Welcher ist der beste Film von Quentin Tarantino?

Reservoir Dogs
Insgesamt abgegebene Stimmen: 5 (15%)
Pulp Fiction
Insgesamt abgegebene Stimmen: 8 (24%)
Jackie Brown
Insgesamt abgegebene Stimmen: 1 (3%)
Kill Bill: Volume 1
Insgesamt abgegebene Stimmen: 2 (6%)
Kill Bill: Volume 2
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Death Proof: Todsicher
Insgesamt abgegebene Stimmen: 2 (6%)
Inglourious Basterds
Insgesamt abgegebene Stimmen: 7 (21%)
Django Unchained
Insgesamt abgegebene Stimmen: 2 (6%)
The Hateful Eight
Insgesamt abgegebene Stimmen: 2 (6%)
Once Upon a Time... in Hollywood
Insgesamt abgegebene Stimmen: 3 (9%)
Insgesamt abgegebene Stimmen: 34

Re: Die Filme des Quentin Tarantino

901
Interessant. Für mich funktioniert der Film auch eben dadurch so gut, dass die beiden mit ihren realen Abbildern wenig bis nichts zu tun haben, aber in der ganzen Aufmachung und Darstellung sehe ich das eben bei Groth nochmal stärker gegeben als bei Wuttke. Rein schon optisch und dadurch, dass Wuttke den Hitler-Sprech zwar parodierend, aber doch irgendwie nachahmend nutzt. Man merkt sofort: Das soll Adolf Hitler sein, wie auch immer er anders dargestellt ist, als das Original. Das sehe ich bei Groth / Goebbels eben nicht gegeben. Der könnte auch irgendjemand anders sein. Ist aber eigentlich eine sinnlose Diskussion, wir haben ja festgestellt, dass das für die meisten von uns so eigentlich ganz gut funktioniert. :D
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Re: Die Filme des Quentin Tarantino

902
Boah, bei euch kommt man ja echt kaum nach mit lesen, geschweige denn schreiben.
AnatolGogol hat geschrieben: 18. Januar 2020 18:46 Da hat er ja aber eigentlich fast keine andere Wahl, zum einen weil er kurz vorm Auffliegen ist und zum anderen, weil er als Offizier solch ein wiederholt impertinentes Verhalten von einem Mannschaftsdienstgard nicht endlos tolerieren kann und darf. Vermutlich wäre Diehl erst recht stutzig geworden, wenn ein SS-Offizier nach den wiederholten und ganz offensichtlich unerwünschten Aufdringlichkeiten immer noch freundlich und zivil geblieben wäre.
Das stimmt, aber da hätten natürlich auch die Herren Obersturmführer München und Frankfurt helfend einspringen können - was zumindest Schweiger dann ja auch tut, und sein Eingreifen hätte bestimmt auch locker den besoffenen Fehling zum Schweigen gebracht, aber es hat halt niemand damit gerechnet, dass hinterm Eck der scharfsinnige Diehl lauert und alles mithört. Fassbender hätte ja auch nicht ausgerechnet den ranghöchsten Schutzstaffler mimen müssen, da hätte er sich auch einen Gefallen getan wenn z.B. der besonnene Burkhard diese Rolle übernommen hätte.

Übrigens, spassige Diskussion zu einer meiner Lieblingsszenen in einem meiner Lieblingsfilme!
AnatolGogol hat geschrieben: 18. Januar 2020 18:46 Und um dann doch noch ein bisschen Zitatkenntnis in den Raum zu schmeissen, eines meiner Lieblingszitate aus dem Film ist:
"Wer oder was ist ein Gefreiter Butz!?" :lol:
Wie ich eh finde, dass Wuttkes erste Szene mit die besten Dialogperlen aufzuweisen hat. Allein die Golem-Stelle ist pures Gold. :D
Das ist tatsächlich der Brüller, aber der ganze Film ist ja ein ausuferndes Massaker legendärer Zitate in allen möglichen Sprachen. :D
dernamenlose hat geschrieben: 18. Januar 2020 19:39 Genau. Dass die anderen sie im Finale nicht dabei haben wollen ist vollkommen legitim. Was sie dem Autobesitzer aber sagen (und sie damit eventuell sogar in Gefahr bringen) geht einfach gar nicht. Da ist dann sämtliche Sympathie bei mir flöten gegangen.
Da sind wir voll auf einer Wellenlänge. Es ist nicht matchentscheidend bzw. filmentscheidend, aber es ist ein unnötig mieses erklärender Handlungselement, das dem Schlussakt bei genauerer Überlegung zumindest einen bitteren Beigeschmack gibt.
Nico hat geschrieben: 18. Januar 2020 21:34 (Maibaums Gesicht war Gold wert)
"Wie oft habt ihr den Film gesehen?! :)
Nico hat geschrieben: 18. Januar 2020 21:34 Ich sehe das fast alles genau so wie GP mit dem kleinen Unterschied, dass ich das tatsächlich auch immer als Dialekt interpretiert hatte... Wenn Hickox also sagt „In meinem Dorf sprechen alle so“, dann meint er damit auch genau diesen Dialekt / Akzent. Nicht, dass jeder in dem Dorf diesen Akzent hätte, wenn er versucht, Hochdeutsch zu sprechen. Hab ehrlich gesagt nie an deine Sichtweise gedacht, sie ergibt aber auch Sinn...
Am Fusse des Piz Palü (irgendwo im Engadin in Anatols Lieblingskanton) würde aber niemand naturgemäss Hochdeutsch sprechen, sondern wie gesagt Italienisch oder zu dieser Zeit wohl eine oberengadinische Variante des Rätoromanischen mit Schweizerdeutschem Dialekt als Zweitsprache und Hochdeutsch nur als übergreifende Schriftsprache mit einem Akzent (ob der, den auch der irische Flötenmichel hat sei mal dahingestellt) wenn er "richtiges" Hochdeutsch reden will.

