Re: Zuletzt gesehener Film

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AnatolGogol hat geschrieben: 18. Oktober 2022 15:26 Hinzu kommt, dass wir mittlerweile ja auch wissen, dass bei Kläuschens Ausraster beim Fitz-Dreh das ja eigentlich alles ganz anders war :D :
Haha, grandios! :D In der Zwischenzeit:

Aguirre, der Zorn Gottes (1972, Werner Herzog)

Es geht durchaus interessant weiter mit dem Gespann Herzog/Kinski. Interessant, weil sich der aussichtslose Feldzug der Konquistadoren nach El Dorado nur schwer einordnen lässt und - eigentlich ganz ähnlich wie die Doku - ein anfängliches Vorurteil provoziert und einen dann immer mehr dazu bringt, dieses zu hinterfragen. Anfangs schien Aguirre nämlich trotz des eindrucksvollen Dschungelbackgrounds immer ein bisschen wie ein ziemlich ordentlicher Laienfilm auszusehen in seiner spröden, sperrigen, kleinformatigen und quasi-dokumentarischen Art. Aber dann flackern nach und nach immer mehr dieser wundervollen Schnörkel auf, wenn der Blick der Kamera vom Floss aus nach dem Ufergestrüpp sucht, wie um anzudeuten welche Gefahren sich hier verstecken könnten (ein kurzes Auftauchen der Indios am Ufer kommt in den Sinn) und wie verloren die sogenannten Feldherren in dieser Welt doch sind. Oder wenn sich Kinski (wie von Herzog in seiner Doku akrobatisch demonstriert) ins Bild schraubt. "Heart of Darkness trifft auf auf den Malick-Touch" war plötzlich eine wiederkehrende Assoziation. Und irgendwie vermischt sich das spröde-sperrig-kleinformatige mit dem geheimnisvollen Heart-of-Darkness-Malick-Touch zu einer spannenden Mischung, die einen immer mehr in ihren Bann zieht, zusammen mit Kinskis manischer Leinwandpräsenz (selbst wenn er so gut wie gar nichts macht) und dem minimalistischen, ätherischen Score. All das führt zu einem Film, den ich trotz all seiner Schwächen und seinem doch recht schleppenden Auftakt immerhin seit einer Stunde nur schwerlich aus dem Kopf kriege.

Wertung: vorsichtige 7 / 10 für den Moment.
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Re: Zuletzt gesehener Film

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Mit Aguirre tue ich mich bis heute einigermaßen schwer. Als ich ihn das erste Mal sah bin ich mit der naiven Erwartung rangegangen zwar Arthauskino, aber irgendwo schon halbwegs einen Abenteuerstreifen geboten zu bekommen. Diese Erwartungshaltung ist dann natürlich von dem Film gnadenlos zerstört worden. Hinzu kam, dass der Film sich gängigen filmischen Methoden wie man sie gerade aus dem Mainstreamkino gewöhnt ist konsequent verweigert und stattdessen sein eigenes sehr sperriges Ding durchzieht. Und gerade letzteres hat sich bei mir bis heute gehalten bzw. macht es mir sehr schwer mich richtig auf den Film einzulassen oder ihn gar zu geniessen. Es ist dann am Ende auch eher eine Art Anerkennung, mit der ich den Film schaue und wahrnehme. Anerkennung des kühnen Ansatzes einen Film mit minimalem Produktionsteam und damit quasi als Äquivalent zu der portraitierten Expedition mitten im Dschungel zu drehen. Anerkennung der oft schroff-atemberaubenden Bilder, die durch den minimalistischen Ansatz entstehen konnten. Und Anerkennung natürlich auch der unglaublich intensiven Performance von Kinski, der die Leinwand dominiert wie es kaum ein anderer Schauspieler jemals imstande war. Alles in allem ist das wertungstechnisch dann aber trotzdem nur irgendwo bei 6,5 Punkten - womit wir ja gar nicht weit auseinanderliegen.
GoldenProjectile hat geschrieben: 18. Oktober 2022 23:17 Anfangs schien Aguirre nämlich trotz des eindrucksvollen Dschungelbackgrounds immer ein bisschen wie ein ziemlich ordentlicher Laienfilm auszusehen
Das ist etwas, was ich bei Herzog sehr häufig wahrnehme, gerade auch in seinem Kernwerk. Es gibt in seinen Filmen immer wieder entsprechende Elemente (wir werden bei Nosferatu nochmal darauf zurückkommen müssen :) ), wo ich mich dann schon frage, in wie weit das handwerkliches bzw. künstlerisches Unvermögen (im Sinne von "er kann es halt nicht besser") oder eine bewusste, sich vom herkömmlichen Kino abgrenzende künstlerische Entscheidung war. Vermutlich ist es am Ende irgendetwas dazwischen. Persönlich erkläre ich mir solche Moment auch damit, dass Herzog immer wieder betont hat, dass er recht spät überhaupt sich mit dem Thema Kino beschäftigt hat (ich glaube mit 18 wenn ich es recht im Kopf habe), dann ein paar Jahre sehr viel damals verfügbares geschaut hat und danach quasi gar nix mehr. Zum einen hat ihn das dann mutmaßlich in die Lage versetzt seinen eigenen Stil frei von Trends und gängigen Vorgaben zu entwickeln, andererseits aber vielleicht auch dazu geführt, dass manches an seinem Stil eben diesen Laienhaften Touch nicht los wird. Ist aber auch nur eine Interpretation meinerseits.
"Ihr bescheisst ja!?" - "Wir? Äh-Äh!" - "Na Na!"

