772
von craigistheman
Agent
Man kann ja ruhig psychologisch interessante Figuren erschaffen, nur sollten diese eher auf der Antagonist*innen/Sidekick-Seite stehen. Bond sollte meiner Ansicht nach eine Projektionsfläche bleiben, eine Fantasie, die ab und an menschliche Regungen zeigt. Einen allzu fehlbaren und leidenden Menschen will auf Dauer niemand sehen, das hat man privat schon zu Genüge und Bond gibt als Unterhaltungsmedium einfach zu wenig her, um hochkomplexe Fragenstellungen zufriedenstellend aufzugreifen. Dafür gibt es geeignetere Filme.
Ich denke, es ist wichtig, dass wir als Publikum mit Bond mitfiebern, an unsere Kinositze gefesselt sind, viel staunen, lachen und die Vorstellung innerlich jubelnd verlassen. Letztlich geht es gar nicht mal so sehr darum, was gemacht, sondern wie es aufgezogen und präsentiert wird. Und da ließen die letzten Filme durch ihre überambitionierte, dafür umso fahrlässigere Schreibe zu wünschen übrig. Bei derartigen Abständen zwischen den Filmen sind Ideenschatz und Appetit natürlich groß. In der Praxis erweist sich das aufgreifen und vertiefen einer, oder sagen wir höchstens zwei filmischer Ideen/Konzepte am effizientesten.
So lässt sich SF plottechnisch und inszenatorisch kritisieren, aber das Konzept eines alternden Bond, der seinen Platz innerhalb des Informationszeitalters neu behaupten muss, wird trotz großer Schwächen in der zweiten Filmhälfte stringent verfolgt.
Anders z.B. der nach dem eher verhalten aufgenommenen SP angedichtete NTTD, dem sichtlich anzumerken ist, dass man eben überhaupt nicht wusste, wohin man mit der Bondfigur und vielen anderen Charakteren hinwollte. Am Ende wählt man den "einfachen" Ausweg des heldenhaften Freitodes, anstatt Bonds Verwandlung zum Familienvater im verdienten Ruhestand zu Ende zu denken, da dieser Ansatz nunmal nicht zur Figur passt und unglaubwürdig erscheint. Somit ist NTTD ganz Kind seines Social Media-Zeitalters und ein reiner Statement-Film, der kategorisch alle selbst aufoktruierten Gesetz des Franchises durchbricht, aber nichts anderes zu tun vermag, als sich posenhaft von Diskurs zu Diskurs zu hangeln, um auch wirklich jede zeitgeistige Haltung einmal aufgegriffen zu haben. Dieses Vorhaben mündet unweigerlich in die größtmögliche Oberflächlichkeit und somit Belanglosigkeit, da der angestrebte "gemeinsame Nenner" einfach zu groß ist um auf eine angenehme Spielfilmlänge zu passen.
Hier wäre es meines Erachtens sehr viel effizienter gewesen, das Kernthema "Zeit" vordergründiger zu behandeln, dem Hauptantagonisten ein stärkeres Motiv zu verleihen und Bonds Ruhestandplanung konsequent zu Ende zu denken. Oder es einfach gleich lassen und einen versöhnlicheren, triumphierenderen Bondfilm als Craigs Abschiedsvorstellung auf die Leinwand bringen?
Allgemein gesprochen, darf es in einem Bondplot meinetwegen wild zugehen, solange bestimmte Parameter und Wiedererkennungsmerkmale erhalten bleiben. So gesehen, lässt sich die klassische Bondformel ohnehin nicht in tausend Richtungen verbiegen, auch keine Neuausrichtung - sollten etwa Beständigkeit und Erhalt der Traditionen, die ja auch den Erfolg der Filme garantieren, angestrebt werden.
Allerdings lässt sich mit der filmischen Form spielen, und da könnte, bzw. würde mit hoher Wahrscheinlichkeit eben auch - selbst wenn ich es für quasi ausgeschlossen halte - Christopher Nolan ansetzen, nicht zuletzt, weil das von von ihm auch erwartet wird.
"Wer den Pfennig nicht ehrt, ist des Talers nicht wert."
"Doch wer sich bückt nach dem schmalen Taler, verpasst das große Bündel."