An alle Fans des Gefreiten Butz: Ist euch bekannt bzw. aufgefallen, dass Sönke Möhring später als "Scharführer Walter Fratzer" mit seiner französischen Freundin ("Amour, Babette") auf Autogrammjagd beim Schützen Zoller geht? Das ist auch so eine kuriose Doppelbesetzung. Davon gibt es noch mehr: Samm Levine spielt nicht nur einen von Pitts tumben Schlägern (derjenige, der unter anderem den verängstigten Kameraden des Gefreiten Butz zuerst fertigmacht und dann über den Haufen schiesst) sondern auch den Maler, der im Hintergrund gerade ein Bildnis von Hitler anfertigt während dieser seinen bizarren Monolog über Golems zum Besten gibt.
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Re: Die Filme des Quentin Tarantino

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Nö, ist mir nie aufgefallen.
GoldenProjectile hat geschrieben: 19. Januar 2020 00:47 Am Fusse des Piz Palü (irgendwo im Engadin in Anatols Lieblingskanton) würde aber niemand naturgemäss Hochdeutsch sprechen, sondern wie gesagt Italienisch oder zu dieser Zeit wohl eine oberengadinische Variante des Rätoromanischen mit Schweizerdeutschem Dialekt als Zweitsprache und Hochdeutsch nur als übergreifende Schriftsprache mit einem Akzent (ob der, den auch der irische Flötenmichel hat sei mal dahingestellt) wenn er "richtiges" Hochdeutsch reden will.
Jaja, da hast du ja absolut recht! Die Frage ist nur, ob Micky das auch wusste. Erscheint mir ehrlich gesagt nicht sonderlich wahrscheinlich und das ist es, worauf ich hinaus wollte. Ich nehme Hickox also durchaus ab, in Unwissenheit über die Verbreitung und Varietäten der deutschen Sprache, in einer spontan dahingeschusterten Ausrede dem August klar machen zu wollen, dass in diesem Dorf alle so reden wie er.
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Re: Die Filme des Quentin Tarantino

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GoldenProjectile hat geschrieben: 19. Januar 2020 00:47 An alle Fans des Gefreiten Butz: Ist euch bekannt bzw. aufgefallen, dass Sönke Möhring später als "Scharführer Walter Fratzer" mit seiner französischen Freundin ("Amour, Babette") auf Autogrammjagd beim Schützen Zoller geht? Das ist auch so eine kuriose Doppelbesetzung. Davon gibt es noch mehr: Samm Levine spielt nicht nur einen von Pitts tumben Schlägern (derjenige, der unter anderem den verängstigten Kameraden des Gefreiten Butz zuerst fertigmacht und dann über den Haufen schiesst) sondern auch den Maler, der im Hintergrund gerade ein Bildnis von Hitler anfertigt während dieser seinen bizarren Monolog über Golems zum Besten gibt.
Das macht Tarantino ja öfter. In Kill Bill gibt es ja auch zwei größere Doppelbesetzungen. Interessant das einem das immer erst auffällt, wenn man es weiß.
"You only need to hang mean bastards, but mean bastards you need to hang."

Re: Die Filme des Quentin Tarantino

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GoldenProjectile hat geschrieben: 18. Januar 2020 02:01 Die Aktion - die etwas naive Mary-Rolle dem sehr dubiosen Redneck quasi auf dem Silbertablett zu präsentieren - ist schon ziemlich mies und geht potentiell weit über reine Spässchen unter Freundinnen hinaus
Mal angesehen davon, dass ich die Stelle viel zu köstlich (also very funny) finde, um mich darüber zu ärgern: die Szene ist gerade wegen ihres etwas gruseligen Untertons so interessant. Rosario Dawson mochte die Szene bei den Dreharbeiten gar nicht, aber Tarantino hat die in meinen Augen richtige Entscheidung getroffen, diese Szene drin zu lassen. Ich sehe in Death Proof von Vorne bis hinten einen intelligenten Film, der aus moderner Sicht die alten Rape and Revenge Filme der Grindhouse-Ära zitiert und postmodern weiterdenkt. Im Grande Finale wird der männliche sexuelle Aggressor dann ja schließlich nicht nur ermordet, sondern vergewaltigt. Der Sex bzw die Vergewaltigung findet in der Verfolgungsjagd statt, was im Dialog sogar klar ausgesprochen wird (ungewöhnlich deutlich für Tarantino). Der ganze Film ist voller kluger Kommentierungen des Rape & Revenge Genres - genauso verstehe ich auch die Szene, in der die naive Lee (Mary Ellie Windschild) dem Redneck für eine Fahrt mit dessen Wagen geopfert wird. Das ist ein äußerst makaberer Twist, aber darin steckt auch eine böse Wahrheit über diese Art des Kinos. Von daher ist es vermutlich gut, wenn es einigen hier sauer aufstößt, genau darum wird's gehen. Und auch aus inhaltlicher Sicht sehe ich da übrigens keine große Freundschaft zwischen den vier Frauen. Zoe, die selbst auch nicht die Klügste ist, wird gerne angehimmelt und zwischen ihr und Kim (?) besteht auch eine spürbare, unterschwellig sexuell-verspielte Anspannung. Kim und Abernathy sind beide auf ihre Art ähnliche Typen, die sich gegenseitig als Ruhepol oder Impulsgeberin brauchen - und in Lee jemanden gefunden haben, den sie ausnutzen können, um zu den "coolen" Leuten zu gehören, zu denen Lee Zugang hat. Eine Freundschaft sehe ich da nicht und das die anderen Lee nicht als vollwertigen Teil der Gruppe sehen, wird immer wieder deutlich. Gerade diese Dynamiken unter den Frauen sind für mich das zentrale und spaßigste Element an Death Proof. Dass sie die Lee letztlich als potenzielles Vergewaltigungsopfer zurücklassen, ist bitter, trifft aber keiner Ansicht nach als einer von vielen Genre-Kommentaren voll ins Schwarze.
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Re: Die Filme des Quentin Tarantino

