ollistone hat geschrieben: 28. August 2023 12:18
Gegenfrage: Würdest du denn eine Parallel sehen zwischen Jill und Andrea Anders, beide Gespielinnen des Villain, beide im Bett mit Bond, beide mit dem Ableben bestraft?
Nein. Jill stirbt im ersten Akt. Andrea stirbt am Ende des zweiten Akts. Alleine deshalb ist das Gewicht für den Gesamtfilm ein anderes. Ihr Tod hat einen Subtext, aber der hat wenig mit Bond, seiner Mission oder seiner Motivation im Film zu tun.
Jills Tod ist der direkte Katalysator für Bonds Handeln im Film. Das ganze Golfspiel (Bonds Verwetten des Goldbarrens) resultiert aus der Art ihrer Tötung. Heute mag das auf euch anders wirken, weil spätere Filme diese Art der Bond-/Schurken-Interaktion übernommen haben, aber dafür kann GF nix.
Jedenfalls könnt ihr davon ausgehen: In einem guten Drehbuch passiert nichts einfach nur, weil der Autor sich beim Schreiben danach gefühlt hat. Jede Aktion, jede Handlung, verfolgt einen tieferen Zweck für die Entwicklung des Films. Nichts wird einfach nur geschrieben, gegengelesen, umgeschrieben, einstudiert, geprobt, gedreht, geschnitten etc. weil es cool aussieht oder "spannend" ist. Ansonsten würde Filmemachen gar nicht funktionieren.
Re: Filmbesprechung: "Goldfinger (GF)"
Verfasst: 28. August 2023 14:49
von danielcc
Naja, da machst du dir es aber jetzt leicht, indem du das was die passt als "gutes Drehbuch" bezeichnest, und andere einfach dann als schlechte Drehbücher weil dir etwas nicht passt oder für dich keinen Sinn macht.,
GF ist ein Schlagabtausch zwischen zwei Egos:
- KArtenspiel: 1:0 (Bond)
- Jills Tod: 1:1
- Golf: 2:1 (Bond)
- Nächtliches Eindringen / Tillys Tod: 2:2
- ...
Re: Filmbesprechung: "Goldfinger (GF)"
Verfasst: 28. August 2023 15:08
von Casino Hille
danielcc hat geschrieben: 28. August 2023 14:49
Naja, da machst du dir es aber jetzt leicht, indem du das was die passt als "gutes Drehbuch" bezeichnest, und andere einfach dann als schlechte Drehbücher weil dir etwas nicht passt oder für dich keinen Sinn macht.
Ersetze gut durch professionell und es stimmt immer noch.
Re: Filmbesprechung: "Goldfinger (GF)"
Verfasst: 28. August 2023 21:04
von Maibaum
Hmm, na ja, ich glaube auch nicht daß Jill eine besondere Bedeutung für die Handlung hat, die könnte auch ohne ihren Tod fast genau so ablaufen (für ihre Schwester müsste man sich allerdings etwas überlegen). Der Konflikt mit Goldfinger würde sich dadurch eigentlich gar nicht ändern, aber es gibt Goldfinger selber natürlich etwas sehr Besonderes. Das hätte ein normalerer Mord natürlich nicht.
Für den großen kommerziellen Erfolg von GF hat ihr vergoldeter Tod als spektakulärer Effekt aber einen nicht unerheblichen Anteil. GF enthält viel sinnfreies Zeug, daß den Film aber damals enorm attraktiv machte. Wie z.b. den eigentlich schwachsinnigen Schleudersitz oder die Entsorgung einer Leiche über die Autopresse etc
Re: Filmbesprechung: "Goldfinger (GF)"
Verfasst: 29. August 2023 10:59
von danielcc
Absolute Zustimmung. GF ist der erste Bond der konsequent einfach absurdes Zeugs einbaut um zu unterhalten.
Ich bin ja immer der Meinung dass jeder Film auch ohne jedes beliebige Motiv/Element ablaufen könnte. Man muss halt nur mehr oder weniger verändern. Doch die Szene mit Jill ist hier eher am unteren Ende des Skala was Veränderungsbedarf angeht, wenn sie denn fehlen würde
Re: Filmbesprechung: "Goldfinger (GF)"
Verfasst: 29. August 2023 11:10
von craigistheman
Casino Hille hat geschrieben: 28. August 2023 13:29
Jedenfalls könnt ihr davon ausgehen: In einem guten Drehbuch passiert nichts einfach nur, weil der Autor sich beim Schreiben danach gefühlt hat. Jede Aktion, jede Handlung, verfolgt einen tieferen Zweck für die Entwicklung des Films. Nichts wird einfach nur geschrieben, gegengelesen, umgeschrieben, einstudiert, geprobt, gedreht, geschnitten etc. weil es cool aussieht oder "spannend" ist. Ansonsten würde Filmemachen gar nicht funktionieren.
