Re: Historie als Galvanotechnik: Das Medium ist die Message!

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GoldenProjectile hat geschrieben:Die von dir genannten Beispiele sind noch die markantesten im Film
Definitiv, obwohl der Film durchweg voll ist mit solchen Sachen. Für meinen Text habe ich sicherlich die extremsten herausgesucht (wohl aber, weil sie mich besonders beeindruckten), aber es gibt auch andere tolle, markante Ideen. Klasse zum Beispiel, wie Wright die Enge im Keller des Finanzministerium am St. James Park (dort spielt immerhin etwa der halbe Film) einfängt und somit auch bildlich eine Entsprechung für den Druck und die Gezwungenheit findet, der Churchill sich ausgesetzt sieht. Ich finde, das ist wirklich an vielen Stellen so gute Detailarbeit seitens der Regie, das hätte man durchaus mit einer Oscarnominierung würdigen können (aber man brauchte den Platz natürlich für Everybodys Darling Paul Thomas Anderson).
GoldenProjectile hat geschrieben:Die Metro-Szene passt perfekt zum bis dahin etablierten Oldman-Churchill wie auch zum echten Churchill

Das sehe ich ganz genauso. Mir geht es nur darum, dass Wright natürlich gewusst haben muss, dass er hier einen Teil seines Publikums verlieren wird, und das man ihm Kitsch vorwerfen wird. Ich finde es aber schön, dass er dieses Risiko eingegangen ist und sehe gerade in dieser Szene viel von der inszenatorischen Selbstverständlichkeit, die ich bei so einem Biopic verlange und erwarte. Mir hat das ganz toll gefallen und es ist nicht nur innerfilmisch sehr sinnig, sondern bereichert auch noch Aussage und Bedeutung des Films, ohne sich so sehr aufzudrängen, dass man in meinen Augen dahinter manipulative Absichten sehen könnte. Toll! Gerne mehr davon in historischen Filmen!
GoldenProjectile hat geschrieben:Wer ins Kino geht, um trockenen Geschichtsunterricht zu bekommen, sollte den Churchill-Film von letztem Jahr schauen
Das glaube ich dir gerne. In weiser Voraussicht habe ich den Brian Cox Tschörtschill aber damals sausen lassen. :wink:
https://filmduelle.de/
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Let the sheep out, kid.

Re: Zuletzt gesehener Film

8462
Geschichtsunterricht ist nicht trocken. Schau doch mal vorbei. :)

Ich hatte noch wenig Zeit mich ausführlich zu äußern, ist aber leider die völlig eindimensionale Beweihräucherung Churchills die ich befürchtet hatte. Da nützt dann Oldmans Leistung auch nicht mehr so viel. Aber gerade für den Geschichtsunterricht in punkto Medienerziehung sehr interessant, da ja viele ihr Geschichtswissen gerne und ausschließlich aus Spielfilmen beziehen.
http://www.vodkasreviews.de


https://www.ofdb.de/autor/reviews/45039/

Re: Zuletzt gesehener Film

8465
„Hitzige Muckibude“

Eine große deutsche Kinokette veranstaltet regelmäßig sogenannte „Männerabende“. Dort gibt es dann verbilligte Hopfen-Getränke, ein Zielgruppen-orientiertes Hochglanzmagazin für lau, vor allem aber einen Film, der hoffentlich besonders dazu animiert, den oder die besten Kumpel weg von Tresen und Couch, hin vor die Leinwand zu locken. In den letzten Jahren wurde es immer schwieriger dafür adäquates Material zu finden, daran hat auch das letzte Afbäumen von Sylvester und Arnold vor dem endgültigen Ruhestand nicht viel ändern können. Um so schöner, wenn dann mal ein Produkt zur Verfügung steht, das wie eigens für die exklusive Veranstaltung entwickelt scheint.

