Re: Zuletzt gesehener Film

8446
The Greatest Showman

Obwohl ich eigentlich kein Musicalfan bin, habe ich dieses Jahr mit einem solchen eröffnet. Die Trailer sahen interessant aus, die Figur des P.T. Barnum bietet grundsätzlich eine hervorragende Grundlage für unterhaltsame Geschichten, und mit Hugh Jackman hatte man als Hauptdarsteller einen Schauspieler mit viel Talent und großer natürlicher Ausstrahlung an Bord.
Vor meinem Kinobesuch hatte ich allerdings schon recht unterschiedliche Kritiken gehört, sodass ich auch mit leichter Skepsis ins Kino ging. Die verflog aber schon in den ersten Minuten. „The Greatest Showman“ startet furios und bietet in den ersten Sekunden schon einen Vorgeschmack auf das, was einen die kommenden, ca 105 Minuten erwartet, bevor er sich für längere Zeit in eher ruhigere Gefilde begibt, die aber nie langweilig werden.
Der Film nutzt die Möglichkeiten des Musicals perfekt aus, um die Faszination für den Zirkus, den die Menschen damals empfunden haben müssen, in die heutige Zeit, in der es für uns zum Bekannten gehört, zu übertragen. Jedes Mal wenn sich die Handlung und damit auch die Kamera in die Manege begibt, wird der Zuschauer in einen Rausch aus Bildern, Farben und Musik geworfen. Doch zwischen diesem pompösen und beeindruckenden Bombast sind auch immer wieder ruhige und teils zutiefst berührende Stücke eingestreut die einen guten Kontrast bilden und auch für sich hervorragend funktionieren.
Die von der Kamera eingefangenen Bilder sind meist großartig, und wissen zu beeindrucken, auch wenn der Film nicht durchgehend eine konsequente Bildsprache verwendete. So startet der Film mit dem alten 20th Century Fox Logo (in Schwarz Weiß) und verwendet danach und auch im Abspann den Rahmen von Texteinblendungen aus der Stummfilmzeit, gibt diesen „Retrostil“ aber sofort danach wieder auf und zeigt einfach großartige Bilder auf moderne Art und Weise. Lediglich an einer Stelle fällt „The Greatest Showman“ in diesen Retrolook zurück, bei einer Szene in der Barnum und seine Frau auf einem Dach tanzen und eine klar als Kulisse erkennbarer Mond den Hintergrund bildet. Da dies kurz nach einer Kamerafahrt über eine alte Stadtkulisse, die wiederum etwas nach CGI aussieht, folgte, riss es mich etwas aus der Geschichte heraus. Beide Herangehensweisen sind gut und passend für den Film, in Kombination allerdings etwas inkonsequent. Allerdings umfasst dieser Kritikpunkt ja nur einen sehr kleinen Teil des Films sodass er nicht sonderlich ins Gewicht fällt.
Die Songs gehen zwar nicht so sehr ins Ohr, wie es bei vielen Beispielen aus La La Land, im vergangenen Jahr, der Fall war, doch auf der großen Leinwand entfalten sie sich eher noch besser. Es sind wohl eher Lieder für den Moment, doch als das absolut überragend.
Hugh Jackman ist herausragend gut, doch auch der Rest des Casts weiß zu überzeugen.
Ich vermute, dass der Film bei einer Zweitsichtung auf DVD etwas verlieren wird, er dürfte zu wenig Substanz haben um dauerhaft so beeindruckend zu sein, wie beim ersten Mal. Und außerdem ist es ein Film, der fürs Kino gemacht ist. Große Bilder, die sich so nur auf einer Kinoleinwand entfalten können, und ein Sound der ebenfalls in einen großen Saal gehört, zumal sich die Story ja ständig vor gut gefüllten Zuschauerrängen befindet, sich das Kino also auch dafür perfekt eignet.
Als Kinowertung erhält „The Greatest Showman“ von mir

9/10 Punkte
Zuletzt geändert von dernamenlose am 26. Januar 2018 17:36, insgesamt 1-mal geändert.
"You only need to hang mean bastards, but mean bastards you need to hang."

