A Pint and a Cornetto - Der Edgar Wright Thread
Verfasst: 28. Januar 2019 12:09
Edgar Wright ist zweifelsohne einer meiner absoluten Lieblingsfilmemacher, dessen Werke mich ausnahmslos unterhalten und begeistern. Zwar hat er in seiner Vita nur fünf vollwertige Spielfilme vorzuweisen, dafür ist für mich aber auch kein einziger wirklicher Ausreisser nach unten vorhanden. Ausserdem dreht er sehr individuelle Filme, fast ohne jegliche Kompromisse. Jeder der fünf ist ein Herzensprojekt, und was passiert wenn man dem alten Edgar in die Arbeit hineinzufunken versucht, sieht man an dem Ant-Man-Debakel, welches er, frustriert durch die Einmischungen von Marvel Studios, aufgeben musste. Was seine Filme so gross macht ist, auf wie vielen Ebenen sie gleichzeitig funktionieren. In erster Instanz gibt es die komödiantisch angehauchte Ebene, mit einer ganz eigenen Handschrift an visueller Komik, Kameratricks und unverkennbarem Schnittstil, dahinter verbirgt sich in all seinen Filmen aber ein durchaus emotionaler Kern, in dem Themen wie Freundschaft, Beziehungen, Verantwortung und Älterwerden liebevoll, augenzwinkernd aber durchaus anspruchsvoll verpackt werden. Diese Themen und ihre erzählerische Umsetzung ziehen sich dabei wie ein roter Faden durch seine gesamte Filmografie.
In der Filmwelt hat Wright, der seine Kunst schon in sehr jungen Jahren im Fernsehen und mit Amateurfilmen geübt hat, zumindest deutliche Spuren hinterlassen. Seine Choreografie aus Bild und Ton, bzw. das Zusammenspiel von Schnitt und Bewegungen mit Musik und ausgefeiltem Sounddesign, sucht seinesgleichen, ebenso die meisterliche Kombination aus Action, Humor, visuellen Kunstgriffen und zärtlich-fantasievoller Lebensstudie. Ich hoffe zumindest, dass wir in den kommenden Jahren und Jahrzehnten noch einiges von dem verspielten Künstler mit der Lockenmähne zu sehen bekommen werden.
Edgar Wrights Kinofilme:
2004: Shaun of the Dead
2007: Hot Fuzz
2010: Scott Pilgrim vs. The World
2013: The World's End
2017: Baby Driver
Weitere Punkte in seinem Arbeitsnachweis sind unter anderem der im zarten Alter von 21 Jahren fast ohne jegliches Budget gedrehte Amateurfilm A Fistful of Fingers, die Gesamtheit der englischen TV-Serien Asylum und Spaced, der Kurzfilm Don't, der als Fake-Trailer zum Grindhouse-Projekt von Robert Rodriguez und Quentin Tarantino gehört, das Drehbuch zu Steven Spielbergs Tim & Struppi, und eben der Marvel-Film Ant-Man, der in der Drehbuchentwicklung und Vorproduktion noch komplett von Wright kontrolliert wurde und den er erst kurz vor Drehbeginn verlassen hat.
Edgar Wright in Zahlen:
Shaun of the Dead (2004) - 8,5 / 10
- Obschon keine absolute Low-Budget-Produktion hat Shaun of the Dead noch sämtliche Züge eines "selbstgemachten" Films, bei dem die Zombie-Statisten auch schon mal durch eine Ausschreibung in einem Fan-Forum zusammengetrommelt wurden. Wrights "offizielles" Kinodebüt ist eine burleske Verbeugung vor den Zombie-Klassikern eines George A. Romero, zugleich aber auch eine gute und eigenständige Freundschaftsgeschichte mit einem befriedigenden Ende. Wright übt seine visuellen und erzählerischen Mechanismen hier bereits auf hohem Niveau, sei es das Zusammenspiel zwischen der komödiantischen und der dramatischen Ebene, die Verbindung aus Bild und Musik, der ausgeprägte Humor oder der unverwechselbare Inszenierungsstil. Ein starkes Debüt eines noch stärkeren Geschichtenerzählers.
