelnd einem griechischen Chor. Anspruchsvolles, erwachsenes Kino, das in der Award-Saison leider stark unterging. 8,5/10
Challengers (Luca Guadagnino)
Ein Film gegen die neue Prüderie. Dieses herrliche Sportdrama nutzt Tennis als Metapher für Sex, was so weit geht, dass die Kamera irgendwann selbst zum Ball wird und von den Schlägern der Sportler penetriert wird. Zendaya verführt zwei beste Freunde, über mehrere Jahre, und es ist ein Genuss mitanzusehen, wie sehr Guadagnino die psychosexuelle Komponente einer solchen Konstellation in den Mittelpunkt stellt. Die irrationale Natur menschlicher Begierde wird so beißend wie erotisch ausgestellt. Der Techno-Score (Atticus Ross & Trent Raznor) ist der Match Point. 9/10
Der wilde Roboter (Chris Sanders)
Ein bezauberndes Natur-Märchen um einen Roboter, der auf einer kleinen unbewohnten Insel abstürzt und sich mit den Tieren dort anfreundet. Der Animationsstil ist einzigartig (als hätte man Aquarelle in Bewegung versetzt), die Figuren gehen ans Herz, und während sie bei Disney den Kreislauf des Lebens besingen, wird er bei DreamWorks einfach mal in voller Härte illustriert. Das letzte Drittel ist geradezu poetisch in seiner Einfachheit. Emotionales Storytelling auf höchstem Niveau, bei dem Eltern mit ihren Kindern zusammen mal so richtig reinigend drauflos heulen können. Respekt! 9/10
Anora (Sean Baker)
Ein exzellenter Film. Was als halbpornografische Variation von „Pretty Woman“ beginnt, wandelt sich zur urkomischen slawischen Hommage an die Three Stooges, ehe das Ende einem in seiner ganzen empathischen Wucht das Herz zerreißt. Baker erzählt von einer kapitalistisch-patriarchalen Ordnung, in der jede emanzipatorische Bewegung der unteren Klasse einer ausweglosen Selbst-Prostitution gleichkommt. Als die titelgebende Stripperin Anora spielt Mikey Madison dermaßen fantastisch und vielseitig, dass man sie als das neue Supertalent ihrer Generation bezeichnen kann. 9/10
Horizon: Eine amerikanische Sage – Kapitel 1 (Kevin Costner)
Die Gewalt, die das US-amerikanische Zusammenleben bis heute trägt, ist eine zyklische, verankert im Gründermythos der Nation. Diese Erkenntnis buchstabiert Costner in einem literarisch anmutenden Western-Epos aus, das nach drei Stunden nur ein Viertel der eigentlichen Geschichte erzählt hat. Ein Mammutprojekt von gigantischen Ausmaßen, dessen pure Schaffenskraft nachhaltig beeindruckt. Man kann nur inständig hoffen, dass dieses Projekt irgendwie abgeschlossen werden kann, auch wenn im gegenwärtigen Kino-Alltag wirklich absolut alles dagegensprechen sollte. 9/10
Hundreds of Beavers (Mike Cheslik)
Wohl der Überraschungs-Knaller des Jahres! Ein in schwarzweiß gedrehter Live-Action-Cartoon im Stil der Looney Tunes rund um einen Jäger, der sich mit hunderten Bibern (dargestellt von Menschen in billigen Biber-Kostümen) auseinandersetzen muss. Absolut meisterhaft, wie jede Form des Slapsticks auf die Spitze getrieben wird und wie die großen Lacher dabei im Sekundentakt produziert werden. In der visuellen Gestaltung ein wirklich einmalig genial ausgetüftelter moderner Kultfilm, der in wenigen Jahren schon eine große Fangemeinde haben wird. Und das vollkommen verdient. 9,5/10
The Holdovers (Alexander Payne)
So wahrhaftig wie Payne kann kaum ein anderer Figuren schreiben. „The Holdovers“ ist ein Triumph, eine wunderschöne Erzählung über drei gesellschaftliche Außenseiter, die zur Weihnachtszeit zur Zweckfamilie heranwachsen. Ohne billige Tricks, voller einfühlsamer Dialoge. Paul Giamatti, Da’Vine Joy Randolph und Dominic Sessa spielen alle auf höchstem Niveau. Der Film spielt zudem 1970 und sieht aus, als sei er genau damals gedreht worden. Wüsste man es nicht besser, könnte man glatt denken, es mit einem echten New-Hollywood-Meisterwerk zu tun zu haben. 10/10
Poor Things (Yorgos Lanthimos)
Ein fantastischer Genuss von Film. Eine alternative Bizarro-Fabelfassung von Frankenstein als feministisches Manifest mit vorzüglichen Darstellern (Emma Stone, Mark Ruffalo), sensationellen Sets und Kostümen, alles in allem: Eine wilde Mischung aus dadaistischer Erotik, provokanter Nacktheit, visionären Steampunk-Kulissen und einer Buñuel-artigen Gesellschaftsparodie, die eine kraftvolle, explizite Geschichte der weiblichen Selbstermächtigung erzählt. So visionär-imaginativ wird im Kino das Frausein in allen Facetten nur selten abgefeiert. Ja, ein Meisterwerk! 10/10
The Zone of Interest (Jonathan Glazer)
Der bislang außergewöhnlichste Film des Jahrzehnts. Glazer erzählt von den Schrecken des KZs, von der Banalität des Bösen, ohne Auschwitz je mit der Kamera zu betreten. Er bleibt bei Rudolf Höss und dessen Familie, die direkt an der Lagermauer wohnen, und zeigt dort den langweiligen Alltag. Wir hören allerdings konstant, was sich auf der anderen Seite abspielt. „The Zone of Interest“ ist eigentlich zwei Filme, einer auf der visuellen und einer auf der akustischen Ebene, präsentiert in einer experimentellen Kühnheit und formellen Perfektion, die noch sehr lange ihresgleichen suchen wird. 10/10
Grauenhaft. Einfach grauenhaft. Eine Romanze mit der Substanz einer Bravo-Fotolovestory dauert ein halbes Jahrhundert an, bis dann im Schnellverfahren „The Crow“ neu adaptiert wird. Ohne Stil, ohne Können, ohne Gespür für Film. Es ist nicht mal mehr lustig, wie viel Geld und Ressourcen für so einen hanebüchenen Schwachsinn verschwendet werden. Als ich die Pressevorführung zu „The Crow“ verließ, ging vor mir ein Kollege vom Spiegel aus dem Saal und sagte lauthals: „Seit meiner ersten Ehe hat mich nichts mehr so enttäuscht wie die Scheiße.“ Ich lass das mal so stehen. 1/10
Argylle (Matthew Vaughn)
Leider nicht das lang ersehnte Spin-off zum Chauffeur aus „Stirb langsam“. Vaughn will in bester „Kingsman“-Manier gängige Bond-Klischees variieren, stellt sich dabei aber dümmer an als alle „Austin Powers“-Filme, und lässt ein paar der grottigsten Darstellerleistungen des Jahres auf die Welt los (Dua Lipa fällt selbst in ihren 90 Sekunden Screentime noch negativ auf). Die meisten Witze erinnern an TikTok-Videos und die Meta-Erzählung ist eine absolute Katastrophe: Was ist eigentlich real? Ist Argylle real? Wer ist Argylle? Bin ich Argylle? Und: Wen juckts?! Ar-geil? Nö, Ar-scheiße. 1/10
Alter weißer Mann (Simon Verhoeven)
An dem Tag, an dem ich „Alter weißer Mann“ (eine Komödie um Wokeness und Gendersprache mit Jan Josef Liefers & Elyas M’Barek) im Kino sah, stand fest, dass Donald Trump wieder US-Präsident wird, die deutsche Bundesregierung sich auflöst und der Hund meines Vaters gestorben ist. Bitte ordnet ihr nun diese vier Ereignisse nach der Heftigkeit ihres katastrophalen Ausmaßes ein, von „Die Welt geht unter“ bis „Ich binde mich an eine Tonne Stahl und gehe damit am tiefsten Punkt der Nordsee schwimmen“. Egal, wie ihr euch entscheidet: Es gibt hier kein falsch. Jede Reihenfolge stimmt. 1/10
Kraven the Hunter (J.C. Chandor)
Aaron Taylor-Johnson läuft, als habe er eine Kackwurst zwischen den Arschbacken stecken, Russell Crowe spielt eine russische Karikatur von John Goodman, der Plot um Voodoo-Jäger ist komplett an den Haaren herbeigezogen, und wer auch immer für den Schnitt verantwortlich war, gehört in der Öffentlichkeit gevierteilt. Ich hätte wirklich was Vernünftiges lernen sollen. Einige meiner alten Schulfreunde können sich mittlerweile Häuser bauen (!!), während mein größtes Privileg ist, diesen cineastischen Durchfall zwei Tage vor Kinostart sehen zu können. 1/10 für Kraven, 0/10 für meinen Werdegang.
