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von GoldenProjectile
'Q Branch' - MODERATOR
Knives Out (2019, Rian Johnson)
Es klingt wie ein Traum: Star-Wars-Querdenker Johnson schnappt sich in einer unplanmässigen Bondpause wegen kreativen Differenzen den Hauptdarsteller Craig, trommelt ein Staraufgebot zusammen und verfilmt in einem abgelegenen Herrenhaus ein knifflig-cleveres Whodunit-Puzzle, das sich vor Agatha Christie und dem Brettspiel Cluedo verneigt. Weiter angeheizt wurde die Vorfreude in den vergangenen Wochen und Monaten durch die geradezu unverschämte Veröffentlichungsplanung, die Knives Out im deutschsprachigen Raum wesentlich später starten liess als überall sonst, was heisst dass der Film hierzulande sogar an der französischen Sprachgrenze über einen Monat früher in den Kinos lief und ich mir schon ernsthaft überlegt hatte, für einen verfrühten Kinogenuss nach Lausanne zu fahren.
Wie erhofft wartet Johnson mit einem cleveren und verzwickten Drehbuch auf, dass zwar insofern gar nicht dem urklassischen Whodunit entspricht, dass man nicht bis zur letzten Minute über eine ganze Schar Verdächtiger rätselt, aber durch sein geschicktes Spiel mit Wahrheit und Lüge sowie dem Wissen der unterschiedlichen Charaktere immer wieder gekonnt die Erwartungen unterläuft. Das verwinkelte und skurril ausgestattete Landhaus des verstorbenen Krimiautoren sorgt zudem für die ideale Kulisse, die man sich für einen Film, der mit dem klassischen Whodunit-Genre spielt überhaupt wünschen kann. An vorderster Front agiert natürlich Johnsons Regie, die ein perfektes Gespür für Tempo und Timing, für Rückblenden und Parallelmontagen beweist und die sehr dialogliste Geschichte wunderbar visuell erzählt.
Was die prestigeträchtige Besetzung angeht so trieft der Spass der Darsteller an Johnsons Mord- und Erb-Spiel und der Skurrilität der Charaktere förmlich aus der Leinwand, was durch den Ensemblecharakter weiter verstärkt wird. Besonders die überkandidelt-nervende Toni Collette, der diabolisch-verschlagene Don Johnson, Chris Evans (der abseits seines Schulknaben-Captains immer sehenswert ist) als schmieriger, missratener Bengel und Daniel Craig als spleeniger Privatdetektiv mit meterdickem Südstaatenakzent sorgen für einige Grinser. Ana de Armas ist etwas bieder und brav in der (nicht wirklich) geheimen Hauptrolle, soll sie aber auch sein und macht ihre Sache gut. Ein sehr gelungener Auftakt ins neue Kinojahr, so darf es gerne weitergehen.
Wertung: 8,5 / 10
Noch zu eurer Spoilerdiskussion, obwohl ich nicht genau kapiere, warum das ein Spoiler sein soll, aber egal:
Johnson will tatsächlich weitere Blanc-Fälle mit Craig drehen, wenn das BO stimmt, und ich sass gestern in einem ausverkauften (!) Saal. Ich finde diese ständige Sequelisierung kaum ist ein Film erschienen ja komplett blöd, hier aber passt es weil es sich nicht wirklich um Sequels handeln würde sondern halt um weitere eigenständige Abenteuer des Ermittlers. Ich wäre bei weiteren Blanc-Fällen sicher dabei, obwohl bisher nicht wirklich wegen Blanc selber. Der ist (noch?) keine besonders dreidimensionale oder eigenständige Figur, er ist Detektiv, er raucht Zigarre, er hat einen dicken Akzent und er ist halt Craig, mehr weiss ich kaum über ihn. Aber was nicht ist kann ja noch werden, Knives Out ist auch mehr auf den Fall an sich und dessen eigene Charaktere konzentriert und weniger auf den Ermittler, ich kann mir vorstellen, dass Blanc in einem weiteren Kriminalfall stärker ins Zentrum gerückt wird der Film mehr aus seiner Sicht erzählt wird. Alleine wegen Johnson bin ich aber durchaus interessiert an weiterem Blanc-Material.
We'll always have Marburg
Let the sheep out, kid.