Re: Zuletzt gesehener Film

10531
Man kann durchaus auch die Themen Einsamkeit, Hoffnungslosigkeit, Perspektivlosigkeit in Banshees reininterpretieren und die Handlungen vom älteren Colm als Weckruf an den jüngeren Padraic betrachten, der ihm auf eindringliche Art und Weise den Rat mitgibt, etwas aus seinem noch vorhandenen Leben zu machen und der Insel und den Menschen den Rücken zuzukehren.
"Weiter rechts, weiter rechts ! ..... "

Re: Zuletzt gesehener Film

10532
Dass Colm im klinischen Sinne depressiv sein soll, ist völlig an mir vorbeigegangen.
"Wenn man sämtliche Schöpfungen des weißen Mannes von diesem Planeten entfernte, besäßen seine Ankläger weder Zeit noch Mittel, ja nicht einmal Begriffe, um ihn mit Vorwürfen zu überhäufen."

Re: Zuletzt gesehener Film

10533
Man kann in "Banshees of Inisherin" aber auch sehr viele Verweise auf den irischen Bürgerkrieg finden, die mal subtiler und mal weniger subtil sind. Zum Beispiel spielt kaum zufällig der 1. April im Film eine große Rolle, also genau das Datum, an dem die harte Grenze zwischen Nordirland und der Republik Irland errichtet wurde. Dass Colm sich zudem alle Finger an einer Hand abschneidet, haben viele als Symbol dafür erkannt, wie Irland einige seiner Grafschaften für den Frieden opfern musste. Die einzige prominente Frauenrolle, Siobhán, die auf das Festland geht, erinnert an den Exodus der Menschen aus Irland, die nach England, in die USA oder Frankreich flüchteten, um dem Blutvergießen zu entkommen. Dass Pádraic den Groll nicht aufgibt, obwohl Colm ihm in der Schlussszene sagen will, dass es jetzt vorbei sein könne und nicht so weitergehen muss, ist ebenfalls ein logisches Ende nach dieser Interpretation, verweist es doch auf das Freitagsabkommen, das Irland bis heute getrennt hält. Generell ist es so, dass man die "Banshees" wohl als Parabel für die Teilung Irlands verstehen muss, denn von Beginn an werden hier aus Freunden unerbittliche Feinde und niemand drum herum versteht, wieso eigentlich – nicht mal so wirklich die ehemaligen Freunde selbst.

Aber damit würde man nur an der Oberfläche kratzen. Es gibt da noch viel mehr zu entdecken im Film, in seinen Bildern, seinen Dialogen und seinen Motiven. Die Idee, dass es sich hier um einen depressiven Mann handelt, ist sicherlich Dreh- und Angelpunkt des Films, muss aber nicht die einzige Wahrheit sein. Es geht ja auch um den Konflikt zwischen der Sehnsucht nach Bestimmung und Außergewöhnlichkeit gegenüber der Gemütlichkeit des Immergleichen und Vertrauten. Und der Film erzählt viel über vermeintliche Ehrlichkeit und die Frage, wie viel Ehrlichkeit der Mensch als soziales Wesen sich leisten kann, will er Teil einer Gemeinschaft bleiben. Man kann den Selbstverstümmelungsaspekt (der Colm und seine künstlerischen Ambitionen in Teilen als Konstrukt offenbart) auch ausblenden und nur mal in den Dialogen der ersten Hälfte hören, was alles über Vermächtnisse und kulturelle Erinnerung geredet wird. Gerade der Streit zwischen Colm und Pádraic ist da ein absoluter Magic Moment, in dem beide sehr geistreiche Sätze sagen, die sie selbst aber nicht wirklich verstehen. Wenn man außerdem ein bisschen in irischer Kultur bewandert ist, ist es auch spannend zu überlegen, welche Rolle irische Folklore im Film spielt, welche jeweilige Rolle die Protagonisten einnehmen und und und.

Ein ganz toller Film, der mich bei allen Kinobesuchen (es waren wirklich einige) tief berührt hat. Und es ist einer dieser sehr wertvollen Filme, bei denen 50 verschiedene Zuschauer am Ende auch 50 verschiedene Filme gesehen haben.
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Re: Zuletzt gesehener Film

10534
Ich würde behaupten, es ist nur bis zu einem gewissen Grad schlüssig und glaubhaft. Die Probleme mit der Selbstverstümmelung hat Olli weiter oben schon angesprochen.