Hot Fuzz (2007) - 9 / 10
- Mit Hot Fuzz macht Wright genau dort weiter, wo er bei Shaun aufgehört hat, nicht umsonst ist der Film der zweite Teil in seiner berühmten Cornetto-Chronologie. Auch hier ist die liebenswürdige Verballhornung archetypischer Action- und Slasher-Mechanismen nur ein Aspekt eines grösseren Ganzen. Das Thema Freundschaft, erneut in authentischer Verkörperung durch Simon Pegg und Nick Frost, wird noch besser herausgearbeitet, die Geschichte ist clever und witzig mit einer Reihe an grandiosen Einfällen, wie der, eine ausgeklügelte Mordstory in Blitzesschnelle als falsche Fährte abzukanzeln. Ausserdem gibt der Film Wright zum ersten Mal die Gelegenheit, seine unterschätzte Meisterschaft als Actionregisseur im grösseren Stil zu beweisen.
Scott Pilgrim vs. The World (2010) - 10 / 10
- Scott Pilgrim ist neben Mulholland Drive mit Abstand mein meistgesehener Film der letzten Jahre, und das aus gutem Grund: Der Film ist absolut makellos und eröffnet bei jeder Sichtung neue Facetten seiner faszinierenden Unterhaltung. Wright greift tiefer denn je in seine visuelle Zauberkiste um physikalische, kausale und gesellschaftliche Gesetzmässigkeiten neu zu ordnen oder ganz aufzuheben und entwirft dabei eine Art utopische Coming-of-Age-Traumwelt, einen riesigen Jugendspielplatz. Der Kern ist eine anrührende Liebesgeschichte, die trotz oder gerade wegen ihres kindischen Willst-du-mit-mir-gehen-Charakters emotional wunderbar aufgeht und durchaus auch ernsthafte Aspekte verarbeitet. Natürlich gibt es trotzdem einiges zum Schmunzeln, mit Tricks und Absurditäten, die einem den Mund offenstehen lassen, sich aber plötzlich brillant in das Gesamtkonstrukt einfügen. Scott Pilgrim ist für mich einer der besten Filme aller Zeiten.
The World's End (2013) - 9 / 10
- The World's End ist ein Brett! Es ist, soweit sich das aus Interviews ableiten lässt, Wrights persönlichster Film, in dem er seine Erfahrungen beim Dreh von Hot Fuzz verarbeitet, nämlich das Gefühl aus Vertrautheit und Entfremdung bei der Rückkehr an den Ort seiner Jugenderinnerungen. Und da ist eigentlich müssig zu erwähnen, dass es wieder sowohl eine trickreich-komödiantische als auch eine dramatisch-anspruchsvolle Ebene gibt, die sich beide wunderbar ineinander verflechten. Die Konfrontation zwischen Pegg und Frost am "Ende der Welt" ist eine der erschütterndsten Szenen überhaupt in der Art, wie sie nach langer und sorgsamer Vorbereitung die gesamte Tragik von Peggs Charakter offenlegt und erneut und abschliessend das Freundschaftsmotiv mit einbindet, geht aber dennoch zärtlich-humoristisch über die Bühne. Wright spielt seine Stärken mit einer Leichtigkeit aus, dass es eine Freude ist.
Baby Driver (2017) - 8 / 10
- Mit Baby Driver gelang Wright zum ersten Mal auf Anhieb einen grossen Kinohit, und das mag ich ihm natürlich gönnen. Der Film ist noch meilenweit davon entfernt, ein verwässernder Kompromiss zu sein, aber ich halte ihn dennoch für Wrights oberflächlichste Arbeit, was zugegebenermassen Jammern auf sehr hohem Niveau ist. In erster Linie ist die Kreuzung aus Heist-Movie, skurrilem Rennfahrerabenteuer, exzentrischem und mal wieder stilvoll durchgetaktetem Musikfilm und Liebesgeschichte nämlich ein launiger Kinospass und absolut typisch für seinen Regisseur.
