Devil May Care (Sebastian Faulks, 2008)
Schauplätze: Rom, Paris, Iran, UdSSR
Charaktere: Dr. Julius Gorner, René Mathis, Scarlett Papava, Chagrin, Hamid, Darius Alizadeh, Carmen Silver, Felix Leiter
Faulks legt seinen Roman zum hundertsten Geburtstag des Schöpfers im Handlungsjahr 1967 als explizite Fleming-Fortsetzung und -Verneigung an. Wie originell! Fairerweise muss man sagen, dass Faulks vor Boyd und Horowitz der erste der jüngeren Bondautoren war, der sein Buch zu dem neuen Beitrag in Flemings originärer Bond-Chronologie machen wollte. Dann spielt sein Bond halt im Jahr in dem gefühlt 90% der guten Musik veröffentlicht wurde, mir soll's recht sein. Gerade mit dem nächsten und von mir eigentlich recht geschätzten Roman Carte Blanche gibt es ja auch eine modernisierte Reboot-Alternative.
Gerade im ersten Drittel scheint es mir, als wäre der Roman um ein Drittel kürzer wenn er die ganzen Marken- und Strassennamen weggelassen hätte. Faulks trifft Flemings Stil ganz gut, übertreibt es aber mitunter mit den als selbstverständlich in den Raum geworfenen Namen und Bezeichnungen von Kleidungsstücken, Zutaten, Autos, Motoren, Strassen, Quartieren und Restaurants. Wenn er beschreibt welchen Jahrgang René Mathis in welchem Restaurant an welchem Platz trinkt oder seine Französisch- und Italienischkenntnisse demonstriert hat das im Ansatz zwar den Fleming-Hauch, ist hier aber oft etwas zu dick aufgetragen.
Der Bösewicht Dr. Julius Gorner hat die Motive von Hugo Drax, den halben Namen von Dr. No, das Aussehen von Necros (zumindest in meiner Vorstellung) und eine Schimpansenhand! Er ist ein brauchbarer Bösewicht, aber was mich etwas stört ist wie Faulks mir von Anfang an weismachen will es handle sich um den bösesten und gefährlichsten Bondschurken überhaupt. Gorner hat zu diesem Zeitpunkt noch gar nichts gemacht, Faulks verkündet nur durch M wie übel er ist und Bond nimmt es grimmig hin und hasst ihn sofort. Eine gewagte These angesichts der anfangs dünnen "Beweislage" und dem Umstand dass Faulks den Roman durch exzessives Name-Dropping in der gleichen Chronologie verortet, in der Bond schon mit Drax, Blofeld und Goldfinger zu tun hatte.
Bond spielt Tennis gegen Gorner, was eine gute Idee ist und obwohl ich vom Tennis keinen wirklichen Schimmer habe ist das Kapitel deutlich schmerzfreier als das Golfspiel gegen Goldfinger, in dem Fleming für mich gefühlte drei Kapitel lang Chinesisch geschrieben hatte und ich mir unter den Begriffen des Sports absolut gar nichts vorstellen konnte. Das Tennisspiel ist eine nette Nachfolgeidee zu dem berühmten Golfspiel und literarisch insofern überlegen, dass ich ihm einigermassen folgen kann.
Absolut gut ohne besonders herauszuragen ist auch das Bondgirl, auch wenn ich Bonds Begeisterung für Scarlett nicht ganz teile und vor allem nicht seinen Fimmel für ihren ersten Auftritt, wo sie in eine Rolle geschlüpft ist wobei Faulks via Bonds Gedanken diese "Figur" des ersten Treffens andauernd wieder anhimmelt.
Spoiler
Die Auflösung dass sie ihn auch danach weiter an der Nase herumgeführt hat und in Wahrheit 004 ist, ist dann auch eher unnötig und mir etwas zu blöd, mir wäre es lieber gewesen wenn man bei der Geschichte mit der entführten Zwillingsschwester geblieben wäre. Die Figur funktioniert für mich vor allem durch ihre Aktionen und ihre Handlungsrolle ab der Entführung am kaspischen Meer, den zusätzlichen Fimmel braucht es nicht, am wenigsten den um 004.
Interessant sind die politischen Verstrickungen im Hintergrund, die als interessante und informative Ebene die Handlung etwas weiter vertiefen, sei es nun durch die jüngere Geschichte Persiens bzw. des Irans im politischen und kulturellen Zusammenspiel mit West und Ost, oder durch das angespannte britisch-amerikanische Verhältnis aufgrund fehlenden britischen Engagements in Vietnam. Das alles ist etwas cleverer als einfach nur West-Ost-Gut-Böse und wird geschickt genutzt, um dem Setting und der Handlung ein bisschen mehr Leben und Details zu geben.
Mir hat DMC auch nach über zehn Jahren wieder Spass gemacht, auch wenn das erste Drittel und das letzte Viertel etwas schwächeln. Wie sich Bond und Scarlett nach dem eigentlichen Spannungs- und Actionhöhepunkt vom Uralgebirge über Moskau, Leningrad und Helsinki nach Hause durchschlagen müssen ist interessant, aber auch viel zu lang geschildert. Der Anfang präsentiert sich wie bereits erwähnt zu sehr als Fleming-Kopie mit übertriebener Schilderung von Details und Szenerie, ohne dass die Geschichte und Charaktere hier schon richtig interessant wären. Richtig stark ist dafür der Mittelteil, der das Ganze gut zusammenhält. Unterm Strich ist für mich alles trotz Schwächen im grünen Bereich.
Wertung: 7 / 10