Re: Zuletzt gesehener Film

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AnatolGogol hat geschrieben: 19. Oktober 2022 07:49 Und Anerkennung natürlich auch der unglaublich intensiven Performance von Kinski, der die Leinwand dominiert wie es kaum ein anderer Schauspieler jemals imstande war.
Kinski ist wirklich gut und hat eine sehr eigenwillige Präsenz, aber ich weiss nicht ob in Aguirre die Sprache mit der Mimik und Körpersprache mithalten kann - es fällt halt, eigentlich bei allen, doch arg auf dass die deutsche Tonspur erst im Nachhinein komplett nachsynchronisiert wurde von anderen Sprechern. Mir fällt es schwer, Schauspieler überhaupt beurteilen zu wollen wenn jemand anderes spricht.
AnatolGogol hat geschrieben: 19. Oktober 2022 07:49 Es gibt in seinen Filmen immer wieder entsprechende Elemente (wir werden bei Nosferatu nochmal darauf zurückkommen müssen :) ), wo ich mich dann schon frage, in wie weit das handwerkliches bzw. künstlerisches Unvermögen (im Sinne von "er kann es halt nicht besser") oder eine bewusste, sich vom herkömmlichen Kino abgrenzende künstlerische Entscheidung war.
Irgendwo hinten in der letzten Sight&Sound-Liste (wie auch immer er da gelandet ist) gibt es einen Film, der heisst Touki-Bouki, und als wir das herausgefunden haben wurde er durch den lustigen Titel zu einem Running Gag im Freundeskreis. Commit to the bit, als der dann tatsächlich eines Tages in einem Programmkino kam, musste er auch geschaut werden. Und ich hatte die meiste Zeit keine Ahnung, ob technische Einschränkungen und/oder die kulturelle Kluft zwischen mir und einer wirklich cleveren Regie stehen, oder ob der Herr Regisseur einfach nicht weiss wo bei seiner Kamera vorne und hinten ist. Dagegen ist Aguirre easy-watching. :wink:

Der Zorn Gottes hat da den Vorteil, dass a) die krude Mischung aus Amateurfilm und Stil meistens doch irgendwie funktioniert und b) dass er tendenziell zum Ende hin immer besser wird, da kann ich den sperrigen Auftakt viel eher verzeihen. Irgendetwas muss Herzog also richtig gemacht haben. Bewusst oder unbewusst? Vielleicht ein bisschen von beidem.
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Re: Zuletzt gesehener Film

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GoldenProjectile hat geschrieben: 19. Oktober 2022 23:01 Kinski ist wirklich gut und hat eine sehr eigenwillige Präsenz, aber ich weiss nicht ob in Aguirre die Sprache mit der Mimik und Körpersprache mithalten kann - es fällt halt, eigentlich bei allen, doch arg auf dass die deutsche Tonspur erst im Nachhinein komplett nachsynchronisiert wurde von anderen Sprechern. Mir fällt es schwer, Schauspieler überhaupt beurteilen zu wollen wenn jemand anderes spricht.
Ich weiss was du meinst und kann das auch nachvollziehen, finde es in diesem Fall aber nicht wirklich problematisch. Keine Frage, im Zweifel würde ich Kinski im Original auch bevorzugen, aber zumindest hat man mit Gerd Martienzen einen Kinskis Stimmlage nahekommenden Sprecher gewählt und zudem auch einen der profiliertesten und talentiertesten seine Zunft (Martienzen ist zu recht legendär als DIE deutsche Stimme von Louis de Funes). Aber dennoch bin ich mir sicher, dass mit Kinski selber am Mikro (O-Ton war ja leider aufgrund der Aufnahmesituation nicht möglich) da trotzdem noch mehr drin gewesen wäre, Nosferatu, Woyzeck und Fitzcarraldo belegen dies ja eindrucksvoll. Vielleicht stört es mich aber einfach auch deshalb nicht so sehr, da ich mit Synchros aufgewachsen und vertraut bin und diese auch qualitativ sehr zu schätzen weiss.
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Re: Zuletzt gesehener Film

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iHaveCNit: In einem Land das es nicht mehr gibt (2022) – Aelrun Goette – Tobis
Deutscher Kinostart: 06.10.2022
gesehen am 22.10.2022
Arthouse-Kinos Frankfurt – Cinema - Lumiere – Reihe 5, Platz 12 – 13:00 Uhr

Aus persönlichen Gründen gab es für 2 Wochen leider kein Kino für mich, so dass sich ein kleiner Rückstau gebildet hat, den ich natürlich noch abbauen möchte. Einer der Filme, die ich noch sehen und nachholen wollte ist der deutsche Film „In einem Land das es nicht mehr gibt“ von Aelrun Goette, der von eigenen Erfahrungen im Leben der Regisseurin inspiriert ist.

Die junge Susanne Schulze geht im Jahre 1989 in Ost-Berlin noch zur Schule. Als sie bei einer Polizeikontrolle mit systemkritischen Symbolen an ihrer Kleidung und einem verbotenen Buch abgefangen wird, wird sie in ein Strafarbeitslager versetzt. Bei einer der Fahrten ins Straflager wird sie im Vorbeifahren von einem Fotografen auf Film eingefangen, was sie zufällig in die renommierte Modezeitschrift Sybille bringt – und damit in die Welt der Mode und der kreativen Freigeister, die sie dadurch kennenlernt ohne zu ahnen, welche inneren Konflikte sie hier erwarten werden.

„In einem Land das es nicht mehr gibt“ ist als Drama sowohl die Geschichte der jungen, von Marlene Burow gespielten Susanne Schulze als auch ein Zeitporträt der DDR mit einem Fokus auf das Leben, die Hoffnung und die Träume innerhalb von sowohl Mitarbeiterinnen in einem Strafarbeitslager als auch dem Kreis der kreativen, unangepassten Freigeister der Modeszene. Der Einblick ist natürlich ganz interessant gewesen mit all den Charakteren, die dieser Film zu bieten hat und für die sicherlich sehr akribische Zeichnung dieser Zeit von sowohl Kostümen, Sets, Make-Up und Haardesign macht das ganze durchaus sehr authentisch. Jedoch ist vieles im Film doch relativ angerissen, unübersichtlich und durchaus auch unentschlossen sowie teils widersprüchlich.
Würde ich den Film mit einem aktuellen Serienbeispiel beschreiben, hätten wir mit „In einem Land das es nicht mehr gibt“ eine filmische Version vom ZDF-Mehrteiler „Der Palast“ ohne den Faktor des doppelten Lottchens und ohne das Variete-Theater, dafür aber mit dem Faktor der Modeszene.

