Re: Regie für BOND26+

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Die einzige Stilblüte, die ich in NTTD bei Fukunaga erkenne, ist sein häufiger, inhaltlich unmotivierter Einsatz von Wackelkamera. Neumoderner Actionfilmschick eben. Die etwas "ungeschnitteneren" Actionszenen sind eine Anbiederung an "John Wick" und "Atomic Blonde", aber mit seinem Vorwerk kaum zu vergleichen. "True Detective" hat rhythmisch geschnittene Action, nur ein legendärer One-Take ist eine Ausnahme. Der ist aber inhaltlich und ästhetisch begründet (er evoziert Parallelen zu (Kriegs-)Berichterstattungen aus Vietnam und Gangschießereien in Ghettos), davon ist bei Bond nix zu sehen. Da sind sie nur - sorry - hübsch anzusehende Gimmicks.
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Re: Regie für BOND26+

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Ich kann auch keinerlei Parallelen zu True Detective erkennen. Das Zwischenmenschliche in NTTD ist Blockbuster-Standard und geht nicht sonderlich in die Tiefe. Das ist alles der Bond-Schwanengesang-Idee geschuldet und die gab es schon vor ihm. True Detective ist deutlich grimmiger, pessimistischer, intelligenter, viel mehr an seinen Figuren interessiert. Es ist ein sehr intensiver und sehr finsterer Blick in die menschliche Psyche, all das ist NTTD nicht.

Bei Mendes sehe ich durchaus Parallelen zu z.B. Road to Perdition aber tw auch 1917. Er arbeitet auch zum wiederholten Mal mit Deakins zusammen, weil der weiß, wie er visuell erzählen will. Von Foster kenne ich sonst nichts, aber QOS ist ein extrem durchgestylter und kunstvoll arrangierter Film (trotz des imo lauen Drehbuchs).
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Re: Regie für BOND26+

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GoldenProjectile hat geschrieben: 10. Dezember 2021 18:21 du findest doch True Detective grossartig und hast das soweit ich mich erinnere in erster Linie auf Fuku zurückverfolgt. Ist das nicht mehr aktuell, und wenn doch, wieso nimmst du seine nach dir gelungene Leistung in True Detective nicht als Referenz statt der nach dir nicht gelungenen aus NTTD?
Ich liebe die erste Staffel "True Detective", viel besser geht es für mich glaube ich nicht. Da ist alles sensationell: Schauspiel, Regie, Dialoge, Handlung, Atmosphäre, Musik, Tiefgang, wirklich alles. Habe ich schon mehrfach gesehen, und es geht jedes Mal runter wie Öl. Ich glaube auch gerne, dass Fukunaga hier den Hauptanteil dran geleistet hat, bzw. sein kreativer Streit hinter der Kamera mit dem Autoren Nik Pizzolatto viel von der Energie geliefert hat, die in der Staffel zu spüren ist. Keine Frage: Es ist Ausnahme-Entertainment und eine der besten Miniserien der letzten 20 Jahre (von denen, die ich gesehen habe, was aber einige sind).

Natürlich können wir Fukunaga alle daran messen, wäre ich auch sehr für. Das Problem ist nur: Ein Bond-Film ist keine HBO-Miniserie. :) Mal unabhängig von den kreativen Freiheiten. Die Freiheiten, die du bei HBO als Kreativer bekommst, davon träumen die meisten anderen in dieser Industrie nur sehr entfernt. So etwas wirst du bei Bond niemals auch nur ansatzweise haben – außer, Daniel Craig führt eines Tages mal Regie. :mrgreen:

Spaß beiseite: Fukunaga hat einen Bond-Film gemacht und es ist ihm meines Erachtens nicht gelungen, irgendeine Form von Eigennote einfließen zu lassen (und damit ist er vielleicht sogar der Bond-Regisseur, den ich derzeit – sorry – ganz unten in einem Ranking ansiedeln würde). Vielleicht kam er zu spät dazu, vielleicht war er mit Budget und Größe dieser Produktion überfordert, alles möglich, ich will ihn nicht gänzlich abschreiben. Aber nach NTTD sage ich: Danke, nein danke. Lieber jemand anderem die Chance geben, der es beim ersten Mal hinbekommt.
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Re: Regie für BOND26+

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vodkamartini hat geschrieben: 11. Dezember 2021 10:35 Fukunaga musste den havarierten Dampfer einfach nur in den Hafen bringen, das hat er geschafft. Für neue Ausflugsziele oder gar ein von ihm entworfenes Bordprogramm war da weder Zeit noch Raum.

Und ja, True Detektive ist eine 11/10 ( https://ssl.ofdb.de/review/247800,616401,True-Detective ).
Ja, so sehe ich das auch. Deshalb würde mich ein erneuter Take seinerseits durchaus reizen. Bin aber prinzipiell offen und wie Gernot der Überzeugung, dass das Script letztlich relevanter ist. Uuuuund, es sollte mal eine Frau ran, das wäre wirklich „woke“.

Re: Regie für BOND26+

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True Detective ist gut, aber 8 reicht dann auch schon wenn ihr mich fragt.

