Die Angst des Tormanns beim Elfmeter (Wenders 1972)
Ein früher Film von Wim Wenders über einen Fussballer, der den Sport offenbar genau so langweilig und phlegmatisch findet wie ich und daher ziellos durch Österreich streift. Eigentlich passiert nicht viel, man sieht ihm anderthalb Stunden zu, wie er verschiedenen Leuten begegnet, eine Frau umbringt und weiter umherstreift, in einer ziellosen Monotonie, darauf wartend, was nun passiert. Ein sehr eigenwilliger Film, der den Charme der 70er, des Landes und des sehr merkwürdigen Zustandes zwischen Flucht und Eigenauslieferung versprüht. Schwierig, aber auch interessant.
Wertung: 7,5 / 10
Re: Zuletzt gesehener Film
Verfasst: 17. Mai 2020 01:19
von Casino Hille
Bei Wenders wartet man gerne mal länger auf Godot, und ähnlich wie bei Jarmusch ist er ein Meister der Entspannung. Der Tormann ist besonders schön und so rätselhaft in sich. Kennst du Im Lauf der Zeit?
Re: Zuletzt gesehener Film
Verfasst: 17. Mai 2020 12:19
von GoldenProjectile
Im Lauf der Zeit kenne ich noch nicht. Der dauert auch so lange...
Re: Zuletzt gesehener Film
Verfasst: 17. Mai 2020 12:48
von Casino Hille
Als deutscher Filmfan kommt man um den Film ja einfach nicht drumherum. "So wie es jetzt ist, ist es besser, es gibt kein Kino mehr, als dass es ein Kino gibt, wie es jetzt ist." Dicke Empfehlung, neben dem Tormann mutmaßlich der beste Wenders.
Re: Zuletzt gesehener Film
Verfasst: 17. Mai 2020 13:05
von GoldenProjectile
Wobei ich ja gar kein deutscher Filmfan bin. Und der Tormann ist für mich auch nicht der beste Wenders... Aus der Erinnerung:
Angst des Tormanns 7,5 / 10
Alice in den Städten 9,5
Der amerikanische Freund 9
Der Stand der Dinge 8
Paris, Texas 9
Der Himmel über Berlin 8
Re: Zuletzt gesehener Film
Verfasst: 17. Mai 2020 13:11
von dernamenlose
Da ich vor wenigen Monaten schon ne Kritik zu Knives Out geschrieben habe kommt jetzt keine neue, sondern nur ein Zusatz, nach der ersten DVD-Sichtung im Originalton.
Wie die meisten richtig guten Filme wird auch Knives Out bei mehrmaligem Schauen immer besser. Und auch der Originalton lohnt sich. Zum einen hat sich mir der letzte Satz im Film jetzt erst richtig erschlossen (Ich habe ein "sie" für ein "Sie" gehalten...), vor allem verwandelt der extreme Südstaatenakzent Daniel Craigs den Film in eine Komödie. Speziell in der ersten Filmhälfte musste ich bei jedem zweiten Satz Craigs Lachen. Ich kann aber verstehen, wenn für manch einen die Glaubwürdigkeit darunter leidet. Die deutsche Version wäre dann eine gute Alternative, da fehlt der Akzent logischerweise. Auch nach der dritten Sichtung in viereinhalb Monaten hat der Film nichts an seiner Faszination verloren und steht nach wie vor bei 10/10 Punkten und lässt sogar die meisten anderen 10er Filme hinter sich.
Auch ein Blick ins Bonusmaterial lohnt sich. Nicht nur, weil man da zwei tolle zusätzliche Szenen zu sehen bekommt, die aber vollkommen zurecht geschnitten wurden, sondern auch, weil man die große Freude spürt mit der insbesondere Rian Johnson am Werk war.
Re: Zuletzt gesehener Film
Verfasst: 17. Mai 2020 13:15
von Casino Hille
Ist der Film nicht ohnehin irrsinnig witzig? Aber ja, der schrullige Akzent von Blanc gehört zu den Highlights. Und ein relevanter Plotbaustein kommt sogar nur im O-Ton wirklich hin. Rian Johnson gehört fraglos zu den besten Regisseuren der letzten Jahre.
Re: Zuletzt gesehener Film
Verfasst: 17. Mai 2020 13:44
von GoldenProjectile
dernamenlose hat geschrieben: 17. Mai 2020 13:11
sondern auch, weil man die große Freude spürt mit der insbesondere Rian Johnson am Werk war.
Ähnlich wie bei Edgar Wright ist es auch bei Johnson recht interessant, etwas über seinen Entwicklungs- und Schreibprozess zu erfahren, wie das ganze auf einem Fresszettel entsteht. Hier gibt's ein paar schöne Infos dazu, die gekrakelte Filmstruktur und auch das fertige Drehbuch.
Casino Hille hat geschrieben: 17. Mai 2020 13:15Und ein relevanter Plotbaustein kommt sogar nur im O-Ton wirklich hin.
Ja, auf deutsch ist es schon ein wenig unrealistisch wie "DER Satz" bzw. "DAS Wort" von Marta erst falsch verstanden wurde.
Re: Zuletzt gesehener Film
Verfasst: 17. Mai 2020 16:54
von Casino Hille
Zumal sie sich durch die Satzstellung im Deutschen doppelt verhört haben muss.