„In einem Land das es nicht mehr gibt“ - My First Look – 8/10 Punkte.
"Weiter rechts, weiter rechts ! ..... "

Re: Zuletzt gesehener Film

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Nosferatu - Eine Symphonie des Grauens (F.W. Murnau, 1922)
Heute ging es los mit dem hundertjährigen Stummfilmklassiker nach Bram Stokers Dracula, einem Roman den ich aus irgendwelchen Gründen immer noch nicht gelesen habe. Vorab: Ich bin kein riesiger Fan von Stummfilmen (habe aber auch nur vergleichsweise wenige gesehen, und es gibt auch solche die mir gefallen), weil sie auch abgesehen vom Tonverzicht um einiges älter und auch einfach irgendwie anders wirken als die Filme der 1930er und Fortfolgende. Murnau gelingt es in seiner Vampirmär durch Verknüpfung von Bildmontage, Musik und Dramaturgie, Stimmung zu schaffen und die Geschichte der Reise nach Transsylvanien und ins Spukschloss einvernehmlich zu schildern und das betörende Design des Grafen Orlok (bestimmt ein Vorfahre von General Orlov) weiss nach wie vor zu überzeugen, auch wenn er etwas zu oft debil glotzend rumsteht. Pünktlich zur Halbzeit lässt der Film aber mehr und mehr nach. Die Schiffsreise des Grafen und die "Belagerung" der Stadt durch die hereinfallende Pest sind einfach nicht mehr so interessant, und die starke Prämisse bietet nicht mehr viel Neues. Hier zieht sich der Film dann trotz nur 90 Minuten Laufzeit etwas. Für mich gerade noch so 6 Punkte wegen dem vielversprechenden Auftakt und der ordentlichen ersten Hälfte.

Nosferatu - Phantom der Nacht (Werner Herzog, 1979)
Im Anschluss dann auch gleich noch das Remake (oder wie Herzog es nennt: die Hommage) und der 1979er, der inhaltlich sehr dicht bei Murnaus Stummfilm bleibt, hat den Vorteil, naturgemäss um Einiges moderner und zugänglicher sein zu dürfen. Herzogs Inszenierung ist dabei durchaus etwas spröde und spartanisch, aber auch fast durchgehend filmisch genug. Herzog hat den Vorteil zeitloserer filmischer Erzähltechniken und die Zeit und Musse für atmosphärische Schilderungen und symbolische Zwischenbilder, so wie der sogleich fesselnde und verstörende Vorspann mit den mumifizierten Leichen, Harkers atmosphärische Anreise durch die engen Bergtäler oder einige sehr schöne Szenen die im Wasser gespiegelt werden. Einzig das zwei- oder dreimal wiederkehrende Traumbild (?) eines Kindes mit Geige regt eher zum Lachen an (nicht zuletzt weil mich der Dreikäsehoch mit seinen dürftigen Geigenkünsten immer an den obligatorischen, alljährlichen Musikauftritt meines jüngsten Cousins am Weihnachtsfest erinnert).

Darstellerisch tritt Isabelle Adjani ziemlich hölzern und theaterhaft auf, und Bruno Ganz verrichtet eher Dienst nach Vorschrift, von dem bin ich deutlich besseres gewohnt. Den besten Auftritt hat Kinski, der den betörenden Grafenlook aus dem Murnau-Film zur Schau stellen, dabei aber verglichen mit seinem Vorgänger Max Schreck auch viel mehr schauspielern und zwischendurch sogar die verletzlichen Seiten des Schreckgespenstes aufzeigen darf. In der zweiten Hälfte bestätigt der Film dann, dass das Problem wohl beim Stoff liegen muss, denn auch Herzogs "Hommage" verliert mit der Schiffsreise und der Rückkehr nach *Name der Stadt einfügen* zumindest teilweise mein Interesse - hier kann ich wiederholen, was schon weiter oben steht: Es zieht sich alles ein bisschen und die spannende Prämisse der vom Vampirfluch heimgesuchten und dahinsiechenden Stadt kann die zweite Hälfte einer Geschichte nicht mehr ganz tragen. Da ist die erste Hälfte auf dem Schloss des Grafen, mit einvernehmender Gruselatmosphäre und einem sinistren, dem Wolfsgeheul lauschenden Kinski einfach die bessere. Herzog darf heute aber 6,5 Punkte von mir mitnehmen.
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Re: Zuletzt gesehener Film

10359
iHaveCNit
Spotlight-Sneak 05.10.2022
Überraschungsfilm in OmU mit unbekanntem Kinostart
Arthouse-Kinos Frankfurt – Kleine Harmonie – Reihe 3, Platz 9 – 21:00 Uhr


Spotlight Sneak Nummer 18 des Jahres 2022 für mich !

Wie immer ein Überraschungsfilm mit unbekanntem Kinostart aus dem Programm der Arthouse-Kinos Frankfurt – meist aus der kommenden oder übernächsten Kinowoche – Mit Anmoderation, gelegentlichem Gewinnspiel und am Ende darf eine Wertung abgegeben werden.

Das Ranking an der Stelle:

1. Come On Come On (1,9) / Der schlimmste Mensch der Welt (1,9)
2. Abteil Nr. 6 (2,0) / Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush (2,0)
3. One Of These Days (2,1)
4. Belfast (2,2) / Was geschah mit Bus 670 ? (2,2)
5. Eine Sekunde (2,4)
6. Licorice Pizza (2,5) / Die Magnetischen (2,5) / Peter von Kant (2,5)
7. Spencer (2,7) /Sundown (2,7) / Mona Lisa and the Blood Moon (2,7)
8. Massive Talent (2,8)
9. Der Gesang der Flusskrebse (2,9) / Das Glücksrad (2,9)
10. France (3,4)
11. Willkommen in Siegheilkirchen (4,6)

Der Hinweis war folgender:
Es gab keinen Hinweis, denn alles hätte auf den Film hindeuten können.

Der Film wird von mir noch auf deutsch gesichtet und ist bereits ein großes Highlight meines Kinojahres 2022.