Deadpool & Wolverine
Martin Scorsese beschrieb Superheldenfilme einst als Freizeitpark-Attraktionen. Mit dem dritten „Deadpool“ frisst die Nerdkultur sich selbst von innen auf. Der Kinosaal wird zu einem Raum voller besserwisserischer Studenten mit erhobenen Händen, die bei jeder Anspielung darauf warten, orgasmisch zu explodieren. Nichts hier ist ernst gemeint, will etwas erzählen oder anbieten. Das ist kein Film mehr, sondern eine überproduzierte Comic-Con-Veranstaltung, zugleich der seelenloseste Exzess des Turbokapitalismus in der Geschichte des bisherigen Blockbusterkinos. Pfui! 1/10
The Beekeeper (David Ayer)
Wenn ich in diesem dummen und reaktionären Faustschlagporno noch einen weiteren schlechten Bienenwitz hätte ertragen müssen, hätte die Leinwand was abbekommen. Jason Statham ist seit „The Expendables 4“ sich wohl zu fein dafür, noch eine Choreo zu lernen, also wird die Action grundsätzlich grässlich verschnitten. Dazu kommt ein Plot, der so himmelschreiend scheiße ist, dass es jeder Beschreibung spottet. Mehr gibt es nicht zu sagen: Wenn ein stumpfer „Treten und Schießen“-Film nicht mal das Treten und Schießen hinkriegt… Summ Summ Dumm. 1,5/10
Rebel Moon – Part 2: Die Narbenmacherin (Zack Snyder)
Es muss sich um Steuerbetrug handeln. Snyder setzt bei Netflix sein „Seven Samurai … in SPACE!“ fort, und zeigt in teilnahmslosen Bildschirmhintergrund Motiven mindestens eine Stunde lang seine taffen Krieger beim Nichtstun auf einer Farm. Da schrammt „Rebel Moon“ lange knapp am Landwirtschafts-Porno vorbei. Erst im Finale kommt endlich die Action, auf die man zwei Filme gewartet hat, und sie ist natürlich Hundescheiße. Was hat man von Zack Snyder auch erwartet? Dieser Zweiteiler taugt nur als Erinnerung daran, möglichst schnell das überteuerte Netflix-Abo zu kündigen. 1,5/10
Red One (Jake Kasdan)
250 Millionen Dollar. 250 verfickte Millionen Dollar, für einen Film, in dem Dwayne Johnson einen ELF spielt, der gemeinsam mit Chris Evans den entführten Weihnachtsmann retten muss. Atemberaubend hässlich getrickst, komplett an sich selbst desinteressiert läuft dieser Mist, der selbst im Streaming noch billig wirken würde, an einem vorbei, und verbrennt vor aller Augen mehr Geld, als damals Heath Ledgers Joker in „The Dark Knight“. Was zur Hölle? 250 Millionen Dollar für diesen Sondermüll? Hollywood muss wirklich untergehen und mal komplett von vorne anfangen. Ich kann nicht mehr. 2/10
Miller’s Girl (Jade Halley Barlett)
Auf Plattformen wie Wattpad oder Tumblr sammeln sich seit Jahren im Netz notgeile 14-jährige Mädels, die ihre pubertären-erotischen Fantasien in peinlichen Fanfictions verewigen. Jetzt gibt es das auch als Film. Jenna Ortega verführt an einer Schule, an der es offenbar nur vier Menschen gibt, ihren Lehrer Martin Freeman, beziehungsweise versucht sie es, aber der Film ist dann sogar zu blöd, wenigstens mal ein bisschen Rein-Raus-Nikolaus zu spielen. 90 Minuten Vorspiel ohne Klimax. Nur für Leute zu empfehlen, die Pornos vor allem wegen der Dialoge im ersten Akt anschauen. 2/10
Borderlands (Eli Roth)
Freunde des schlechten Films: Guckt „Borderlands“. Das Teil ist der Gipfel der Scheißigkeit! Da haben sie diese Videospieladaption schon zigmal mit Nachdrehs beglückt, und dann fehlen immer noch offensichtlich Szenen. Cate Blanchett und Jamie Lee Curtis kaspern sich durch das absurdeste Skript, mit dem sie in ihren Karrieren je konfrontiert wurden. Hemmungsloser Kitsch wechselt sich mit Gen-Z-Humor der untersten Sparte ab und das alles sieht aus, als hätte man den Jungs von Asylum ein Blockbuster-Budget gegeben. Absoluter Kernschrott, taugt nur als Kuriosität. 2/10
Nur noch ein einziges Mal (Justin Baldoni)
So romantisch kann häusliche Gewalt sein! Gut, der Mistkerl hat seiner Liebsten jetzt mal eine geballert, aber eine süße Entschuldigung und etwas Musik von Taylor Swift und Lana del Rey drüber und schon sieht so ein blaues Auge irgendwie modisch aus. Sorry für den Zynismus, aber so einen frauenfeindlichen Dreck will ich wirklich nicht mehr sehen müssen. Diese leblose filmische Hülle ist mit der Subtilität eines Instagram-Postings umgesetzt worden und versagt handwerklich auf nahezu allen Ebenen. #mies #BitteKeinWeiteresMal #KinokriseFürSchwachköpfeErklärt 2/10
Madame Web (S.J. Clarkson)
Die unfreiwillige Komödie des Jahres. Dakota Johnson läuft durch das Marvel-Superhelden-Abenteuer mit einer ausgestellten Bocklosigkeit, für die sie beinahe Respekt verdient. Ein großes inhaltliches Mysterium entpuppt sich als Pepsi-Werbung, der chaotische Schnitt verursacht Kopfschmerzen und wann immer der Bösewicht spricht, ist sein Mund nicht zu sehen, da man nach dem Dreh wohl den ganzen Plot noch mal umgeschrieben hat. Wollte man damit was retten? Kaum vorstellbar, dass das Teil mal noch beschissener war. Dakota, Darling, bitte entlass deinen Agenten. 2/10
Winnie the Pooh: Blood and Honey 2 (Rhys Frake-Waterfield)
Der Masochist in mir hat sich auf Teil 2 des Hundertmorgenwald-Slashers irgendwie gefreut. Ich wurde nicht enttäuscht: Auch im erneuten Anlauf ist das inkompetentes Filmemachen vom Feinsten! Niemand kann schauspielen, kein einziger Kill ist kreativ inszeniert, und wenn man jedes Mal einen trinkt, sobald ein Dialogwitz daneben geht, könnte man ein reales Todesopfer dieses Films werden. Trash vom Feinsten also, so stumpfsinnig primitiv wie tatsächlich lustig. Jetzt aber bitte nicht noch einen davon. So masochistisch veranlagt bin ich dann auch wieder nicht. 3/10
Joker: Folie à Deux (Todd Phillips)
Es gibt nur zwei Arten von Szenen im zweiten „Joker“-Film: die Musical-Szenen, in denen Joaquin Phoenix und Lady Gaga alte Songs aus den 50ern singen, was nie eine Verbindung zum Plot hat, und die Gerichtsszenen, in denen verschiedene Darsteller aus dem Vorgänger noch einmal erzählen, was mit ihren Figuren im ersten Teil passiert ist. Klingt sinnlos? Ist es auch. Wer sich das Geld sparen will: einfach eine Frank-Sinatra-Playlist anschmeißen und eine Inhaltsangabe des Originalfilms durchlesen. Ist vermutlich auch unterhaltsamer und intellektuell irgendwie anregender. 3/10
Im Wasser der Seine (Xavier Gens)
Bei Netflix hatte jemand im Autorenraum eine dolle Idee: „Wir machen genau das, was schon ausnahmslos jeder andere Hai-Film gemacht hat, aber dieses Mal in der Seine.“ Selbst Trash-Fans können 90 Minuten nur gelangweilt den altbekannten Klischees beiwohnen (selbst der profitgierige Bürgermeister ist dabei!), weil Gens den Käse nicht mal auf lustig bügelt. Erst im letzten Akt gibt es dann die „Sharknado“-artigen Übertreibungen, für die wir unsere Hai-Filme doch alle so lieben. Muss man sonst noch irgendwas sagen? Ach ja, der Name des Hais ist Lillith. Dankt mir dann später. 3/10
Blink Twice (Zoe Kravitz)
Lahmer K.O.-Tropfen-Thriller, bei dem zum x-ten Mal in den letzten Jahren konzeptionell bei „Get Out“ abgeguckt wird. Die feministische Botschaft ist so subtil wie ein Glitzer kotzendes Einhorn. Kravitz inszeniert selbst Vergewaltigungsszenen im neumodern stylischen Schick, hat über Geschlechter-Dynamiken nix zu erzählen und setzt auf plumpe Schocks, die aber einzig dazu dienen, die reaktionäre „Message“ zu verbreiten. Eigentlich nur was für richtig devote Typen, die mit dem Kauf ihrer Kinokarte Ablass dafür zahlen wollen, dass sie nun „leider“ als Schwanzträger geboren wurden. 3/10
Imaginary (Jeff Wadlow)