Re: Zuletzt gesehener Film

8449
Das ist nicht ganz richtig. Am Anfang läuft das alte 20th Century Fox Logo, das dürfte aber nicht schwarz weiß, sondern nur in sehr blassen Farben sein.
Danach läuft das aktuelle, aber mit deutlichem Grünstich und auch nicht ohne Ton. Stattdessen setzt bereits die Musical-Nummer "Greatest Show" ein.

Vertraut mir, habe den Film dreimal im Kino gesehen.
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Re: Zuletzt gesehener Film

8450
Ich bin mir ziemlich sicher, dass beide klar schwarz weiß waren. Mit "ohne Ton" meinte ich nicht, dass es da komplett still ist, sondern, dass die zum Logo gehörende Musik nicht gespielt wurde. Da setzte schon das erste Musical Stück ein, das ist richtig. Ein absolut großartiges Stück übrigens...
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Ebbing sehen ... und sterben?

8453
Three Billboards outside Ebbing, Missouri

Drei Werbetafeln schmücken die Landstraße, die in die verschlafene Kleinstadt Ebbing in Missouri führt. Drei Werbetafeln, die beides sind: Denkmal und Provokation. Denkmal, weil Mildred Hayes mit ihnen an ihre vergewaltigte und ermordete Tochter erinnern will. Provokation, weil sie sich an die Polizei wendet: „Raped while dying“, „And still no arrests?“, „How come, Chief Willoughby?“… Nach diesen drei Werbetafeln ist er benannt, der Film von Martin McDonagh: „Three Billboards outside Ebbing, Missouri“. Denn genau wie Mildred will auch McDonagh seinen Film, der zu den besten seiner Art gehören dürfte, verstanden wissen: Als Denkmal und als Provokation.

Im antiken Griechenland gab es bloß zwei Genre: Die Komödie und die Tragödie. Eine Trennung, die in „Three Billboard outside Ebbing, Missouri“ nicht mehr möglich wäre. Beides verschmilzt unter McDonaghs Händen zu einem eigensinnigen Symbioten. In den komischen Momenten versteckt sich die Tragik der Akteure, während aus ihrer ausweglosen Traurigkeit die Lacher resultieren. Die Geschichte der Billboards ist Gewaltkino, dass nicht von Gewalt selbst, sondern von den Auswirkungen von Gewalt handelt. Ein bestialisches Verbrechen ist der Ausgangspunkt. Durch die brutale Ermordung ihrer Tochter sieht sich Mildred veranlasst, als nach 7 Monaten die Polizei immer noch keinen Täter ermitteln konnte, ihre Plakate aufzuhängen. Die Bevölkerung ist entrüstet, der angesprochene Chief Willoughby gekränkt, sein Kollege Officer Dixon kocht vor Wut. Ein explosives Gemisch, aber wohl überlegt arrangiert. Das Drehbuch muss zweifellos als Geniestreich voller unvorhersehbarer Höhepunkte bezeichnet werden. Auch wenn es so klingt, geht es nicht um die Aufklärung eines Verbrechens. McDonagh entfaltet vielmehr ein breit gefächertes Gesellschaftsporträt, und offenbart einen tiefen Blick in die sozialen Strukturen des Zusammenlebens in US-Kleinstädten. Das fiktive Ebbing, Missouri betrachtet sein Film aus der Perspektive eines Wissenschaftlers, der durch ein Mikroskop winzige Organismen auf einer Plexiglasscheibe analysiert. Und dabei nimmt er seine Charaktere sehr ernst: Keine Figur in seiner Szenencollage kommt ohne doppelten Boden daher, niemand bleibt zweidimensional.