Hier gehts weiter:

http://vodkasreviews.de/?p=250
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Re: Zuletzt gesehener Film

8466
iHaveCNit: The Disaster Artist (2018) gesehen in OmU

Der 1. Februar 2018. Ganze 4 interessante Filme, von denen ich aber 3 für einen Kinobesuch ausschließen konnte. Da wäre „Maze Runner 3“, weil ich weniger der Typ für diese Young-Adult-Buchverfilmungen bin, auch wenn die Trailer von Teil 1-3 doch ordentlich und interessant aussehen. Dann wäre da noch Paul Thomas Anderson Oscar-Bait-Film „Phantom Tread“ bzw. „Der seidene Faden“, in dem die männliche Meryl Streep, Daniel Day-Lewis ein vermutlich eher ruhiges, ereignisarmes Psychogramm eines exzentrischen Schneiders und die Beziehung zu einer Frau darstellt, was für mich eher Heimkinomaterial ist. Wie auch klassische Actioner wie das neue Gerard-Butler-Actionvehikel im Fahrwasser von „Heat“ - „Den of Thieves“ bzw. „Criminal Squad“.

Meine Wahl fiel auf „The Disaster Artist“, in dem wir basierend auf dem Buch von Greg Sestero ein biografisch aufbereitetes Making-Of von „The Room“ bekommen und auch einen Einblick auf die Persönlichkeit des Tommy Wiseau und seine Freundschaft zu Sestero. Wer mich kennt, weiß, dass ich mir gerne Kritiken von Chris Stuckmann auf Youtube ansehe und hier kommt man auch nicht um diesen Reiz von „The Room“ herum, der die erste „Hilariocity Review“ von Stuckmann gewidmet bekommen hat. Hier pflückt er richtig schlechte Filme sehr köstlich und süffisant auseinander, ohne dem Werk als solches respektlos gegenüber zu treten. Ich habe mir auch vor „The Disaster Artist“ den „The Room“ angesehen und muss wirklich sagen, dass er richtig schlecht ist, von der Umsetzung sowie auch vom Schauspiel. Von einem regelrechten Flop mit 1800 USD-Einnahmen gegenüber einem geschätzten Budget von 6 Millionen Dollar hat sich in US-Fankreisen ein regelrechter Kult entwickelt, der über Jahre zu ausverkauften Mitternachtsvorstellungen führt und dafür sorgt, dass man über diesen Film auch 15 Jahre nach seinem Erscheinen immer noch gesprochen wird – sogar länger wie von Filmen, denen man das allgemeine Prädikat „Meisterwerk“ um den Hals hängt. Also haben es Tommy Wiseau und Greg Sestero doch zu einer Form der Berühmtheit in Hollywood gebracht. „The Room“ wurde damals sogar in diesem Umfang gezeigt, mit dem man sich für die Oscars qualifizieren könnte. Es ist klar, dass einem Film wie „The Room“ diese Ehre verwehrt bleibt, doch „The Disaster Artist“ kann zumindest den Goldjungen für das beste adaptierte Drehbuch gewinnen, weil er dort nominiert ist. Schade, dass es in Hollywood derzeit mehr um Anschuldigen von Künstlern im Bezug auf sexuelles Fehlverhalten als um deren Werke geht, denn das Werk von James Franco, der hier Regie führt und Hauptdarsteller ist, hätte es in meinen Augen verdient, dass wenigstens der Film und auch er für „Best Actor“ nominiert worden wäre. Wäre er nominiert worden, wäre meine Wahl klar auf ihn gefallen bei all den Diskussionen um Gary Oldman oder auch einen Daniel Day-Lewis.

Greg Sestero ist ein eher schüchterner Kamerad und sofort Feuer und Flamme, als er den extrovertierten Draufgänger Tommy Wiseau kennenlernt. Beide haben den Traum, als Schauspieler groß raus zukommen, doch ihnen bleibt der Zugang verwehrt, so dass beide auf die Idee kommen, selbst einen Film namens „The Room“ zu drehen. Bei den Dreharbeiten ist es vor allem Tommy, der als Hauptdarsteller, Regisseur, Drehbuchautor in Personalunion mit absoluter Ahnungslosigkeit und Talentlosigkeit doch den großen Traum hat, mit „The Room“ erfolgreich zu sein.