Der cleverste Titel des Jahres! Man muss sich beim Angucken von „Imaginary“ nämlich einfach nur einen gruseligen Horrorfilm vorstellen, und dann bekommt man auch einen. Nur halt in der eigenen Fantasie, nicht auf der Leinwand. Da läuft die neueste Gruselhaus-, äh, Pardon, Blumhouse-Kacke, dieses Mal mit einem dämonischen Teddybären, weil … warum nicht? Spannung gibt’s nicht, echte Schocker auch nicht und die Figuren sind alle dermaßen unsympathische Nervensägen, dass zumindest ihr Ableben für Erheiterung sorgt. Leider überleben einige von ihnen. 3/10
Venom 3 – The Last Dance (Kelly Marcel)
Wie hat es „Venom“ auf drei Filme geschafft? Ich weiß gar nicht mehr, was ich zu dem Teil noch sagen soll. Seelenlos? Ja. Mies getrickst? Klar. Scheiße gespielt? Natürlich. Gibt es einen Plot? Nö. Will ich noch irgendwas sagen? Och … muss nicht. Im Titel steht ja zum Glück „Last“, also ist jetzt hoffentlich mal Schluss mit der Scheiße. Tom Hardy sah eh so aus, als hätte er auch keine Lust mehr. Kann ich einerseits verstehen, andererseits wird man bei solchen Projekten eigentlich zu gut bezahlt, um dann vor der Kamera dermaßen die Arbeit zu verweigern. Ach, wisst ihr, egal. 3/10
Priscilla (Sofia Coppola)
Sofia Coppola hat einen Film über eine Frau gedreht, die im goldenen Käfig festsetzt? Na, das ist ja mal ganz was Neues! Okay, Spaß beiseite: Die unglamouröse, eher traurige Existenz von Priscilla Presley im Schatten von Gatten und Rock-Legende Elvis zu zeigen, ist nicht uninteressant, doch Coppola hat keine Idee, wie sie der monotonen Einöde dieses Lebens ein Sujet abverlangen kann. Priscilla wird so von Coppola objektifiziert. Sie ist kein Charakter, nur ein Symbol dafür, dass selbst die wohlsituierten Frauen unter dem Patriarchat leiden. Für 110 Minuten ziemlich dünn. 3/10
Godzilla x Kong: The New Empire (Adam Wingard)
Guckt man einen Film mit so einem Titel wegen der Handlung? Nein. Hauptsache die Monster kloppen sich. Aber muss das Skript SO hanebüchen und dumm sein? Der halbe Film spielt in der sogenannten Hohlerde, einer Welt, in der keine physikalischen Gesetze gelten und daher riesige Dinos, Affen und Echsen munter tun können, was immer die Computereffekte hergeben. Die sehen übrigens auch immer mieser aus. Kein Wunder, wenn 98 Prozent der Bildinhalte animiert oder ‚erweitert‘ werden müssen. Wirklich zum Heulen, dass das wohl der gegenwärtige Blockbuster-Standard ist. 3/10
Bob Marley: One Love (Reinaldo Marcus Green)
Bob Marley hat ein sehr interessantes Leben gelebt, wie man in den Texttafeln zu Beginn und am Ende dieses Biopics erfährt. In dem Teil dazwischen, in dem wir tatsächlich etwas von seinem Leben sehen, singt er nur ein paar seiner Welthits und hat Probleme mit seiner großen Liebe. Vermutlich weil die die Texttafeln nicht gelesen hat und deshalb von dieser schalen Marley-Interpretation ziemlich gelangweilt ist. Wer sich für Marley interessiert, sollte lieber einfach den Wikipedia-Eintrag über ihn lesen. Da erfährt man mehr über seinen Charakter, und es ist ganz erheblich zeitsparender. 3/10
Wicked: Part One (Jon M. Chu)
Ein revisionistisches Musical-Prequel zu „Der Zauberer von Oz”. Der Broadway-Megahit hat großartige Songs und herausragende Sängerinnen (Cynthia Erivo, Ariana Grande) im Angebot, scheitert aber an der Inkompetenz des Regisseurs. Chu inszeniert nahezu alle Tanzszenen in Close-Ups, erstickt seinen Film in einer grauen saturierten Digitaloptik, die jeden Zauber vermissen lässt und braucht 160 Minuten, um die erste Hälfte einer Show zu erzählen, die in voller Länge auf der Bühne nur 150 Minuten dauert. Teil 2 kommt nächstes Jahr. Meine Vorfreude ist stark begrenzt. 3,5/10
Back to Black (Sam Taylor-Johnson)
Echt jetzt? Ein Film über Amy Winehouse und dann heißt er noch nicht mal „Rehab“? Schwache Leistung. Die Hauptdarstellerin Marisa Abela trifft die tragische Musikerin exzellent, ansonsten ist das hier das x-te Musiker-Biopic, das nach „Bohemian Rhapsody“ in Auftrag gegeben wurde und selbst Nicht-Fans nix Neues über den Star im Mittelpunkt zu erzählen weiß, zumal natürlich alles so massentauglich wie möglich geschönt wurde. Inszenatorische Qualitäten sind zu erkennen, vor allem im Bildaufbau, aber gebraucht hat „Back to Black“ wohl niemand so wirklich. 4/10
Furiosa: A Mad Max Saga (George Miller)
Wir entwickeln uns zurück. In nahezu jeder Actionszene in „Furiosa“ schaut man den Darstellern dabei zu, wie sie vor offensichtlichen LED-Wänden performen. Das ist von den Rückprojektionen des alten Studiokinos nicht mehr weit entfernt. „Furiosa“ ist grauenhaft artifiziell, setzt auf scheußliche Effekte und eine glatte Digitaloptik. Auch die Geschichte ist nicht der Rede wert, und lässt die kinetische Energie von „Fury Road“ vermissen. Vielleicht ist ein „Mad Max“-Film ohne Mad Max auch einfach eine blöde Idee. Ein überlanger und unwürdiger fünfter Teil der Kultreihe. 4/10
Longlegs (Oz Perkins)
Ich hab „Longlegs“ nicht kapiert. Klar, Perkins hat ein paar atmosphärische Momente drauf und Nicolas Cage überdreht wie eh und je, was ich durchaus gerne mitnehme. Aber warum dieser Film jetzt manche bis ins Mark erschüttert hat blieb mir unverständlich. Ist der seltsame Humor nicht total deplatziert? Sind die Anleihen an „Das Schweigen der Lämmer“ angesichts der sehr dünnen Figuren nicht beinahe vermessen? Und werden Szenen gruselig, nur weil sie fast komplett in Dunkelheit gehüllt sind? Ich bin ratlos. Aber es kann einen auch nicht alles packen. 4/10
Fly Me to the Moon (Greg Berlanti)
In Zeiten, in denen Verschwörungstheorien wieder en vogue sind, ist es etwas befremdlich, eine süße RomCom darüber zu drehen, wie Scarlett Johansson und Channing Tatum die Mondlandung inszenieren. Tatum und Johansson haben nur leider kaum Chemie miteinander, und die flache TV-Optik (trotz eines Budgets von 100 Millionen Dollar) sorgt auch nicht gerade für tolle Bilder. Ein paar Gags und Pointen zünden aber immerhin ganz ordentlich, vor allem die an einer Stelle genervt geäußerte Frage, warum die NASA denn nicht einfach Stanley Kubrick engagiert hat. 4/10
Die Farbe Lila (Blitz Bazawule)
Steven Spielberg hat uns ja schon einmal was von der Sklaverei erzählt, aber was damals 1985 gefehlt hat, sind eine Nummer an Gospel-Broadway-Musicaleinlagen – sagte keiner jemals. Die Singsang-Variante ist die Friede-Freude-Glücksbärchi-Version der Geschichte. War schon doof damals auf den Baumwollplantagen, aber die Schwarzen haben sich natürlich nicht unterkriegen lassen, oder so. Ein paar Darstellerinnen sind gut, und Bazawule kann Gesangs- und Tanzszenen durchaus inszenieren, aber abseits der Musik herrschen hier dennoch starke tonale Dissonanzen vor. 4/10
Megalopolis (Francis Ford Coppola)
„Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen.“ – Helmut Schmidt. 4/10
Ghostbusters: Frozen Empire (Gil Kenan)
Waren die 80s „Ghostbusters“-Filme nicht mal Parodien und sarkastische Variationen von Blockbuster-Klischees? Warum zieht „Frozen Empire“ dann all das ernst durch, was die früheren Teile veralbert haben? Spätestens wenn die Rentnertruppe zu ‚epischer‘ Musik in einen CGI-Showdown à la Marvel einzieht, hat das mit „Ghostbusters“ nur noch wenig zu tun. Der überladene, zu ernste Film hat außer Spektakel wenig zu bieten. Der Vorgänger „Legacy“ war ein schönes, sentimentales spätes Finale zur Reihe. Sorry Nostalgiker: Man hätte es dabei belassen sollen. 4/10
Vaiana 2 (Dave Derrick Jr.)