Den Schreibprozess von "guten" oder "professionellen" Drehbüchern zu idealisieren, geht an der Realität des Filmemachens vorbei.
Denn in der Praxis verhält sich erschreckend wenig wie auf dem Papier. Natürlich muss die Grundstruktur einer Handlung und deren Subtexte stimmen. Allein schon für den interpretatorischen Akt der Darsteller*innen ist das essentiell. Viel entscheidender für das Ergebnis ist jedoch das, was beim eigentlichen Dreh passiert. Und genau hier wäre man überrascht, wie wenig letztlich von dem, was einst auf dem Papier angedacht war, dann auch eins zu eins auf die Leinwand kommt. Denn Filmemachen lebt in erster Linie durch Prozesse des Austauschs. Vieles was auf dem Papier steht, funktioniert in der Umsetzung nur mittelprächtig usw. ...
Und natürlich hängt Filmemachen auch ganz stark davon ab, was die Beteiligten als "cool aussehend" oder "spannend" erachten. Ich empfehle hier das vom Frankfurter Filmmuseum geführte Gespräch mit Jan Harlan, der Stanley Kubrick ab Clockwork Orange/Barry Lyndon als ausführender Produzent zur Seite stand. Harlan stellt Kubricks bisweilen oftmals als geradezu manisch beschriebene Präzision in ein etwas anderes Licht. So hat Kubrick vorwiegend das in seinen Filmen verarbeitet, was er liebte. Und dann war es ihm auch egal ob narrative Inkohärenzen oder Anachronismen zu Stande kamen, denn er hatte jedes Element geliebt. Ein gutes Beispiel ist hier der Einsatz von Schubert in Barry Lyndon. Obgleich vieles in Barry Lyndon akribisch und historisch akurat recherchiert und rekonstruiert ist, allen voran Kostüme, Locations und Ausstattung, so lebte und komponierte Franz Schubert erst einige Jahrzehnte später. Kubrick war sich dessen bewusst, doch empfand er den Einsatz der Musik als passend, weil er sie eben liebte.
Re: Filmbesprechung: "Goldfinger (GF)"
Verfasst: 29. August 2023 12:06
von Casino Hille
Nein, das sehe ich komplett anders und das Kubrick-Beispiel verdeutlicht meinen Standpunkt eher als andersrum. Das ist auch kein "Idealisieren" meinerseits, sondern der logische Anspruch ans Geschichtenerzählen seit jeher.
Re: Filmbesprechung: "Goldfinger (GF)"
Verfasst: 29. August 2023 12:43
von AnatolGogol
Ich bin da weitgehend bei Hille. Der Tod von Jill ist doch die ultimative Demütigung für Bond. Erst wähnt er sich gegenüber Goldfinger absolut überlegen, indem er dessen Kartenbetrug kaputt macht , ihn öffentlich zu verlieren zwingt und als Krönung mit Aurics Freundin in die Kiste springt. Und dann bekommt er die ihn mit voller Wucht treffende Quittung, noch dazu auf seinem eigenen Spielfeld (dem Schlafzimmer). So von sich selbst überzeugt wie der klassische James Bond in den Filmen ist, stellt das gleichzeitig die ultimative Demütigung wie auch die ultimative Herausforderung für ihn dar, was man sehr schön an seinem trotzig-eingeschnappten Verhalten in Ms Büro sieht. Und alles was folgt ist daher die logische Konsequenz aus Jills Tod bzw. Bonds Demütigung.
Re: Filmbesprechung: "Goldfinger (GF)"
Verfasst: 29. August 2023 12:50
von danielcc
OK kann ich nachvollziehen. Es geht aber wirklich wenig um Jill (die Bond total egal ist) als mehr um sein Ego, weil er Auric unterschätzt hat.
Die M Szene hat aber auch kaum mehr als jede andere M Szene, und spätenstens danach ist sowohl Jill als auch diese "Niederlange" völlig aus dem Film und Bonds Motivation verschwunden
Re: Filmbesprechung: "Goldfinger (GF)"
Verfasst: 29. August 2023 13:03
von Maibaum
danielcc hat geschrieben: 29. August 2023 10:59
Absolute Zustimmung. GF ist der erste Bond der konsequent einfach absurdes Zeugs einbaut um zu unterhalten.
Das klingt so edel, verschleiert aber daß es bei Broccoli sehr wahrscheinlich bei Bond vor allem um sein Bankkonto ging. Daß ein Film um Kohle zu machen natürlich für ein größeres Publikum "unterhaltsam" sein muß, das versteht sich dabei von selbst.
Ich bin ja immer der Meinung dass jeder Film auch ohne jedes beliebige Motiv/Element ablaufen könnte. Man muss halt nur mehr oder weniger verändern. Doch die Szene mit Jill ist hier eher am unteren Ende des Skala was Veränderungsbedarf angeht, wenn sie denn fehlen würde
Jedes beliebige Element ist nun auch wieder Käse, und Jills Tod ist auch nicht am unteren Ende. Das ist schon von einer gewissen Bedeutung, aber auch nicht wirklich essentiell.