Der Film ist so vieles in seinen 105 Minuten. Ein Biopic über die Kunstfigur Tommy Wiseau und seine Freundschaft zu Greg Sestero – Der Film schafft es wunderbar, den Mythos von Tommy aufrecht zu erhalten und zeitgleich glaubwürdig Motivationen und Intentionen von Tommy darzustellen – und auch die nicht immer konfliktfreie aber doch im Herzen starke Freundschaft zu Greg Sestero. Wundervoll, wie James und Dave Franco miteinander vor der Kamera agieren und das nicht nur, weil sie Brüder sind. Der Film ist auch ein verfilmtes Making-Of und zeigt uns vor allem, wie es am Set zugegangen sein muss, als man sich die Schlüsselszenen vorgenommen hat. Vor allem im Abspann wird deutlich, wie detailreich der Film mit dem Film umgeht und vor allem ein James Franco quasi mit Tommy Wiseau verschmilzt. Der Film ist eine Liebeserklärung an das Filmemachen und an das Träumen, aber auch an das Scheitern. Schade, dass die vielen kleinen Gastauftritte von Leuten wie Zac Efron, Christopher Mintz-Plasse, Josh Hutcherson, Sharon Stone, Jackie Weaver und auch Seth Rogen etwas blass bleiben. Aber alles fügt sich wunderbar in diesem feinen Film von James Franco ein, der es hier geschafft hat, dass man nun auch einen der schlechtesten Filme aller Zeiten, „The Room“ mit einer Liebeserklärung wie „The Disaster Artist“ auf besondere Art und Weise schätzen kann.

„The Disaster Artist“ - My First Look – 9/10 Punkte.

„The Room“ - My First Look – 1/10 Punkte.
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Re: Zuletzt gesehener Film

8467
iHaveCNit: Straight to Home Cinema: Blade of the Immortal (Deutscher Verkaufsstart:12.01.2018)

Der japanische Regisseur Takashi Miike soll eine Filmografie von 100 Filmen aufweisen. Ich weiß nicht, ob man es sich als Lebensaufgabe machen sollte, alle Teile seiner Filmografie zu sichten bzw. zu sammeln. Zumindest ist mit „Blade of the Immortal“, die Realverfilmung eines Anime genau diese Marke von 100 Filmen geknackt worden. „Blade of the Immortal“ hatte einen interessanten Trailer, und auch ein großes Titelfeature in der aktuellen Deadline-Zeitschrift, die mich auf den Film aufmerksam gemacht hat. Da ich im Bereich „Straight to Home Cinema“ auch immer gerne auf Filme aus dem Asia-Bereich eingehe, hat sich „Blade of the Immortal“ empfohlen, der auch ein recht guter Vertreter geworden ist.

Der Samurai Manji kann nicht sterben weil ihm vor Ewigkeiten eine Hexe mit Blutwürmern zur Unsterblichkeit verholfen hat. Dabei würde er gerne in den Tod gehen, weil er sich verantwortlich für den Tod der jungen Machi fühlt und ihr in den Tod folgen möchte. Jahrzehnte später trifft er auf die junge Rin, die den Tod ihres Vater rächen möchte. Ihr Vater war Leiter einer Kampfschule, die sich der Agenda von Anotsu widersetzt hat, alle Kampfschulen zu vereinen. Die Verantwortung, die er einst bei Machi fühlte, kommt bei Manji wieder hervor und so macht sich das ungleiche Team auf den beschwerlichen und blutigen Weg der Rache.

