Re: Die Filme von Paul Verhoeven

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Ja, SF hat hier einen ähnlich großen Stellenwert wie in Hitchcocks Vertigo, die Parallelen kommen nicht von ungefähr. Auch Verhoevens Spiel mit Motiven aus dem Film Noir und natürlich Sharon Stone als ultimaltive Femme Fatale - blond natürlich - evozieren klassische wiederkehrende Muster des Großmeisters. Ob Hitchcock den offenen Umgang mit Sex, bzw. Sex als Waffe in dieser Form gutgeheißen hätte? Schwere Frage, denn schließlich ist auch Frenzy, der deutlich nach der Abschaffung des Prduction Codes entstanden ist, gemessen am Standard der Zeit (Peckinpahs Straw Dogs, Kubricks Clockwork Orange) On Screen recht „brav“ geraten. Ich denke Hitchcock arbeitete vorwiegend allegorisch, BI wäre ihm vermutlich etwas zu frontal und vulgär gewesen.

Re: Die Filme von Paul Verhoeven

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vodkamartini hat geschrieben: 9. Februar 2023 15:07 Jan de Bont ist ein Könner, was leider oft übersehen oder nicht erwähnt wird.
Finde nicht, dass er übersehen wird. Als Director of Photography hat er sich einen sehr guten Ruf erarbeitet und war Anfang der 90er in Hollywood völlig zu recht einer der gefragtesten Kameramänner. Seinen Ruf hat er sich eher durch seine Regie-Ambitionen kaputt gemacht, denn als Regisseur ist er in meinen Augen unterdurchschnittlich. Speed und Twister mögen Hits gewesen sein, für besonders gut inszeniert halte ich sie nicht. Beim Rest seines Regie-Oeuvres geht handwerklicher Unterdurchschnitt dann auch einher mit kommerzieller Unterwältigung. Da er auch danach (also nachdem er als Regisseur gescheitert war) nie wieder ernsthaft eine Rückkehr in das Metier, in welchem er es zu Weltklasseniveau gebracht hat, in Erwägung gezogen hat ist es wenig verwunderlich, dass er mittlerweile hauptsächlich als Regisseur vergessenswerter Wegwerf-Blockbuster in Erinnerung geblieben ist. Ich schätze ihn als Kameramann sehr, aber seine Regie-Ambitionen haben ihn letztlich Karriere und (einen Teil vom) Ruf gekostet.

craigistheman hat geschrieben: 10. Februar 2023 12:36 Ob Hitchcock den offenen Umgang mit Sex, bzw. Sex als Waffe in dieser Form gutgeheißen hätte? Schwere Frage, denn schließlich ist auch Frenzy, der deutlich nach der Abschaffung des Prduction Codes entstanden ist, gemessen am Standard der Zeit (Peckinpahs Straw Dogs, Kubricks Clockwork Orange) On Screen recht „brav“ geraten. Ich denke Hitchcock arbeitete vorwiegend allegorisch, BI wäre ihm vermutlich etwas zu frontal und vulgär gewesen.
Frenzy war in seiner Urversion ("Kaleidoscope") von Hitch wesentlich drastischer und freizügiger geplant, was er aufgrund der fehlenden Unterstützung von Universal dann in den deutlich massenkompatibleren Frenzy wie wir ihn kennen modifizierte. Von daher denke ich eher, dass Hitch Gewalt und Sex filmisch nie so umsetzen konnte, wie er es gerne getan hätte und durchaus Gefallen hätten finden können an Verhoevens freizügiger Verbeugung vor seinem eigenen Vertigo.
"Ihr bescheisst ja!?" - "Wir? Äh-Äh!" - "Na Na!"

Re: Die Filme von Paul Verhoeven

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Sehe ich wie Anatol: Jan de Bont als Kameramann wird auch heute noch gerne sehr explizit gelobt im Zusammenhang mit "Basic Instinct", "Türkische Früchte", "Stirb langsam" oder "Black Rain". Aber der negativere Ruf resultierte dann aus seinen Regie-Arbeiten. "Speed" mag ich, der hat was, aber so richtig toll inszeniert ist er sicher nicht, schlimm ist dann sämtlicher Quatsch danach. Sein "Tomb Raider"-Sequel ist lupenreiner Trash, leider der schlimmstmöglichen Sorte.
https://filmduelle.de/

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Re: Die Filme von Paul Verhoeven

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Ja, sein Ruf hat hauptsächlich wegen seiner Regie-Arbeiten gelitten, aber ich finde schon, dass er immer ein wenig im Schatten seiner Regisseure stand. Gerade bei BI spricht niemand von einem "DeBont-Look", sondern jeder von einem Verhoeven und einem Stone-Film. Über Speed lass ich übrigens nichts kommen. Das ist ein Brett. Den hab ich damals im Kino genossen, nichts erwartet und dann sowas.
http://www.vodkasreviews.de

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Re: Die Filme von Paul Verhoeven