Die Auflösung:
In der gestrigen Spotlight Sneak-Preview haben wir euch den diesjährigen Cannes-Gewinnerfilm Triangle of Sadness von Ruben Östlund gezeigt (HÖHERE GEWALT, THE SQUARE) gezeigt. Eine bitterböse Satire über ein Model-Paar, das auf einer Luxuskreuzfahrt ihr blaues Wunder erlebt, als der Dampfer nach einem Piratenüberfall untergeht.
Eure Bewertung = 2,1
Note 1 = 23x
Note 2 = 12x
Note 3 = 13x
Note 4 = 2x
Note 5 = 4x
Note 6 = 1x
Die kommende Spotlight-Sneak findet dann wieder in zwei Wochen am 19.10. statt.

Das Ranking an der Stelle:

1. Come On, Come On (1,9)
Der Schlimmste Mensch der Welt (1,9)
2. Abteil Nr. 6 (2,0)
Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush (2,0)
3. Triangle Of Sadness (2,1)
One Of These Days (2,1)
4. Belfast (2,2)
Was geschah mit Bus 670 ? (2,2)
5. Eine Sekunde (2,4)
6. Licorice Pizza (2,5)
Die Magnetischen (2,5)
Peter von Kant (2,5)
7. Spencer (2,7)
Sundown (2,7)
Mona Lisa And The Blood Moon (2,7)
8. Massive Talent (2,8)
9. Der Gesang der Flusskrebse (2,9)
Das Glücksrad (2,9)
10. France (3,4)
11. Willkommen in Siegheilkirchen (4,6)

Note: 1
Wertung: 10/10


Bisher vergebene eigene Noten Spotlight Sneaks 2022 (in Klammern 10er-Wertung):

1 – Spencer (9) / Licorice Pizza (9) / Come On Come On (10) / Triangle Of Sadness (10)
2 – Belfast (8) / Abteil Nr. 6 (9) / Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush (9) / Der Schlimmste Mensch der Welt (9) / One Of These Days (8) / France (8) / Eine Sekunde (9) / Die Magnetischen (8) / Der Gesang der Flusskrebse (6) / Peter von Kant (8) / Mona Lisa And The Blood Moon (8)
3 – Sundown (7) / Massive Talent (7)
4 – Willkommen in Siegheilkirchen (5)

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iHaveCNit: Triangle of Sadness (2022) – Ruben Östlund – Alamode Film
Deutscher Kinostart: 13.10.2022
gesehen am 05.10.2022 in OmU in der Spotlight-Sneak
Arthouse-Kinos Frankfurt – Kleine Harmonie – Reihe 3, Platz 9 – 21:00 Uhr
gesehen am 23.10.2022
Arthouse-Kinos Frankfurt – Cinema - Studio – Reihe 3, Platz 1 – 15:00 Uhr


Manchmal sind die eingeblendeten Phrasen in Trailern sehr prätentiös in meinen Augen. In wenigen Fällen ist es so, dass diese Phrasen aber tatsächlich zutreffen. Bei Ruben Östlunds „Triangle Of Sadness“, der der große Gewinner der Filmfestspiele in Cannes gewesen ist, ist zum Beispiel im Trailer zu lesen: „Macht im vollen Kinosaal am meisten Spaß“ - Nachdem ich ihn in einem quasi vollen Kinosaal gesehen habe kann ich dem nur vollumfänglich zustimmen. Eine „Triangle Of Sadness“ ist übersetzt die Sorgenfalte die sich zwischen den Augenbrauen bildet und damit ein Begriff aus der Modeszene. Von einer Sorgenfalte ist jedoch keine Spur beim Genuss des Filmes.

Yaya und Carl sind ein modelndes Influencerpärchen, deren Beziehung von einigen toxischen, modernen Dynamiken geprägt ist. Gemeinsam mit einem Kreis weiterer erlauchter reicher Persönlichkeiten gastieren die Beiden kostenfrei auf einer Luxus-Yacht. In einer folgenreichen Nacht des Captain Dinners kentert die Yacht und der kleine überlebende Teil der Gäste findet sich auf einer einsamen Insel wieder, bei der sich ausgerechnet eine Reinigungskraft als Schlüsselfigur zum Überleben herausstellen wird – was die Machtverhältnisse auf links dreht.

Von Ruben Östlund habe ich vor „Triangle of Sadness“ nur „The Square“ gesehen, der quasi mit der Kunstszene abrechnet. Östlunds hat für mich den inszenatorischen Stil, wenig subtil vorzugehen und durchaus unangenehme Momente auch mal lange stehen zu lassen und auszubreiten. Irgendwann werde ich mir vielleicht auch mal „Höhere Gewalt“ ansehen, aber vorher habe ich es mir natürlich nicht nehmen lassen, „Triangle Of Sadness“ zu sehen, bei dem Östlund nach der Kunstszene nun mit der Welt der Reichen und Schönen abrechnet. Neben Models und Influencern bekommen hier auch unter anderem IT-Unternehmer, Waffenhändler, Dünge-Unternehmer, vom Reichtum gelangweilte Ehefrauen ihr Fett weg. In einem extrem langen Prolog lernen wir vor allem das von Charlbi Dean und Harris Dickinson gespielte Pärchen Yaya und Carl kennen, die durchaus eine moderne, toxische Beziehung pflegen, bei der trotz des größeren Erfolgs von Yaya scheinbar immer noch konservative Erwartungen und Ansprüche beim Bezahlen der Rechnung im Restaurant zu geben scheint. Die Dialogszenen der beiden sind gleichwohl unangenehm und unterhaltsam. Vor allem Charlbi Dean hat mir in dem gesamten Film großartig gefallen. Tragisch, dass sie in diesem Jahr leider verstorben ist, denn ich denke, dass „Triangle of Sadness“ ihr großer internationaler Durchbruch hätte sein können. Eines der großen Highlights des Films ist dann vor allem der Mittelteil des Films auf der Yacht, wenn zum Beispiel von einer gelangweilten Frau an Bord die gesamte Crew zum Spaß haben animiert wird und dann auf jeden Fall das Dinner im Sturm mit der darauffolgenden Eskalation, bei dem sich der betrunkene Kapitän – Woody Harrelson – und der betrunkene Dünge-Unternehmer – Zlatko Buric – über die Lautsprecher ein Rededuell mit Zitaten zum Kommunismus und Kapitalismus, die sie dafür extra aus dem Smartphone ablesen müssen, liefern, während die Gäste kotzend durch die schwankenden Gänge der Yacht taumeln. Interessant dann der etwas entschleunigende dritte Teil des Films, der die Machtverhältnisse infolge des Überlebenskampfs auf den Kopf stellen wird und sich dabei durchaus in meinen Augen auch kritisch mit den daraus entstehenden matriarchalischen Strukturen auseinandersetzt und einen interessanten, zu Spekulationen und Interpretationen anregenden Schlusspunkt liefert. Insgesamt ein schönes Highlight in diesem Jahr.