Ein junges Mädchen. Ein erfahrener, alter Killer. Eine aussichtslose Rachestory im Kampf gegen einen Bösewicht. Irgendwie habe ich so etwas schon 1994 von Luc Besson gesehen. In „Leon – Der Profi“ kümmert sich Jean Reno um die junge Natalie Portman, die Rache am Mörder ihrer Eltern, Gary Oldman, nehmen möchte. Auch irgendwie erinnert das ein wenig an den letztjährigen „Logan“. Sehr interessant, eine solche klassische Rachestory in einem japanischen Film zu sehen. Bei dem Trailer und der Prämisse des Films hatte ich dann doch etwas aberwitziges und temporeiches wie z.B. RZAs „The Man With The Iron Fists“ erwartet, doch dafür ist die Inszenierung hier zu klassisch und ohne jegliche Spielereien. Auch fehlt mir hier das Tempo, denn vor allem nach einem starken Start bis zum Showdown hangelt sich die Story von Station zu Station. Die Kampfszenen jedoch sind gut choreographiert, die Kostüme und die Sets bieten eine tolle klassisch japanische Atmosphäre. Cool ist, dass man sich rein thematisch auch mit dem Konflikt in Bezug auf ewiges Leben, Tod und Rache auseinandersetzt. Und man hat nicht oft einen Film, dessen Killcount ins Dreistellige abdriftet.

„Blade of the Immortal“ - My First Look – 7/10 Punkte.

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iHaveCNit: Straight to Home Cinema: The Villainess (deutscher Verkaufsstart: 26.01.2018)

Die nächste Station im Heimkino-Bereich ist wieder asiatisch, diesmal aus Korea, das mir im letzten Jahr mit „Train To Busan“ und „Seoul Station“ zwei jeweils interessant aufbereitete Filme über eine Zombieapokalypse gepaart mit gesellschaftlicher Sozialkritik geliefert hat. Nun also „The Villainess“ in der Uncut-Version. Eine Rache- und auch Verschwörungsstory, die mit Tempo, inszenatorischer Rafinesse und auch viel Gefühl daherkommt.

Sook-Hee hat sich als Tochter eines Kriminellen bereits früh behaupten müssen. Es dauert nicht lange, als eine Regierungsbehörde auf ihre Fähigkeiten aufmerksam macht und sie für ihre Zwecke nutzen möchte. Sie erhält eine tiefgreifende Ausbildung, optische Veränderungen und als Gefälligkeit für ihre Dienste als Killerin ein gutbürgerliches Leben. Womit sie nicht rechnet ist, dass ab hier zarte Gefühle und alte Bekannte auf den Plan treten.

Der russische „Hardcore“ aus 2016 sowie der indonesische „The Raid“ und sein Nachfolger haben ja zuletzt ganz interessante Ansätze geliefert, wie man Action raffiniert und innovativ inszeniert. „The Villainess“ kann hier mit beiden Ansätzen punkten und temporeiche, konsequent blutige und auch toll choreographierte und inszenierte Action liefern. Tolle Kamerafahrten, Ego-Perspektive, One-Takes – alles ist vorhanden. Auftragskillerin in Ausbildung und einer groß angelegten Verschwörungs- und Rachestory hat man im Genre bereits oft genug ausgebreitet. Vor allem der bei uns im März startende „Red Sparrow“ oder auch eine Origin-Story von Black Widow sowie ein noch mit Cyberpunk-Elementen garnierter „Ghost in the Shell“ liefern ähnliche Konstrukte. Diese Story über Rache, Verschwörung wird mit interessanten Rückblenden und tollen Twists erzählt und auch mit entsprechendem Gefühl erhalten wir einen tieferen Einblick in den Charakter der Protagonistin. Manch einer mag finden, dass so etwas das Tempo ausbremst, aber ich finde es hier vollkommen passend und funktioniert super.

„The Villainess“ - My First Look - 8/10 Punkte.
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Re: Zuletzt gesehener Film

8469
iHaveCNit: Wind River (2018)

„Sicario“ sowie „Hell Or High Water“ - 2 Filme, die mir im Jahr 2015 und 2017 richtig gut gefallen haben und wie „Wind River“ eines gemeinsam haben - Ihren Drehbuchautor, der aus „Sons of Anarchy“ als Chief Deputy Hale bekannte Taylor Sheridan. Haben in „Sicario“ der frankokanadische Meisterregisseur Denis Villeneuve und in „Hell or High Water“ noch der Schotte David Mackenzie die Regie übernommen, traut sich dieses Mal Sheridan diese Rolle selbst zu. Nach einem Thriller über den War on Drugs und ein Bankraubdrama ist nun ein Krimi die Grundlage für Sheridans Neo-Western, der sich dieses Mal keine schwitzigen, sonnendurchfluteten Regionen im Süden ausgewählt hat, sondern die eiskalte Region in Wyoming. Genauso eiskalt erwischt einen auch dieser harte, aber auch sehr einfache Thriller, der sich keineswegs von seinen beiden Vorgängern in Sheridans inoffizieller „American-Frontier-Trilogie“ verstecken muss.