Alle Charaktere haben ihre Hintergründe, ihr Innenleben und jede Entwicklung ist die logische Konsequenz ihrer jeweiligen Handlungen. Vor so viel dramaturgischer Übersicht muss man den Hut ziehen. Die Dialoge sind von geschliffener Reinheit, so dass man sie zitieren muss, um ihnen gerecht zu werden: „So how’s it all going in the nigger-torturing business, Dixon?“, fragt Mildred den Officer. Seine leicht entrüstete Antwort: „You gotta say people of color torturin‘ business!“. Die fast 2 Stunden starke Handlung ist derartig pointiert aufbereitet, dass sie einem Ideenfeuerwerk gleichkommt. Doch McDonagh achtet penibel darauf, die Ernsthaftigkeit der Handlung nicht zu untergraben. Immer dann, wenn die Faszination für die brillante Komik auf ihrem Höhepunkt ist, schwenkt er drastisch in Leid und Ironiefreiheit um. Nicht nur Mildred, sondern auch Willoughby und Dixon sind gebrochene, tragische Personen, die auf eine Katharsis warten, die ihnen nicht mehr gewährt werden kann, die sie vielleicht auch alle nicht verdienen. Auf ein Urteil verzichtet die Regie, und gibt sich damit zufrieden, das Leben dieser Antihelden so authentisch wie möglich auszugestalten. Politisch korrekt ist das selten, erst recht nicht, wenn das rassistische Muttersöhnchen Dixon urplötzlich als Sympathieträger angeboten wird.

Für McDonagh ist es jedoch selbstverständlich, ist Dixon doch auch nicht mehr als ein Opfer der gesellschaftlich etablierten strukturellen Fremdenfeindlichkeit in den Provinzen der Vereinigten Staaten. Er ist eine Alltagsfigur, die der Regisseur gleichermaßen würdigt wie konterkariert. Diese Zweipoligkeit funktioniert auch dank großartiger Schauspielleistungen. Gerade Dixon wird von einem völlig entfesselten Sam Rockwell perfekt verkörpert, aber auch Woody Harrelson weiß als Willoughby zu überzeugen und bekannte TV-Gesichter wie Peter Dinklage, Zeljko Ivanek oder Clarke Peters glänzen in klugen Nebenrollen. Allen voran steht allerdings die phänomenale Frances McDormand. Die 60-Jährige leistet eine erstaunliche Arbeit, dem tiefsitzenden Schmerz und der entschlossenen Kampfeshaltung Mildreds in jedem Blick zu entsprechen. In wunderschönen langen Kamerafahrten, die Carter Burwell mit idyllischen Country-Klängen unterlegt, bekommen alle Akteure viel Luft zum Atmen, bis die Inszenierung ihre Leichtigkeit zum Ende hin immer weiter abstreift und die Gewalt (auch visuell in einer atemberaubenden Sequenz) als Fegefeuer in das Innenleben ihrer Figuren transferiert. Jede Form von Gewalt feuert immer auch zurück. Das ist keine abstrakte Anklageschrift des Films: Mildred, Willoughby und Dixon erfahren allesamt am eigenen Leibe, wie aus Bösem noch mehr Böses resultiert, ohne zu verschweigen, dass Aktionismus auch gutes hervorbringen kann. Der Sieg des Guten selbst wird aber ausgelassen und spielt folgerichtig keine Rolle. Er wäre eine andere Geschichte, eine andere Moral, die in Ebbing, Missouri noch keine Gültigkeit haben darf und kann. Jedenfalls nicht, solange die Billboards bestehen.

Fazit: Ohne Frage ist „Three Billboards outside Ebbing, Missouri“ qualitativ wie thematisch der beste Film des Jahres 2017. Keine Figur zeigt das so deutlich wie Protagonistin Mildred. Sie erweist sich als Symbolfigur für die Ära der Präsidentschaft Donald Trumps und der feministischen #metoo-Bewegung. Ihr geht es beim Aufstellen der Billboards nicht um Schmerzlinderung, sondern um Gerechtigkeit, die ihr ihrer Ansicht nach verwehrt wird. Sie fühlt sich machtlos gegenüber den Herrschenden, woraus ihre undefinierte Wut resultiert. Ihre Verzweiflungstaten sind ein Bekunden von Verachtung gegen Institutionen, eine Rebellion gegen die herrschende (Un-)Ordnung, denen ganz tief im Innern der Wunsch innewohnt, eine vermeintlich vergangene Zeit der Sicherheit zurück zu erlangen. Mildred kämpft, ohne zu wissen, wofür und gegen wen. Nirgendwo mehr als in diesem Meisterwerk kann man sich gleichzeitig so verstanden und so kritisiert fühlen. Martin McDonagh setzt allen Mildreds dieser Welt ein Denkmal. Mehr noch: Drei Denkmäler. Drei Werbetafeln. Drei Billboards.