906
Das sind interessante Erläuterungen zu Death Proof, die bei mir bisher nur teilweise ankamen. Allerdings ändert das an meinem Empfinden für die Szene wenig, weil sie auch dann nur auf der Meta-Ebene eines Kommentars zum Rape and Revenge Genres gut funktioniert. Ansonsten macht es die Hauptfiguren dennoch höchst unsympathisch und das verhindert eben mein Mitfiebern im Finale. So kann ich als außenstehender fast schon neutraler Zuschauer zwar einer herausragend gefilmten Actionsequenz folgen, bleibe aber distanzierter als es gut ist.
"You only need to hang mean bastards, but mean bastards you need to hang."

Re: Die Filme des Quentin Tarantino

907
Würde mich auch stark wundern, wenn jemand meiner Erläuterung wegen die Szene anders empfindet. Wie schon erwähnt habe ich kein Problem damit, wenn vermeintliche SympathieträgerInnen fragwürdige moralische Entscheidungen treffen oder schlicht absoluten Bockmist verzapfen - meistens fängt es doch da erst an spannend zu werden. Saubermänner sind schön und gut, aber es darf auch mal dreckig sein. Das ist aber alles eine Sache der Herangehensweise und auch des persönlichen Gefühls beim Schauen. Ich bin Quentin jedenfalls dankbar, dass er die zweite Frauengruppe nicht wie fälschlicherweise oft behauptet über die Misogynie des Rape & Revenge Kinos triumphieren lässt, sondern selbige gewissermaßen vorher selber ausleben. Das bringt eine schöne Ambivalenz und Doppelbödigkeit, die diesen Film klug macht und ihn nicht zum P.C.-Festival geraten lässt. Es ist eine fiese, hinterhältig verpackte Szene, die aber nicht nur die Konventionen des kommentierten Genres interessant neuordnet, sondern auch innerhalb dieses Films eine neue Perspektive eröffnet. Und somit funktioniert es auch als thematische Überleitung zur kommenden Nahtoderfahrung, die in den Auto-Analverkehr des Finale mündet.

In meinen Augen sind es Szenen wie diese, in denen Tarantino mehr leistet als mit seinem technischen Können zu überzeugen oder seinem filmenzyklopädischen Wissen anzugeben. Hier erweist er sich als intelligenter und mutiger Filmemacher, der nichts dem Zufall überlässt und sich mit einfachen Dingen nicht zufrieden gibt, der Schwarz-Weiß-Denken nicht gedankenlos bedient.
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Re: Die Filme des Quentin Tarantino

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Nico hat geschrieben: 18. Januar 2020 23:59 Da muss ich aber dann doch auch mal meine Verwirrung in den Raum werfen: Noch mehr als Hitler unterscheidet sich hier doch Goebbels vom Original. Wie Groth den darstellt, ist zwar ziemlich genial, aber niemand würde auch nur im Ansatz auf die Idee kommen, dass er Joseph Goebbels verkörpert, wenn man es nicht wüsste. Wie kannst du damit weniger ein Problem haben als mit dem Wuttke-Hitler?
Ich finde Groth hat die typischen Manierismen da schon ziemlich gut drauf. Vor allem durch das Gestikulieren, den rheinischen Dialekt und die leutselige Jovialität wird das Original wie ich finde schon gut getroffen. Klar, dass ist natürlich alles bis in Comic-hafte übertrieben, aber im Kern sind da viele Sachen, die man so oder so ähnlich gemeinhin auch dem echten Goebbels zuschreibt. Goebbels zu spielen ist aber eh keine besonders einfache Aufgabe, da der Kerl wohl auch in Echt eine ziemlich operettenhafte Persönlichkeit war. Das nachzuahmen gerät dann leicht in den Verdacht des Overactings, ich denke da beispielsweise an Moritz Bleibtreus Darstellung in Oskar Röhlers Jud Süss, in welchem er seine Interpretation auch zwischen übertrieben-lauter Jovialität und bitterböser Kaltblütigkeit anlegt. Von daher bin ich mir noch nicht mal so sicher, ob auch in Groth scheinbar so übertriebener Darstellung am Ende vielleicht nicht doch viel mehr von der Realität mit drin steckt, als man das glauben würde.

