craigistheman hat geschrieben: 6. Juli 2022 10:25
ohne gleich mit der Toxic Masculinity Diskurs-Keule durch die Gegend zu fuchteln, anders als eine Phoebe Waller Bridge z.B. ...
Wie viel von Phoebe Waller-Bridge hast du gesehen? "Fleabag" und die erste Staffel "Killing Eve" tun wirklich alles, außer mit irgendwelchen Keulen fuchteln. Das sind kluge, starke Geschichten über Lebensrealitäten, in denen die Figuren regelmäßig mit unangenehmen Wahrheiten konfrontiert werden und bei denen die Spannung einzig daraus resultiert, wie sie sich zu diesen Wahrheiten verhalten können und wollen. Toxische Männlichkeit ist in beiden Serien kaum ein Thema, und wenn doch, dann genauso auch toxische Weiblichkeit. Gerade Fleabag als Protagonistin ist teilweise so unsympathisch und in ihrem Handeln fragwürdig, da fällt es mir sehr schwer, hier auch nur im Ansatz "Agenda-Serien" zu erkennen. Selbst wenn ich mich anstrenge.
craigistheman hat geschrieben: 6. Juli 2022 10:25
Casino Hille hat geschrieben: 6. Juli 2022 09:52
Wenn Winocour, Gavron und Ducournau kein Auteur-Kino machen, dann weiß ich auch nicht mehr.
Definiere Auteur-Kino... Das, was ich darunter verstehe, ist eine Kontinuität in der Haltung/stilistischen Handschrift, die es möglich macht Film X Autor*in/Regisseu*in Y zuzuordnen. Und das kann ich bei keinen der besagten Damen erkennen, schon aufgrund der Tatsache nicht, weil diese größtenteils noch relativ am Anfang ihres Schaffens stehen. Arthouse-Kino, Independent-Film vielleicht...
Klar, wir können es nennen, wie wir wollen. Docournau hat nach "Raw" und "Titane" mindestens so sehr eine eigene stilistische Identität als Künstlerin, wie Quentin Tarantino sie nach "Reservoir Dogs" und "Pulp Fiction" hatte (qualitativ liegen da freilich aber noch Galaxien zwischen). Winocour schreibt und dreht Geschichten, in denen auf extreme Weise klassische weibliche Gesellschaftsdefizite der Jetzt-Zeit in Parabeln verhandelt und untersucht werden und hat damit mindestens eine eigene Stimme innerhalb ihres Branchen-Umfelds entwickelt. Gavron verhandelt (subjektive Anmerkung: äußerst plump und ungeschickt) mehrfach die Frage, inwiefern weibliche Individuen es in einer männlich geprägten Gesellschaft schwerer haben, ihre angeborene Weiblichkeit zu entwickeln und wie sehr sie sich in ein Korsett schnüren müssen, teils unbemerkt. Das sind Freiheitsgeschichten mit feministischem Blickwinkel, was mindestens eine "Kontinuität in der Haltung" bedeutet.
Mit leichtfüßiger Unterhaltung assoziiere ich keine dieser Namen – und es fällt mir schwer, irgendeine der Frauen bei einem Actionfilm über einen weißen, männlichen, gut gebauten Engländer zu sehen, der Frauen abschleppt und mit Witz, Alkohol und Waffengewalt die "saubere" westliche Welt verteidigt und rettet, hinter der Kamera zu imaginieren. Kann es funktionieren? Klar. Aber welchen Mehrwert eine so potenziell drastische Perspektivverschiebung bei einem Multimillionen-Dollar-Erfolgsrezept haben soll, leuchtet mir nicht ein. Sich bei erfahrenen TV-Regisseuren oder Regisseurinnen bedienen, denen zwar die Erfahrung solcher Großprojekte fehlt, die aber dafür das technische Know-How und eine interessante Idee oder einen unterhaltsamen Stil mitbringen – klar, why not? So geht Marvel auch vor. Irgendwelche Independent-Cannes-Gewinnerinnen anheuern, deren größter Bond-Bezug vermutlich ist, dass ihre Eltern die Filme gesehen haben, ist mir zu weit hergeholt.
Bond-Filme sind "fun", Eskapismus, Weltenflucht. Zwei Stunden mal raus aus der langweiligen Realität, exotische Orte, sexy Frauen, coole Männer, bisschen Gefahr, angedeutete Gewalt, viel Humor. Fiesta im Kino, bunt statt grau, schnell statt langsam, aufregend statt alltäglich. Bond-Filme sind keine Plattform für künstlerische Entfaltung, tiefschürfende Charaktere, subversive Gesellschaftskritik, soziologische Statements oder lautstarke Appelle zum gegenwärtigen Stand der Dinge. Dafür gibt es schlicht andere Filme.