Maibaum hat geschrieben:Der direkte Vergleich ist natürlich schwierig. Maier mit Schumacher zu vergleichen fällt nicht leicht, und wenn ich da für Maier stimme ist das wahrscheinlich wenig rational.
Rummenigge gehörte damals zu den ganz Großen und auch Breitner war noch immer sehr gut. Aber Beckenbauer, Overath, Netzer und Müller stehen für mich über diesen.
Genau so wenig rational würde ich eigentlich auch pro Schumacher votieren, aber ich hab mich dann doch zurückgepfiffen – du weißt schon: der absurde Versuch Objektivität walten zu lassen.
Overath UND Netzer ist aber auch unfair, da beide praktisch nie zusammen spielten (und die paar mal als sie es taten ging es dann ja auch furchtbar in die Hose). Sonst muss ich dann auch noch Bernd Schuster mit aufnehmen (wenngleich hier das Zusammenspiel mit Breitner auch nie so wirklich geklappt hat) und auf dem Paper halte ich Paul und Bernd für die bessere Kombi als Overath und Netzer (das würde mir international wohl auch überall abgesegnet werden, während in Deutschland Overath und Netzer ein deutlich höheres Ansehen geniessen als Mao-Paul und Gabys Bernd). Bei Rummenigge sehe ich als Außenstürmer weit und breit keine deutsche Konkurrenz, wobei ich zugebe dass wenn man ihn gegen Mittelstürmer Gerd Müller stellt er nur den zweiten Platz belegt. Aber er war halt auch kein Mittelstürmer.
Aber ich denke wir sind uns weitgehend einig, dass beide Generationen (72-74 und 80-82) über bemerkenswerte Ausnahmekönner verfügten, bemerkenswert selbst in der weitgehend ruhmvollen Geschichte deutscher Nationalmannschaften.
Maibaum hat geschrieben:
Witzig, an Dremmler kann ich mich als einzigen überhaupt nicht mehr erinnern.
Wobei Dremmler kurioserweise einer der wenigen 82er ist, deren tatsächliche Leistung beim Turnier in Spanien eigentlich stärker war als seine „Papierform“. Dremmler war meiner Meinung nach einer der besten deutschen Spieler 1982, vor allem einer der konstantesten. Sehr passsicher und zweikampfstark, mit guter Übersicht beim Aufbau.
Maibaum hat geschrieben:
Ein wirklicher dauerhafter Tiefpunkt war aber die Zeit nach Sammers verletzungsbedingt viel zu frühem Karriere Ende, also die etwas schlappe WM Truppe von 1998, und der wundersamen Wiederauferstehung bei der WM 2006. Witzigerweise wurde in dieser Zeit trotzdem ein WM Finale erreicht (allerdings in einer qualitativ sehr enttäuschenden WM), während die konstante spielerische Klasse seit 2006 zwar zu 4 Halbfinalen hintereinander, aber zu bislang keinem Titel führte.
Das sehe ich ähnlich. 2002 wird häufig in einem Atemzug mit 1986 genannt. Das mag oberflächlich richtig sein, trifft den Kern aber in sofern aber auch wieder überhaupt nicht, da mit Ausnahme der Kantersiegs gegen drittklassige Saudis die Völlertruppe kein einziges spielerisch ansprechendes Spiel bot – ganz im Gegensatz zur Beckenbauer-Truppe, die mehrmals im Turnier durchaus auch spielerisch überzeugen konnte. Ebenfalls war die Qualität der 86er Truppe auf dem Papier eine ganz andere als die sich weitgehend aus besseren Bundesliga-Spielern rekrutierende 2002er Mannschaft.
Für mich begann der Abstieg des deutschen Fussballs jedoch schon mit der Demission von Beckenbauer. Vogts erwies sich letztlich nur als ideen- und mutloser Verwalter des Beckenbauerschen Erbes, was sich darin äußerte, dass viele der 1990er Mannschaft bis weit über ihr Verfallsdatum berücksichtig wurden und Vogts (in Analogie zu Löw) zudem nicht in der Lage war mit selbstbewussteren und unbequemeren Charakteren wie Effenberg oder Basler umzugehen. Statt dessen vertraute er auf solide, einschätzbare Spieler wie Helmer oder Eilts und auf nicht unbedingt für ihre Siegermentalität bekannte Figuren wie Andy Möller oder Thomas Hässler. Das es dennoch zum EM-Titel 1996 reicht sieht auf den ersten Blick wie ein Widerspruch aus, ist es aber letztlich nicht wirklich, da der Titel zu einem nicht unbeträchtlichen Teil der Siegermentalität eines Matthias Sammers und – so ungern ich dies schreibe – Jürgen Klinsmanns (der sich ganz opportun im Laufe der Jahr vom Vogts-Kritiker zu dessen rechter Hand gewandelt hatte) zu verdanken ist und eben weit weniger der von Vogts immer propagierten Idee „der Star ist die Mannschaft“. Daher stimme ich deiner Einschätzung auch zu, dass Sammers „Kniefall“ einen entscheidenden Wendepunkt im Niedergang des deutschen Fussballs darstellt – allerdings in der Form, dass dadurch der Niedergang nach dem Zwischenhoch EM 96 fortgesetzt wurde, da jetzt der Vogtsche Ansatz (überaltete Spieler, pflegeleichte limitierte Spieler, das Fehlen einer mittelfristigen Linie, der Verzicht auf Ausnahmekönner) wieder voll zum Tragen kam.
Die aktuelle Generation (rechnen wir großzügig die WM 06 mal noch mit dazu) krankt meiner Meinung vor allem daran, dass ihr Spielertypen mit einer echten Siegermentalität und eisernem Willen fehlen. Führungsspieler wenn man so will. Es zieht sich wie ein roter Faden durch die komplette Ära Klinsmann/Löw, dass die Mannschaft sobald sie unter Druck gerät nicht mehr in der Lage ist ihr zuvor gezeigtes Leistungsniveau abzurufen. Zu nennen wären da natürlich die Spiele gegen Spanien 08 und 10 und gegen Italien 12. Aber eben auch ein Spiel wie gegen England 10, welches mit einem 4:1-Endergebnis zwar beeindruckend klingt, in welchem die deutsche Mannschaft aber auch nach einem furiosen Start und einer 2:0-Führung nach dem unerwarteten Gegentreffer fast in sich zusammenfiel und den Ausgleich nur dank der „Wembleytor-Revanche“ vermeiden konnte. 30 Minuten glich das deutsche Team eher einer mutlosen Schülermannschaft bis sie nach dem zu diesem Zeitpunkt dann ebenfalls unerwarteten 3:1 wieder zur alten Souveränität zurückfanden. Das 4:4 gegen Schweden in der laufenden Quali weist ein ganz ähnliches Muster auf. Oder die Zitterspiele gegen Österreich 08, gegen Ghana 10 oder Dänemark 12, als man ebenfalls jegliche Souveränität vermissen lies und ebenfalls jeweils mit einem Bein vor dem Turnier-KO stand. Mit dem Führungs-Team Löw/Bierhoff und den von ihnen bevorzugten „flachen Hierarchien“ sowie den von ihnen benannten „Führungsspielern“, die eigentlich nicht wirklich diesen Terminus erfüllen, ist ein Turniersieg in meinen Augen daher nicht möglich.