Erinnert sich einer an die 90er und 00er, als für viele Disney-Kinofilme billige DVD-Fortsetzungen nachgeschoben wurden, sowas wie „Der König der Löwen 2“ oder „Bambi 2“? Sowas gibt’s jetzt auch im Kino: „Vaiana 2“ ist überdeutlich der Versuch, drei produzierte Episoden einer nie fertiggestellten Disney+-Serie zum einstigen Kino-Hit zu einer Filmfortsetzung zu verbinden. Die Animationsqualität ist schwächer als beim Vorgänger 2016, der Humor zahnloser und die drei Geschichten hängen nur dürftig zusammen. Disney nimmt sein Publikum leider gar nicht mehr für voll. 4/10
Bad Boys – Ride or Die (Adil El Arbi, Bilall Fallah)
Selten haben sich zwei Regisseure so selbstverliebt in dollen Kamera-Tricks und Gimmicks verloren. Die Action im vierten „Bad Boys“ ist pure Poserei. Da gibt es POV-Shots, hektisches Hin und Her Gewackel, und sonstige schräge Tricks, womit man wohl aufwerten wollte, wie unspektakulär die Baller-Orgien choreographiert wurden. Trotz dieser unübersichtlichen Selbstzweck-Spielereien ist „Ride or Die“ recht in Ordnung, hat sogar 1-2 ganz nette Wendungen und unterhaltsame Nebenfiguren. Mehr konnte man von dieser ziemlich mauen Reihe ohnehin nie wirklich erwarten. 4/10
Drive-Away Dolls (Ethan Coen)
Ohne seinen Bruder Joel scheint dem guten Ethan etwas zu fehlen, denn „Drive-Away Dolls“ sieht aus, als hätten ein paar Studenten für ihren Abschlussfilm versucht, den Stil der Coen-Brüder zu imitieren, nur ohne je verstanden zu haben, was ihn auszeichnet. Die postmodernen Scherze zünden nicht, die Gaststars (u.a. Pedro Pascal & Miley Cyrus) werden sinnlos verheizt, und das ganze Dildo-Gelabere lässt diesen Film konservativer wirken als er wohl beabsichtigte. Vereinzelt blitzt der Witz von einst auf, und die Kameraarbeit ist richtig schick, aber mehr kommt nicht herum. 4/10
Civil War (Alex Garland)
Hä? Garland konstruiert einen Bürgerkrieg in den USA, in dem Kalifornien und Texas (!!!) zusammen gegen den Rest der Nation aufbegehren, um die x-te abgedroschene „War is bad, mkay“-Geschichte zu erzählen? Trotz der brisanten Ausgangslage steckt in diesem Film nichts Politisches, nicht mal im Subtext, stattdessen gibt es die üblichen Kriegsbilder zu sehen, die aber kritisch gemeint sind, weil die Figuren das in den Dialogen so sagen. Klar: Unspannend sind viele Szenen nicht, Kirsten Dunst spielt fantastisch, und doch hat Garland bei allem Bohei eigentlich nix zu erzählen. 5/10
Trap (M. Night Shyamalan)
Die Prämisse mit einem Serienkiller, der auf einem Quasi-Taylor-Swift-Konzert mit seiner Tochter festsitzt, das von der Polizei als Falle arrangiert wurde, ist cool, und solange der Film auf dem Konzert bleibt, gelingen Shyamalan ein paar kluge Spannungsmomente. Natürlich muss der Meister des bekloppten Twists im dritten Akt aber den Konzertsaal verlassen und mehrere Wendungen aneinanderreihen, die wohl nur in seinem Kopf Sinn ergeben. Wäre Josh Hartnetts tolle Performance nicht, man würde „Trap“ sein langes Bullshit-Ende nur noch sehr viel übler nehmen. 5/10
Dune: Teil 2 (Denis Villeneuve)
„Lawrence von Arrakis: Mehr Sand“ ist ein Blockbuster-Getöse mit durchweg wummernder Tonspur, gigantomanischen Bildern, jedem Hollywood-Star, der nicht schnell genug weglaufen konnte und eine stilistisch nahtlose Fortsetzung des Vorgängers. Einige Actionszenen sind zutiefst beeindruckend, allerdings erinnert das Drehbuch gerne an eine auf seriös gespielte Variante von „Das Leben des Brian“. Tonal ist „Die Wüste bebt“ daher enorm unausgeglichen, zugleich recht albern und doch stets bleiern schwer. Fortsetzung („Dune: Noch warm und schon Sand drüber“) folgt. 5/10
The Apprentice – The Trump Story (Ali Abbasi)
Für eine solche Biopic-Annäherung eignet sich Donald Trump leider kaum. Nicht nur, weil wir ihn alle 2024 echt genug gesehen haben, sondern auch, weil er als reale Person schon so sehr seine eigene Karikatur ist, dass man psychologisch nur wenig aus ihm herausholen kann. Sebastian Stan ist zudem in der Rolle fehlbesetzt. Trotzdem hat „The Apprentice“ seine Momente, erzählt etwas vom misogynen, menschenverachtenden Ursprung des Kapitalismus, und baut daraus ein paar überzeugende Dramen-Momente. Es hätte aber mehr sein müssen, um sich als Projekt wirklich zu lohnen. 5/10
If – Imaginäre Freunde (John Krasinski)
Ich kann Ryan Reynolds nicht mehr sehen. Seine bloße Erscheinung bringt mich zum Gähnen. Der immer selbe Humor wird auch nicht besser, wenn er mit einem Haufen klobig animierter Fabelwesen interagiert. Sieht man von dieser Reynolds-Fatigue ab, ist „If“ als Kinderfilm recht in Ordnung. Das Szenario erinnert an eine Kinder-Version der „Men in Black“, es gibt ein paar echte Lacher und putzige Ideen. Krasinski scheut zudem ein paar ungewohnt ernste Themen nicht. Trotzdem: Für Reynolds gibt es meinerseits mittlerweile Punktabzug. Es tut mir nicht mal mehr leid. 5/10
Sweethearts (Jordan Weiss)
Zwei beste Freunde (ein Männlein, ein Weiblein) von der Uni sind mit ihren Fernbeziehungen unzufrieden und unterstützen sich gegenseitig beim Schlussmachen! Erfreulicherweise bleiben die platonische Freundschaft der beiden in diesem Teenie-Film mal tatsächlich platonisch, und die Chemie der beiden Darsteller (Nico Hiraga, Kiernan Shipka) funktioniert anständig. Natürlich ist das seicht, natürlich hat man die Gags schon tausendfach gehört, aber ich fands insgesamt ganz sympathisch. Für 13-jährige Mädels ein potentiell neuer bester Film, der jemals gedreht wurde. 5/10
MaXXXine (Ti West)
Nach „X“ und „Pearl“ schließt West mit „MaXXXine“ die seltsamste Horrortrilogie der jüngeren Vergangenheit ab. So gut wie die Vorgänger ist „MaXXXine“ nicht mehr, wenngleich die Missbrauchs-Verhältnisse in der Filmindustrie dennoch ganz clever herausgearbeitet werden, und Mia Goth ein drittes Mal sagenhaft hochklassig agiert. Das Skript hat aber viele Schwächen: Die Slasher-Metzeleien werden nur dürftig legitimiert, die anderen Frauenfiguren (Elizabeth Debicki, Michelle Monaghan) bleiben blass. Und der eigentliche „Endgegner“ kommt ziemlich aus dem Nichts. 5/10
Die Fotografin (Ellen Kuras)
Es ist immer schwer, wenn ein außergewöhnliches Leben in einem gewöhnlichen Film adaptiert wird. Die Fotografin Lee Miller ist eine bemerkenswerte Persönlichkeit und verdient ihr filmisches Porträt, selbst wenn am Ende ihre Leistungen weitaus mehr Respekt abverlangen als die Präsentation dieser. Kate Winslet ist in der Hauptrolle völlig in Ordnung, und Kuras macht prinzipiell mit ihrem Film nichts falsch, verlässt das Mittelmaß allerdings auch nie. Und wenn Lee Miller eines nun wirklich nicht gewesen ist, dann eine Frau, die man irgendwo im Mittelmaß verorten würde. 5/10
Der Junge und der Reiher (Hayao Miyazaki)
Die besten Anime-Filme werden vor allem dafür gefeiert, dass sie „Momente“ kreieren, die einen zutiefst bewegen. Man denke an „Prinzessin Mononoke“ oder „Mein Nachbar Totoro“. Auch der „Junge und der Reiher“ ist sehr bemüht, solche Momente zu erschaffen, vergisst aber den Klebstoff dazwischen. Diese symbolische Erzählung ist so frustrierend getaktet und strukturiert, dass die emotional gemeinten Höhepunkte merkwürdig hohl bleiben. Hübsch anzusehen ist der Stil sicherlich, aber das reicht nicht, um von der narrativen Leere gänzlich abzulenken. 5/10
