Re: Die Filme von Paul Verhoeven

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Ich hoffe sehr dass Elle auch bei uns läuft, im Moment habe ich noch nicht viel dazu gefunden. Ich würde dem ollen Verhoeven aber gerne eine Chance geben, nachdem ich von seiner halbgaren Sci-Fi-Groteske Total Recall damals eher enttäuscht war. Und Elle scheint ja eine ganz andere Art Film zu werden.
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Re: Die Filme von Paul Verhoeven

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GoldenProjectile hat geschrieben:VIERTER MANN, VIERTER MANN, VIERTER MANN

:)
Dieser Forderung unseres allseits beliebten Mods musst ich natürlich umgehend nachkommen und daher stand gestern Abend mal wieder Verhoevens Basic Instinct-Testlauf auf dem Programm :D :


Der vierte Mann (1983) – Paul Verhoeven

Bereits ein knappes Jahrzehnt vor seinem kontroversen Welterfolg Basic Instinct widmete sich Hollands Regie-Enfant Terrible Paul Verhoeven in Der vierte Mann einer vermeintlichen bzw. möglicherweise eiskalt mordenden blonden Sexbombe. Der Erotikthriller handelt von dem alkoholkranken homosexuellen Schriftsteller Gerard Reve, der es sich während einer Lesungsreise im „Nest“ der wohlsituierten und höchst attraktiven Witwe Christine bequem macht. Reve verfolgt dabei ganz eigene Absichten, die zu einem nicht unerheblichen Teil auf den jungen Freund von Christine abzielen und geht dafür eine sexuelle Beziehung mit ihr ein. Nach und nach macht er jedoch merkwürdige Entdeckungen über die Vergangenheit von Christine, die nicht weniger als dreimal verheiratet war, wobei jeder ihrer Ehemänner bereits nach kurzer Zeit das Zeitliche segnen mussten. Bildet sich Reve das nur ein oder ist Christine tatsächlich eine männermordende „schwarze Witwe“? Und wenn ja, ist er ihr nächstes Opfer, also der vierte Mann?

Wer angesichts meiner recht informativen inhaltlichen Zusammenfassung Angst vor Spoilern hat sei beruhigt: das Spiel um Christines Vergangenheit wird im Film ähnlich schnell in Gang gebracht wie im inoffiziellen „Sequel“ Basic Instinct. Und genau wie im berühmten Nachfolger lässt sich Verhoeven auch hier den ganzen Film über nicht in seine Karten schauen und streut munter etliche Hinweise, die beide Möglichkeiten zulassen – nämlich dass Christine tatsächlich eine Gattenmörderin ist oder dass Reve zunehmend seinen alkoholbenebelten Verstand verliert. Letztlich gibt nicht einmal das ambivalente Ende dem Zuschauer endgültige Gewissheit, welche Lesart denn nun die „richtige“ ist – auch dies ein immer wiederkehrendes Motiv in den Filmen des Holländers.

Dabei ist es vor allem Reves religiöse Bessesenheit, die Verhoeven genüsslich seziert und die er als Nährboden für die immer fantastischer werdende Geschichte nutzt. Die Inszenierung unterstreicht dies kongenial durch eine ganze Armada an symbolträchtigen Bildern und immerwiederkehrenden, zumeist religiösen Motiven. Hierbei erlaubte sich der zuvor von der Kritik als wenig gehaltvoller Filmemacher abgekanzelte Verhoeven einen ganz besonderen Spass, in dem er scheinbar unsinnig viel Symbolik in seinen Film einbaute, um den Kritikern damit eine lange Nase zu drehen (die prompt darauf reinfielen und Der vierte Mann gerade wegen seiner überbordenden Symbolik als Verhoevens mit Abstand reifstes und gehaltvollstes Werk bis dato einstuften). Darüberhinaus dient jedoch tatsächlich jeder dieser Momente der Handlung und der Figurenentwicklung und weist den Zuschauer weiter in die vom Regisseur beabsichtigte Richtung.

Neben der großartigen Inszenierung ist Der vierte Mann auch darstellerisch eine echte Sternstunde des holländischen Kinos und bis in die Nebenrollen hinein superb besetzt. Dabei weiss vor allem Renee Soutendijk als undurchsichtige und gefährlich erotische Christine zu überzeugen. Den schauspielerischen Vogel schiesst jedoch der spätere Bond-Bösewicht Jeroen Krabbe ab, der eine sagenhafte Performance als zwischen Wahn und Realität hin- und herpendelnde Hauptfigur abliefert und dabei die bemerkenswerte Leistung vollbringt seinen durch und durch verabscheuungswürdigen Charakter dennoch als absolute Identifikationsfigur des Films zu spielen.

Der vierte Mann ist nicht nur der frühe „Vorgänger“ von Basic Instinct, sondern geht in vielen Dingen sogar noch einen ganzen Schritt weiter. So ist er noch dunkler und unberechenbarer als sein namhafter Nachfolger und bietet innerhalb Handlung und Figuren noch mehr ambivalenten Interpretationsspielraum. Durch die überbordende, aber immer zweckdienliche Symbolik und den religiösen Subtext erhält der Film zudem eine Tiefe, die ihn erkennbar von seinem schickeren und hochglänzenderen Pendant abgrenzt.

Wertung: 9 / 10

"Ihr bescheisst ja!?" - "Wir? Äh-Äh!" - "Na Na!"