Re: Neuauflage der Fleming Romane zum 70. Jubiläum

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Kunstwerke, die nicht mehr in die eigene Weltsicht passen zu beschneiden, erinnert an ganz finstere Zeiten. Das geht imo überhaupt nicht. Natürlich haben sich bestimmte Dinge geändert, aber man weiß, wann diese Bücher geschrieben wurden. Sie sind da mindestens auch ein Zeitdokument. Zum Glück habe ich die Original-Fassungen noch, wenn ich sie auf selten lese, da ich die meisten seiner Bücher als eher spröde empfinde, sowohl sprachlich als auch vom Storytelling her. ;).
Zuletzt geändert von vodkamartini am 26. Februar 2023 10:41, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Neuauflage der Fleming Romane zum 70. Jubiläum

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Und was sie kürzlich erst mit dem armen Roald Dahl gemacht haben...
Laut der britischen Zeitung „The Telegraph“ sind es Hunderte von Änderungen. Vor allem betroffen sind Passagen, die sich auf Gewicht, psychische Gesundheit, Geschlecht und Rasse beziehen. So wurden beispielsweise alle Verweise auf die Wörter „fett“ und „hässlich“ gestrichen.

Zudem sind mitunter geschlechtsneutrale Begriffe hinzugefügt worden. Aber es gibt auch drastischere Eingriffe. Ein Absatz über die Glatze der Hexen, die sie mit Perücken verbergen, erklärt, nun, dass es viele Gründe gäbe, warum Frauen Perücken tragen, und dass daran auch nichts auszusetzen zu sei.
"Wenn man sämtliche Schöpfungen des weißen Mannes von diesem Planeten entfernte, besäßen seine Ankläger weder Zeit noch Mittel, ja nicht einmal Begriffe, um ihn mit Vorwürfen zu überhäufen."

Re: Neuauflage der Fleming Romane zum 70. Jubiläum

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The changes to Fleming’s books result in some depictions of black people being reworked or removed.

Dated references to other ethnicities remain, such as Bond’s racial terms for east Asian people and the spy’s disparaging views of Oddjob, Goldfinger’s Korean henchman.

References to the “sweet tang of rape”, “blithering women” failing to do a “man’s work”, and homosexuality being a “stubborn disability” also remain.
Genial. Rassismus gegen Schwarze geht gar nicht und bedarf einer Überarbeitung, aber Rassismus gegen Asiaten und Homophobie bleiben wiederum drin. Das ist ja nicht mal in sich selbst schlüssig. Zum Glück ist George Orwell längst tot und muss das nicht mehr miterleben.
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Re: Neuauflage der Fleming Romane zum 70. Jubiläum

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Da bin ich ehrlich gesagt froh, vor dieser zensierten Neuauflage Flemings Werke in meiner Sammlung stehen zu haben.

Mir missfällt diese Zensur, gerade weil halbherzig umgesetzt wird und (es tut mir leid an dieser Stelle diesen Begriff zu nutzen) vor Doppelstandards trieft und irgendwie eine künstliche Konkurrenz damit ausgelöst wird wer an der Spitze der von Rassismus, Sexismus und Feindlichkeit betroffenen Gruppen steht und damit die größtmögliche Machtposition dahingehend einnehmen kann.
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Re: Neuauflage der Fleming Romane zum 70. Jubiläum

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Ich verstehe auch nicht, warum man Autoren wie Fleming oder Dahl im Nachhinein von ihren "Sünden" reinwaschen sollte. Soll doch ruhig jeder lesen können, was für ein A-Loch der Fleming war. Wir sind alle mündige Erwachsene, werden von solchen Verlägen aber nicht wie welche behandelt.

Was ist die Denke dahinter? Ich möchte gerne alte rassistische Bücher lesen, aber dabei bitte nicht auf Rassismus stoßen? Wem ist damit geholfen?
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Re: Neuauflage der Fleming Romane zum 70. Jubiläum

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Man sollte (alte) Kunst immer im Kontext der Entstehungszeit betrachten. In die Kunst eingreifen, geht m.E. gar nicht. Von mir aus einen Erläuterungstext dazu, aber das muss reichen.

Schwieriger ist das Thema bei aktueller Kunst, siehe Diskussion um die Documenta. Die Kunstfreiheit ist ein hohes Gut, aber wenn ein Kunstwerk offensichtlich gegen allgemein anerkannte Konventionen verstößt, wird es halt schwierig.
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Re: Neuauflage der Fleming Romane zum 70. Jubiläum

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Ja, aber das ist etwas anderes, wenn zeitgenössische Kunst auf Teufel komm raus provozieren bzw. Grenzen überschreiten will.