GoldenProjectile hat geschrieben: 19. Januar 2020 00:47
Da sind wir voll auf einer Wellenlänge. Es ist nicht matchentscheidend bzw. filmentscheidend, aber es ist ein unnötig mieses erklärender Handlungselement, das dem Schlussakt bei genauerer Überlegung zumindest einen bitteren Beigeschmack gibt.
Du meinst bitteren Nachgeschmack, weil dadurch die verbleibenden Mädels moralisch schlechter wegkommen? Spielt das überhaupt eine Rolle bei dem, was sie am Ende mit Stuntman Mike abziehen? Klar, Tarantino inszeniert das clever genug, dass die Mädels aufgrund der vorangegangenen 100 Minuten quasi das moralische Recht auf ihrer Seite haben, aber eigentlich haben sie das ja eben nicht weil sie in letzter Konsequenz auch nichts anderes machen als Mike, nämlich ihre Überlegenheit willkürlich ausspielen. Von daher spielt es für mich eigentlich auch keine Rolle mehr, dass sie das nervende Cheerleader-Mäuschen bei einem potenziellen Geistesverwandten der Hillbillys aus Boormans Deliverance abladen. Oder besser gesagt: es kündigt indirekt schon das Ende an, denn wenn die Tanten schon so skrupellos gegenüber ihrer eigenen Freundin vorgehen, dann sollte Mikes finales Schicksal auch niemanden mehr überraschen.
GoldenProjectile hat geschrieben: 19. Januar 2020 00:47 An alle Fans des Gefreiten Butz: Ist euch bekannt bzw. aufgefallen, dass Sönke Möhring später als "Scharführer Walter Fratzer" mit seiner französischen Freundin ("Amour, Babette") auf Autogrammjagd beim Schützen Zoller geht?
Ja, aber nicht optisch (der platinblondierte Möhring ist erstaunlich effektiv verändert worden), sondern aufgrund der typisch Möhringschen Aussprache. Ich glaub, die sprechen alle so in der Familie, der Wotan klingt auch genau so. :)
Nico hat geschrieben: 19. Januar 2020 00:56 Jaja, da hast du ja absolut recht! Die Frage ist nur, ob Micky das auch wusste. Erscheint mir ehrlich gesagt nicht sonderlich wahrscheinlich und das ist es, worauf ich hinaus wollte. Ich nehme Hickox also durchaus ab, in Unwissenheit über die Verbreitung und Varietäten der deutschen Sprache, in einer spontan dahingeschusterten Ausrede dem August klar machen zu wollen, dass in diesem Dorf alle so reden wie er.
Genau da hakt das Ganze dann auch für mich. Auch der in Dialekten und Akzenten nicht ganz so geübte Durchschnittsdeutsche kann normalerweise anhand der Aussprache ganz gut bestimmen, aus welchem Eck des Landes/Sprachraums jemand kommt. Vielleicht kann man keinen Schwaben vom Badener oder einen Sachsen vom Thüringer unterscheiden, aber zumindest kann man die Region gut zuordnen. Das gilt auch für Akzent beim (Versuch) Hochdeutsch (zu) sprechen, denn irgendetwas charakteristisches bleibt eigentlich immer übrig (sonst wäre es ja auch kein Akzent). Und die Art und Weise wie Fassbender spricht, lassen wir mal außen vor, ob es ihn nun als Brite verrät oder nicht, passt einfach zu keinem dieser übriggebliebenen Dialektcharakteristiken. Hinzu kommt, dass gerade Bewohner der schweizer Bergwelt gemeinhin ein recht starker Dialekt und entsprechend Akzent unterstellt wird. Das in Kombination mit der Aussage, dass im PizPalü-Kaff alle so sprechen ist dann wie ich finde einfach vollkommen unglaubwürdig. Daher frage ich mich an dieser Stelle eigentlich immer: ist Tarantino so clever, dass er das alles genau weiss und es bewusst einsetzt, um die Absurdität von Fassbenders Geschichte und damit letztlich die gesamte – recht dilettantisch aufgezogene – Operation Kino der Allierten weiter ins Lächerlich zu ziehen oder hat er einfach keine Ahnung davon und Fassbenders Geschichte soll ein besonders cleverer Ausbund an Kreativität sein. Ich bin hin und hergerissen, denn einerseits passt die erste Variante sehr gut dazu, dass die Alliierten und Aldos Kommandotrupp im Speziellen fast durchgängig als ziemliche Doofköppe dargestellt werden, aber andererseits macht die Drei-Finger-Bestellung dann eben wenig Sinn, da ja bereits zuvor eigentlich alles klar ist.

Casino Hille hat geschrieben: 19. Januar 2020 02:05 In meinen Augen sind es Szenen wie diese, in denen Tarantino mehr leistet als mit seinem technischen Können zu überzeugen oder seinem filmenzyklopädischen Wissen anzugeben. Hier erweist er sich als intelligenter und mutiger Filmemacher, der nichts dem Zufall überlässt und sich mit einfachen Dingen nicht zufrieden gibt, der Schwarz-Weiß-Denken nicht gedankenlos bedient.
Ich bin mir da nicht ganz so sicher wie du. Denn dafür funktionieren viele von Tarantinos Film im Hinblick auf die gezeigte Moral am Ende doch zu eindeutig. Klar, in IB werden die Amis als tumbe Holzköpfe dargestellt und der Nazi-Protagonist als das intellektuell turmhoch überlegene Cleverle, aber Ende obsiegt dann ja doch wieder das „Gute“ im Sinne eines eher einfachen Schwarz-Weiss-Moraldenkens. Nix gegen das Ende von IB, das ist super und absolut perfekt, spiegelt aber eben auch eine einfache Moral wieder, die sich häufig bei Tarantino finden lässt. Ob das nun die bösen Skalvenhalter sind, die ultracool niedergemäht werden, die hinterhältig-bösartigen Hippies, denen ordentlich der zensiert versohlt wird oder eben ein sadistischer Frauen-Mörder, der eine Kostprobe seiner eigenen Medizin verabreicht bekommt. Am Ende behält hier immer die Gruppe die Oberhand, die die allgemein gültige Moral auf ihrer Seite weiss. Klar, Tarantino lässt sie alle auch böse und ambivalent handeln, aber die übergeordnete Moral ist bei ihm eigentlich eher simpel geprägt. Von daher finde ich das Ende von DP dann doch nicht ganz so clever und intelligent wie du, wie ich mir auch nicht so sicher bin, dass er das Ende nicht eher als Verbeugung vor der Coolness des Subgenres wissen will denn als Quasi-Anprangerung von eben jenem.
"Ihr bescheisst ja!?" - "Wir? Äh-Äh!" - "Na Na!"