„Triangle of Sadness“ - My First Look – 10/10 Punkte.

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iHaveCNit: November (2022) – Cedric Jimenez – Studiocanal
Deutscher Kinostart: 20.10.2022
gesehen am 22.10.2022
Arthouse-Kinos Frankfurt – Kleine Harmonie – Reihe 3, Platz 9 – 20:45 Uhr


Was habe ich am 13. November 2015 gemacht ? Soweit ich mich richtig erinnere gehörte auch ich zum Kreis der deutschen Fernsehzuschauer, die sich das Länderspiel zwischen Frankreich und Deutschland angesehen hat. Natürlich wurde das Spiel durch ein extrem tragisches Ereignis überschattet. Eine Reihe terroristischer Anschläge im Pariser Zentrum, sowohl am Stade de France als auch hauptsächlich im Bataclan während eines Konzertes der „Eagles of Death Metal“ haben diese Nacht für eine bedauernswert unvergessliche Nacht gemacht. Genau dieses tragische Ereignis wird das französische Kino des letzten Quartals 2022 bestimmen. Neben den noch in der Pipeline stehenden Filme „Meinen Hass bekommt ihr nicht“ und „Frieden, Liebe und Death Metal“, die hauptsächlich persönliche Schicksale im Zusammenhang mit den Anschlägen verarbeiten, gehört auch Cedric Jimenez´ „November“ zur inoffiziellen Bataclan-Trilogie, der auch den Anfang macht und als Action-Thriller die Ermittlungsarbeiten der französischen Behörden liefert.

In der Nacht des 13. November 2015 ist in Paris einiges los. Neben dem Länderspiel zwischen Frankreich und Deutschland sind die „Eagles of Death Metal“ im Bataclan zu Gast. Bis die Telefone bei der Polizei Sturm klingeln. An mehreren Orten der Stadt kam es zu Terroranschlägen. Vor allem mit Fokus auf den Bataclan. Mit rasanter Geschwindigkeit bildet sich innerhalb der Polizei eine große Einheit, die sich den Ermittlungen widmen wird.

„November“ ist ein immersives, unruhiges, spannendes und durchaus nüchternes Erlebnis gewesen, bei dem wir der zur Emotionslosigkeit ermahnten Ermittlungsbehörden und dabei einzelnen Charakteren an unterschiedlichen Fronten folgen. Der Druck und die Spannung ist dabei für mich stets spürbar, genau wie die Hektik und die undurchsichtige Gesamtsituation, bei der jede richtige Spur extrem wichtig ist und jeder Rückschlag und Fehler die Ermittlungen gesamt gefährden kann. Gerade die eigentlich nüchterne, emotionslose Tonalität des Films unterstützt für mich dann die tatsächlich durchbrechenden Emotionen der beteiligten Kräfte der Ermittlungsbehörden. Hier haben mir darstellerisch vor allem Jean Dujardin als auch Anais Demoustier gefallen, die auch mit den Nuancen ihrer Rollen den persönlichen Zwiespalt glaubwürdig dargestellt haben.

„November“ - My First Look – 8/10 Punkte.

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iHaveCNit: Der Nachname (2022) – Sönke Wortmann – Constantin Film
Deutscher Kinostart: 20.10.2022
gesehen am 23.10.2022
Kinopolis Main-Taunus-Zentrum – Kino 7 – Reihe 13, Platz 13 – 20:10 Uhr


Alles was erfolgreich ist, bedarf gerne einer Fortsetzung – Alles, was es schon einmal gegeben hat, kann man gerne adaptieren. 2018 hat Sönke Wortmann mit seinem unterhaltsamen und prominent besetzten Kammerspiel „Der Vorname“, der auf einem französischen Theaterstück beruht, einen großen Zuschauererfolg gefeiert. Da war es durchaus eine sichere Bank, mit „Der Nachname“ eine Fortsetzung zu liefern, die eigentlich bereits Anfang des Jahres in die Kinos kommen sollte, aber dann vermutlich aufgrund des weiteren Wortmann-Films „Eingeschlossene Gesellschaft“ auf Ende Oktober verschoben worden ist. Sagen wir mal so, Wortmanns aktueller Output mag zwar Garant für Erfolg sein – Garant für Qualität ist das jedoch nicht.

Einige Jahre nachdem sich im Rahmen eines gemeinsamen Familienabends Thomas Böttcher den Spaß erlaubt hat, dass der neue Spross der Familie den Namen Adolf tragen soll und sich der Familienfreund seit Kindheitstagen Rene als neuer Freund von Dorothea – Mutter von Thomas und Elisabeth - entpuppt hat, laden Dorothea und Rene sowohl Elisabeth und ihren Mann Stephan als auch Thomas und seine Frau Anna auf die Familienfinca in Lanzarote ein, da wieder etwas wichtiges besprochen und „gefeiert“ werden muss. Das fördert natürlich wieder einmal schwelende Konflikte innerhalb der Familie und sorgt für einen unvergesslichen Familienurlaub.

