Kann ich durchaus nachvollziehen, war für mich aber nur bedingt der Fall, da der Film danach noch einige Bösartigkeiten in petto hat, die mich wirklich verblüfft haben - mehr dazu gleich. Spannend fand ich, wie Verhoeven im ersten Drittel seinen Film fast wie einen lupenreinen Crime-Thriller aufgebaut hat, nur um im Mitteldrittel dies komplett gegen eine Charakterstudie zu tauschen. Das hatte ich so nicht erwartet und hat mich auch im ersten Moment kalt erwischt (weil mir das erste Drittel bis dahin so gut gefallen hat). Die vielen Charakter- und Beziehungsdetails, die er im folgenden FIlm dann immer wieder hat einfliessen lassen haben mich aber mehr als entschädigt.GoldenProjectile hat geschrieben:Spoiler
Was ich oben angetönt habe: Elle hat für mich deutlich an Luft und Antrieb verloren, nachdem der Vergewaltiger enttarnt wurde. Was merkwürdig ist, da der Film vorher ja kaum auf den simplen Spannungseffekt der Fragestellung "Who's the rapist" im Sinne eines Krimis aufbaut, sondern vielmehr die Protagonistin und ihr Umfeld erforscht. Trotzdem, sobald die Maske weg war hatte Elle für mich plötzlich nicht mehr viel zu bieten und ich bekam den Eindruck, dass der Film danach in fast jeder Szene hätte enden können.
GoldenProjectile hat geschrieben:Spoiler
Interessante Frage, zum einen finde ich dass Verhoeven hier bewusst einiges offen, bzw. der Interpretation des Zuschauers überlässt. Die "Beziehung" zum Vergewaltiger ist ausserdem provokativ, da Verhoeven uns als Zuschauer gewissermassen die Antipathie gegenüber dem Unhold verweigert - da die Hauptfigur keine erwartbare Abscheu gegenüber dem Täter zeigt (teilweise nimmt ihr Verhalten ja fast schon stockholmsyndrom-ähnliche Züge an) können wir das auch nicht. Warum das genau so ist, darüber habe ich mir eigentlich gar keine tieferen Gedanken gemacht. Wie gesagt kamen mir der Film und seine Intention ab dem Punkt der Demaskierung eher wirr und irritierend als spannend vor. Der offensichtlichste Gedanke wäre wohl dass Michele durch die Morde des Vaters in ihrer Kindheit komplett abgestumpft ist und psychisch traumatisierter, als die äusserlich so taffe Geschäftsfrau zugeben und zeigen will. Was denkst du denn?
Spoiler
So ganz genau bin ich mir da auch noch nicht schlüssig. Ich könnte mir vorstellen, dass der zugrunde liegende Gedanke des Films ist, dass man sich besser auf keine Psychospielchen mit einem Soziopathen einlässt oder anders formuliert: fordere nie jemanden auf dessen ureigenem Schlachtfeld heraus. Die Charakterisierung von Michelle als Soziopath ist so unverschämt offensichtlich, wie man sie bei einer so zentralen Figur, die noch dazu durch die anfängliche Opferrolle quasi zwangsweise dem Zuschauer als Sympathiefigur aufgezwungen wird, im Kino bisher noch nicht zu sehen bekommen hat.
Ich denke, dass Michelle die eigentliche Antagonistin des Films ist. Bezüglich der Frage, ob sie vom Verbrechen ihres Vaters traumatisiert wurde oder von Anfang an eine sozio- wenn nicht sogar psychopathische Ader hatte bin ich mir hingegen unschlüssig. Tatsächlich entlarvt der Film jedenfalls mehr und mehr Michelle als Täterin, als eine Art negativer König Midas, die keinem in ihrem sozialen Umfeld sein Glück gönnt und folgerichtig bewusst oder unbewusst dieses zerstört.
Aber auch das ist nur die halbe Wahrheit, denn in den meisten Fällen (oder möglicherweise sogar in allen, darüber müsste ich nochmal genau nachdenken) ist das Glück gar nicht real, sondern nur eine Illusion, eine Wunschvorstellung (wie bei ihrer besten Freundin, deren Mann sie betrügt oder ihrem Sohn, dessen vermeintlicher Sohn ja offensichtlich gar nicht seiner ist oder die Beziehung ihres Ex-Mannes, die nur auf einem Missverständnis beruht oder die Eheanbahnung ihrer Mutter mit einem Schmarotzer). Die Beziehung zum Vergewaltiger passt da auch gut rein, da dessen Glück ja seine kranke Beziehung zu ihr ist und auch die zerstört Michelle folgerichtig. Warum nahm Michelle ihre anfängliche Vergewaltigung vergleichsweise "gelassen"? Vermutlich auch, weil sie gar kein glückliches Leben hatte, das dadurch zerstört hätte werden können. Sie zerstört selbst, lässt sich aber nicht zerstören und setzt entsprechend alles dran, den Spiess umzudrehen (dieses Schema lässt sich auch auf die Beziehung zu ihrem Vater anwenden und dessen ultimativer Auflösung - was den Schluss aufdrängt, dass Michelle bei Papas Amoklauf im Jahr 1976 dann doch eher Opfer denn Mittäter (nicht aktiv, eher spirituell) war).