Das Erwachen der Jägerin (Neil Burger)
Ein psychologisches Sumpf-Drama, das sich im letzten Drittel zum Home-Invasion-Thriller wandelt und drei starke Performances von Daisy Ridley, Gil Birmingham und Ben Mendelsohn zu bieten hat. Klingt gut? Ja, eigentlich schon, aber wird leider so stromlinienförmig und vorhersehbar erzählt, dass es nur zum mäßig aufregenden Einmalschauen reicht, zumal vor allem das Ende versagt. Hier wäre locker ein um Klassen besserer Film drin gewesen, aber es hat nicht sollen sein. Der talentierten Miss Ridley kann man für die Zukunft nur qualitativ hochwertigere Projekte wünschen. 5/10
Kill (Nikhil Nagesh Bhat)
Die ersten fünfundvierzig Minuten muss man diesen indischen Film durchhalten, denn die Romanze dort ist immer 5 vor Bollywood. Aber sobald der Titel im Bild auftaucht, wird ein Gemetzel abgefackelt, bei dem sich der Magen umdreht. In hyperbrutalen Kämpfen vernichtet der Hauptdarsteller einen ganzen Zug voller Gangster, bricht ihnen die Knochen, schlitzt sie an allen Ecken und Enden auf, bis es aussieht, als würde der Zug selbst an inneren Blutungen leiden. Das ist zwar repetitiv, aber als Schlachtplatte ein ehrliches primitives Fest. Selbst John Wick müsste kotzen. 5/10
Emilia Pérez (Jacques Audiard)
Die Idee, eine Geschichte über einen mexikanischen Gangster, der sich zur Frau um operieren lassen will, als Melange aus Musical, Telenovela und „Sicario“-Verschnitt zu inszenieren, war gewagt. Mal wird in lustiger Werbeoptik über Penisse und Vaginas geträllert, mal ist diese Trans-Geschichte dann bitter und ernst gemeint. Eine sehr eigenwillige Mischung, die oft eher abschreckt als fasziniert, die inszenatorisch aber in den Musical-Szenen auch einiges anbietet und immerhin für eine Seherfahrung sorgt, die selbst regelmäßige Kinogänger definitiv noch nicht erlebt haben. 5/10
Heretic (Scott Beck, Bryan Woods)
Hugh Grant gibt mal wieder das Arschloch. Dieses Mal will er zwei Teenie-Missionarinnen in Glaubensfragen verwickeln – und umbringen. Denn während die erste Hälfte interessante theologische Konflikte aufmacht, entpuppt sich der zweite Teil des Films als banaler Geisterbahn-Grusler, dem sehr schnell die Ideen ausgehen. Trotzdem hatte mich dieser kleine Kammerspiel-Thriller am Haken. Vielleicht mag ich Grant einfach in Arschloch-Rollen. Es ist kein richtig guter Film, sicher, aber er hielt mich bei der Stange. Das passierte 2024 einfach zu oft überhaupt nicht. 5/10
Gladiator II (Ridley Scott)
Der Titel ist bloß Beschiss. „Gladiator II“ ist eigentlich „Gladiator I“, genau derselbe Plot mit genau denselben Figuren, nur schwächer besetzt, deutlich digitaler und artifizieller aufgemacht und mit großen Problemen im Pacing. Paul Mescal kann einen solchen Effektfilm nicht tragen, Scott verliert sich in krawalligen Mätzchen. Richtig Spaß machen eher die Nebenplots, in denen mal etwas vom Original abgewichen wird. Und ja, die Seeschlacht im gefluteten Kolosseum ist eine bärenstarke Actionsequenz. Gerade so also noch okay, aber auch wirklich gerade nur so noch. 5/10
Wo die Lüge hinfällt (Will Gluck)
Der Aufhänger dieser sehr losen RomCom-Neuinterpretation von William Shakespeares „Viel Lärm um Nichts“ ist vollkommen bescheuert und eigentlich unverzeihlich mies konstruiert – eigentlich. Denn Sydney Sweeney und Glen Powell sind als Leads dann doch wirklich charmant anzuschauen. Die Chemie zwischen den beiden ist greifbar, und sie lassen jederzeit eine gewisse selbstironische Distanz zum von ihnen verlangten Kitsch erkennen. Klar, viel mehr als „Hübsche Menschen an hübschen Orten“ ist das trotzdem nicht, dafür funktioniert es aber recht schmerzfrei. 5,5/10
Hagen – Im Tal der Nibelungen (Cyrill Boss, Philipp Stennert)
Viele Kritiken haben sich gefreut, dass mit „Hagen“ mal auch ein echter Historienblockbuster in Deutschland produziert wurde. Und sie haben recht: „Hagen“ braucht sich hinter der aktuellen US-Konkurrenz nicht zu verstecken. Als Ausstattungskino macht das einiges her und ist schön anzusehen, quasi das deutsche „Excalibur“ oder „Game of Thrones“. Erzählerisch wäre mehr drin gewesen. Die Dekonstruktion des Nibelungen-Mythos bleibt intellektuell etwas schwach auf der Brust, wenngleich die Figuren durchaus fesseln. Handwerklich top, und ausreichend unterhaltsam. 6/10
All of Us Strangers (Andrew Haigh)
Sehr schöner Mix aus schwulem Liebesdrama und Geistergeschichte, die als Traumabewältigungsmechanismus fungiert, mit einem wunderbaren Andrew Scott im Zentrum und einem fast ebenbürtigen Paul Mescal. Die ästhetischen Sexszenen, die schönen atmosphärischen und stimmungsvollen Bilder gehen eine gelungene Melange ein, die fesselt und berührt. Das dumme Ende reißt es dann etwas runter. Da wird „All of Us Strangers“ leider naiv und manipulativ und flüchtet sich in die Esoterik. Außerdem: „The Power of Love“ von Frankie Goes To Hollywood einspielen? Echt jetzt? 6/10
Immaculate (Michael Mohan)
Wer den Twist von diesem Nonnen-Grusler errät, soll mir bitte per E-Mail ganz unverbindlich sechs Zahlen zwischen 6 und 49 schreiben. „Immaculate“ ist für 2024, was „The Pope’s Exorcist“ für 2023 war. Irgendwo an der Schwelle zwischen Horror und Trash entwickelt sich diese Geschichte in so eine abstruse Richtung, dass es ehrlich spannend wird, dem Handlungsverlauf zu folgen. Hier passt wirklich rein gar nichts zusammen, aber es bleibt so wie Hauptdarstellerin Sydney Sweeney, die sich tapfer durch das Skript kämpft, definitiv ziemlich lange noch in Erinnerung. 6/10
The Substance (Coralie Fargeat)
Cronenberg’scher Bodyhorror als feministischer MeToo-Kommentar. Keine schlechte Idee und der Mix hat seine Vorzüge. Demi Moore spielt so gut wie seit Jahrzehnten nicht mehr, die letzte halbe Stunde ist in Punkto Abartigkeit auf einem Niveau mit „Die Fliege“ und der Soundtrack hat richtig Energie. Der belehrende Unterton ist in seiner Penetranz aber immer kurz davor, in tiefsten „Barbie“-Gefilden zu wildern und so schlagen zwei Herzen in meiner Brust. Als Genrekino ein schickes fieses Teil, aber als „Messagekino“ sehr aufdringlich und geradezu nervtötend. Trotzdem noch: 6/10
The End We Start From (Mahalia Belo)
Jodie Comer ist eine der besten Darstellerinnen ihrer Generation, und das Überschwemmungsdrama „The End We Start From“ stellt das erneut unter Beweis. Die Angst und Verzweiflung einer frisch gewordenen Mutter auf der Flucht verkörpert sie so exzellent, dass es unter die Haut geht. Der Film selbst ist etwas sehr introspektiv geraten, setzt in seiner Fotografie beinahe auf Stillleben, so ruhig und poetisch will er sein. Manchmal wirkt das ein wenig prätentiös und behäbig, selbst für Fans von Slowburnern. Ziemlich „artsy“, aber als Seherfahrung auch gar nicht so uninteressant. 6/10
Next Goal Wins (Taika Waititi)