Neben einer Dokumentation über die Rockband Sparks arbeitet Wright derzeit an einem britischen Horrorfilm, der von Roman Polanskis Repulsion und Nicholas Roegs Don't Look Now inspiriert sein soll, und an einer Fortsetzung zu Baby Driver. Während ich mich auf des Meisters Ausflug ins Gruselgenre freue und gespannt bin, was uns da erwartet, begegne ich dem Sequel, von dem erst ein sehr früher Entwurf steht, aus Prinzip mit gesunder Skepsis. Wright war bisher sehr vernünftig, wenn es um Fortsetzungen oder gar Remakes ging, und hat diesem grauenhaften Ansinnen stets einen Riegel vorgeschoben. Wenn Wright den Film aber von Grund auf nach seinen Vorstellungen gestaltet, was bei seinem Vorwerk und seiner Einstellung zu seinen Filmen sicher zu erwarten ist, lasse ich mich aber gerne davon überzeugen, auch wenn ich mir die Notwendigkeit für einen Baby Driver 2 derzeit gar nicht vorstellen kann, am ehesten noch als eine Art Stand-Alone-Sequel, vielleicht sogar ohne Baby Driver im Titel.
Und hiermit übergebe ich das Wort ans Forum.
In der Filmwelt hat Wright, der seine Kunst schon in sehr jungen Jahren im Fernsehen und mit Amateurfilmen geübt hat, zumindest deutliche Spuren hinterlassen. Seine Choreografie aus Bild und Ton, bzw. das Zusammenspiel von Schnitt und Bewegungen mit Musik und ausgefeiltem Sounddesign, sucht seinesgleichen, ebenso die meisterliche Kombination aus Action, Humor, visuellen Kunstgriffen und zärtlich-fantasievoller Lebensstudie. Ich hoffe zumindest, dass wir in den kommenden Jahren und Jahrzehnten noch einiges von dem verspielten Künstler mit der Lockenmähne zu sehen bekommen werden.
Edgar Wrights Kinofilme:
2004: Shaun of the Dead
2007: Hot Fuzz
2010: Scott Pilgrim vs. The World
2013: The World's End
2017: Baby Driver
Weitere Punkte in seinem Arbeitsnachweis sind unter anderem der im zarten Alter von 21 Jahren fast ohne jegliches Budget gedrehte Amateurfilm A Fistful of Fingers, die Gesamtheit der englischen TV-Serien Asylum und Spaced, der Kurzfilm Don't, der als Fake-Trailer zum Grindhouse-Projekt von Robert Rodriguez und Quentin Tarantino gehört, das Drehbuch zu Steven Spielbergs Tim & Struppi, und eben der Marvel-Film Ant-Man, der in der Drehbuchentwicklung und Vorproduktion noch komplett von Wright kontrolliert wurde und den er erst kurz vor Drehbeginn verlassen hat.
Edgar Wright in Zahlen:
Shaun of the Dead (2004) - 8,5 / 10
- Obschon keine absolute Low-Budget-Produktion hat Shaun of the Dead noch sämtliche Züge eines "selbstgemachten" Films, bei dem die Zombie-Statisten auch schon mal durch eine Ausschreibung in einem Fan-Forum zusammengetrommelt wurden. Wrights "offizielles" Kinodebüt ist eine burleske Verbeugung vor den Zombie-Klassikern eines George A. Romero, zugleich aber auch eine gute und eigenständige Freundschaftsgeschichte mit einem befriedigenden Ende. Wright übt seine visuellen und erzählerischen Mechanismen hier bereits auf hohem Niveau, sei es das Zusammenspiel zwischen der komödiantischen und der dramatischen Ebene, die Verbindung aus Bild und Musik, der ausgeprägte Humor oder der unverwechselbare Inszenierungsstil. Ein starkes Debüt eines noch stärkeren Geschichtenerzählers.
Hot Fuzz (2007) - 9 / 10
- Mit Hot Fuzz macht Wright genau dort weiter, wo er bei Shaun aufgehört hat, nicht umsonst ist der Film der zweite Teil in seiner berühmten Cornetto-Chronologie. Auch hier ist die liebenswürdige Verballhornung archetypischer Action- und Slasher-Mechanismen nur ein Aspekt eines grösseren Ganzen. Das Thema Freundschaft, erneut in authentischer Verkörperung durch Simon Pegg und Nick Frost, wird noch besser herausgearbeitet, die Geschichte ist clever und witzig mit einer Reihe an grandiosen Einfällen, wie der, eine ausgeklügelte Mordstory in Blitzesschnelle als falsche Fährte abzukanzeln. Ausserdem gibt der Film Wright zum ersten Mal die Gelegenheit, seine unterschätzte Meisterschaft als Actionregisseur im grösseren Stil zu beweisen.