Auch dass er dann schlussendlich dann doch seine Meinung wieder ändert, ist äußerst skurril. Und wie schon geschrieben, der Film ist gut, hat großartige Dialoge - die ganze (noch dazu schlecht gefilmte CGI) Selbstverstümmelungsthematik lenkt unnötig ab und wirkt eben schlussendlich übertrieben (das ist offensichtlich gewollt - ich finde aber man hätte es besser lösen können).
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Re: Zuletzt gesehener Film

10535
Gernot hat geschrieben: 5. April 2023 13:35 Ich würde behaupten, es ist nur bis zu einem gewissen Grad schlüssig und glaubhaft. Die Probleme mit der Selbstverstümmelung hat Olli weiter oben schon angesprochen.
Naja, das ist halt in etwa so wenig schlüssig und glaubhaft wie es Selbstverstümmelungen depressiver Menschen im realen Leben auch sind. Ich kann auch nicht nachvollziehen, warum sich echte Menschen in der wirklichen Welt selbst verletzen, sich in die eigene Haut ritzen etc., aber dieses Verhalten dann authentisch in einem Film zu zeigen und dem Film dann vorwerfen, er wäre nicht schlüssig oder glaubhaft … geht für mich nicht ganz auf. :wink: Gerade der Umstand, dass Colm eine Form der Selbstverletzung wählt, die ihm auch sehr gezielt schadet (ihm das Spielen von Musik unmöglich macht), ist absolut glaubwürdig und entspricht genau der Art und Weise, wie diese Dinge in der Realität oft genug ablaufen. Ich habe leider genau diese Verhaltensmuster alle schon miterlebt, von daher verstehe ich den Vorwurf gar nicht.

Oder was genau ist für dich da nicht schlüssig oder nicht so glaubhaft? Dass man beim Gucken nicht denkt, was für ein verständlicher Kerl der Colm doch ist, nun gut, das mag so sein, aber spricht eher für die psychische Gesundheit des jeweiligen Zuschauers.

Man kann (/sollte) das auch so interpretieren, dass Colm sich deshalb die Finger abschneidet, weil er weiß (/glaubt zu wissen), dass sich sein großer Traum nicht erfüllen wird. Er wäre gerne ein großer Musiker, der mit seinen Kompositionen in Erinnerung bleibt, doch seine Depression lässt ihn nie wirklich an sich glauben. Durch das Abschneiden der eigenen Finger, für welches er Pádraic die Schuld gibt, findet er einen Sündenbock dafür, dass sein Traum sich nicht erfüllen wird – statt sich selbst eingestehen zu müssen, dass es an seinem eigenen mangelnden Selbstvertrauen liegt. Auch dieses Denken, diese Muster, sind typisch für das Verhalten klinisch depressiver Menschen. Ich wiederhole mich, aber: Mir fällt kein Film ein, der diese Krankheit und ihr daraus resultierendes Verhalten besser aufzeigt.
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Re: Zuletzt gesehener Film

10536
Du erklärst das, was viele nicht als schlüssig oder gut hergeleitet empfinden (oder in deinen Worten "nur behauptet"), mit der Diagnose Depression. Die sehe ich nicht bei Colm, und das wurde in den vielen, vielen Kritiken, die ich zu diesem Film gelesen habe, auch kein einziges Mal thematisiert. Mein Eindruck ist auch ein ganz anderer. Colm musiziert regelmäßig im Pub, er beendet sogar sein neues Stück, was sollte daran depressiv sein? Er weist auch keine anderen Menschen zurück, nur Padraic. Wenn einer depressiv wird, dann letzterer. Woher nimmst du denn diese Gewissheit?
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Re: Zuletzt gesehener Film

10537
ollistone hat geschrieben: 5. April 2023 14:26 Du erklärst das, was viele nicht als schlüssig oder gut hergeleitet empfinden (oder in deinen Worten "nur behauptet"), mit der Diagnose Depression.
Wo kommen denn meine Worte her? Von "behauptet" habe ich doch gar nichts geschrieben.