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AnatolGogol hat geschrieben: 10. Februar 2023 13:28 Frenzy war in seiner Urversion ("Kaleidoscope") von Hitch wesentlich drastischer und freizügiger geplant, was er aufgrund der fehlenden Unterstützung von Universal dann in den deutlich massenkompatibleren Frenzy wie wir ihn kennen modifizierte. Von daher denke ich eher, dass Hitch Gewalt und Sex filmisch nie so umsetzen konnte, wie er es gerne getan hätte und durchaus Gefallen hätten finden können an Verhoevens freizügiger Verbeugung vor seinem eigenen Vertigo.
Das ist mir neu, klingt spannend und wirft natürlich ein anderes Licht auf die Entstehungsgeschichte Frenzys. Werde mich einlesen. Schade, dass Universal wohl der Weitblick fehlte, Hitch in seinen Entscheidungen zu vertrauen. Ich meine, was befürchteten sie im Jahre 1972, inmitten New Hollywoods und bereits äußerst freizügiger Stoffe? Ich habe mal gelesen, das Hitch neben Kubrick für The Exorcist in Betracht gezogen wurde...

Re: Die Filme von Paul Verhoeven

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Casino Hille hat geschrieben: 10. Februar 2023 13:48 Sehe ich wie Anatol: Jan de Bont als Kameramann wird auch heute noch gerne sehr explizit gelobt im Zusammenhang mit "Basic Instinct", "Türkische Früchte", "Stirb langsam" oder "Black Rain". Aber der negativere Ruf resultierte dann aus seinen Regie-Arbeiten. "Speed" mag ich, der hat was, aber so richtig toll inszeniert ist er sicher nicht, schlimm ist dann sämtlicher Quatsch danach. Sein "Tomb Raider"-Sequel ist lupenreiner Trash, leider der schlimmstmöglichen Sorte.
:D Für Speed habe ich ebenfalls einen ausgeprägten Sweet Spot, so auch für Bigelows Point Break, der mir vor allem in der deutschen Synchro enormen Spaß bereitet. „Runter von meiner Welle! Versuch das ja nicht nochmal, du Geier...“
Ich würde sogar behaupten, der Reiz an Die Hard wird weniger durch McTiernans Regie, sondern mehr durch die harten Kontraste aus kühlen/harten - warmen/behaglichen Lichtstimmungen und die grandios dynamische Kamera de Bonts getragen. So erwacht das Nakatomi-Plaza in seiner ganzen (vermutlich gar nicht mal so an den Haaren herbeigezogenen) Vielfalt zum Leben.
In BI empfinde ich diese omnipräsente Weichzeichnung (ein leichtes Gleißen) als äußerst stimmungsvoll, ja geradezu geisterhaft wie auch in Vertigo - ein effektiver Kontrast zur sexuellen Schärfe/Aggression im Narrativ.

Re: Die Filme von Paul Verhoeven

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vodkamartini hat geschrieben: 10. Februar 2023 13:55 Über Speed lass ich übrigens nichts kommen. Das ist ein Brett. Den hab ich damals im Kino genossen, nichts erwartet und dann sowas.
Bei mir war es im Kino eher so: Unheimlich viel erwartet (Point Break und Vorablobeshymnen) und dann sowas: leicht überdurchschnittlicher Plastikblockbuster. :mrgreen: Für mich ist Speed daher auch sowas wie das endgültige Ende des von mir so geliebten Blockbusteractionkinos der 80er und frühen 90er.

craigistheman hat geschrieben: 10. Februar 2023 13:58 Ich meine, was befürchteten sie im Jahre 1972, inmitten New Hollywoods und bereits äußerst freizügiger Stoffe?
Lowbudget, unbekannte Darsteller, eine unappetitliche Geschichte sowie viel Sex und Gewalt plus Hitchs jüngste Flops: das war in Summe zuviel für Universal. :)
Schau mal hier rein, da wird die Geschichte gut zusammengefasst:
https://www.arte.tv/de/videos/052443-05 ... k-blow-up/
"Ihr bescheisst ja!?" - "Wir? Äh-Äh!" - "Na Na!"

Re: Die Filme von Paul Verhoeven

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craigistheman hat geschrieben: 10. Februar 2023 14:08 Ich würde sogar behaupten, der Reiz an Die Hard wird weniger durch McTiernans Regie, sondern mehr durch die harten Kontraste aus kühlen/harten - warmen/behaglichen Lichtstimmungen und die grandios dynamische Kamera de Bonts getragen. So erwacht das Nakatomi-Plaza in seiner ganzen (vermutlich gar nicht mal so an den Haaren herbeigezogenen) Vielfalt zum Leben.
Die Kombi McTiernan und de Bont ist das Geheimrezept, bei "Stirb langsam" eh, noch mehr aber bei "Jagd auf Roter Oktober", einem einer persönlichen Top-10-Lieblingsfilme. Es ist da genau wie du sagst: Die harten Kontraste und vor allem die Lichtsetzungen sind sensationell und bemerkenswert. Bei "Jagd auf Roter Oktober" ist es vor allem de Bont und seiner klugen Kameraführung zu verdanken, dass der Film enorm abwechslungsreich wirkt, obwohl ein Großteil der Szenen an Bord verschiedener U-Boote spielt, die jetzt per se alle erstmal relativ gleich ausschauen. :wink:
https://filmduelle.de/