Scott Pilgrim vs. The World (2010) - 10 / 10
- Scott Pilgrim ist neben Mulholland Drive mit Abstand mein meistgesehener Film der letzten Jahre, und das aus gutem Grund: Der Film ist absolut makellos und eröffnet bei jeder Sichtung neue Facetten seiner faszinierenden Unterhaltung. Wright greift tiefer denn je in seine visuelle Zauberkiste um physikalische, kausale und gesellschaftliche Gesetzmässigkeiten neu zu ordnen oder ganz aufzuheben und entwirft dabei eine Art utopische Coming-of-Age-Traumwelt, einen riesigen Jugendspielplatz. Der Kern ist eine anrührende Liebesgeschichte, die trotz oder gerade wegen ihres kindischen Willst-du-mit-mir-gehen-Charakters emotional wunderbar aufgeht und durchaus auch ernsthafte Aspekte verarbeitet. Natürlich gibt es trotzdem einiges zum Schmunzeln, mit Tricks und Absurditäten, die einem den Mund offenstehen lassen, sich aber plötzlich brillant in das Gesamtkonstrukt einfügen. Scott Pilgrim ist für mich einer der besten Filme aller Zeiten.
The World's End (2013) - 9 / 10
- The World's End ist ein Brett! Es ist, soweit sich das aus Interviews ableiten lässt, Wrights persönlichster Film, in dem er seine Erfahrungen beim Dreh von Hot Fuzz verarbeitet, nämlich das Gefühl aus Vertrautheit und Entfremdung bei der Rückkehr an den Ort seiner Jugenderinnerungen. Und da ist eigentlich müssig zu erwähnen, dass es wieder sowohl eine trickreich-komödiantische als auch eine dramatisch-anspruchsvolle Ebene gibt, die sich beide wunderbar ineinander verflechten. Die Konfrontation zwischen Pegg und Frost am "Ende der Welt" ist eine der erschütterndsten Szenen überhaupt in der Art, wie sie nach langer und sorgsamer Vorbereitung die gesamte Tragik von Peggs Charakter offenlegt und erneut und abschliessend das Freundschaftsmotiv mit einbindet, geht aber dennoch zärtlich-humoristisch über die Bühne. Wright spielt seine Stärken mit einer Leichtigkeit aus, dass es eine Freude ist.
Baby Driver (2017) - 8 / 10
- Mit Baby Driver gelang Wright zum ersten Mal auf Anhieb einen grossen Kinohit, und das mag ich ihm natürlich gönnen. Der Film ist noch meilenweit davon entfernt, ein verwässernder Kompromiss zu sein, aber ich halte ihn dennoch für Wrights oberflächlichste Arbeit, was zugegebenermassen Jammern auf sehr hohem Niveau ist. In erster Linie ist die Kreuzung aus Heist-Movie, skurrilem Rennfahrerabenteuer, exzentrischem und mal wieder stilvoll durchgetaktetem Musikfilm und Liebesgeschichte nämlich ein launiger Kinospass und absolut typisch für seinen Regisseur.
Neben einer Dokumentation über die Rockband Sparks arbeitet Wright derzeit an einem britischen Horrorfilm, der von Roman Polanskis Repulsion und Nicholas Roegs Don't Look Now inspiriert sein soll, und an einer Fortsetzung zu Baby Driver. Während ich mich auf des Meisters Ausflug ins Gruselgenre freue und gespannt bin, was uns da erwartet, begegne ich dem Sequel, von dem erst ein sehr früher Entwurf steht, aus Prinzip mit gesunder Skepsis. Wright war bisher sehr vernünftig, wenn es um Fortsetzungen oder gar Remakes ging, und hat diesem grauenhaften Ansinnen stets einen Riegel vorgeschoben. Wenn Wright den Film aber von Grund auf nach seinen Vorstellungen gestaltet, was bei seinem Vorwerk und seiner Einstellung zu seinen Filmen sicher zu erwarten ist, lasse ich mich aber gerne davon überzeugen, auch wenn ich mir die Notwendigkeit für einen Baby Driver 2 derzeit gar nicht vorstellen kann, am ehesten noch als eine Art Stand-Alone-Sequel, vielleicht sogar ohne Baby Driver im Titel.
Und hiermit übergebe ich das Wort ans Forum.