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von Casino Hille
'Q Branch' - MODERATOR
Tja, ich häng mal wieder hinterher, aber egal, mein Review zum vierten Teil der (nun doch so bezeichenbaren) Mission: Impossible-Reihe.
Mission: Impossible - Phantom Protokoll
Von 1996 bis 2006 versuchte sich Tom Cruise ganze dreimal daran, eine amerikanische Alternative zum populären britischen "James Bond 007"-Franchise im Kino zu etablieren. Doch nach dem weder Suspense-Meister Brian De Palma noch Actionballett-Choreograph John Woo oder der einstige TV-Regisseur J. J. Abrams mit ihren jeweiligen individuellen Actionstreifen vollständig überzeugen konnten, gelingt nun ausgerechnet Animationsfilmvisionär Brad Bird, was seine Vorgänger nicht zu Stande brachten und bringt "Mission: Impossible" nach 15 Jahren Wartezeit das erste Mal wirklich auf Bondkurs. Dass die Geschichte dabei nicht neu und streckenweise deftig unlogisch ist: Geschenkt!
"Endlich", möchte man laut ausrufen. Während De Palma und Woo visuell beeindruckend inszenierten, aber sich jeweils mit ihren Handlungen verzettelten und Abrams gleich auf Stil und Handlung verzichtete, findet Bird einen hervorragenden Mittelweg aus zweckdienlicher Handlung, nachvollziehbaren Charakteren, Gruppendynamik, da er als erster ein richtiges Team in den Vordergrund stellt und stilvoller Action. Doch ergänzt Bird das Franchise um einen neuen wichtigen Bestandteil, der in den vorherigen drei Filmen keinen Platz finden konnte: Spaß. "Phantom Protokoll" nimmt sich selbst kein bisschen ernst und wartet mit so mancher selbstironischen Einlage auf, selbst Überheld Ethan Hunt, den der wie immer äußerst charismatische Tom Cruise verkörpert, scheitert hier mal und wird so trotz aller Coolness und Unnahrbarkeit vermenschlicht. Grandios auch, wie Bird mit den technischen Gadgets, die mal wieder sehr einfallsreich geraten sind, spielt, wie auch diese einmal nicht funktionieren und zu Improvisationen führen. Dass dies zudem Situationskomik-Meister Simon Pegg, dessen Q-ähnlicher Cameo aus dem dritten Teil hier zur Hauptrolle ausgebaut wird, sehr zu gute kommt und er sich meist durch besagte Fehlschläge ein paar herrlich amüsante Wortgefechte mit den anderen Teammitgliedern liefern muss, versteht sich schon fast von selbst.
Auch der oberflächliche Plot scheint direkt vom Vorbild 007 übernommen, so baut das Drehbuch in der ersten Hälfte eine Situation ähnlich der klassischen Kalter-Krieg-Konfrontationen auf und wie in so manchem Bond-Klassiker muss das Auslösen eines globalen Atomkrieges verhindert werden. Dabei jagen Hunt und Team zwar, wie in der Reihe üblich, verschiedenen MacGuffins nach, doch während Teil 3 mit seiner "Hasenpfote" kein Interesse erwecken konnte, weiß Bird mit der episodenfilm-artigen Spannung viel besser umzugehen und bettet jede neue unmögliche Mission in ein brillant inszeniertes Actionsetpiece ein, ob das nun eine Spionage-Aufklärungsaktion im Kreml, eine atemberaubende (echte!) Kletterpartie am Burj Khalifa in Dubai, eine High-Speed-Autoverfolgungsjagd in einem Sandsturm oder das interessante, weil reduzierte Finale in Mumbai ist, keine Actionszene gleicht der anderen, jede bekommt einen eigenen Ton und dennoch sind Spaß und Spannung immer das Hauptaugenmerk und der Film verliert nie seinen Fokus, auch, weil Kameraarbeit, echte Stunts, CGI-Effekte und der Schnitt stets Hand in Hand gehen. Großartig ist hinzukommend, wie Bird trotz 120 Minuten Action pur immer wieder zum richtigen Zeitpunkt Ruhepausen einbaut, die völlig überraschend dann noch mit spannenden Wendungen, wie den Kniff um Jeremy Renners charismatisch-explosiven Protagonisten garniert werden. Paula Patton, die das vierköpfige Team vervollständigt, sorgt außerdem für die nötige Portion Sex und ist neben den hinreißend schönen Locations der größte Blickfang des Filmes.
Doch es ist besonders Birds Inszenierung, die den Film zu einem baldigen Kultfilm werden lässt. So fällt nicht einmal auf, dass streckenweise ganze halbstündige Episoden, wie die Dubai-Geschichte unlogisch wie ein Kropf sind oder der Film bis auf drei kurze Alibi-Auftritte des Schweden Michael Nyqvist (dessen Spiel so aufregend wie ein IKEA-Schrank ist) gar keinen richtigen Antagonisten vorzuweisen hat, da Bird über diese von ihm selbst erkannten Schwachstellen ohne Probleme hinweg inszeniert. Die MacGuffin-Jagd und der eigenständige Touch des Filmes, aber besonders das Spiel mit Mission: Impossible und James Bond Klischees funktioniert so absurd gut, dass man kleine dramaturgische Schwachstellen gerne durchgehen lässt. Einzig um Léa Seydoux, die exzellent spielt, aber etwas zu früh das Zeitliche segnet, ist es ein kleines bisschen schade, ansonsten weiß selbst der kritische Zuschauer einfach nicht, was er am vierten Mission: Impossible kritisieren sollte. Wie beim Unterhaltungsmeisterwerk "James Bond 007: Der Spion, der mich liebte" von Lewis Gilbert ist der Spaß so gewaltig, dass man über mögliche Kritikpunkte gar nicht nachdenken möchte. Schön, dass Bird sich besonders Gilberts Bondfilme als Inspiration herannahm und die besonderen lobenswerten Eigenschaften seiner Quelle perfekt verstanden und umgesetzt hat. Wenn dann noch "nebenbei" ein überaus kreatives Intro (dass den ganzen Film bereits vorweg nimmt) als optisches und Michael Giacchinos (im Vergleich zu seinem eigenen Score zu Abrams Film) deutlich lebhafterer Soundtrack, der mit dem berühmten Theme von Lalo Schifrin ähnlich selbstironisch umgeht, wie Bird mit der ganzen Reihe, als akustisches Schmankerl die Filmsause vervollständigen, bleibt nur zu fragen: Actionherz, was willst du mehr?
Fazit: Was "Der Spion, der mich liebte" für James Bond ist, ist "Phantom Protokoll" für Mission: Impossible. Obwohl man doch gerade nach dem enttäuschenden dritten Teil festhalten musste, dass die schon recht langlebige Reihe eigentlich ein Haufen heterogener Filme darstellt, vereint Bird mit seinem elegant-leichtfüßigen Actionkracher das beste aller Vorgänger und fügt eine gehörige Portion 007 und Eigeninitiative hinzu und erschafft damit neben "X-Men: Erste Entscheidung" das zweite Unterhaltungsmeisterwerk des Jahres 2011. Beruhigend zu wissen, dass derart eskapistische und ausufernde Filmspektakel auch heute noch in den richtigen Händen bestes Entertainment versprechen. Da wird sogar 007 neidisch.
9,5/10
https://filmduelle.de/
Let the sheep out, kid.