Genauso prominent besetzt wie der Vorgänger ist das Kammerspiel durchaus mit seinen 87 Minuten kurz, knackig und unterhaltsam genug, damit ich einigermaßen meinen Spaß mit „Der Nachname“ hatte. Wortmann hat in den letzten Jahren mehrfach erfolgreiche Konzepte aus dem vorwiegend französischen Bereich herangezogen und sie gemeinsam mit Autoren für den deutschen Raum adaptiert. Inwieweit der Fokus auf Adaptieren und gelegentliches Fortsetzen als kreativer Minimalismus Wortmanns interpretiert werden kann, würde ich an dieser Stelle gerne zur Diskussion stellen. Zumindest ist so aus meinen Augen das minimale Maß an kreativer Eigenleistung zu werten. Da Wortmann jedoch ein renommierter und etablierter Filmemacher und sein Cast ebenfalls genauso renommiert und etabliert ist, ist eine Fortsetzung aus Sicht eines finanziell möglichen Erfolgs dennoch komplett vertretbar. Das Drama der disfunktionalen Familie soll als Kammerspiel mit Rededuellen sicherlich sehr clever und künstlerisch anspruchsvolles Kino darstellen – für mich ist der Film das nicht. Die überkonstruierten, teils banalen Konflikte eingen sich zwar für unterhaltsame Tragikomödien, für cleveres Kino jedoch eher nicht.

„Der Nachname“ – My First Look – 6/10 Punkte.
"Weiter rechts, weiter rechts ! ..... "

Re: Zuletzt gesehener Film

10360
GoldenProjectile hat geschrieben: 23. Oktober 2022 22:45 Nosferatu - Eine Symphonie des Grauens (F.W. Murnau, 1922)
Die Murnau-Version ist auch nicht so wirklich meins. Atmosphärisch sicherlich toll, aber darüberhinaus konnte ich da wenig begeisterndes rausziehen, obwohl ich mit Stummfilmen durchaus etwas anzufangen weiss. 6 Punkte klingt auch in meiner Welt fair.

GoldenProjectile hat geschrieben: 23. Oktober 2022 22:45Nosferatu - Phantom der Nacht (Werner Herzog, 1979)
(...)
Einzig das zwei- oder dreimal wiederkehrende Traumbild (?) eines Kindes mit Geige regt eher zum Lachen an (nicht zuletzt weil mich der Dreikäsehoch mit seinen dürftigen Geigenkünsten immer an den obligatorischen, alljährlichen Musikauftritt meines jüngsten Cousins am Weihnachtsfest erinnert).
Hahaha :D , ich sagte es dir ja bereits im Vorfeld:
AnatolGogol hat geschrieben: 19. Oktober 2022 07:49
GoldenProjectile hat geschrieben: 18. Oktober 2022 23:17 Anfangs schien Aguirre nämlich trotz des eindrucksvollen Dschungelbackgrounds immer ein bisschen wie ein ziemlich ordentlicher Laienfilm auszusehen
Das ist etwas, was ich bei Herzog sehr häufig wahrnehme, gerade auch in seinem Kernwerk. Es gibt in seinen Filmen immer wieder entsprechende Elemente (wir werden bei Nosferatu nochmal darauf zurückkommen müssen :) ),
Der Geigenjunge ist für mich gleichzeitig das lächerlichste wie auch das in seiner Absurdität coolste Element des Films. Es soll wohl tatsächlch eine Art Harker quälenden Traum darstellen, aber das ist inhaltlich und inszenatorisch so bizarr, dass man wirklich nur lachend den Kopf schütteln kann. Die laienhafte Integration lässt mich jedesmal aufs neue an Herzogs Professionalität zweifeln. Aber es ist halt wie gesagt irgendwie mittlerweile auch absolut kultverdächtig, obwohl der Film ja sicherlich nicht darauf abzielen möchte sein Publikum zu erheitern.


GoldenProjectile hat geschrieben: 23. Oktober 2022 22:45Darstellerisch tritt Isabelle Adjani ziemlich hölzern und theaterhaft auf, und Bruno Ganz verrichtet eher Dienst nach Vorschrift, von dem bin ich deutlich besseres gewohnt.
Sehe ich genau so. Vor allem Adjanis Overacting ist irritierend, wobei ich auch hier von einem bewussten Stilmittel (vermutlich als Hommage ans sehr theatralische Stummfilmschauspiel) ausgehe. Da sie aber die Einzige ist, die sich dieses Stilmittels bedient, ragt ihr Spiel etwas unangenehm heraus. Ganz ist ok, vor allem in den Teilen, in denen er den ausgebrannten Harker gibt. Aber auch bei seinem Spiel nehme ich etwas amateurhaftes wahr (er spielt oft auffallend teilnahmslos), was ich so nicht von ihm kenne und daher auch eher auf die Regie zurückführen würde.

A propos: wenn wir schon bei ungewöhnlichem Schauspiel sind muss ich unbedingt noch zwei meiner Lieblingsakteure in Herzogs Nosferatu erwähnen: zum einen Roland Topor, der einen hinreissend irrsinnigen Renfield zum besten gibt, zum anderen Walter Ladengast, dessen spröde und desinteressierte Darstellung des Van Helsing in nicht unwesentlichem Maße zu dystopischen Grundstimmung der zweiten Filmhälfte beiträgt (nach dem Motto: bevor man sich von dem retten lässt, dann lieber gleich den Gang vor die Hunde antreten).
GoldenProjectile hat geschrieben: 23. Oktober 2022 22:45 Den besten Auftritt hat Kinski, der den betörenden Grafenlook aus dem Murnau-Film zur Schau stellen, dabei aber verglichen mit seinem Vorgänger Max Schreck auch viel mehr schauspielern und zwischendurch sogar die verletzlichen Seiten des Schreckgespenstes aufzeigen darf.
Nanu, findest du den rattigen Nosferatu-Look tatsächlich betörend? :D Bei dem Adjektiv würden mir eher Frank Langella, George Hamilton oder Gary Oldman in den Sinn kommen als die abgenagten Schreck und Kinski. Ansonsten bin ich bei dir, Schreck ist sicherlich eine eindrucksvolle Erscheinung, mehr aber halt auch nicht. Kinski dagegen liefert ein sehr stimmiges und feines Charakterbild ab, welches vor allem auch sehr zurückhaltend in Kinskis Schauspiel ist und damit ein schöner Gegenentwurf zum "wilden Kinski".