Google spuckt mir übrigens direkt zig Rezensionen aus, die den Film im Zusammenhang mit Depressionen besprechen, und ich habe auch sehr viele dieser Art in den letzten Monaten gelesen. Von "nicht schlüssig" und "nicht gut hergeleitet" habe ich dafür nur wenig gelesen, bisher genau zwei Meinungen, beide in diesem Forum. Dass das also "viele" so empfinden, kann ich jedenfalls nicht verifizieren. Aber das "The Banshees of Inisherin" nur von Depressionen handeln würde, habe ich auch nicht gesagt. Der Film ist voll mit Motiven und Momenten, die so vieldeutig sind, zu denen man so viel interpretieren kann, wenn man denn will und sich drauf einlässt. Da stecken sehr viele Filme in diesem einen Film, was für sich genommen schon eine Ausnahmeleistung von Martin McDonagh ist.

Gewissheit nehme ich ohnehin nirgendwoher (und was "die Macher gewollt oder sich gedacht haben" ist für mich auch nicht allzu wichtig). Ich kenne einfach gleich mehrere Menschen, die depressiv sind (oder es bis zum selbstgewählten Ende ihres Lebens waren), aus dem eigenen Freundeskreis und aus der eigenen Familie, und ich habe noch nie einen Film gesehen, in dem eine Figur (in diesem Fall: Colm) auftritt, die so authentisch genau das Verhalten annimmt, das ich von diesen Menschen aus dem realen Leben kenne.
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Re: Zuletzt gesehener Film

10538
Casino Hille hat geschrieben: 5. April 2023 15:26 Wo kommen denn meine Worte her? Von "behauptet" habe ich doch gar nichts geschrieben.
Nein, hier nicht, aber dass es dich allgemein stört, wenn ein Film irgendetwas behauptet, anstatt es herzuleiten und zu begründen, das ist mir aufgefallen. Damit hast du ja auch prinzipiell recht.

Ich habe bei Google auch einige Treffer bei der Kombination "Banshees" und "Depression", aber entweder heißt es dann, dass Padraic depressiv wird, oder es wird die Frage aufgeworfen, ob Colm depressiv ist, und dann verneint, zum Beispiel im "Tagesspiegel": nein, der ist nicht depressiv, der will einfach nur nicht mehr mit Padraic befreundet sein, heißt es dort. Weiter heißt es, Colm habe dem Pfarrer gebeichtet, in der Vergangenheit depressiv gewesen zu sein (jetzt nicht mehr), daran kann ich mich aber nicht erinnern, das wirst du vielleicht besser wissen, du hast ihn ja einige Mal gesehen.

Bitte entschuldige, wenn ich so darauf herumreite, aber mit dieser Frage steht und fällt einfach meine Beurteilung des Films. Der plötzliche Abbruch einer Freundschaft und die Selbstverstümmelung als Bestrafung des anderen sind so außergewöhnlich, dass sie ebenso außergewöhnlich gut begründet werden müssen, sonst passt das für mich nicht.
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Re: Zuletzt gesehener Film

10539
ollistone hat geschrieben: 5. April 2023 16:10 Bitte entschuldige, wenn ich so darauf herumreite, aber mit dieser Frage steht und fällt einfach meine Beurteilung des Films. Der plötzliche Abbruch einer Freundschaft und die Selbstverstümmelung als Bestrafung des anderen sind so außergewöhnlich, dass sie ebenso außergewöhnlich gut begründet werden müssen, sonst passt das für mich nicht.
Wenn das für dich so ist, ist das so für dich. Dann funktioniert der Film bei dir nicht so gut, dann liegt deine Erwartungshaltung woanders. Das ist vollkommen okay, nicht jeder Film kann jeden gleichermaßen erreichen.

Für Colm war das übrigens sehr wahrscheinlich kein plötzlicher Freundschaftsabbruch, sondern etwas, über das er sehr lange nachgedacht hat, nur konnte er es nie durchziehen. Vielleicht tat ihm Pádraic einfach zu sehr leid, vielleicht war er sich seiner Haltung auch lange unsicher. Aber eines Tages ist er aufgewacht und hat entschieden: "Entweder mache ich es jetzt radikal oder ich ziehe es nie durch." Plötzlich war daran aber gar nichts, nur sind alle außer Colm zu sehr in ihrem Trott gefangen, als dass sie die Anzeichen dafür hätten sehen können.