10/10

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Re: Zuletzt gesehener Film

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iHaveCNit: Nur Gott kann mich richten (2018)

Ich liebe deutsches Genrekino, das so viel mehr kann als nur die Mainstream-Komödien und Historienfilme. In Zeiten, in denen wir selbst perfektes deutsches Genrekino als TV-Serie in Form von „4 Blocks“ bekommen, kommt nun im selben Fahrwasser das Crimedrama „Nur Gott kann mich richten“ von Özgür Yildirim mit dem Genrekino-erprobten deutschen Schauspielstar Moritz Bleibtreu und dem Star aus „4 Blocks“ - Kida Khodr Ramadan, der für mich so langsam auch zu einem einprägsamen Gesicht und einem einprägsamen Namen im deutschen Film- und TV-Geschäft wird. Schauplatz dieses Crimedramas ist Frankfurt, meine Heimatstadt, dass bisher in diesem Genre wenn überhaupt nur in Tatorten zu sehen war. Frankfurt auf der großen Leinwand hat definitiv etwas, genauso wie der Film.

Ricky kam vor 5 Jahren nach einem gescheiterten Überfall in den Knast, nun ist er raus und sein Gefährte von früher, Latif überredet ihn zu einem letzten Deal, bei dem es um viele Drogen, aber auch viel Geld geht. Doch es läuft nicht alles nach Plan, denn nicht nur eine Polizistin mit eigenen Problemen tritt auf den Plan, auch zwischen Ricky und seinem Bruder Rafael läuft seit dem gescheiterten Überfall nicht mehr alles rund.

Crimedrama auf Frankfurts Boden also – und einem Drehort, in dessen Nähe nur wenige Fußminuten entfernt ich jahrelang aufgewachsen bin und meine ganze Jugend und das junge Erwachsensein verbracht habe. Allein dafür hat sich für mich der Film gelohnt. Aber „Nur Gott kann mich richten“ bietet eigentlich alles, was ein tolles Crimedrama braucht – eine klassische Handlung, die etwas an „Layer Cake“ oder auch Refns „Pusher-Trilogie“ erinnert. Die Charaktere sind vielschichtig, haben alle ihre eigenen Konflikte und Agenden, die hier verarbeitet werden. Egal ob Moritz Bleibtreu, Kida Ramadan, Edin Hasanaovic, Birgit Minichmayr – alle machen hier eine tolle Figur und lassen viel von dem eigenen Drama hervorscheinen, Mit Tim Wilde, Alexandra Maria Lara und Peter Simonischek ist der Film bis in die Nebenrollen sehr toll besetzt. Gerade dieser Film im Fahrwasser von „4 Blocks“ setzt viel auf Autenthizität und dass seine Charaktere von der Straße kommen. Jedoch ist für diese Charakter- und Milieustudie in der Kürze der Zeit, es will ja auch die Handlung von Punkt A nach Punkt B gebracht und zu einem brutalen und konsequenten Ende geführt werden, nicht genug Platz, diese Tiefe in die Charaktere und ihr Milieu zu bringen. Dafür läuft der Plot auch viel zu sehr nach Schema F, wie wir es aus internationalen Genregrößen kennen. Und wenn man schon im Fahrwasser von „4 Blocks“ schwimmt, zeigt gerade diese Serie, dass genauso ein Crimedrama mit Charakter- und Milieustudie in Form einer Serie viel mehr Zeit, Kraft und Wirksamkeit zur Entfaltung bekommt. Trotz allem ist „Nur Gott kann mich richten“ ein toller, kraftvoller, spannender und dramatischer Genrefilm aus Deutschland geworden, der hoffe ich zumindest der Startschuss ist, Frankfurt als Schauplatz häufiger für deutsche Kinoproduktionen einzusetzen.