So lustig wie zu seinen Hochzeiten ist der irre Kiwi-Regisseur Waititi leider nicht mehr. Sein hübscher kleiner Geheimtipp über die wohl schlechteste Fußballmannschaft, die es jemals gegeben hat (wahre Geschichte!) und ihren verzweifelten Trainer (Michael Fassbender … ja, den gibt es noch) ist aber trotzdem ganz nett geworden. Zwar gibt es gar nicht mal so viel zu lachen, dafür sind die meisten Figuren ursympathisch und Waititi erzählt von Losern, die keine Gewinner werden müssen, um sich in ihrem Leben besser zu fühlen. Wohlfühlkino mit therapeutischer Wirkung. 6/10
Schlaft gut, ihr fiesen Gedanken (Hannah Marks)
Noch so ein Teenie-Film, der echt in Ordnung ist, vor allem da Hauptdarstellerin Isabela Merced echt was draufhat und die Protagonistin voller Zwangsneurosen und Angststörungen überzeugend gibt. Die Geschichte um den Versuch des Mädels, zusammen mit einem Freund aus Kindheitstagen an viel Geld zu kommen, ist wenig plausibel, aber ein guter Aufhänger für viele herzliche Szenen, in denen sich die Teens mal tatsächlich wie echte Teens benehmen. Und wie gut ist bitte der Originaltitel „Turtles All The Way Down“? Ein netter kleiner Zeitvertreib, tut trotz Melancholie nicht weh. 6/10
Transformers One (Josh Cooley)
Hey: Ein Transformers-Film, der nicht scheiße ist! Darf man das überhaupt? Weiß Michael Bay, dass das geht? Dieser Animationsfilm ist wirklich putzig und fängt genau den Esprit ein, mit dem Nachmittagscartoons ihr junges Publikum an die Glotze fesseln. Es gibt sogar ein paar Actionszenen, in denen man die Transformationen der Hauptfiguren richtig nachvollziehen kann. Es geschehen Zeiten und Wunder. Der Humor ist für Erwachsene vielleicht etwas zu kindlich, aber trotzdem hat dieser Film Charme. Hat ja auch nur insgesamt acht Anläufe gedauert. 6/10
Kinds of Kindness (Yorgos Lanthimos)
Als Statement mag es langweilig sein, aber wie bei jedem Episodenfilm sind auch die drei Kapitel in „Kinds of Kindness“ einfach nicht alle gleich gut. Während das erste Kapitel richtig Spaß macht und viele schöne Einfälle des schrägen Griechen aufweisen kann, nimmt die Handlungsqualität der zwei folgenden Episoden zunehmend ab. Emma Stone, Jesse Plemons und Margaret Qualley spielen stark, und Lanthimos macht in Punkto Bild- und Lichtgestaltung niemand was vor, doch „Kinds of Kindness“ ist bei aller Bewunderung für ihn wirklich keine seiner stärkeren Arbeiten. 6/10
Twisters (Lee Isaac Chung)
An Bill Paxton und Helen Hunt in „Twister“ kommen Daisy Edgar-Jones, Glen Powell und Anthony Ramos im Sequel nicht heran. Trotzdem macht die Tornado-Jagd auf der großen Leinwand einiges her. Chung weiß, dass sein Film mehr technische Leistungsschau als emotional packend sein muss und feuert daher ein Effektspektakel ab, das sich sehen lassen kann. Spannend daran bleibt, dass „Twisters“ wie der Vorgänger eine Ecke der USA in den Mittelpunkt stellt, die es sonst selten zu sehen gibt und sie dann nach allen Regeln der Kunst den Erdboden gleichmacht. 6/10
Alles steht Kopf 2 (Kelsey Mann)
An das großartige Original konnte Pixar im zweiten Anlauf nicht mehr anknüpfen. Recht mutlos wird der Vorgänger einfach nur wiederholt, zumal dieses Mal so viele Emotionen im Kopf der armen Riley herumwuseln, dass jede im Einzelnen zu wenige Höhepunkte erhält. Die Animationsqualität ist wieder sensationell und im letzten Akt darf man erneut mitfiebern, es gibt auch einiges zu lachen, trotzdem enttäuscht es, wenn jetzt selbst die einstige größte Kreativschmiede Hollywoods nur noch auf gängige Rezepturen setzt. Kein Reinfall, aber auch echt nichts, was im Kopf bleibt. 6/10
Beetlejuice Beetlejuice (Tim Burton)
Klar ist „Beetlejuice Beeltejuice“ an sich nur eine Wiederholung des Vorgängers und hat kaum einen neuen kreativen Einfall, da man alles schon im Vorgänger gesehen hat. Trotzdem ist das Wiedersehen mit dem Lottergeist ein schöner Spaß. Burton inszeniert Dekor-Filme wie niemand sonst und obgleich alles total überfrachtet ist, machen die Bilderwelten des Untoten-Reichs auch beim zweiten Mal noch Freude. Wenn alle späten Sequels so simplen Fun garantieren würden, dann müsste ich nicht halb so oft genervt meckern, wie ihr es alle von mir gewohnt seid. Danke Timmy. 6/10
Hypnose (Ernst De Geer)
Fesselnder kleiner Kunstfilm, bei dem eine Frau durch ihre Hypnose-Therapie alle sozialen Hemmungen verliert. Dabei gehen die Eskapaden nie so weit wie die Affenszene in „The Square“, aber weit genug, dass man einerseits eine diebische Freude an der Unangepasstheit entwickelt und doch klar bleibt, wie egoistisch viele Selbstverwirklichungsrituale eigentlich sind, die wir in unserer Gesellschaft mittlerweile als erstrebenswert ansehen. Darstellerisch exzellent. Es mag zu wenig echte Höhepunkte geben, aber Regiedebütant De Geer sollte man im Auge behalten. 6/10
American Fiction (Cord Jefferson)
So genial und intelligent wie „Tár“ im Vorjahr ist diese Auseinandersetzung mit Cancel Culture und der Woke-Ideologie nicht geraten. Dafür steht „American Fiction“ zu sehr zwischen den Stühlen. Der politisch-satirische Kommentar wechselt sich ab mit einem unausgereiften Familiendrama, das von Jeffrey Wright zwar überzeugend gespielt wird, die Handlung aber unnötig in die Länge zieht und etwas unklar werden lässt, um was es eigentlich gehen sollte. Wenn „American Fiction“ aber lustig ist, dann ist er richtig lustig und legt den Finger gekonnt in die zeitgeistigen Wunden. 6/10
Das erste Omen (Arkasha Stevenson)
Oha, dieses natürlich völlig unnütze Prequel zu „Das Omen“ ist zwar so richtig unnütz, aber als Film für sich betrachtet ganz gut gelungen. Dieser weitgehend altmodische übernatürliche Horrorschocker spielt mit den Vorurteilen, denen Frauen sich oft ausgesetzt fühlen, nach denen ihre begründeten Ängste als Hysterie abgetan werden, bietet zudem atmosphärische Bilder und ein paar sehr effektive Suspense-Szenen. Insgesamt klebt man sicher zu nah an der berühmten Vorlage, und die Anbindung ans Original ist etwas ungeschickt, trotzdem ganz gelungene Genre-Kost. 6/10
A Killer Romance (Richard Linklater)
Glen Powell und Adria Arjona beim Flirten und Liebemachen zuzuschauen ist genauso sexy wie es klingt. Die Komödie um einen Mann, der sich für die Polizei als Auftragskiller ausgibt, um ein paar Depperte in die Falle zu locken, hat viele schöne kleine Einfälle und kommt wie erwähnt als Romanze auch erotisch daher. So richtig glaubhaft ist das Skript aber sicherlich nicht und im letzten Drittel sollte man manche Wendung einfach schlucken, statt sie zu hinterfragen. Die Sympathie für die Hauptdarsteller macht einiges wett und liefert einen netten Abend auf der Couch. 6/10
In a Violent Nature (Chris Nash)
Ein cooler Konzeptfilm, ein Slasher nämlich, der komplett aus der Sicht des Killers erzählt wird. So kriegen wir mal endlich mal zu sehen, was Michael Myers so macht, wenn er grade nicht im Bild ist. Okay, die Antwort ist: schlurfend gehen. Genug gealbert: Mir hat das als Experimentalfilm gefallen, weil es zur Reflexion über die Mechanismen des Genres taugt und die Kills in ihrer Heftigkeit einen ganz anderen Effekt haben, wenn wir mit dem Killer vorher gemeinsam auf Godot gewartet haben. Vermutlich wird bald ein Nachahmer-Film das Potenzial sogar noch stärker ausschöpfen. 6,5/10