Cory Lambert ist Jäger in Wyoming und findet bei seinen Jagdtouren durch das eisige Wind River Indianerreservat eine junge Frauenleiche. Die Ermittlungen soll die FBI durchführen, die die junge Agentin Jane Banner entsenden. Ohne Ortskenntnisse und Erfahrungen in der eisigen Einöde nimmt sie die Hilfe von Cory Lambert in Anspruch, der jedoch im Rahmen der Ermittlungen seine ganz eigene Motivation hat.

An Bord dieses Films hat sich Sheridan mit Jeremy Renner und Elizabeth Olsen zwei Leute geholt, die sich bereits im Blockbusterkino einen Namen gemacht und bereits gemeinsam vor der Kamera gestanden haben. Darüberhinaus bekommen wir mit Graham Greene, Gil Birmingham und einem Jon Bernthal einen tollen erweiterten Cast dazu. Der Film ist mit 107 Minuten genau richtig in seiner Länge. Der Fall ist zwar relativ einfach von seiner Struktur, doch der Film selbst hat neben der Ermittlung so viel mehr zu bieten. Charakterliche Tiefe ist bei allen Beteiligten erkennbar und sorgt für eiskalte und berührende Momente. Vor allem Jeremy ist hier mal wieder der Renner und auch Elizabeth Olsen sorgt mit ihrer eigenen Form von Engagement und Empathie dafür, sich nach einiger Zeit als Fremde in dieser Region Respekt zu verschaffen. Die charakterlichen und zwischenmenschlichen Momente sorgen auch für einen respektvollen Umgang mit der indianischen Kultur sowie die gesellschaftliche Struktur der dortigen Region. Garniert wird das noch mit roher, konsequenter Gewalt und großartigen Landschaftsaufnahmen sowie coolen Skimobilfahrsequenzen.
Klar ist das hier Taylor Sheridans Regiedebüt und klar hat er jetzt nicht so die große Erfahrung als Regisseur, aber genau dieses harte, rohe, unmittelbare und auf Grundsätzlichkeiten reduzierte kommt genau dann am Besten zur Geltung. Es sieht so aus, als ob ich auf jeden Fall weiter meine Augen auf halte, was von Taylor Sheridan noch so kommt, egal ob er nur das Drehbuch schreibt oder selbst inszeniert.

„Wind River“ - My First Look – 9/10 Punkte.
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Re: Zuletzt gesehener Film

8470
Nico hat geschrieben:Und wieder mal eine Privatvorstellumg für mich: Downsizing. Schuhe aus und Füße hoch. :D
Und diesmal kam sogar der Eismann...
Um mal hierauf zurückzukommen:

War zwar toll, das Kino ganz alleine für mich gehabt zu haben, super wäre dazu dann allerdings noch ein wirklich guter Film gewesen... ich hatte mich auf „Downsizing“ warum auch immer sehr gefreut, leider muss ich aber allen Kritiken hier recht geben. Das erste Drittel ist wirklich super und macht viel Spaß, dann nimmt der Film jedoch eine sehr merkwürdige Wendung und weiß irgendwie überhaupt nicht mehr, was er sein will. Zum Ende hin war ich nur noch gelangweilt und selbst der bestens aufgelegte Christoph Waltz konnte nichts retten. Schade drum, da wär mehr drin gewesen.
"Hiermit kündige ich meine Mitgliedschaft!" - "Wir sind kein Countryclub, 007!"

Und wie viel Barnum steckt in dir?