Re: Zuletzt gesehener Film
Verfasst: 18. Mai 2020 13:00
von danielcc
kann mir das einer erklären? habe den Film nur im original gesehen und kann mich an den letzten Satz nich erinnern
Re: Zuletzt gesehener Film
Verfasst: 18. Mai 2020 13:23
von Casino Hille
Spoiler
Die sterbende Haushälterin flüstert zu Marta im Waschsalon: "Du hast das getan." Später deduzieren Blanc und Marta, dass sie eigentlich "Hugh hat das getan" gesagt hat, da ja Chris Evans' Figur der wahre Mörder ist. Das ergibt im Deutschen sehr viel weniger Sinn, als im Englischen. Dort findet die Verwechslung zwischen "Hugh" und "You" statt, während im Deutschen auch noch "Hast" und "Hat" verwechselt wird.
Ist natürlich kein großes Ding, aber in der Synchro schon notgedrungen sehr hingebogen.
Re: Zuletzt gesehener Film
Verfasst: 18. Mai 2020 13:33
von dernamenlose
Casino Hille hat geschrieben: 17. Mai 2020 13:15
Ist der Film nicht ohnehin irrsinnig witzig?
Doch absolut! Der Akzent fügt nur noch eine weitere Ebene des Humors, die außerhalb von Skript und Schnitt ist hinzu, die im deutschen eben fehlt.
Casino Hille hat geschrieben: 17. Mai 2020 13:15
Und ein relevanter Plotbaustein kommt sogar nur im O-Ton wirklich hin.
Das stimmt, aber das konnte man sich ja sofort denken, nachdem man den Film auf deutsch gesehen hat. Deshalb hatte ich den entsprechenden Satz schon auf englisch im Kopf, bevor ich ihn so gehört hatte.
Casino Hille hat geschrieben: 17. Mai 2020 13:15
Rian Johnson gehört fraglos zu den besten Regisseuren der letzten Jahre.
Seine anderen Filme kenne ich bisher leider nur vom Namen, inzwischen bin ich an denen aber definitiv interessiert. Folgendes Video über sein Schaffen hat mein Interesse da auch noch weiter angeheizt.
Re: Zuletzt gesehener Film
Verfasst: 18. Mai 2020 15:48
von GoldenProjectile
Johnson ist gut, aber für mich jetzt auch nicht der Heilsbringer. The Last Jedi ist sehr stilvoll, für mich wahrscheinlich immer noch der beste Star Wars Film, aber der profitiert für mich auch gerne ein bisschen von diesem unverhältnismässigen Hassfeldzug, will heissen ich hebe ihn vielleicht gerne ein bisschen hervor weil er oft mit haarsträubenden Argumenten fertiggemacht wird, halt der QoS des Star Wars Universums. 8 Punkte sind das also immer noch, weil er schöne Regieeinfälle an Bord hat, auf eigenen Füssen steht und in sich weitgehend stimmig wirkt. Knives Out mag ich mittlerweile mehr und Looper ist recht lange her, fand ich damals unterhaltsam. Was Johnson in Bezug auf seine letzten zwei Filme aus der Regiemasse heraushebt ist dass er beim ersten zugunsten einer eigenen Handschrift etwas mit den Regeln und Erwartungen eines milliardenschweren "Markenfilms" gespielt hat (und dafür ja ordentlich sein Fett weggekriegt hat...) und beim zweiten einen originären und originellen Film mit Erfolg auf den Sequel-Prequel-Franchise-dominierten Markt geschickt hat (und diesen zwar auch fortsetzen wird, aber auch hier nicht zwingend nach Spielregeln des Sequel-Prequel-Franchise-Marktes). Für mich repräsentiert Johnson damit erfolgreich einen Schritt in die richtige Richtung (Babysteps...), aber auch nicht gerade den Grossmeister der Filmkunst.
Re: Zuletzt gesehener Film
Verfasst: 18. Mai 2020 16:56
von Casino Hille
GoldenProjectile hat geschrieben: 18. Mai 2020 15:48
aber auch nicht gerade den Grossmeister der Filmkunst
Wer ist das schon? Und wer weiß, wie Johnson in 30 Jahren gesehen wird? Vielleicht wird es dann ganz normal sein, ihn in einen Atemzug mit denen zu meinen, die jeder von uns sofort im Sinn hatte, als wir "Grossmeister der Filmkunst" gelesen haben. Kann man nie wissen.
Johnson steht für mich für ungewöhnliches Kino, dass Erwartungen unterläuft und jeweils geschickt die Grenzen des gewählten Genres sprengt und expandiert. Du hast in "Knives Out" einen Whodunnit, der sich nach dem ersten Akt als Hitchcockscher Thriller herausstellt und der auf diesem Wege das Whodunnit und seine Genremuster selbst zum Teil-Antagonisten macht. Mit The Last Jedi hast du einen Blockbuster, der jede Konvention des Franchises (hier: Star Wars) bedient, und dabei aber einen neuen Twist hinzufügt. Dabei geht Johnson ähnlich vor wie Phil Lord & Chris Miller in ihren Filmen (vor allem: 21 Jump Street, Lego Movie, Into the Spider-Verse), in dem er die festgefahrenen Muster der Filmreihe selbst zum Inhalt der Filme macht und sich so am Ende leisten kann, diese zu bedienen, ohne abgedroschen und wiederholend zu wirken. Und Brick ist ein Genre-Mix, wie es ihn immer wieder gibt, aber auch hier ist es die Kreuzung der beiden Genre selbst, welche in der Geschichte direkt Thema ist und wesentlich zur Struktur des Drehbuchs beiträgt.
Ob das für einen Grossmeister der Filmkunst reicht, weiß ich nicht, aber es macht Johnson zu einem der interessantesten Köpfe aus dieser Ecke des Kinos – und das er bei einem Film wie The Last Jedi beweist, dass er sich vom großen Studiosystem nicht einschüchtern lässt, sondern sein Denken kompromisslos auf einen Franchise-Film anwenden kann, ist durchaus imponierend.