"I just don't like you no more" ist dann auch kein Satz, den Colm ernst meint. Er hat nicht plötzlich etwas gegen Pádraic, aber er hat das Bedürfnis, von ihm los zu kommen und sich abzukapseln von ihm. Er ist ihm überdrüssig geworden. Und er wählt einen Satz, der vernichtend ist, tödlicher als manche Schusswaffe. Er sagt etwas, was radikal ist, und er ahnt gar nicht, wie schlimm er alles dadurch macht. "I just don't like you no more" ist ein brutaler Satz, weil er jede mögliche Reaktion abtötet. Es gibt darauf keine Antwort, keine Lösungsmöglichkeit. Mit diesem Satz ist alles gesagt und alles vorbei.

Die Selbstverstümmelung ist auch keine Bestrafung des anderen, nicht wirklich zumindest, denn das kann eine Selbstverstümmelung kaum sein. Colm bestraft sich selbst. Er fügt sich Schmerzen zu, nicht Pádraic. Und das ist im Film wörtlich zu nehmen, aber aich metaphorisch, denn Colm gibt im Film die ganze Zeit anderen die Schuld für seine Traurigkeit und seine Gefühle. Er sucht die Ursache nicht bei sich, sondern bei anderen. Vergleich Colm mit Siobhan: Sie teilt viele seiner Gefühle und 'versteht' ihn, mehr als alle anderen auf der Insel, aber sie zieht Konsequenzen. Sie verlässt die Insel und nabelt sich von den Menschen und dem Ort los, der sie unglücklich macht. Sie tut aktiv etwas gegen ihr Unglück.

Colm geht nicht so gesund damit um. Er fängt nicht irgendwo neu an, er verletzt sich stattdessen irgendwann selbst - und gibt Pádraic auch noch die Schuld dafür. Er verletzt sich nicht nur einfach selbst, er nimmt sich damit die Musik, die er als so wichtig für sein Leben und sein Vermächtnis begreift. Und für all dem gibt er Pádraic die Schuld, nie sich selbst.

Das ist doch wirklich großartig geschrieben und konstruiert und man kann so viel in Colms Entscheidungen und Verhalten deuten und wie er durch sein Benehmen letztlich Pádraic mit in den Abgrund reißt. Ehrlich, ich finde das genial, das muss einem erstmal so einfallen, und es dann mit so vielen klugen Gedankengängen und raffinierten Dialogen (die Szene nachts im Pub ist 12/10, ein Gedicht!) zu verbinden, ist meisterhaft.

Und dann dieses Ende, wenn Colm all seine fünf Finger an der einen Hand los ist und auch sein Haus abgefackelt ist, und er sich zum ersten Mal seit langem leichter und befreiter fühlt (logisch, die schlüssige Entwicklung seiner Figur!), während Pádraic ihn nur noch hassen kann. Wow! Es ist wirklich kriminell, dass die Best Picture und Best Screenplay Oscars nicht ohne Bedenken an die Banshees von Inisherin gegangen sind.

Um mal einen wahllosen Beitrag zu zitieren, so kann man es sehen, aber es gibt auch noch viele andere Möglichkeiten:
Colm’s official stance is that he doesn’t like Pádraic anymore because he is a boring, trite person. That’s a common enough reason to let a friendship die, but it’s a flimsy excuse for throwing pieces of your own body on someone’s doorstep.

We get some insight into Colm’s troubles, though, when Pádraic’s sister Siobhán calls him out. Colm calls Pádraic boring, and Siobhán blows up, shouting, “You’re all boring!”

For most of the film, Colm certainly doesn’t seem to think he’s boring. He prides himself on his musical talent, telling Pádraic that bringing new tunes into the world gives his life meaning. He fills his home with interesting odds and ends. He invites students from around Ireland to study under him. Siobhán confronts him with a truth he doesn’t want to face: having talent doesn’t make him any better than the island’s other inhabitants. As Pádraic points out in the pub, simple kindness is a more admirable quality than comparing yourself to Mozart.

And deep down, Colm knows it. After he finishes his final tune and puts a violent end to his fiddling career, he admits that he’s relieved. Now he’s truly just like everybody else, living the same supposedly meaningless existence he spent his life denigrating. When Pádraic comes to burn down his house, Colm decides to consign himself to the flames. It seems that Pádraic has been a projection of Colm’s own self-loathing all along.