Bitterböse sind dann auch die subtilen Schlussgags des Films, so macht Verhoeven recht unzweifelhaft klar, dass Michelle sich bei ihrer Abrechnung mit Patrick ihres Sohnes bediente, denn wie sonst sollte der sonst urplötzlich zu soviel Geld gekommen sein, dass er sich ein teures Cabrio leisten kann? Die Antwort kann nur lauten: der Job, den sie ihm verschafft hat war mitnichten nur die Organisation ihrer Party, sondern in erster Linie die Ermordung ihres kranken "Geliebten". Der Täter wird am Ende zum Opfer und umgekehrt. Auf bizarre Art und Weise hat der negative Midas Michelle so dann doch noch für das "Glück" ihres Sohnes gesorgt, da dieser nun wieder mit seinem "Traummädchen" und "seinem Sohn" vereint ist - ein natürlich äusserst fragwürdiges Glück, was wiederum perfekt zu Michelles sonstiger Vorgehensweise passt.
Auch bitterböse fand ich Michelles abschliessender Dialog mit Rebecca, in welchem ebenfalls sehr deutlich durchscheint, dass diese von den Verbrechen ihres Mannes bestens im Bilde war. Damit reisst Verhoeven dann auch noch die letzte Bastion des Filmes ein und stellt auch die einzig verbliebene positive Figur in einem negativen Licht dar. Die Konsequenz, mit welcher er jede seiner zentralen Figuren in irgendeiner Weise negativ stigmatisiert ist erstaunlich - ein Film, der an Ende ohne jeden Sympathieträger dasteht.
Ich denke, dass Michelle die eigentliche Antagonistin des Films ist. Bezüglich der Frage, ob sie vom Verbrechen ihres Vaters traumatisiert wurde oder von Anfang an eine sozio- wenn nicht sogar psychopathische Ader hatte bin ich mir hingegen unschlüssig. Tatsächlich entlarvt der Film jedenfalls mehr und mehr Michelle als Täterin, als eine Art negativer König Midas, die keinem in ihrem sozialen Umfeld sein Glück gönnt und folgerichtig bewusst oder unbewusst dieses zerstört.
Aber auch das ist nur die halbe Wahrheit, denn in den meisten Fällen (oder möglicherweise sogar in allen, darüber müsste ich nochmal genau nachdenken) ist das Glück gar nicht real, sondern nur eine Illusion, eine Wunschvorstellung (wie bei ihrer besten Freundin, deren Mann sie betrügt oder ihrem Sohn, dessen vermeintlicher Sohn ja offensichtlich gar nicht seiner ist oder die Beziehung ihres Ex-Mannes, die nur auf einem Missverständnis beruht oder die Eheanbahnung ihrer Mutter mit einem Schmarotzer). Die Beziehung zum Vergewaltiger passt da auch gut rein, da dessen Glück ja seine kranke Beziehung zu ihr ist und auch die zerstört Michelle folgerichtig. Warum nahm Michelle ihre anfängliche Vergewaltigung vergleichsweise "gelassen"? Vermutlich auch, weil sie gar kein glückliches Leben hatte, das dadurch zerstört hätte werden können. Sie zerstört selbst, lässt sich aber nicht zerstören und setzt entsprechend alles dran, den Spiess umzudrehen (dieses Schema lässt sich auch auf die Beziehung zu ihrem Vater anwenden und dessen ultimativer Auflösung - was den Schluss aufdrängt, dass Michelle bei Papas Amoklauf im Jahr 1976 dann doch eher Opfer denn Mittäter (nicht aktiv, eher spirituell) war).
Bitterböse sind dann auch die subtilen Schlussgags des Films, so macht Verhoeven recht unzweifelhaft klar, dass Michelle sich bei ihrer Abrechnung mit Patrick ihres Sohnes bediente, denn wie sonst sollte der sonst urplötzlich zu soviel Geld gekommen sein, dass er sich ein teures Cabrio leisten kann? Die Antwort kann nur lauten: der Job, den sie ihm verschafft hat war mitnichten nur die Organisation ihrer Party, sondern in erster Linie die Ermordung ihres kranken "Geliebten". Der Täter wird am Ende zum Opfer und umgekehrt. Auf bizarre Art und Weise hat der negative Midas Michelle so dann doch noch für das "Glück" ihres Sohnes gesorgt, da dieser nun wieder mit seinem "Traummädchen" und "seinem Sohn" vereint ist - ein natürlich äusserst fragwürdiges Glück, was wiederum perfekt zu Michelles sonstiger Vorgehensweise passt.
Auch bitterböse fand ich Michelles abschliessender Dialog mit Rebecca, in welchem ebenfalls sehr deutlich durchscheint, dass diese von den Verbrechen ihres Mannes bestens im Bilde war. Damit reisst Verhoeven dann auch noch die letzte Bastion des Filmes ein und stellt auch die einzig verbliebene positive Figur in einem negativen Licht dar. Die Konsequenz, mit welcher er jede seiner zentralen Figuren in irgendeiner Weise negativ stigmatisiert ist erstaunlich - ein Film, der an Ende ohne jeden Sympathieträger dasteht.