Re: Die Filme des Quentin Tarantino

909
AnatolGogol hat geschrieben: 18. Januar 2020 16:22

Das stimmt alles, aber der Knackpunkt ist doch, dass er als angeblich überzeugend den Deutschen geben kann. Das tut er aber eben nicht und von daher ist die Drei-Finger-Bestellung (welches die Krüger später nennt, mit dem er sich verraten hat) letztlich irrelevant, weil kein nativ Deutschsprachiger den Akzent von Fassbender überhören kann. Man kann die Szene höchstens so lesen, dass Diehl die ganze Zeit mit Fassbender & Co. spielt (was er in gewisser Weise ja auch fraglos tut), sich aber von Anfang an über dessen nichtdeutschen Hintergrund im Klaren ist.
Da ich den Film gerade noch einmal genossen habe, beteilige ich mich mal eben mit meiner unmaßgeblichen Meinung. So wie es für mich aussieht hat Diehl ihm dann doch die etwas merkwürdige Geschichte abgekauft, weniger aufgrund von Fassbenders Argumentation, als wegen der Bestätigung durch die zu dem Zeitpunkt unverdächtige Kruger, die ja noch dazu ein berühmter Star ist.
Und es ist dann eben die 3-Finger Bestellung die dann wieder alles kippen lässt.

Re: Die Filme des Quentin Tarantino

910
AnatolGogol hat geschrieben: 20. Januar 2020 10:02 Du meinst bitteren Nachgeschmack, weil dadurch die verbleibenden Mädels moralisch schlechter wegkommen? Spielt das überhaupt eine Rolle bei dem, was sie am Ende mit Stuntman Mike abziehen? Klar, Tarantino inszeniert das clever genug, dass die Mädels aufgrund der vorangegangenen 100 Minuten quasi das moralische Recht auf ihrer Seite haben, aber eigentlich haben sie das ja eben nicht weil sie in letzter Konsequenz auch nichts anderes machen als Mike, nämlich ihre Überlegenheit willkürlich ausspielen. Von daher spielt es für mich eigentlich auch keine Rolle mehr, dass sie das nervende Cheerleader-Mäuschen bei einem potenziellen Geistesverwandten der Hillbillys aus Boormans Deliverance abladen. Oder besser gesagt: es kündigt indirekt schon das Ende an, denn wenn die Tanten schon so skrupellos gegenüber ihrer eigenen Freundin vorgehen, dann sollte Mikes finales Schicksal auch niemanden mehr überraschen.
Auch wenn die "Moral" simpel sein mag, es macht für mich schon noch mal einen Unterschied ob die Mädels den grausamen Serienmörder abstrafen oder ob sie eine angebliche Freundin, einer der gegenüber sie zumindest nie etwas anderes zeigen, einfach mal so nebenbei dem fragwürdigsten Hillybilly als Belästigungsopfer auf dem Silbertablett schenken. Die Situation mit Stuntman Mike ergibt sich ja auch aus einer Provokation bzw. einem Mordversuch von seiner Seite, auch wenn die Verfolgungsjagd gewissermassen in zwei Teile gegliedert ist und die Mädels dann noch einmal separat auf ihn losgehen. Als nervig oder unsympathisch habe ich die Cheerleaderin übrigens überhaupt nicht empfunden, aber sie ist ja auch Mary Elizabeth Winstead.
AnatolGogol hat geschrieben: 20. Januar 2020 10:02 Daher frage ich mich an dieser Stelle eigentlich immer: ist Tarantino so clever, dass er das alles genau weiss und es bewusst einsetzt, um die Absurdität von Fassbenders Geschichte und damit letztlich die gesamte – recht dilettantisch aufgezogene – Operation Kino der Allierten weiter ins Lächerlich zu ziehen oder hat er einfach keine Ahnung davon und Fassbenders Geschichte soll ein besonders cleverer Ausbund an Kreativität sein.
Interessante Frage, ich hätte eher auf letzteres getippt - denn wer soll das letztlich schon genau wissen? Lustigerweise ist es ja wirklich nur ein kleiner Bruchteil des Publikums, der in dieser Szene sprachlich alles genau nachvollziehen kann, wenn man vom deutschsprachigen Publikum noch das Synchronpublikum abzieht. Andererseits hat Tarantino bei der Szene mit den falschen Italienern humoristisch auch ins Schwarze getroffen, ohne eine Erklärung dass das schlecht sei, was die da verzapfen (wobei das zugegebenermassen natürlich auch für Nichtkenner leicht zu erraten ist, wie schrecklich sich die Italienischkenntnisse von Pitt und Roth anhören, der vermeintlich unkundige Omar liefert ja noch eine ganz anständige Aussprache).
Maibaum hat geschrieben: 20. Januar 2020 14:25 Da ich den Film gerade noch einmal genossen habe, beteilige ich mich mal eben mit meiner unmaßgeblichen Meinung. So wie es für mich aussieht hat Diehl ihm dann doch die etwas merkwürdige Geschichte abgekauft, weniger aufgrund von Fassbenders Argumentation, als wegen der Bestätigung durch die zu dem Zeitpunkt unverdächtige Kruger, die ja noch dazu ein berühmter Star ist.
Und es ist dann eben die 3-Finger Bestellung die dann wieder alles kippen lässt.
Das kommt natürlich auch noch dazu, zumal von Hammersmark ja intuitiv sehr gekonnt auf die Geschichte aufspringt ("Sein Bruder sieht wesentlich besser aus als er"). Wahrscheinlich kam einfach alles zusammen - Die einigermassen plausible und fürs Erste nicht nachprüfbare Erklärung Fassbenders, die detaillierten Kenntnisse des Riefenstahl-Films, Von Hammersmarks glaubwürdige Bestätigung - damit er für den Moment beruhigt war.