8471
GREATEST SHOWMAN

Im Film von Regisseur Michael Gracey über die Geschichte P.T. Barnums, der ein großes Zirkusspektakel auf die Beine stellen will, hat sich der Protagonist (Hugh Jackman) an einigen Stellen mit einem Kritiker auseinanderzusetzen. Barnum will mit seinem Spektakel die einfachen Leute faszinieren, während Mr. Bennett die Show verreißt und ihr vorwirft, oberflächlich und auf visuelle Reize konzentriert zu sein. Der Film weiß, wie und wo er sich auf dieser Skala verortet und so verwundert es im Nachhinein kaum noch, dass auf der IMDb interessanterweise positiven Publikumsbewertungen (8,0) nur verhaltene Kritiken (Metascore 48, Stand 10.02.2018) gegenüberstehen.

Barnum ist auf der Suche nach Spektakel, das ihm erst dann gut genug ist, wenn es Breitenwirkung gewinnt. Ein erster Versuch geht nach hinten los. Dann entdeckt er „Freaks“ für sich. Hier steckt mehr dahinter, als nur ein Auslachen. Sie bringen eine Faszination mit sich, und Barnum bringt nicht nur diese Faszination auf die Bühne, sondern auch die Menschen dahinter, die mit ihren Abweichungen von Konventionen den Weg aus ihren Verstecken ins Rampenlicht finden. Sei, wer du bist – im großen Stil.
Dasselbe gilt für Barnum. Sein Streben nach Anerkennung auch in den Kreisen der Oberschicht entfernt ihn von seinen Wurzeln: Von seiner Familie und seinem Zirkus. Er riskiert beides, als er mit der in Europa verehrten Sängerin Jenny Lind durch die Vereinigten Staaten tourt. Als sein Leben dann in Trümmern liegt, besinnt er sich auf das zurück, was er eigentlich will und findet neue Wege, ein Spektakel auf die Beine zu stellen, bei dem sein Team und er sich sicher sind: „This is the Greatest Show!“ Dass der Film dabei seine zuweilen etwas unzugängliche Identifikationsfigur, gespielt vom unverschämt charismatischen und gutaussehenden Method Actor Hugh Jackman, folgt, hat dabei zweischneidige Auswirkungen.

Zum einen beweisen die Filmemacher ein gutes Auge für schöne und visuell beeindruckende Aufnahmen. Bereits am Anfang gelingt ein schnittloser Szenenwechsel aus einer zunächst als Gegenwart angenommenen Shownummer zurück zur Kindheit des Protagonisten. Auch in späteren Szenen, gerne auch den kreativ choreographierten Gesangseinlagen, gibt es visuell beeindruckende Bilder, die auch die Nähe zum Kitsch nicht scheuen.
Dabei sollte auch noch angemerkt werden, dass nicht nur die Optik spektakulär sein kann. Auf der Audiospur finden sich Titel wie „This is me“ und natürlich das musikalische Flaggschiff des Films, „The Greatest Show“, die besonders herausstechen; überhaupt ist es eine interessante und nicht schiefgehende Idee, einen in der Vergangenheit angelegten Film mit Songs zu bestücken, die instrumentell überhaupt nicht in seine Gegenwart passen.

Andererseits muss doch auch der Bennet’schen Sicht ein bisschen Platz eingeräumt werden: Auf seinem dramaturgisch soliden Fundament verpasst es der Film, an passenden Momenten in die Tiefe zu gehen, bzw. vermeidet sogar bewusst auf längere Problemlösung angelegte Konfliktsituationen auch in dieser Form aufzulösen. Dadurch wird die Handlung zwar immer weiter vorangebracht, was dabei nicht durchgängig dynamisch vonstattengeht, doch das filmische Musical gerät damit ab und an aus dem Rhythmus. Pausen, in denen bestimmte, gerade erreichte dramaturgische Konstellationen ausgebreitet werden und sich dann weiter entfalten können, können mehr Tiefe geben, als ein paar feuchte Augen der Figuren.
Diesen werden, wie man es bei dieser Thematik auch erwarten darf, Charakterbögen und Entwicklungen der Beziehungen innerhalb ihrer Konstellation zugestanden, jedoch werden diese nur oberflächlich behandelt. Dass GREATEST SHOWMAN es so weit kommen lässt, ihm Oberflächlichkeit ankreiden zu können, ist letztendlich sein eigenes Verschulden. So erscheint der Film an manchen Stellen etwas unschlüssig, ob die Idee, ein oberflächliches Spektakel zu machen, einen Film noch immer tragen kann und kokettiert daher mit einer Komplexität, an die er sich dabei nie wirklich herantrauen mag.