„Nur Gott kann mich richten“ - My First Look – 8/10 Punkte.
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Re: Zuletzt gesehener Film

8456
Thunderball1965 hat geschrieben:Von McDonaghs dramaturgischem Gespür hat mich schon In Bruges überzeugt, das hier klingt ebenfalls ziemlich gut.
Ja, Bruges war auch schon ordentlich, aber Three Billboards outside Ebbing, Missouri spielt in einer ganz anderen Liga. Das ist so einer dieser seltenen Filme, über die man noch länger reden wird. Solltest du ihn sehen, erwarte einen pechschwarzen, bitterbösen Film, der keine Lust auf moralisches Kino hat, der dem Publikum Fragen aufwirft, aber keine Lösungen anbietet, weil er oft eben einfach auch keine weiß (Hybris brachte schließlich schon so manche "Gesellschaftskritik" allzu leicht zum Fall). Ein sehr sehr mutiger, sehr sehr ambivalenter Film.
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Re: Zuletzt gesehener Film

8457
Ja, und auch das Thema "Kommunikation" wird in den 3 Tafeln super ausgearbeitet. Dass man nicht nur Schwarz/Weiß denken sollte, dass mann nicht nur immer dieselbe engstirnige Sichtweise haben sollte, dass man auch mal die Sachen aus einem anderen Blickwinkel sehen und vielleicht auch verstehen sollte. Dass man selbst dem dümmsten Idioten das Maß an Rehabilitation zugestehen darf. (Stichwort zu Rockwells Charakter !)

Im Sinne der ganzen Metoo-Debatte finde ich auch, dass öffentliche Hetzjagden ihre Grenzen haben sollten, jedem tatsächlichen Täter muss auch die Möglichkeit zu einer Rehabilitation fernab von öffentlicher Ausgrenzung mit echter zweiter Chance gewährt werden.
"Weiter rechts, weiter rechts ! ..... "

Re: Zuletzt gesehener Film

8458
iHaveCNit: (Straight To HC): Boone – Der Kopfgeldjäger (Verkaufsstart: 19.1.18)

Als Beginn der Filme in diesem Jahr, die bei uns den direkten Weg ins Heimkino finden, habe ich mir „Boone – der Kopfgeldjäger“ ausgesucht. Die Hauptrolle spielt hier John Hennigan, der sich unter anderem als John Morrison oder Johnny Nitro in der WWE einen Namen als Singles- bzw. auch Tag-Team-Wrestler gemacht hat. In gewisser Art und Weise ist dieser „Boone“ seine Rolle, die er in Sharknado 5 glaube ich soweit auch persiflierte. Herausgekommen ist bei „Boone“ eine Mischung aus Actionkomödientrash und Mediensatire, die nicht immer ganz aufgeht.

„Boone“ ist ein Kopfgeldjäger, der im TV und den sozialen Medien Kautionsflüchtige auf aberwitzige Art einfängt. Die Quoten und der finanzielle Erfolg bleiben trotz Kultstatus aus und da kommt ein Fall ganz recht, der „Boone“ und sein Team in einen Kampf mit einem Drogenbaron verwickelt.

Als Start in dieser Sektion ist dieser Film ganz in Ordnung, auch wenn er einige Probleme hat.
Kampf- und Actionsequenzen gehören jedoch nicht dazu. Hier verlässt man sich völlig auf Hennigan, der alle Stunts und Kampfequenzen (unter anderem mit Lateef Crowder) selbst gemacht hat und die Choreographien sehen auch recht ordentlich aus. Der Film hat dann jedoch das Problem, mit einer witzigen Mediensatire anzufangen und sich dann in einen ernsten Verschwörungsplot mit einem Drogenbaron zu verlieren, der der witzigen Grundidee die Kraft nimmt. Zudem ist auch der Film trotz 87 Minuten doch nicht so temporeich, wie ich es gern gesehen hätte. Als eine nette Zugabe bekommen wir hier auch Gastauftritt von Lorenzo Lamas und Kevin Sorbo zu sehen.

„Boone – Der Kopfgeldjäger“ - My First Look – 6/10 Punkte.



iHaveCNit: The Metropolitan Opera Saison 2017/2018 – Giacomo Puccini: Tosca (2018)

Als Bondfan habe ich irgendwann mal vorgehabt, mir Tosca anzusehen, weil gerade diese Oper von Puccini auch Bestandteil einer hervorragend inszenierten Schlüsselsequenz im Bondfilm „Ein Quantum Trost“ ist. So habe ich ein Geburtstagsgeschenk eingelöst und habe nun gestern die Oper im Kino gesehen.

Wir erleben die tragische Liebesgeschichte des Malers Mario Cavaradossi und der Sängerin Floria Tosca zu Zeiten von Napoleons zensiert in Italien. Beide werden Teil einer politischen Verschwörung, in der der Baron Scarpia alle Fäden in der Hand hält.