Blöde Frage, aber inwiefern spielt das Geschlecht des Regisseurs eine entscheidende Rolle? Vor allem wenn man das Drehbuch wiederum als wichtiger einschätzt (würde gut zur Drehbuch-Diskussion von vorgestern passen).
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Re: Regie für BOND26+

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GoldenProjectile hat geschrieben: 11. Dezember 2021 11:18 True Detective ist gut, aber 8 reicht dann auch schon wenn ihr mich fragt.

Blöde Frage, aber inwiefern spielt das Geschlecht des Regisseurs eine entscheidende Rolle? Vor allem wenn man das Drehbuch wiederum als wichtiger einschätzt (würde gut zur Drehbuch-Diskussion von vorgestern passen).
Hoffentlich ein neuer, frischer Zugang, eine neue Sicht auf den Bond-Charakter und Nebenfiguren, andere Akzente und Schwerpunkte in der Inszenierung, eine andere Körperlichkeit...
ABER vor allem ein wahres Statement. Wenn die äußerst patriarchalisch geprägte Filmindustrie nicht langsam dahinsiechen will, müssen Änderungen auch HINTER der Kamera stattfinden. Chancengleichheit, gleiche Gehälter aber auch eine faire Verteilung der Projekte sind da für mich absolut indiskutable Mindestvoraussetzungen und dringende Maßnahmen. Ganz besonders im kommerziell orientierten Blockbuster-Kino, da es das von am meisten beachtete ist.
Zuletzt geändert von craigistheman am 11. Dezember 2021 11:49, insgesamt 1-mal geändert.

Re: Regie für BOND26+

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vodkamartini hat geschrieben: 11. Dezember 2021 11:20 Ja, nur die Qualität sollte zählen, ob Frau oder Mann ist mir völlig egal. Und nur weil es bisher immer Männer waren würde ich keinesfalls eine Frau engagieren.
Dir ist aber schon bewusst, dass Frauen in dieser Industrie gezielt ausgeschlossen, für den gleichen Job schlechter bezahlt, oder trotz Talent und Zeit aufgrund ihres Geschlechtes gar nicht erst in Betracht gezogen werden?

Re: Regie für BOND26+

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Ich halte nichts von diesen Quotendingen. Abgesehen davon haben Frauen bei Wonder Woman 1 und 2 sowie bei den Eternals Regie geführt. mainstreamiger geht wohl nicht. Katherine Bigelow gibt es auch schon etwas länger und die ist toll.

An meiner obigen Aussage ändert sich nichts. Frauen um der Frauen willen zu engagieren halte ich für falsch.
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Re: Regie für BOND26+

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Man könnte jetzt natürlich fies sein und sagen: Bond ist eine, wenn nicht die ultimative Männerfantasie, also ergeben männliche Autoren und Regisseure irgendwie Sinn. :wink:

Grundsätzlich hat craigistheman vollkommen recht, die Filmwelt ist männlich geprägt und es braucht viel mehr Frauen auf allen Ebenen hinter der Kamera. Aber das ist ein institutionalisiertes Problem und wird einen mehrere Dekaden andauernden Wandel benötigen. Ist auch Teil der Wahrheit.
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Re: Regie für BOND26+

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Ja, das ist alles bekannt. Nur bleibe ich dabei. Eine Frau zu engagieren, obwohl es qualifiziertere Männer gibt, ist ebenfalls Diskriminierung. Einen Mann zu nehmen, obwohl es qualifiziertere Frauen gab, war lange Zeit Usus und ist selbstverständlich eine Schande. Dennoch. Quoten sind überhaupt nicht mein Ding, das lehne ich kategorisch ab.
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Re: Regie für BOND26+

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Für eine Quote wollte ich mich explizit nicht aussprechen, davon bin ich auch kein Freund. Mit Barbara Broccoli hat dieses Franchise seit 1997 eine weibliche Perspektive von ganz oben, und der ist auch sehr spürbar. Wenn sie einen weiblichen Regisseur für Bond wählen sollte, dann sicher zu keiner Sekunde mit einem Quotengedanken. Da bin ich mir ausnahmsweise, was Broccoli angeht, mal sehr sicher. In der Hinsicht scheint sie mir sehr vernünftig.
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Re: Regie für BOND26+

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@Vodka: Versteh mich bitte nicht falsch, ich spreche mich keineswegs für eine Quote aus. Das halte ich in vielen Fällen für geheuchelten Quatsch, siehe Amazon Prime. Aber es würde mich allgemein sehr freuen, mehr Frauen auf den Regiestühlen großer Produktionen zu sehen. Und wie du ja selbst gemerkt hast, kannst du diese an drei Fingern abzählen. Bigelow als Regisseurin im Rahmen eines Plotorientierteren, moralisch ambivalenteren Bondfilms - das fände ich z.B. sehr interessant.

Re: Regie für BOND26+

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Casino Hille hat geschrieben: 11. Dezember 2021 12:08 Man könnte jetzt natürlich fies sein und sagen: Bond ist eine, wenn nicht die ultimative Männerfantasie, also ergeben männliche Autoren und Regisseure irgendwie Sinn. :wink:
Und genau hier würde ich einhaken und behaupten, Bond ist viel mehr die Männerfantasie davon, wie Frauen Männlichkeit wahrnehmen und bewerten, und was Frauen an Männern attraktiv finden.