Das Spektakel, dass der Film bietet, lässt er sich dennoch nicht mehr nehmen. Aus Sympathie mit Hugh Jackmans Figur hate ich mich auch bei meiner Wertung näher am Publikums- als am Kritikerschnitt: 7 Sterne für die größte Show.
It's the BIGGEST... It's the BEST
It's BOND

AND BEYOND

Re: Zuletzt gesehener Film

8474
Agent 009 hat geschrieben:Three Billboards

In jeder Hinsicht ein perfekter Film. Ein geniales und unfassbar starkes Drehbuch, tolle Charaktere und großartig aufgelegte Schauspieler machen diesen Film zu einem der besten Filme aller Zeiten. Was ein Start ins Kinojahr für mich!

10/10
Hab bis jetzt auch nur gutes darüber gehört und werde fix reingehen. Und da ich deinem Urteil i.d.R. traue, freue ich mich jetzt noch mehr auf den Film! :)
"Wer den Pfennig nicht ehrt, ist des Talers nicht wert."
"Doch wer sich bückt nach dem schmalen Taler, verpasst das große Bündel."

Re: Zuletzt gesehener Film

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Hands of Stone (2016) - Jonathan Jakubowicz

De Niro und Boxen - das passt einfach! Das war so bei Scorseses Klassiker Raging Bull, ebenso beim launigen Nachschlag Zwei vom alten Schlag mit Stallone und erfreulicherweise bildet auch sein jüngster Ausflug ins Genre hier keine Ausnahme. Hands of Stone zeichnet Leben und Karriere des Panamaischen Ausnahmeboxers Roberto Duran, genannt "Mano de Piedra" - Hand aus Stein, nach. Bemerkenswert ist dabei vor allem, dass es dem Film nicht nur gelingt eine faszinierene Charakterstudie des (bzw. eigentlich der) Protagonisten zu erstellen, sondern gleichzeitig auch die gesellschaftliche und politische Entwicklung in Panama in die Haupthandlung integriert (letzteres vor allem in der nicht immer einfachen Beziehung zu den den für das Land wirtschatflich so entscheidenden Panama-Kanal kontrollierenden Vereinigten Staaten). Die Rekonstruktion der portraitierten Epoche (1960er bis frühe 1980er) ist dabei beeindruckend authentisch geglückt, dazu trägt auch die gleichermaßen intensive (und damit die lateiamerikanische Atmosphäre effektiv unterstreichende) wie realistische Farbgebung bei und in noch größerem Maße die tolle musikalische Untermalung, sowohl in Form des Soundtracks von Angelo Milli als auch durch die zahlreichen verwendeten Songs. Hauptdarsteller Edgar Ramirez zeigt einmal mehr welch begabter Schauspieler er ist und liefert eine beeindruckend vielschichtige Darstellung als Roberto Duran. Aber auch der Rest der Besetzung spielt durch die Bank stark, darunter erfreulicherweise auch ein Bob De Niro, der in der Rolle von Durans Trainer Ray Arcel endglich mal wieder Gelegenheit bekommt sein altes Können aufblitzen zu lassen. Unterm Strich ist Hand of Stone ein durch und durch gelungener Film, der vor allem durch die Verzahnung von Boxfilm, Charakterdrama und Gesellschaftpolitischer Studie zu überzeugen weiss.

Wertung: 8,5 / 10

"Ihr bescheisst ja!?" - "Wir? Äh-Äh!" - "Na Na!"