In 3 Akten erzählt, mit kurzer Anmoderation ist die Oper dann im Kino gelaufen. Garniert mit Backstagesegmenten, Interviews mit den Hauptakteuren und des Setdesigners, einen Einblick in das noch kommende Programm der Metopera und einen Einblick au f das Umbauen der Sets in den Pausen ist wirklich cool gewesen und hat dem ganzen noch einen speziellen Touch gegeben. Die Oper an sich ist zum Glück trotz italienischem Gesang mit Untertiteln serviert worden, so dass man als jemand mit nicht italienischen Sprachkenntnissen das auch gut nachvollziehen konnte. Durch unterschiedliche Produktionsschwierigkeiten und Ausstieg der Hauptdarsteller im Zug von sexuellem Fehlverhalten sind letzlich Sonya Yoncheva, Vittorio Grigolo und Zeljko Lucic in den Hauptrollen zu sehen und gesanglich zu hören. Alle machen ihre Arbeit soweit gut, genaue Vergleiche zu anderen Versionen von Tosca kann ich hier nicht ziehen, da dies meine erste Version von Tosca ist. Tolle Songs, gutes Schauspiel dass bei all der gesanglichen Lyrik und dem Ausdruck vielleicht etwas zu Over-The-Top und zu aufgesetzt wirkt, aber insgesamt ein rundes Bild ergibt. Wirklich stark ist aber auch das dreidimensionale Setdesign der 3 Schauplätze gelungen. Egal ob es de Kapelle der Kirche San Andrea della Valle, der Palazzo Farnese oder auch die Engelsburg ist, eindrucksvoll, stimmig und klassisch. Respekt auch an die Handwerker hinter der Bühne, die in Windeseile die ganzen Sets umbauen müssen, damit ein reibungsloser Ablauf gewährleistet ist.

The Metropolitan Opera Saison 2017/2018 – Giacomo Puccini: Tosca (2018) – My Only Look – Ohne Wertung !
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8459
Die dunkelste Stunde

Die Leinwand beugt sich seinem Willen: Was Gary Oldman in "Die dunkelste Stunde" abliefert, ist ganz großes, urgewaltiges Schauspielkino. Zurecht hat Oldman schon lange in Hollywood den Ruf eines schauspielerischen Chamäleons, doch unter der Regie von Joe Wright verschwindet er ganz und gar hinter der Figur des Winston Churchill. Natürlich ist die optische Ähnlichkeit ein Verdienst des phänomenalen Make-Ups, doch Oldman geht darüber weit hinaus: Perfekt trifft er Stimmlage und Sprechweise des einflussreichen britischen Politikers, übernimmt Akzent, Nuscheln und Sprachfehler mit unverschämter Leichtigkeit. Allein seine perfekte Darstellung ist es wert, "Die dunkelste Stunde" gesehen zu haben. Dennoch ist der Historienfilm weit davon entfernt, die "Gary-Oldman-Show" zu sein. Er ist auch ein spannendes Drama, das zwar nur wenige Tage im Mai 1940 umreißt, sein Geschehen aber intelligent in die Gegenwart transferiert.

Die Geschichte ist bekannt: Im Mai 1940 sind 350.000 britische Soldaten am Strand Dünkirchens in Frankreich von den Nazis eingekesselt. Der britische Premierminister Neville Chamberlain muss zurücktreten, der Imperialist Churchill (der als Marinechef in der Dardanellenschlacht eine tödliche Fehlentscheidung getroffen hatte) wird von König George VI. beauftragt, die neue Regierung zu bilden. Von der Kopfgeburt der großen Rettungsaktion von Dünkirchen, und den Widerständen, denen Churchill sich bei Kriegskabinetttagungen stellen musste, erzählt "Die dunkelste Stunde" und ist dabei aufgezogen wie ein klassischer Sportfilm. Churchill wird als der Underdog auf der einen Seite inszeniert, der gegen die erfahrenen Profis auf der anderen ankämpfen muss. Diese berechnende, aber effektive Erzählweise trägt Rechnung. Dramaturgisch einwandfrei gelingt es Wright, ein breites Bild seiner Charaktere zu zeichnen und hat stets genug Raum für Zwischentöne. Ist Churchill der große Heilsbringer? Nein. Er ist leichtfertig, sozial untauglich und zu vernarrt in die Idee, alle großen Konflikte durch Krieg lösen zu können. Da Oldman genug Zwischentöne und Selbstzweifel in sein herrliches Spiel einbetten darf, findet auch der Film einen idealen Mittelweg aus angebrachtem Pathos und notwendiger Authenzität: Ist der Konflikt zwischen Churchills und seinen Parteigenossen zugespitzt? Sicherlich. Haben vor allem die "Triumphe" Churchills etwas von historischem Erbauungskino? Natürlich. Funktioniert das ganze als packendes, bildgewaltiges Drama? Absolut!