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Re: Die Filme von Paul Verhoeven

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AnatolGogol hat geschrieben: 10. Februar 2023 14:15 Lowbudget, unbekannte Darsteller, eine unappetitliche Geschichte sowie viel Sex und Gewalt plus Hitchs jüngste Flops: das war in Summe zuviel für Universal. :)
Schau mal hier rein, da wird die Geschichte gut zusammengefasst:
https://www.arte.tv/de/videos/052443-05 ... k-blow-up/
Also genau dasselbe Ausgangsszenario wie 1960 bei Psycho... Haben die nicht gelernt? :D Danke dir für den Link!

Re: Die Filme von Paul Verhoeven

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Frenzy ist brav geraten?
Ich finde daß Frenzy recht drastisch geraten ist, und sehr schön zeigt wie frühere Hitchs ausgesehen hätten, wenn er dieselben Freiheiten gehabt hätte. Aber auch abgesehen davon war Hitchcock ja immer in seinen Gewaltdarstellungne auf der Höhe der Zeit. Gehörte zu denen die gerne immer wieder mal die Grenzen dessen ausloteten was gerade möglich war. Frenzy war sicherlich nicht der ultimative Gewaltschocker von 1971, aber das war glaube ich auch kaum die Ambition, aber verstecken muß er sich vor den anderen nicht. Da waren genügend Bilder drin die wenige Jahre zuvor so kaum möglich gewesen wären.

Und Kaleidoscope wäre doch soweit ich mich erinnere ein ganz anderer Film geworden, keine Variation von Frenzy. Muß ich wohl noch mal nachlesen

Re: Die Filme von Paul Verhoeven

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Maibaum hat geschrieben: 11. Februar 2023 15:22 Frenzy ist brav geraten?
Ich finde daß Frenzy recht drastisch geraten ist, und sehr schön zeigt wie frühere Hitchs ausgesehen hätten, wenn er dieselben Freiheiten gehabt hätte. Aber auch abgesehen davon war Hitchcock ja immer in seinen Gewaltdarstellungne auf der Höhe der Zeit. Gehörte zu denen die gerne immer wieder mal die Grenzen dessen ausloteten was gerade möglich war. Frenzy war sicherlich nicht der ultimative Gewaltschocker von 1971, aber das war glaube ich auch kaum die Ambition, aber verstecken muß er sich vor den anderen nicht. Da waren genügend Bilder drin die wenige Jahre zuvor so kaum möglich gewesen wären.

Und Kaleidoscope wäre doch soweit ich mich erinnere ein ganz anderer Film geworden, keine Variation von Frenzy. Muß ich wohl noch mal nachlesen
Deshalb meinte ich ja „gemessen an damaligen Standards” (gut, die von mir genannten Straw Dogs und Clockwork Orange repräsentieren nicht unbedingt den Grad filmischer Gewalt wieder, die 71-72 üblich war, sondern stechen durch ihre Drastik diesbezüglich eher hervor, hm wobei wenn ich mir The Godfather so ansehe...). Aber ja nehmen wir mal Peckinpahs Straw Dogs - da findet Vergewaltigung On Screen auf einem ganz anderen Level statt. Bei Hitchcock sehe ich da immer noch so etwas wie eine gesuchte Distanz zum Gezeigten, etwas künstliches - nicht, dass das irgendetwas über die Qualität seines äußerst gelungenen Thrillers aussagt.

Re: Die Filme von Paul Verhoeven

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Abgesehen davon daß beim Zeigen einer Vergewaltigung Distanz sicher keine Fehler ist, kann ich dir da nicht zustimmen. Ich finde da Frenzy kaum weniger drastisch als die Genannten, mit sehr unangenehmen Einstellungen. Jedenfalls ist er da nicht allzu weit zurück. Straw Dogs geht sicher weiter, aber wie gesagt, es ging sicher auch nicht darum die anderen zu übertreffen.

Re: Zuletzt gesehener Film

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Hollow Man
Na ja, es war vorherzusehen, dass Kevin Bacon als Klischee Mad Scientist der Bösewicht sein wird und Elisabeth Shue und Josh Brolin (ehrlich, ich glaubte zuerst Meg Ryan und Patrick Swayze) die Goodies. Zum Schluß noch die übliche Twists and Turns.
Für damalige Verhältnisse mit exzellenten CGI Effekte gute Umsetzung einer Neuinterpretation des uralten H.G. Wells Themas des "The Invisible".
EinScience Thriller halt, den man sich schnell mal mit Freunden anschaut, aber keine dauerhafte Wirkung hinterlässt.
7/10 Beruhigungsspritzen
Seine Zeit kam, immer wenn er Pillen nahm