Re: Zuletzt gesehener Film

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Die Theorie von Allem (Timm Kröger, 2023)

In den 1960ern reisen ein strenger Physiker und sein Doktorand an einen Kongress in einem Alpenhotel, und während der Doktorand seine Arbeit über mögliche Paralleluniversen zu schreiben versucht und sein Lehrmeister die kruden Theorien immer aggressiver ablehnt, ereignen sich zunehmend verstörende Anomalien in der beschaulichen Bergwelt. Der Film vermengt Motive und Elemente von Hitchcock, Lynch, Sci-Fi, Noir und Heimatfilm zu einer interessanten Mischung, in den ersten zwei Dritteln ziehen einen die spektakulären Breitwand-Schwarzweissbilder, die labyrinthische Geschichte und die befremdliche Atmosphäre ungemein in den Bann. Weniger interessant fand ich den Schlussakt, in dem das viele aufgebaute Potential ein wenig zu versanden scheint. Auf einmal geht alles ein bisschen zu schnell, und auf einmal fasst da Dominik Graf als Voiceover-Erzähler das spätere Leben des Protagonisten in einer sehr langen Montage zusammen. Eine solche Geschichte muss natürlich nicht im klassischen Sinne aufgelöst werden und sollte auch unerklärlich bleiben, für meinen Geschmack wurde sie zum vermeintlichen Höhepunkt hin aber eher fallen gelassen. Trotzdem ein sehr interessanter und über weite Strecken fesselnder Kinobesuch.

Wertung: 7 / 10
We'll always have Marburg

Let the sheep out, kid.

Re: Zuletzt gesehener Film

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Ich hab mich gerade durch "Flightplan" gequält, meiner Freundin sei 'Dank'. Um es in einem Wort zu sagen: Schwachsinn.

Okay, ein bisschen ausführlicher: Der Plot, den uns dieser Thriller erzählen will, ist so absurd an den Haaren herbeigezogen; ich konnte es nicht fassen. Die grundsätzliche Ausgangslage mag noch ganz spannend sein, doch sehr schnell ist klar, dass man sich am überdeutlichen Vorbild "Eine Dame verschwindet" von Alfred Hitchcock nicht bloß orientiert, sondern in Wahrheit einige Szenen und Dialoge nahezu 1:1 abgeschrieben hat. Ironischerweise sind das auch die stärksten Momente des Films, gerade da Jodie Foster ihren Part als besorgte und immer panischere Mutter ganz wunderbar mit Leben füllt.

Sobald aber dem Zuschauer zumindest so einigermaßen klar wird, auf was all das in etwa hinauslaufen wird, erscheint das Fundament der Handlung so wackelig wie ein Kartenhaus auf dem Kopf eines Alkoholikers. Unabhängig davon, dass die eigentlich relevanten handelnden Personen sehr leicht zu erahnen sind, gestaltet sich die Handlungsentwicklung immer abstruser. Das halbe Flugzeug leidet offenbar an spontaner kollektiver Blindheit, anders sind mehrere Szenen nicht zu erklären. Der "Plan", der hinter allem steckt, ist derweil von so vielen bekloppten und unwahrscheinlichen Zufällen dominiert, dagegen ist Silvas Ausbruch aus dem MI6-Gefängnis in Skyfall wasserdicht.

Ist der alberne Quatsch wenigstens ein bisschen spannend? Auch nicht wirklich. Die klaustrophobische Stimmung anderer Flugzeug-Filme (man denke an "Red Eye", "Flug 93", "Non-Stop" oder selbst "Air Force One") kommt kaum auf, u.a., weil das merkwürdige fiktive Superflugzeug so riesig ist, dass es "zu viel" Abwechslung und unterschiedliche Settings mit genügend Freiraum zu sehen gibt. Zudem ist die Inszenierung sehr arg mit allerlei Stilmitteln überladen, darunter wilde (aber gänzlich unmotivierte) Kameraschwenks und penetrant eingesetzte Woosh-Effekte, die einen wohl davon ablenken sollen, wie wenig inhaltlich geboten wird.

Das Fazit ist identisch mit der Einleitung: Schwachsinn.
https://filmduelle.de/

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Re: Zuletzt gesehener Film

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Ganz so schlecht ist der nicht. Das Problem ist seine Auflösung, die hanebüchen und unglaubwürdig ist. Soweit ich mich erinnere meint man lange Zeit - bzw. hält es für möglich - dass hier einer Fatamorgana nachgejagt wird. Die daraus entstehende oder damit einhergehende Paranoia ist gut gespielt und hat Spannungspotential. Sie wird aber auch zu penetrant betrieben, so dass man ahnt (die einen früher, die anderen später), dass es eben nicht so ist. Und für diesen Schlenker hat man einfach keine schlüssige Geschichte parat.
http://www.vodkasreviews.de

https://ssl.ofdb.de/view.php?page=poste ... Kat=Review

Re: Zuletzt gesehener Film

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Ich fand "Flightplan" auch okay. Die Auflösung ist schon selten dämlich, aber er kann schon eine gewisse Spannung erzeugen und ist unterhaltsam.
Im Vergleich zu "Red Eye"(weil die Filme ja oft miteinander verglichen werden) fällt er natürlich ab, aber es ist schon ein ganz netter Film für zwischendurch.
"Verstehen Sie mich nicht falsch es ist nichts persönliches, es ist was rein geschäftliches."

Re: Zuletzt gesehener Film

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Auf dem Weg“ mit Jean Dujardin

Der französische Reiseschriftsteller Sylvain Tesson stürzte im Jahr 2012 vom Dach eines Hauses und verletzte sich schwer. Nach seiner Genesung durchwanderte er Frankreich und hielt seine Erlebnisse in dem Buch „Sur les chemins noirs“ fest. „Auf dem Weg“ verfilmt dieses Buch, Jean Dujardin spielt den Lebemann Pierre, der gerne viel trinkt, raucht und liebt und Partys am liebsten über Hausfassaden und Balkone betritt. Nach einer durchzechten Nacht stürzte er acht Meter in die Tiefe, zieht sich schwerste Schädel-, Wirbelsäulen- und Beinfrakturen zu, liegt im Koma und nimmt sich vor, sollte er je wieder laufen können, 1.300 Kilometer von der Provence bis zur Normandie, vom Mittelmeer bis zum Ärmelkanal zu wandern, nur mit Skistöcken und Rucksack im Gepäck.

Auf dem Weg“ ist ein leiser, fast stiller, meditativer Film geworden, mit unfassbar schönen Landschaftsaufnahmen und kontemplativer Musik. Die Geschehnisse vor dem Sturz werden in kurzen Rückblicken erzählt, ansonsten wird wenig bis gar nicht gesprochen, abgesehen von kurzen Dialogen mit Einheimischen und gelegentlichen Sätzen aus dem Off, die weit entfernt von abgedroschenen Phrasen oder Kalenderblattweisheiten, sondern von schlichter, lakonischer Schönheit sind. Oscar-Preisträger Dujardin beweist auf diesem langen Weg zu sich selbst eindrücklich, dass er zu den ganz großen zeitgenössischen Schauspielern gehört. Ich habe in den letzten Jahren wenige Filme gesehen, die mich derart beeindruckt und berührt haben.
"Wenn man sämtliche Schöpfungen des weißen Mannes von diesem Planeten entfernte, besäßen seine Ankläger weder Zeit noch Mittel, ja nicht einmal Begriffe, um ihn mit Vorwürfen zu überhäufen."