Alte Romane von Dingen zu "befreien", die man heute andes sieht, ist ein ganz anderes Thema. Man verliert dabei auch den Blick auf Geschichte, die man nur versteht - und aus der man nur lernen kann -, wenn man die damaligen Zustände etc. versteht und einordnen kann.

Das Ganze bei Fleming ist einmal eine Anbiederung an die vermeintliche PC und andererseits - damit zusammen hängend - eine monetäre Entscheidung, da man meint, so mehr verdienen zu können. Dahinter steckt aber eben auch ein gruseliges Kunst- und Geschichtsverständnis.
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Re: Neuauflage der Fleming Romane zum 70. Jubiläum

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Entweder halten diese Verlage ihre Leserschaft für zu dämlich, als dass diese ein literarisches Werk im Kontext seiner Zeit sehen können, oder für so leicht beeinflussbar, dass allein das Lesen von rassistischen Aussagen sie selbst bereits zu Rassisten macht. Das Einzige, was durch diese Zensur erreicht wird, ist, dass Flemings Werke hinterher als progressiver dargestellt (und damit historisch verfälscht) werden, als sie es tatsächlich waren.

Auch interessant, dass es offensichtlich eine Hierarchie hinsichtlich Rassismus gibt. Anscheinend gibt es Arten von Rassismus, die schlimmer sind als andere. Aha. Diese "Überarbeitung" sagt sehr viel mehr über die Menschen dahinter aus als über den Herrn Fleming und sein Geschreibsel selbst.
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(Joseph Wiseman in Dr. No)

Re: Neuauflage der Fleming Romane zum 70. Jubiläum

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Bin gespannt, wann sie sich an Orwells "1984" vergreifen, das wäre natürlich die Kirsche auf der Torte.

Was die Sache einfach noch viel ärgerlicher macht, ist die überwältigende Ablehnung, auf die solche Aktionen stoßen. Je nach Umfrage lehnen zwischen 60 und 80 % schon das Gendern ab, bei solchen nachträglichen Zensurmaßnahmen dürften es noch viel mehr sein. Und dennoch ziehen sie es ungerührt durch. Ich verstehe das nicht. Ausnahmslos jeder, den ich kenne (aber vielleicht lebe ich ja auch in einer reaktionären Blase), lehnt so etwas ab, ich kenne niemanden persönlich, der dafür wäre, dass sich z.B. die Kinder in Preußlers "Kleiner Hexe" nicht mehr als Indianer verkleiden dürfen. Und dennoch ziehen sie ihren Kreuzzug ungerührt durch. Das lässt sch nur noch mit einem enormen moralischen Furor und vermeintlichen pädagogischen Umerziehungsauftrag der selbsternannten progressiven Eliten erklären, und das macht es so unangenehm. Ich hoffe, das geht irgendwann vorbei.
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Re: Neuauflage der Fleming Romane zum 70. Jubiläum

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Das ist ja total absurd, nicht nur in Bezug auf Fleming sondern in Bezug auf jede Art von Kunst, die immer im historischen Kontext gesehen werden muss. Ich bin mir sicher, würde man nur lange genug suchen, muss man vermutlich jedes jemals entstanden Kunstwerk irgendwie canceln oder verändern.

All das ist auch selbst wenn man der Sache einen Gefallen tun will ja total kontraproduktiv. Wie sollen denn heutige Generationen noch etwas lernen, wenn man ihnen alles aussiebt, anhand dessen sie lernen könnten???

Dass man das im vorliegenden Falle auch nur zu einem Jubiläum zu Ehren des Autors tut, ist an Albernheit und Unverschämtheit nicht mehr zu überbieten. Ich hoffe, niemand kauft die Bücher!
"It's been a long time - and finally, here we are"

Re: Neuauflage der Fleming Romane zum 70. Jubiläum

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StanleyBeamish hat geschrieben: 1. März 2023 08:02 Aber ich möchte nicht wissen, was sich Ian Fleming gedacht hätte, würde er noch heute leben.
Fleming war in seiner Zeit schon ein rückständiger Kerl und die moderne Bond-Welt tut gut darin, so wenig wie möglich an den Kerl zu denken. Sein Name muss im Vor- und Abspann einmal genannt werden sowie auf Plakaten, und ansonsten sollte niemand, der heute etwas mit James Bond zu tun hat, auch nur eine müde Mark darauf verschwenden, was der olle Fleming wohl denken oder tun oder gut finden würde.
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