A Quiet Place: Tag Eins (Michael Sarnoski)
Während John Krasinski die Rohheit einer verstummten Welt, in der hypersensitive Monster Jagd auf sämtliche Geräusche machen, ausstellte, setzt Sarnoski auf groß angelegte Set-Pieces, in denen Lupita Nyong’o als Todkranke durch den Big Apple vor den Viechern flieht. Der emotionale Background gerät richtig ergreifend und mündet in ein hoch emotionales Ende („I’m Feeling Good“), während die eher horrorlastigen Szenen nur den Genre-Standard abbilden. „A Quiet Place“ hat als Drama aber schon immer besser funktioniert, und tut dies auch noch im immerhin schon dritten Anlauf. 7/10
Robot Dreams (Pablo Berger)
Sehr hübsch aussehender altmodischer Zeichentrickfilm über die Freundschaft zwischen einem Roboter und einem Hund, der ganz ohne Dialoge auskommt, dafür aber mehr Filmreferenzen erhält als so mancher Mehrstünder von Quentin Tarantino. Das viel beschworene Meisterwerk mag das hier nicht sein, aber es gefällt, wie einfach und effizient eine süße Geschichte um Freundschaft und Zusammenhalt erzählt wird und es bleibt die Frage, warum oft die animierten Filme so viel mehr Herzblut in ihrer Umsetzung erkennen lassen. Herzerwärmend für alle Altersklassen. 7/10
Smile 2 – Siehst du es auch? (Parker Finn)
„Smile“ hatte mir kaum gefallen, doch das Sequel ist in jeder Hinsicht eine Verbesserung. Hauptdarstellerin Naomi Scott spielt die Musikerin im Zentrum richtig klasse, Finn inszeniert in beeindruckenden One Shots, die auch ein Alfonso Cuarón nicht besser machen könnte und als Auseinandersetzung mit fanatischen Groupies hat „Smile 2“ eine gute Basis für sehr effektive herausgearbeitete Schockmomente. In einem vollen Kinosaal hat dieser Horrorfilm ausgesprochen gut funktioniert. Der Teaser auf Teil 3 machte ebenfalls Laune. Da lächle ich gerne wieder mit. Also: Mehr davon bitte! 7/10
Super/Man: The Christopher Reeve Story (Ian Bonhote)
Eine wirklich bewegende Doku um den einstigen Superman-Darsteller, vor allem um seine Zeit nach dem schweren Unfall, die ihn körperlich behindert zurückließ. Womöglich wird das Narrativ vom „Held ohne Cape“ etwas zu doll ausgewalzt, aber es fällt schwer, beim Anschauen keine Anteilnahme zu empfinden. Reeve war nicht nur als Superheld eine Ikone auf der Leinwand, sondern hat mit seinem Aktivismus und als Symbolfigur für Menschen mit körperlichen Einschränkungen viel getan. Die Geschichte eines Kämpfers, die aller Schwächen zum Trotz zu Tränen rührt. 7/10
Daddio (Christy Hall)
Nach „Madame Web“ konnte Dakota Johnson mit „Daddio“ wieder unter Beweis stellen, dass sie doch ein paar gute Gene ihrer berühmten Eltern und Großeltern abbekommen hat. In diesem Zwei-Personen-Drama (sie sitzt als Fahrgast bei Sean Penn im Taxi) kommt alles auf die psychologisch hintersinnigen Dialoge und das Schauspiel der beiden Stars an, und vor allem letztere überzeugen, haben sogar eine erstaunliche Chemie miteinander. Ein intim philosophischer Diskurs, der das Rad nicht neu erfindet, aber eine tolle Entschleunigung im sonstigen Kino-Rummel abbildet. 7/10
Wir werden alle sterben! (Benjamin Knight)
Ben hat Angst um das Ende der Welt, reist von Brandenburg über London und Kansas bis nach Yucatan und befragt Leute, wovor sie Angst haben und wie sie mit all den großen aktuellen Krisen so umgehen. Eine sehr schräge kleine Doku-Komödie, die der allgegenwärtigen Untergangsstimmung mit lakonischem Humor und aufrichtigem Interesse an den Gedanken anderer entgegentritt. Kein richtig therapeutisch gemeintes Kino also, eher ein Stimmungsmosaik, wenngleich der Gedanke schon tröstet, dass uns doch alle irgendwie dieselben Fragen quälen. Dicke Empfehlung! 7/10
Love Lies Bleeding (Rose Glass)
Beginnt als lesbische Romanze, wandelt sich zum Psychothriller mit zarten Anleihen an David Lynch und endet als Symbolismus-Kunstfilm, der das Abstrakte nicht scheut. Kristen Stewart und Katy O’Brian sind als ungleiches Paar glaubhaft, Ed Harris haut mal wieder einen morbiden Schurken heraus und Glass inszeniert das, als sei ein Pulp-Magazin in krassen Neon-Farben zum Leben erwacht. Die Grundmotive mögen etwas zu altbekannt sein und es fehlt der eine große Clou, der alles auf ein neues Level hebt, dennoch kann man von Glass in Zukunft einiges erwarten. 7/10
Kleine schmutzige Briefe (Thea Sharrock)
Obgleich diese Kleinstadt-Affäre um ein paar vulgäre anonyme Briefe im England der 20er Jahre spielt, ist „Kleine schmutzige Briefe“ ein bissiger Kommentar auf Shitstorm-Mechanismen auf Social Media. Olivia Colman und Jessie Buckley spielen das richtig schön garstig und biestig, Sharrock feiert regelrecht die befreiende, sogar emanzipatorische Macht von Fäkalsprache. Zugegeben: Es ist kaum auszumalen, wie viel geiler dieser Film hätte sein können, hätte Wes Anderson ihn gedreht, aber auch so ist der Unterhaltungswert hoch. Und der Bri’ish-Faktor ist gar ganz unermesslich! 7/10
Konklave (Edward Berger)
Im Vatikan nichts Neues oder 12 Angry Cardinals? Beides irgendwie. Berger inszeniert eine Papstwahl als Politthriller-Kammerspiel, entlarvt die Abwägungen der Abgesandten Gottes als kühl berechnete Machtspiele von gierigen Opportunisten. Großes Schauspielkino, da Ralph Fiennes, Stanley Tucci, John Lithgow und Isabella Rossellini alle neue Karriere-Bestleistungen abliefern. Das letzte Drittel mag etwas konstruiert ausfallen und eine Wendung zu viel anbieten, aber Berger inszeniert stark genug, dass man an sein Konzept tatsächlich glauben mag. Pun intended. 7/10
Planet der Affen – New Kingdom (Wes Ball)
An die absurden Höhen der vorherigen Trilogie kommt der insgesamt zehnte „Planet der Affen“-Film nicht heran, dafür ist der dritte Akt zu krawallig veranlagt. Dennoch sorgen die schier unglaublich realistischen Effekte wieder für Staunen, ist die politische Komponente für einen Film dieser Art erneut sehr beeindruckend. Erwachsene Sci-Fi für teuer Geld wird kaum noch produziert, und wenn man sich nur noch daran erfreuen darf, wenn es um Kriege zwischen Schimpansen geht, soll es eben so sein. Trotz Franchise-Müdigkeit sind weitere Teile daher ausdrücklich erwünscht. 7,5/10
The Fall Guy (David Leitch)
Mit “Ein Colt für alle Fälle“ hat diese ‚Adaption‘ nix zu tun, aber der Fun-Faktor des Action-Blockbusters ist dennoch hoch. Leitch verbindet noch immer zeitgemäße Actioninszenierung hervorragend mit physischer Comedy und dank der sehr charmanten Konstellation aus Emily Blunt und Ryan Gosling geht die Mixtur noch besser auf als bei „Bullet Train“. Der Plot ist Banane und einige Witze werden ewig ausgewalzt, alles richtig, aber es spielt bei so viel kinetischer Energie kaum eine Rolle. Wie Gosling im Auto zu Taylor Swift heult, war einer der besten Lacher des Jahres. 8/10
Lisa Frankenstein (Zelda Williams)