GoldenProjectile hat geschrieben: 23. Oktober 2022 22:45 In der zweiten Hälfte bestätigt der Film dann, dass das Problem wohl beim Stoff liegen muss, denn auch Herzogs "Hommage" verliert mit der Schiffsreise und der Rückkehr nach *Name der Stadt einfügen* zumindest teilweise mein Interesse - hier kann ich wiederholen, was schon weiter oben steht: Es zieht sich alles ein bisschen und die spannende Prämisse der vom Vampirfluch heimgesuchten und dahinsiechenden Stadt kann die zweite Hälfte einer Geschichte nicht mehr ganz tragen. Da ist die erste Hälfte auf dem Schloss des Grafen, mit einvernehmender Gruselatmosphäre und einem sinistren, dem Wolfsgeheul lauschenden Kinski einfach die bessere. Herzog darf heute aber 6,5 Punkte von mir mitnehmen.
Das ging mir früher ähnlich, also dass ich die zweite Hälfte als weniger gut wie die erste empfand. Mittlerweile aber eigentlich nicht mehr, da mir Herzogs elegische Darstellung der in sich verfallenden Stadt sehr gut gefällt. Er trifft die Stimmung zwischen Angst, Verzweiflung und letztem Aufbäumen wie ich finde atmosphärisch sehr gut und bringt auch die Geschichte um Nosferatu inhaltlich stimmig zu Ende.

Insgesamt hat die Herzog-Version bei mir im Laufe der Jahre immer mehr gewonnen, auch weil ich mich mit den vielen bizarren (vermeintlichen/vermutlichen) Stilmitteln mittlerweile gut arrangieren kann bzw. diese - zumindest in Teilen - durchaus zu schätzen weiss. Phantom der Nacht ist für mich ein schöne Mixtur aus Charakterfilm und atmosphärischer Reise in den Untergang, wobei sich diese beiden Elemente nie zweifelsfrei voneinander trennen lassen (da ja auch die Charaktere ihrem ganz persönlichen Untergang entgegen gehen). Punktemäßig irgendwo bei 7,5 Punkten mit einer leichten Tendenz nach oben.
"Ihr bescheisst ja!?" - "Wir? Äh-Äh!" - "Na Na!"

Re: Zuletzt gesehener Film

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Blond

Um mal gleich mit einem Missverständnis aufzuräumen, bei diesem Marylin-Monroe-Film handelt es sich nicht um ein klassisches Biopic mit Anspruch auf Vollständigkeit und biografische Korrektheit, sondern um eine Romanverfilmung, weshalb sich dieses Mammutwerk permanent in einem Bereich zwischen "War so", "Könnte so gewesen sein" und "War ganz sicherlich nicht so" bewegt.

Stilistisch hat mich "Blond" ein wenig an Dominik Grafs "Fabian" erinnert. Expermimentelle Passagen, albtraumhafte Wahnszenen, mal schwarzweiß, mal in Farbe, mal im 4:3-Format, mal 16:9, gestochen scharfe Bilder hier und körnige Handkamerabilder dort (wobei mir die Einsatzlogik dieser Stilmittel etwas verborgen blieb).

"Blond" erzählt die Geschichte einer durch und durch gepeinigten Seele. Als kleines Mädchen von der Mutter in der Badewanne fast ertränkt, später von Studiobossen vergewaltigt, zu Schwangerschaftsabbrüchen gedrängt, von Ehemännern verprügelt, in jedem Mann den "Daddy" sehend, den sie nie kennengelernt hat, das geht nahe, ist teilweise schwer zu ertragen, sperrig, verstörend und zum Ende hin vielleicht etwas zu viel Leiden. Dennoch hat mich "Blond" beeindruckt wie kein anderer Film in diesem Jahr. Ein darstellerisches wie visuelles Meisterwerk, gespickt mit intelligenten Regieeinfällen, atemberaubend gespielt von Ana de Armas.
"Wenn man sämtliche Schöpfungen des weißen Mannes von diesem Planeten entfernte, besäßen seine Ankläger weder Zeit noch Mittel, ja nicht einmal Begriffe, um ihn mit Vorwürfen zu überhäufen."

Re: Zuletzt gesehener Film

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AnatolGogol hat geschrieben: 24. Oktober 2022 07:20 Der Geigenjunge ist für mich gleichzeitig das lächerlichste wie auch das in seiner Absurdität coolste Element des Films. Es soll wohl tatsächlch eine Art Harker quälenden Traum darstellen, aber das ist inhaltlich und inszenatorisch so bizarr, dass man wirklich nur lachend den Kopf schütteln kann. Die laienhafte Integration lässt mich jedesmal aufs neue an Herzogs Professionalität zweifeln. Aber es ist halt wie gesagt irgendwie mittlerweile auch absolut kultverdächtig, obwohl der Film ja sicherlich nicht darauf abzielen möchte sein Publikum zu erheitern.
Soll das vielleicht irgendetwas mit den Zigeunern zu tun haben, die Harker in der Gaststätte vor einem Besuch bei Dracula warnen? Der kleine Rotzlöffel sieht schon ein bisschen wie ein Roma aus. Aber hast recht, die Szene in der er über dem bewusstlosen Harker stehend seinen Katzenjammer von der Leine bzw. von der Geige lässt ist schon so merkwürdig doof, dass es wieder cool ist. :D
AnatolGogol hat geschrieben: 24. Oktober 2022 07:20 Nanu, findest du den rattigen Nosferatu-Look tatsächlich betörend? :D Bei dem Adjektiv würden mir eher Frank Langella, George Hamilton oder Gary Oldman in den Sinn kommen als die abgenagten Schreck und Kinski. Ansonsten bin ich bei dir, Schreck ist sicherlich eine eindrucksvolle Erscheinung, mehr aber halt auch nicht. Kinski dagegen liefert ein sehr stimmiges und feines Charakterbild ab, welches vor allem auch sehr zurückhaltend in Kinskis Schauspiel ist und damit ein schöner Gegenentwurf zum "wilden Kinski".
Dann nenn es anders als betörend, aber es ist von der Sicherheit des heimischen Sofas aus ein cooler und faszinierender Gesamtlook für den Grafen (in beiden Filmen, da nahezu identisch). Vielleicht wäre es lediglich besser, wenn der Graf nicht durchgehend so bizarr aussehen würde. Gerade bei Murnau wäre die Szene seines nächtlichen Besuchs bei Harker/Hutter und wie er da einem Albtraum gleich durch die Tür kommt womöglich eindrucksvoller, wenn er zuvor eine etwas menschlichere Form gehabt hätte. Bem Aussehen des Grafen müssten bei Harker/Hutter ja eigentlich von der ersten Sekunde an die Alarmglocken sturm läuten. :)