If only Colm hadn’t thrown his fingers at Pádraic’s house. If only Jenny the donkey hadn’t tragically died after trying to eat them. Then Colm’s house might still be standing, Pádraic would be a happier person, and Inisherin would still be home to the sweetest miniature donkey ever to grace God’s green Earth.

The end of the film depicts the literal deaths that Inisherin’s resident banshee, Mrs. McCormick, prophesied, but there’s also spiritual death. Pádraic becomes a meaner, more bitter version of himself, living alone and willing to murder the man who was once his closest friend. Colm gives up music forever, but doesn’t find anything else to fill the void.
Und wie gesagt, auch das ist noch nicht die einzige Wahrheit des Films, es gibt noch viele andere Lesarten, die ihre Berechtigung haben. Vielleicht gucke ich den Film dieses Jahr noch ein siebtes Mal, er ist ja jetzt bei Disney+ drin. An alle, die hier mitlesen, aber den Film noch nicht kennen: Angucken, ernsthaft, es wird dieses Jahr nicht mehr besser.
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Re: Zuletzt gesehener Film

10540
Ja, er kündigt Padraic die Freundschaft, nur um dann mit dem Polizisten abzuhängen, den er auch gar nicht wirklich leiden kann...? Und dann, wenn er indirekt schuld ist am Tod des Esels, wirft er alle seine Vorsätze wieder weg und möchte es plötzlich doch wieder gut sein lassen...

Ich verstehe die großen Themen und Metaphern durchaus, die der Film ansprechen möchte, auch viele der Andeutungen und Verweise habe ich bemerkt (sicherlich nicht alle), aber hier bei diesen für die Handlung so wichtigen Punkten ist es einfach nicht so gut, wie es sein sollte, damit es ein "Meisterwerk" wird. Für mich jedenfalls - wenn das für dich so passt, freue ich mich für dich ;)
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Re: Zuletzt gesehener Film

10541
Gernot hat geschrieben: 5. April 2023 21:14 Ja, er kündigt Padraic die Freundschaft, nur um dann mit dem Polizisten abzuhängen, den er auch gar nicht wirklich leiden kann...? Und dann, wenn er indirekt schuld ist am Tod des Esels, wirft er alle seine Vorsätze wieder weg und möchte es plötzlich doch wieder gut sein lassen...
Er möchte es nicht plötzlich wieder gut sein lassen - und schon gar nicht nur, weil er am Tod des Esels Schuld ist. Das ist nicht das, was im Film passiert. Es gibt eine Entwicklung hin zu diesem Moment, keinen willkürlichen Meinungswechsel. Gut sein lassen will er es auch erst, als sein Haus abgefackelt wurde und auch erst dann wirkt er endlich "entspannter", "gelöster", sein Schwermut ist verflogen. Mit dem Esel hat das gar nichts zu tun. Der ist für Pádraic wichtig, aber für Colm nur ein Kollateralschaden (auch wenn es ihm sicher bis zu einem gewissen Grad (für Pádraic) leid tut).

Und mit dem Polizisten hängt er ja unter anderem ab, aber auch mit anderen Leuten. Sein ganzes Leben lang hatte er halt nur exakt einen Freund, ohne den probiert er es mit anderen Menschen aus, aber nichts davon funktioniert. Da haben wir glaube ich nicht den gleichen Film gesehen, wenn das für dich die Stolpersteine sind.

Ich wundere mich aber überhaupt, dass es hier den Wunsch gibt, Colms Verhalten wäre für uns in jeder Entscheidung zu hundert Prozent vollkommen nachvollziehbar. Der Film ist schließlich aus der Perspektive des Mannes erzählt, der sich Colms Verhalten überhaupt nicht erklären kann. Dass der Film einem da nicht minutiös für jede Szene mit Colm eine Erklärung liefert, ist nur logisch und vernünftig bei der Prämisse. Wir sollen die Geschichte ja aus Pádraics Sichtweise erleben (zumindest zu Anfang).