Wow! Williams bewirbt sich auf den Job als filmische Tochter von Tim Burton. Dieses schräge Gothic-Märchen um ein Teenie-Mädel, das sich in eine hundert Jahre alte Leiche verliebt, diese ausbuddelt und in ihrem Solarium zum Leben erweckt (und danach fröhlich Morde begeht, um ihrem Liebsten neue verbesserte Gliedmaßen zu beschaffen), ist herrlich morbide und bösartig-schräg, aber immer auch liebenswert und in seiner Verwendung von Klischees kreativ ausgefuchst. Eine tolle Überraschung, die in einem Atemzug mit „Beetlejuice“ genannt werden darf. 8/10
City of Darkness (Soi Cheang)
Was ein Brett! In der sogenannten Walled City inmitten von Hongkong, einem riesigen Wohnkomplex, in dem in den 80ern über 35.000 Menschen lebten, inszeniert Cheang eine gewalttätige hochklassig stilisierte Hommage an das alte Martial-Arts-Kino. Die verschiedenen Gegner malträtieren sich gegenseitig mit Motorrädern, Eisenstangen und Ziegelsteinen. Die Choreografie ist atemberaubend, dank der überzeugenden Drahtarbeit immer ein wenig jenseitig, und es bleibt sogar noch Platz für dreckig-schwarzen Humor. Testosteron-Kino mit Klassenkampf-Unterbau. 8/10
Alien: Romulus (Fede Alvarez)
Der beste „Alien“-Film seit 1986. Alvarez geht zu den Ursprüngen des kosmischen Horrors zurück und zeigt einen Einfallsreichtum bei der Erschaffung denkwürdiger Set-Pieces, der so nicht zu erwarten war. Vor allem das letzte Drittel ist ein filmgewordener Albtraum mit einem abartig-kühnen Figurendesign. Die Darsteller überzeugen durch die Bank, die Kulissen sind ein Traum und die Verknüpfung der „Alien“-Reihe mit dem „Prometheus“-Prequel ein genialer Schachzug. Etwas weniger anbiedernder Fanservice und wir hätten es mit einem modernen Franchise-Meisterwerk zu tun. 8,5/10
The Bikeriders (Jeff Nichols)
Sensationelles Bikerdrama, das strukturell „Easy Rider“ mit „GoodFellas“ mischt und in allen Kernrollen mit u.a. Jodie Comer, Austin Butler und Tom Hardy exzellent besetzt ist. Weniger eine Studie um Kriminelle als ein Einblick in den sozialen Freiheitsbegriff, den das Americana verspricht. Ganz toll ist der Einsatz von Musik. Zeitgenössische Songs der späten 60er werden in kunstvoll arrangierten Parallelmontagen als inhaltliche Verstärkung eingesetzt, ähnelnd einem griechischen Chor. Anspruchsvolles, erwachsenes Kino, das in der Award-Saison leider stark unterging. 8,5/10
Challengers (Luca Guadagnino)
Ein Film gegen die neue Prüderie. Dieses herrliche Sportdrama nutzt Tennis als Metapher für Sex, was so weit geht, dass die Kamera irgendwann selbst zum Ball wird und von den Schlägern der Sportler penetriert wird. Zendaya verführt zwei beste Freunde, über mehrere Jahre, und es ist ein Genuss mitanzusehen, wie sehr Guadagnino die psychosexuelle Komponente einer solchen Konstellation in den Mittelpunkt stellt. Die irrationale Natur menschlicher Begierde wird so beißend wie erotisch ausgestellt. Der Techno-Score (Atticus Ross & Trent Raznor) ist der Match Point. 9/10
Der wilde Roboter (Chris Sanders)
Ein bezauberndes Natur-Märchen um einen Roboter, der auf einer kleinen unbewohnten Insel abstürzt und sich mit den Tieren dort anfreundet. Der Animationsstil ist einzigartig (als hätte man Aquarelle in Bewegung versetzt), die Figuren gehen ans Herz, und während sie bei Disney den Kreislauf des Lebens besingen, wird er bei DreamWorks einfach mal in voller Härte illustriert. Das letzte Drittel ist geradezu poetisch in seiner Einfachheit. Emotionales Storytelling auf höchstem Niveau, bei dem Eltern mit ihren Kindern zusammen mal so richtig reinigend drauflos heulen können. Respekt! 9/10
Anora (Sean Baker)
Ein exzellenter Film. Was als halbpornografische Variation von „Pretty Woman“ beginnt, wandelt sich zur urkomischen slawischen Hommage an die Three Stooges, ehe das Ende einem in seiner ganzen empathischen Wucht das Herz zerreißt. Baker erzählt von einer kapitalistisch-patriarchalen Ordnung, in der jede emanzipatorische Bewegung der unteren Klasse einer ausweglosen Selbst-Prostitution gleichkommt. Als die titelgebende Stripperin Anora spielt Mikey Madison dermaßen fantastisch und vielseitig, dass man sie als das neue Supertalent ihrer Generation bezeichnen kann. 9/10
Horizon: Eine amerikanische Sage – Kapitel 1 (Kevin Costner)
Die Gewalt, die das US-amerikanische Zusammenleben bis heute trägt, ist eine zyklische, verankert im Gründermythos der Nation. Diese Erkenntnis buchstabiert Costner in einem literarisch anmutenden Western-Epos aus, das nach drei Stunden nur ein Viertel der eigentlichen Geschichte erzählt hat. Ein Mammutprojekt von gigantischen Ausmaßen, dessen pure Schaffenskraft nachhaltig beeindruckt. Man kann nur inständig hoffen, dass dieses Projekt irgendwie abgeschlossen werden kann, auch wenn im gegenwärtigen Kino-Alltag wirklich absolut alles dagegensprechen sollte. 9/10
Hundreds of Beavers (Mike Cheslik)
Wohl der Überraschungs-Knaller des Jahres! Ein in schwarzweiß gedrehter Live-Action-Cartoon im Stil der Looney Tunes rund um einen Jäger, der sich mit hunderten Bibern (dargestellt von Menschen in billigen Biber-Kostümen) auseinandersetzen muss. Absolut meisterhaft, wie jede Form des Slapsticks auf die Spitze getrieben wird und wie die großen Lacher dabei im Sekundentakt produziert werden. In der visuellen Gestaltung ein wirklich einmalig genial ausgetüftelter moderner Kultfilm, der in wenigen Jahren schon eine große Fangemeinde haben wird. Und das vollkommen verdient. 9,5/10
The Holdovers (Alexander Payne)
So wahrhaftig wie Payne kann kaum ein anderer Figuren schreiben. „The Holdovers“ ist ein Triumph, eine wunderschöne Erzählung über drei gesellschaftliche Außenseiter, die zur Weihnachtszeit zur Zweckfamilie heranwachsen. Ohne billige Tricks, voller einfühlsamer Dialoge. Paul Giamatti, Da’Vine Joy Randolph und Dominic Sessa spielen alle auf höchstem Niveau. Der Film spielt zudem 1970 und sieht aus, als sei er genau damals gedreht worden. Wüsste man es nicht besser, könnte man glatt denken, es mit einem echten New-Hollywood-Meisterwerk zu tun zu haben. 10/10
Poor Things (Yorgos Lanthimos)
Ein fantastischer Genuss von Film. Eine alternative Bizarro-Fabelfassung von Frankenstein als feministisches Manifest mit vorzüglichen Darstellern (Emma Stone, Mark Ruffalo), sensationellen Sets und Kostümen, alles in allem: Eine wilde Mischung aus dadaistischer Erotik, provokanter Nacktheit, visionären Steampunk-Kulissen und einer Buñuel-artigen Gesellschaftsparodie, die eine kraftvolle, explizite Geschichte der weiblichen Selbstermächtigung erzählt. So visionär-imaginativ wird im Kino das Frausein in allen Facetten nur selten abgefeiert. Ja, ein Meisterwerk! 10/10
The Zone of Interest (Jonathan Glazer)
Der bislang außergewöhnlichste Film des Jahrzehnts. Glazer erzählt von den Schrecken des KZs, von der Banalität des Bösen, ohne Auschwitz je mit der Kamera zu betreten. Er bleibt bei Rudolf Höss und dessen Familie, die direkt an der Lagermauer wohnen, und zeigt dort den langweiligen Alltag. Wir hören allerdings konstant, was sich auf der anderen Seite abspielt. „The Zone of Interest“ ist eigentlich zwei Filme, einer auf der visuellen und einer auf der akustischen Ebene, präsentiert in einer experimentellen Kühnheit und formellen Perfektion, die noch sehr lange ihresgleichen suchen wird. 10/10