Re: Filmbesprechung: "Goldfinger (GF)"
Verfasst: 29. August 2023 13:03
von AnatolGogol
Ich finde die M-Szene bietet da schon sehr viel mehr, als das übliche Vorgesetzten-Gekabbel und Missionsbriefing. Zu Beginn der Szene steht Bond wie ein trotziger Pennäler vor M, man sieht Connerys Mimik regelrecht an, wie es ihn ankotzt sein Versagen zu Protokoll geben zu müssen. Auch als M ihm vorwirft, dass er statt Goldfinger zu observieren mit dessen Freundin ins Bett gegangen ist spricht Connerys Mimik Bände. Bezeichnend ist auch, dass es hier eigentlich gar nicht um Bonds Mission geht, sondern eben nur um sein Versagen bzw. seine Demütigung, das eigentliche Missionsbriefing folgt dann in einer separaten Szene:
Und natürlich geht es hier nicht um Bonds Trauer oder gefühlsmäßige Anteilnahme am Tod des Menschen Jill Masterson. Hier geht es darum, dass Bond sich in seiner Überheblichkeit mit jemanden angelegt hat, der ihn regelrecht vorführt - durch Jills Tod.
Re: Filmbesprechung: "Goldfinger (GF)"
Verfasst: 29. August 2023 13:07
von craigistheman
Casino Hille hat geschrieben: 29. August 2023 12:06
Nein, das sehe ich komplett anders und das Kubrick-Beispiel verdeutlicht meinen Standpunkt eher als andersrum. Das ist auch kein "Idealisieren" meinerseits, sondern der logische Anspruch ans Geschichtenerzählen seit jeher.
Wo verdeutlicht das Kubrick-Beispiel deinen Standpunkt? Das musst du mir jetzt mal erläutern, sonst bleibt es einfach nur eine argumentativ haltlose Behauptung.
So wie es unzählige Geschichten gibt, existieren auch unzählige Formen diese zu erzählen. Meiner Ansicht nach betrachtest du das ganze aus verständlichen Gründen von einer literarischen Warte aus, was jedoch nichts mit der Realität des Filmemachens zu tun hat. Der klassische Fall will ja, dass Absichten in Werke hineingedeutet werden, die von Seiten der Beteiligten so nie intendiert wurden. Das ist letztlich aber auch das aufregende am Filmjournalismus, Kritiker*innen-, oder ganz allgemein gesprochen Zuschauer*innen-Dasein.
Re: Filmbesprechung: "Goldfinger (GF)"
Verfasst: 29. August 2023 13:08
von Maibaum
Klar Anatol, aber trotzdem hätte der Großteil des Films auch ohne Jill genau so funktioniert.
Re: Filmbesprechung: "Goldfinger (GF)"
Verfasst: 29. August 2023 13:11
von danielcc
Anatol, ich habe diesen Film und die Szene bestimmt 100 mal gesehen (kein Scherz), Bis heute habe ich das immer so gesehen, dass a) Bond wütend ist, weil Auric sowas getan hat aber vor allem b) weil er auf etwas angesetzt wurde, ohne zu wissen um was es geht ("IF I knew what it was about!")
Aber OK. ich kann das nachvollziehen
Re: Filmbesprechung: "Goldfinger (GF)"
Verfasst: 29. August 2023 13:29
von AnatolGogol
Maibaum hat geschrieben: 29. August 2023 13:08
Klar Anatol, aber trotzdem hätte der Großteil des Films auch ohne Jill genau so funktioniert.
sehe ich tatsächlich anders, zumindest wenn man das Duell Bond-Goldfinger als Kern des Films ansieht. Nehmen wir mal an, die Szenen in Miami gäbe es nicht und Bond kommt direkt nach der PTS zur Briefing mit Colonel Smithers. Danach trifft er dann das erste mal auf Goldfinger im Golfclub, der Rest wie gehabt (bis auf Tilly, der müsste man dann einen anderen Beef mit Goldfinger zudenken). Funktioniert das dann so auch? Ja. Ist es so gut wie mit der Miami-Sequenz? Ich denke eindeutig nein. So nett der Betrug beim Golfspiel und die "Revanche" mit der zerdepperten Statue ist, das hat doch viel weniger Nachhall als die Macht- und Machospielchen in Miami. Ohne die würde dem Zweikampf der Egos Bond/Goldfinger in meinen Augen tatsächlich die Motivation fehlen. Zumal Bond ja im Anschluss nur noch einmal so richtig vorgeführt wird: auf dem goldenen Tisch unterm Laser. Aber auch diese Szene ist wie ich finde viel stärker mit der hier deutlich nachhallenden Miami-Szene.