Ich empfehle euch, den Film mit etwas Abstand nochmal anzusehen, vielleicht hat das dann für euch einen Mehrwert. Wenn nicht, ist es aber natürlich auch in Ordnung.
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Re: Zuletzt gesehener Film

10542
Naja, das klingt für mich ein bisschen nach viel Herum- und Hineininterpretieren, das möglicherweise gar nicht so gedacht ist, denn ob er seine Meinung dann wegen des Esels oder des Hauses oder einer Kombination aus mehreren Umständen ändert, ist egal - es funktioniert einfach nicht für mich und zerstört fast die letzten 1,5h davor.
Wie gesagt, wenn das für dich funktioniert, alles gut.
Der Film dürfte wieder einmal sehr polarisieren, bei den Userreviews auf der IMDB sieht man das auch ganz gut - die meisten mittelmäßig bis enttäuscht, dann auch wieder ein paar dazwischen für die es ein Meisterwerk ist. Ich denke die Verteilung deckt sich auch mit unserer hier.
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Re: Zuletzt gesehener Film

10543
Gernot hat geschrieben: 6. April 2023 10:11 Naja, das klingt für mich ein bisschen nach viel Herum- und Hineininterpretieren, das möglicherweise gar nicht so gedacht ist
Ob irgendwas davon so gedacht ist, spielt für mich aber ehrlich gesagt kaum eine Rolle. Auch wenn glasklar ist, dass sich Martin McDonagh sehr viel bei diesem Film gedacht haben muss, denn eine so vielseitige Geschichte mit so vielen Deutungsmöglichkeiten, die entsteht nicht zufällig. Aber selbst wenn sie das täte, wäre es mir auch vollkommen egal. Sowas kann eine interessante Zusatzinfo sein, ist aber für mich als Zuschauer auch nicht mehr als das. Wichtiger ist, wie viel man selbst in "The Banshees of Inisherin" entdecken und finden kann und was man für sich alles aus dem Film zieht. Und das es dann auch sicher Leute gibt, denen der Film nicht so gut gefällt oder die da für sich nichts interessantes entdecken – logisch, so funktioniert das ja immer, so ist das bei jedem Film. Bei "The Banshees of Inisherin" ist aber wichtig, dass der Leute komplett umhauen kann und das er zu so vielen verschiedenen Seherfahrungen führen kann. Dadurch ist es ein besonderer Film, nicht durch die Summe willkürlich vieler Einzelmeinungen.

Ich bin immer noch etwas enttäuscht, dass der Film nicht bei den Oscars nahezu alles abgeräumt hat. Mindestens Schauspielpreise für Colin Farrell, Brendan Gleeson und Kerry Condon wären ein Muss gewesen, der Drehbuchpreis aber eigentlich auch. Nur so ist das mit den Oscars, am Ende hatte "Everything Everywhere All at Once" mehr Momentum und ist dem US-Publikum auch näher als das irische Drama à la Samuel Beckett. Von dessen Ideen für Theaterskripte übrigens einiges in "The Banshees of Inisherin" steckt, immerhin warten sie in Inisherin auch alle auf Godot, nur das sie das nicht alle unbedingt wissen. Die Illusion des Wartens ist eine der Kernideen der meisten Beckett-Stücke und McDonagh hat sich da in Teilen dran orientiert, aber natürlich etwas sehr eigenes daraus gemacht.
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Re: Zuletzt gesehener Film

10544
Ok, nie gespielt, zum ersten Mal in Stranger Things ausführlicher aufmerksam geworden und dennoch nicht freiwillig ins Kino. :) Kann auch mal gut gehen:

Guardians of the laxity - Let´s play DnD

„Ich schmiede Pläne!“, verkündet Barde Edgin bei jeder passenden oder unpassenden Gelegenheit. Er könnte auch gleich sagen „Ich kann sonst nichts“, schließlich gibt es in seinem Team eine Barbarin fürs Grobe, einen Zauberer fürs Magische und eine Druidin fürs Unmögliche. Tatsächlich ist der sympathische Sprücheklopfer Herz und Hirn der kunterbunten Truppe, gibt Richtung wie Ton an. Erstere ist abenteuerlich, denn nach einer missglückten Diebestour hat ihr ehemaliger Kompagnon Forge nicht nur ein wertvolles Artefakt entwendet, sondern auch noch Edgins Teenager-Tochter entführt. Die Stimmung auf dieser durchaus ernsten Rettungsmission ist allerdings betont flapsig, denn Edgin hat neben seiner schnellen Auffassungsgabe eine noch schnellere Zunge.

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