Wie gesagt, fragwürdiger ist eigentlich, dass Diehl, der angeblich fast jeden kennt, nicht nach drei Sekunden auf den berüchtigten Gestapo-Mörder Stiglitz aufmerksam wird. Den Film vermag das aber nicht zu beschädigen.
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Re: Die Filme des Quentin Tarantino

911
GoldenProjectile hat geschrieben: 20. Januar 2020 14:56 Die Situation mit Stuntman Mike ergibt sich ja auch aus einer Provokation bzw. einem Mordversuch von seiner Seite, auch wenn die Verfolgungsjagd gewissermassen in zwei Teile gegliedert ist und die Mädels dann noch einmal separat auf ihn losgehen.
Das ist ja denke ich auch die Intention Tarantinos das genau so dem Publikum darzureichen. Funktioniert bei mir aber trotzdem nicht, weil Stuntman Mike dafür eine viel zu coole Socke ist. Außerdem hat ER das moralische Recht in der ersten Hälfte auf seiner Seite nachdem wie die Hühner ihn in der Beiz abfällig behandelt haben. Und in der zweiten Hälfte wollte er ja eh nur ein bisschen spielen und die Reaktion der Amazonen ist entsprechend unverhältnismäßig. So sieht das nämlich aus! :mrgreen:
GoldenProjectile hat geschrieben: 20. Januar 2020 14:56Als nervig oder unsympathisch habe ich die Cheerleaderin übrigens überhaupt nicht empfunden, aber sie ist ja auch Mary Elizabeth Winstead.
Du nicht, ihre lieben Freundinnen ja aber offensichtlich schon. :wink:
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Re: Die Filme des Quentin Tarantino

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AnatolGogol hat geschrieben: 20. Januar 2020 10:02 Nix gegen das Ende von IB, das ist super und absolut perfekt
Ist es, auch wenn ich es immer ziemlich unverschämt und selbstgefällig empfand, dass Tarantino in die Kamera sagen lässt, es handle sich hier um sein Meisterwerk. Das Dumme daran: Es stimmt halt. :) Und gerade darum wird das Ende noch besser, weil er damit durchkommt.
AnatolGogol hat geschrieben: 20. Januar 2020 15:08 Du nicht, ihre lieben Freundinnen ja aber offensichtlich schon. :wink:
Dann sollten sie ihr sagen, dass sie nichts mit ihr zu tun haben wollen und anderswo einen auf cool machen gehen. Ich hänge ja auch nicht mit Leuten rum die ich gar nicht mag und liefere sie an irgendwelche Vergewaltiger aus, wenn ich gerade nicht mit ihnen rumhängen will... Ich nehme das weder besonders ernst noch verändert oder beschädigt es den Film für mich nennenswert, aber nüchtern für sich gesehen find ich die Szene ziemlich daneben und blöd, sie bringt dem Film auch nichts, weder finde ich sie irgendeiner Form lustig noch hilft sie mir - wie von dir vorgeschlagen, oder war es Hille? - die drei Gören in Bezug auf ihre Rache an Mike figürlich zu interpretieren, bzw. halte ich letzteres nicht für nötig.

Und wurde er besonders abfällig behandelt? Er stand doch nach einer gewissen Zeit in der Kneipe eher positiv im Mittelpunkt und mindestens die blonde McGowan hat sich ihm gegenüber doch tadellos benommen. Eine coole Socke ist er schon, aber auch eindeutig ein Serienkiller der ohne Grund ausser zum Vergnügen mordet.
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Re: Die Filme des Quentin Tarantino

913
AnatolGogol hat geschrieben: 20. Januar 2020 10:02
Casino Hille hat geschrieben: 19. Januar 2020 02:05 In meinen Augen sind es Szenen wie diese, in denen Tarantino mehr leistet als mit seinem technischen Können zu überzeugen oder seinem filmenzyklopädischen Wissen anzugeben. Hier erweist er sich als intelligenter und mutiger Filmemacher, der nichts dem Zufall überlässt und sich mit einfachen Dingen nicht zufrieden gibt, der Schwarz-Weiß-Denken nicht gedankenlos bedient.
Ich bin mir da nicht ganz so sicher wie du. Denn dafür funktionieren viele von Tarantinos Film im Hinblick auf die gezeigte Moral am Ende doch zu eindeutig. Klar, in IB werden die Amis als tumbe Holzköpfe dargestellt und der Nazi-Protagonist als das intellektuell turmhoch überlegene Cleverle, aber Ende obsiegt dann ja doch wieder das „Gute“ im Sinne eines eher einfachen Schwarz-Weiss-Moraldenkens. Nix gegen das Ende von IB, das ist super und absolut perfekt, spiegelt aber eben auch eine einfache Moral wieder, die sich häufig bei Tarantino finden lässt. Ob das nun die bösen Skalvenhalter sind, die ultracool niedergemäht werden, die hinterhältig-bösartigen Hippies, denen ordentlich der zensiert versohlt wird oder eben ein sadistischer Frauen-Mörder, der eine Kostprobe seiner eigenen Medizin verabreicht bekommt. Am Ende behält hier immer die Gruppe die Oberhand, die die allgemein gültige Moral auf ihrer Seite weiss. Klar, Tarantino lässt sie alle auch böse und ambivalent handeln, aber die übergeordnete Moral ist bei ihm eigentlich eher simpel geprägt.
Also: Einerseits sehe ich deinen Standpunkt absolut als berechtigt an. Tarantino hat in Filmen wie IB oder DU sicherlich kein Interesse daran, sich auf die Seite der Nazis oder Sklavenhalter zu schlagen - dafür sind seine Filme auch zu revisionistisch angelegt, ihm geht es um eine Art cineastische Aufwertung der Realität, und darin steckt sicherlich auch eine Form von moralischer Erzählung. In den heiligen Hallen des Kinos hat er die Möglichkeit, "die Dinge richtig zu stellen"... Wenn man diese Haltung seinerseits verstanden hat, dann ist das Ende von beispielsweise "Once Upon a Time... in Hollywood" auch keine allzu große Überraschung. Muss es auch nicht sein. Zudem fällt auf, dass eigentlich in all seinen Filmen am Ende das "Gute" obsiegt; selbst in RD und H8 fällt das auf, obwohl diese verhältnismäßig fatalistisch enden.