Ich habe gerade noch gelesen dass die feingeistige Darbietung Kinskis Herzog zu verdanken sei, der sich vergewisserte, Kinski vor Dreh gehörig auf die Palme zu bringen. Nach dem unvermeidlichen Wutausbruch soll Kinski dann ausgelaugt und handzahm gewesen sein, was zur ruhigeren Darstellung geführt hat.

By the way, bin ich eigentlich der Einzige, für den das Wort Nosferatu irgendwie extrem "ägyptisch" klingt? Für mich hat sich das immer schon angehört wie der Name eines Pharaos, was es irgendwie bizarr unpassend macht für den ollen Dracula.
We'll always have Marburg

Let the sheep out, kid.

Re: Zuletzt gesehener Film

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GoldenProjectile hat geschrieben: 24. Oktober 2022 11:59 Soll das vielleicht irgendetwas mit den Zigeunern zu tun haben, die Harker in der Gaststätte vor einem Besuch bei Dracula warnen? Der kleine Rotzlöffel sieht schon ein bisschen wie ein Roma aus. Aber hast recht, die Szene in der er über dem bewusstlosen Harker stehend seinen Katzenjammer von der Leine bzw. von der Geige lässt ist schon so merkwürdig doof, dass es wieder cool ist. :D
Ich meine auch mal wo gelesen zu haben, dass der Geigenvirtuose ein Roma sei. So oder so: die Szene vergisst man so schnell nicht wieder, das muss man Old Herzog lassen. :D
GoldenProjectile hat geschrieben: 24. Oktober 2022 11:59 Bem Aussehen des Grafen müssten bei Harker/Hutter ja eigentlich von der ersten Sekunde an die Alarmglocken sturm läuten. :)
Ich bin kein Kenner der Vorlage, aber da Coppola den Grafen im Zusammenspiel mit dem John Wick-Harker auch als verwahrlosten Greis zeigt würde ich vermuten, dass das wohl schon so beim Stoker Bram drin steht.
GoldenProjectile hat geschrieben: 24. Oktober 2022 11:59Ich habe gerade noch gelesen dass die feingeistige Darbietung Kinskis Herzog zu verdanken sei, der sich vergewisserte, Kinski vor Dreh gehörig auf die Palme zu bringen. Nach dem unvermeidlichen Wutausbruch soll Kinski dann ausgelaugt und handzahm gewesen sein, was zur ruhigeren Darstellung geführt hat.
So geht jedenfalls die Legende, deren Autor und Verbreiter Werner H. höchstselbst ist. Wie schon mal geschrieben würde ich Old Herzogs Erzählungen aber mit ein bisschen Vorsicht geniessen, da er dazu neigt die Vergangenheit so zu deuten, dass er möglichst gut dabei wegkommt. Ich würde die Geschichte um den ausgetobten und dadurch ruhigen Kinski jedenfalls eher glauben, wenn Kläuschen nicht in diversen anderen Rollen auch sehr zurückgenommen agiert hätte. Aber es ist zugegebenermaßen eine schöne Geschichte.

GoldenProjectile hat geschrieben: 24. Oktober 2022 11:59By the way, bin ich eigentlich der Einzige, für den das Wort Nosferatu irgendwie extrem "ägyptisch" klingt? Für mich hat sich das immer schon angehört wie der Name eines Pharaos, was es irgendwie bizarr unpassend macht für den ollen Dracula.
Klingt ein bissel wie Nofretete, aber den Zusammenhang mit ägyptischen Pharaonen hatte ich bisher noch nicht auf dem Schirm. Irgendwie muss ich gerade an den geschminkten Joel Edgerton denken. :lol:
"Ihr bescheisst ja!?" - "Wir? Äh-Äh!" - "Na Na!"

Re: Zuletzt gesehener Film

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Halloween Ends (2022)
Der Film scheint ja unter Fans der Reihe sehr zu polarisieren, wird dort aber weitestgehend negativ aufgenommen.
Die originalen Filme kenne ich nicht, sondern nur die letzten 3 Filme. Halloween Kills hat mir letztes Jahr nur mäßig gefallen und wirkte auf mich wie ein Filler und eine Brücke zwischen Teil 1 und 3.
Halloween Ends verfolgt eine komplett neue Herangehensweise an den Stoff und lässt sich viel, aber nicht zu viel, Zeit mit Charakterentwicklung. Einzelne Beziehungen wurden (für einen Horrorfilm) umfänglich beleuchtet , wodurch die jeweiligen Motivationen gut verständlich und auf ihre Art und Weise nachvollziehbar wurden.
Klar kann man sich über die ein oder andere Entscheidung der Macher etwas wundern, aber insgesamt ist es ein schöner, runder Abschluss der Trilogie.

7/10
"Are you looking for shells?"
"No, I'm just looking."

Re: Zuletzt gesehener Film

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Der Film spaltet ja die Fangemeinde, wobei ich das Gefühl habe, dass er in Summe eher schlechter ankommt. Am US-Box Office ist er in Woche zwei gefallen wie ein Stein (-80%). Ich persönlich fand ihn gar nicht so schlecht und im Prinzip ist es ein konsequenter Abschluss in vielerlei Hinsicht. Konsequent im Hinblick auf Michael, konsequent aber auch im Hinblick auf den Ansatz sich an den ersten drei Filmen zu orientieren. Und ich sehe durchaus Parallelen zum ebenfalls sehr umstrittenen Halloween III.
Würde aus diversen Gründen so 6/10 geben-.
http://www.vodkasreviews.de

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