Und das liegt an Wright, der weniger am Ausstattungsfilm interessiert ist - auch wenn es prächtige Kostüme und Sets zu bestaunen gibt -, sondern vorzügliche Bildkompositionen ungeahnter Kraft entwickelt, um visuell die Ausweglosigkeit des Empires herauszuarbeiten. Handlungsbedingt wird über den Krieg in Europa größtenteils nur geredet, doch wenn Wright ihn zeigt, dann mit fast surrealer Distanz: Einmal zeigt die Kamera in der Vogelperspektive den Untergang der britischen Truppen in Calais, bis die geographischen Linien des Schlachtfelds das Gesicht eines gefallenen Soldaten formen. Ein anderes Mal betrachtet ein Kind durch ein mit der Hand geformtes Guckloch das Flugzeug Churchills und ballt die Faust: In der Kamera sieht das so aus, als werde das Flugzeug von Dunkelheit verschlungen. "Die dunkelste Stunde" ist voller grandioser visueller Ideen und schon der eröffnende Long Take durch das House of Lords, der alle wichtigen politischen Handlungsträger auf einen Schlag einführt, ist wunderbar geistreich. Für mitreißende und doch unaufdringliche Musik sorgt Komponist Dario Marianelli, den intensiven Zeitdruck vermittelt die Regie durch überdimensionale Datumsangaben auf der Leinwand und neben Oldman sorgen versierte englische Darsteller wie Ben Mendelsohn als George VI., Ronald Pickup in der Rolle des Chamberlain, Kristin Scott Thomas als Churchills Frau oder Lily James als dessen Sekretärin für Höhepunkte. Viel besser kann man die politischen Geschehnisse um "Operation Dynamo" auf dieser Seite des Kanals nicht inszenatorisch aufbereiten und Wright sucht und findet seltene Gänsehaut-Momente, ganz besonders natürlich, wenn er Oldman die Reden Churchills zitieren lässt, ob er um "Blood, Toil, Tears and Sweat" bittet oder "We Shall Fight On The Beaches" beschwört.

Erfreulich jedoch, dass "Die dunkelste Stunde" sich selbst die richtige Frage stellt: Wozu braucht es 2017 diesen Film? Die Antwort findet er in cleveren Gegenwartsbezügen: So erzählt er mit der Aufkündigung der Appeasement-Politik und der Rettung Dünkirchens eine Geschichte der Resilienz, die sich gegen den Faschismus behauptet, eine Bekämpfung der Antiaufklärung durch einen transatlantisch-solidarischen Widerstand. "You can not reason with a tiger when your head is in it's mouth", brüllt Churchill einmal im Film. Wright überstrapaziert in einer langen, frei erfundenen Sequenz die Glaubwürdigkeit bewusst und riskiert, auf geschichtliche Exaktheit besessene Zuschauer zu verlieren, um die Parallele erkennbar werden zu lassen. Er lässt Churchill in eine U-Bahn steigen, wo ihm das einfache Volk versichert, sich niemals dem Tyrannen Hitler beugen zu wollen. In Zeiten des "Brexit", dem britischen Ausstieg aus der Europäischen Union, dient Churchills Geschichte somit als stärkende Erinnerung an die Anfänge eines geeinten Europas, als Zeitgeistdokument. Er ruft zu Zivilcourage auf und zum Festhalten am eigenen Moralsystem, auch in schwierigen Zeiten. Das mag der eine als moralisierenden Kitsch empfinden, darf aber auch als rechtschaffener Versuch gewertet werden, in den Zeiten einer durch US-Präsident Donald Trump geprägten postfaktischen Gesellschaft ein bescheidenes Statement zu artikulieren, in dem sich sowohl das Verlangen nach einer "Politik der Wahrheit" als auch die dringende Warnung vor beobachtbaren sozialen Autokratie-Strömungen ausdrückt.