Andererseits gibt es da mehr als nur diesen Aspekt, zumindest fällt es mir schwer, hier bloß "einfaches Schwarz-Weiß-Moraldenken" zu sehen. Zumindest nicht vom jeweiligen Ausgang seiner Filmhandlungen her betrachtet - zustimmen würde ich dir eher bei der Ausgangslage, also bei der Art Stoffe, die er wählt. Wenn man seine Filme aber vom Schluss her aufdröselt, dann würde dir jeder Erzähler sagen, dass es schwierig ist eine glückende Dramaturgie so zu arrangieren, wenn im finalen Akt die unterdrückende Partei gewinnt. Tarantino schlägt sich in seinen Filmen immer auf die Seite der Unterdrückten oder "Untergebenen" (in Stoffen wie PF oder JB). Und das setzt im Kern auch einen Sieg dieser Protagonisten voraus. In meinen Augen ist das auf die Filme an sich bezogen keine moralische Überlegung, sondern eine erzählerische. In Death Proof sind die Frauen des zweiten Teils alleine schon durch unser filmisches Vorwissen in einer vermeintlich schwächeren Position - der Twist ist dann ja, dass sie sich im Gegenteil als die stärkere Partei herausstellen.

Wenn ich bei QT eine moralische Grundhaltung erkenne, dann wie erwähnt in der Auswahl seiner Stoffe. Er dreht keinen "Steiner", sondern einen "Inglourious Basterds". Wobei auch "Steiner" auf eine Art Moral hinsteuert, die sich letztlich ebenfalls durch die erzählerische Notwendigkeit herauskristallisiert, nach der die schwächere Partei (Steiner und seine Männer) sich einer Übermacht (den Russen) konfrontiert sehen.
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Re: Die Filme des Quentin Tarantino

914
GoldenProjectile hat geschrieben: 20. Januar 2020 15:58 Dann sollten sie ihr sagen, dass sie nichts mit ihr zu tun haben wollen und anderswo einen auf cool machen gehen. Ich hänge ja auch nicht mit Leuten rum die ich gar nicht mag und liefere sie an irgendwelche Vergewaltiger aus, wenn ich gerade nicht mit ihnen rumhängen will... Ich nehme das weder besonders ernst noch verändert oder beschädigt es den Film für mich nennenswert, aber nüchtern für sich gesehen find ich die Szene ziemlich daneben und blöd, sie bringt dem Film auch nichts, weder finde ich sie irgendeiner Form lustig noch hilft sie mir - wie von dir vorgeschlagen, oder war es Hille? - die drei Gören in Bezug auf ihre Rache an Mike figürlich zu interpretieren, bzw. halte ich letzteres nicht für nötig.
Das kann ich gut nachvollziehen, auch wenn ich persönlich die Situation im Kontext des Films tatsächlich witzig fand. Bei Tarantino ist halt alles möglich und eigentlich darf er in seinem ureigenen Genre und seinem Filmuniversum eigentlich auch alles und sei es noch so verwerflich „in der realen Welt“. Qunetins Filme sind tief verwurzelt im Exploitation- und Pulp-Kino und entsprechend laut, wüst, überzogen und jenseits von normalen Konventionen bewegen sich die Geschichten und Figuren dann auch. Betrachtet man Tarantinos Filme so, dann ist tatsächlich alles stimmig und es ist dann eher weniger zielführend einzlne Elemente auf dem Seziertisch mit der Realität zu vergleichen (wie z.B. alpenländische Akzente :) ). Aber wie gesagt kann ich dein Unbehagen in besagter Szene mit der cheerleadenden Mary Elizabeth gut nachvollziehen, so muss ich z.B. in IB beim Verhör von Richard Samel und angesichts Tarantinos Logik, wer alles als massakrierenswerter Nazi zu betrachten ist, auch etwas schlucken.
GoldenProjectile hat geschrieben: 20. Januar 2020 15:58Und wurde er besonders abfällig behandelt? Er stand doch nach einer gewissen Zeit in der Kneipe eher positiv im Mittelpunkt und mindestens die blonde McGowan hat sich ihm gegenüber doch tadellos benommen.
Zumindest hat es sich die blonde Rose nicht nehmen lassen sich in dessen Hörweite eher unvorteilhaft über den ollen Mike zu äussern:

Jungle Julia: [to Arlene] I think you got Mike laid tonight.

[the two of them laugh]

Jungle Julia: [to Stuntman Mike] Looking good, Cannonball Run!

Pam: He's just giving me a ride.

Jungle Julia: Oh, no doubt.