Fazit: Wer ins Kino geht, um trockenen Geschichtsunterricht zu bekommen, sollte einen anderen Film ansehen. Trocken ist hier nur der Humor Churchills, der auf die Frage des Königs, wie er schon nachmittags Alkohol trinken könne erläutert, dass Übung den Meister mache. Joe Wright erzählt die Zeit zwischen Churchills Antritt bis zur Operation Dynamo als in epischen Bildern festgehaltenes Ringen um Ideologie und Kampfesgeist, und weiß mit Kamera und gesprochenem Wort gleichermaßen zu fesseln. Wem das nicht reicht, der muss dann wenigstens wegen Gary Oldman ins Kino: Für den ist "Die dunkelste Stunde" zur Sternstunde seiner Karriere geworden.

8/10

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Re: Historie als Galvanotechnik: Das Medium ist die Message!

8460
Casino Hille hat geschrieben:Und das liegt an Wright, der weniger am Ausstattungsfilm interessiert ist - auch wenn es prächtige Kostüme und Sets zu bestaunen gibt -, sondern vorzügliche Bildkompositionen ungeahnter Kraft entwickelt, um visuell die Ausweglosigkeit des Empires herauszuarbeiten. Handlungsbedingt wird über den Krieg in Europa größtenteils nur geredet, doch wenn Wright ihn zeigt, dann mit fast surrealer Distanz: Einmal zeigt die Kamera in der Vogelperspektive den Untergang der britischen Truppen in Calais, bis die geographischen Linien des Schlachtfelds das Gesicht eines gefallenen Soldaten formen. Ein anderes Mal betrachtet ein Kind durch ein mit der Hand geformtes Guckloch das Flugzeug Churchills und ballt die Faust: In der Kamera sieht das so aus, als werde das Flugzeug von Dunkelheit verschlungen. "Die dunkelste Stunde" ist voller grandioser visueller Ideen und schon der eröffnende Long Take durch das House of Lords, der alle wichtigen politischen Handlungsträger auf einen Schlag einführt, ist wunderbar geistreich.
Wobei Wright das visuelle Element nie überstrapaziert sondern die Balance findet zwischen historischem Zeitgeist und filmischer Aufmachung. Die von dir genannten Beispiele sind noch die markantesten im Film, ansonsten hält sich Wright verglichen mit dem visuell ausgeflippten Hanna eher noch zurück und akzentuiert präzise einzelne Szenen und Momente. Und das ist ihm sicherlich gelungen.
Casino Hille hat geschrieben:Wright überstrapaziert in einer langen, frei erfundenen Sequenz die Glaubwürdigkeit bewusst und riskiert, auf geschichtliche Exaktheit besessene Zuschauer zu verlieren, um die Parallele erkennbar werden zu lassen. Er lässt Churchill in eine U-Bahn steigen, wo ihm das einfache Volk versichert, sich niemals dem Tyrannen Hitler beugen zu wollen.
Ohne Witz, das habe ich Wright und Oldman zu hundert Prozent abgekauft. Die Metro-Szene passt perfekt zum bis dahin etablierten Oldman-Churchill wie auch zum echten Churchill (diese beiden ergänzen sich sowieso sehr gut und Oldman-Churchill nutzt eventuellen Spielraum in der Rolleninterpretation immer zur Bereicherung, ohne den historischen Charakter zu verfälschen) und zur gesamten Dramaturgie des Films. Eine tolle Szene, und als vorläufiger dramaturgischer Höhepunkt gut gesetzt.
Casino Hille hat geschrieben:Wer ins Kino geht, um trockenen Geschichtsunterricht zu bekommen, sollte einen anderen Film ansehen.
Hier sollte es heissen: Wer ins Kino geht, um trockenen Geschichtsunterricht zu bekommen, sollte den Churchill-Film von letztem Jahr schauen (obwohl Brian Cox auch gut war als Winston).
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