Arlene: [waves to them] Have a nice ride.

[they go back to laughing]

Pam: Look, double-fucks...

[she approaches them]

Pam: ...I am not gonna fuck him!

Stuntman Mike: [as he lights a cigarette] I can hear you!

[Jungle Julia and Arlene laugh and Pam approaches even closer]

Pam: He's old enough to be my da...

Stuntman Mike: I can still hear you!



Davon ab machen sich doch die Hühner in einer Tour über Mikes Aussehen, Narbe, Alter und Tischmanieren lustig. Und die alten Shows in denen er gedoubelt hat kennt auch keine! :mrgreen:
"Ihr bescheisst ja!?" - "Wir? Äh-Äh!" - "Na Na!"

Re: Die Filme des Quentin Tarantino

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Casino Hille hat geschrieben: 21. Januar 2020 10:55 Also: Einerseits sehe ich deinen Standpunkt absolut als berechtigt an. Tarantino hat in Filmen wie IB oder DU sicherlich kein Interesse daran, sich auf die Seite der Nazis oder Sklavenhalter zu schlagen - dafür sind seine Filme auch zu revisionistisch angelegt, ihm geht es um eine Art cineastische Aufwertung der Realität, und darin steckt sicherlich auch eine Form von moralischer Erzählung. In den heiligen Hallen des Kinos hat er die Möglichkeit, "die Dinge richtig zu stellen"... Wenn man diese Haltung seinerseits verstanden hat, dann ist das Ende von beispielsweise "Once Upon a Time... in Hollywood" auch keine allzu große Überraschung. Muss es auch nicht sein. Zudem fällt auf, dass eigentlich in all seinen Filmen am Ende das "Gute" obsiegt; selbst in RD und H8 fällt das auf, obwohl diese verhältnismäßig fatalistisch enden.

Andererseits gibt es da mehr als nur diesen Aspekt, zumindest fällt es mir schwer, hier bloß "einfaches Schwarz-Weiß-Moraldenken" zu sehen. Zumindest nicht vom jeweiligen Ausgang seiner Filmhandlungen her betrachtet - zustimmen würde ich dir eher bei der Ausgangslage, also bei der Art Stoffe, die er wählt. Wenn man seine Filme aber vom Schluss her aufdröselt, dann würde dir jeder Erzähler sagen, dass es schwierig ist eine glückende Dramaturgie so zu arrangieren, wenn im finalen Akt die unterdrückende Partei gewinnt. Tarantino schlägt sich in seinen Filmen immer auf die Seite der Unterdrückten oder "Untergebenen" (in Stoffen wie PF oder JB). Und das setzt im Kern auch einen Sieg dieser Protagonisten voraus. In meinen Augen ist das auf die Filme an sich bezogen keine moralische Überlegung, sondern eine erzählerische. In Death Proof sind die Frauen des zweiten Teils alleine schon durch unser filmisches Vorwissen in einer vermeintlich schwächeren Position - der Twist ist dann ja, dass sie sich im Gegenteil als die stärkere Partei herausstellen.

Wenn ich bei QT eine moralische Grundhaltung erkenne, dann wie erwähnt in der Auswahl seiner Stoffe. Er dreht keinen "Steiner", sondern einen "Inglourious Basterds". Wobei auch "Steiner" auf eine Art Moral hinsteuert, die sich letztlich ebenfalls durch die erzählerische Notwendigkeit herauskristallisiert, nach der die schwächere Partei (Steiner und seine Männer) sich einer Übermacht (den Russen) konfrontiert sehen.
Ich tue mich bei Tarantino halt wirklich schwer damit einzuschätzen, was in seinen Filmen jetzt wirklich kalkulierte Ambivalenz und was mehr oder weniger ein Abfallprodukt der stilisierten Coolness ist. Ich versuche es mal anhand eines Beispiels zu verdeutlichen: die geballte Mädelswelt in DP erfüllt ja fraglos die Aufgabe der Protagonisten und - wenn man in solch klassischen Kategorien bei einem Tarantino-Film überhaupt denken will - Identifikationsfiguren. Jetzt ist es aber so, dass die Mädels - und vor allem die in der ersten Hälfte - weissgott nicht die ganze Zeit positiv rüberkommen oder ich sage mal besser rüberkommen müssen. Denn neben der selbstbewussten Coolness mit der sie auftreten kann man durchaus auch eine ganze Menge Arroganz, Selbstverliebtheit, Überheblichkeit und Bösartigkeit (gerade beim so häufig zelebrierten "Ablästern") erkennen. Ähnlich verhält es sich auch in Hälfte 2 mit dem Höhepunkt in Form des von GP angeführten "Abschiebens" von Miss Winstead. Ist das jetzt von Tarantino Absicht, um bewusst eine klare schwarz/weiss bzw. gut/böse Charakterisierung zu vermeiden? Oder ist es eher so, dass Tarantino hier weitgehend bis ausschliesslich daran interessiert ist die Mädels möglichst cool und selbstbewusst in Szene zu setzen (ohne dass die negativ angeführten Punkte hier wirklich in seinem Sinn waren)? Für das Funktionieren des Films ist diese Frage unerheblich, aber im Zweifel tendiere ich eher in die Richtung, dass Tarantino in erster Linie an der Stilisierung seiner Figuren interessiert ist und das bedeutet Coolness rules. Kann sein dass ich ihm da Unrecht tue, aber die von dir ja auch angesprochene Auflösung seiner Filme im Sinne einer eher einfachen Moral passt für mich da besser dazu als zu einem durchorganisierten figürlichen grau in grau (wie z.B. beim Kollegen Verhoeven).
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