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von HCN007
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iHaveCNit: Moonlight (2017)
Eines ist Barry Jenkins „Moonlight“ definitiv sicher – Der Film geht in die Filmgeschichte ein. Grund hierfür ist der finale Twist der wohl größten Panne in der Geschichte der größten Filmpreisverleihung, den Oscars im Februar 2017. Moonlight hat von 8 Nominierungen hier 3 Preise abgestaubt: für den Besten Film, das beste adaptiere Drehbuch und den besten Nebendarsteller. Darüberhinaus hat er auch als Bestes Drama den Golden Globe bekommen – Der Film wird weltweit von den Kritikern gefeiert. Zurecht oder nicht ? Das wollte ich selbst herausfinden !
Chiron hat eine schwere Kindheit, er leidet unter seiner cracksüchtigen, alleinerziehenden Mutter und wird, weil er anders ist, von seinem gleichaltrigen Umfeld gemobbt und ausgegrenzt. Durch einen Zufall trifft Chiron auf den Drogendealer Juan, der sich dem kleinen Jungen annimmt und den Grundstein für das Verständnis der unterdrückten Gefühle des jungen Chiron legt.
Die Idee, das Leben eines Jungen in mehreren Epochen auf die Leinwand zu bringen, hatte bereits Richard Linklater in seinem experimentellen Coming-Of-Age-Drama „Boyhood“. Das Experiment, über den Zeitraum von 12 Jahren in einem Zeitraum von 12 Jahren das Leben und die Entwicklung in der Selbstfindung eines Jungen zu drehen, ging zwar voll auf, hatte aber in meinen Augen viel Redundanz und hätte straffer inszeniert werden können. Barry Jenkins nimmt sich nun in „Moonlight“ einem ähnlichen Grundstoff an. Er baut auf Grundlage des unveröffentlichen Theaterstücks „In Moonlight Black Boys Look Blue“ von Tarrell Alvin McCraney einen Film, in dem er McCraneys und die eigenen Erfahrungen verarbeitet. Er erzählt die Geschichte des kleinen verschüchterten Chiron in einer für ihn grausamen und absolut desolaten Umgebung – und das in Form von 3 zusammenhängenden Episoden über 3 kurze, aber essentiell wichtige Epochen seines Lebens. Den jungen Chiron, der in dem Drogendealer Juan die erste richtige männliche Bezugsperson des Lebens findet. Chiron als Teenager, der erste Entdeckungen und Erfahrungen seiner „Andersartigkeit“ macht. Und Chiron als Drogendealer und Endzwanziger, der einen unverhofften Anruf bekommt. Alle 3 Episoden bilden eine unglaublich stimmige Einheit, auch wenn jede Episode „Little“ ; „Chiron“ und „Black“ einen eigenen Farbstich und den eigenen Look bekommt. Inszenatorisch bewegt sich Moonlight durch den sehr streicherlastigen Klangteppich von Nicolas Britell und langen, interessanten Kameraeinstellungen und gut gewählte Schnitte auf einer Ebene, die sich mitunter als experimentelle Kunst beschreiben lassen kann. Schauspielerisch bewegt sich der Film auch auf einer extrem guten Ebene. Keiner der Charakter bedient die für die Rolle eigentlich klassischen Klischees. Hinter jeder Figur steckt eine unglaublich intelligente und realistische Ambivalenz. Mahershala Ali hat zurecht den Oscar als bester Nebendarsteller erhalten. Es ist auch beeindruckend, was Naomie Harris hier in 3 Drehtagen mit der Rolle von Paula, Chirons drogensüchtige Mutter, hinbekommen hat. Doch wirklich beeindruckend fand ich vor allem Alex Hibbert, Ashton Sanders und Trevante Rhodes, die Chiron in den 3 Episoden sein Gesicht geben und das perfekte Gespür für die Gefühle des introvertierten, verschüchterten Chiron entwickeln. Es geht hier weniger darum, die eigenen Gefühle mit dem Holzhammer zu präsentieren, sondern mit sehr reduzierter, aber bestimmter Art das Unterdrückte, das Verborgene und das Unausgesprochene darzustellen. Und hier liegt die Kraft von „Moonlight“. Barry Jenkins weiß genau, wie lange er die einzelnen Momente erzählen muss und findet die richtige Symbolik für das Thema. Er lässt die einzelnen Epochen in genau dem richtigen Moment beginnen und enden. Richtig cool ist hier, dass ich nach „Manchester by the Sea“ bereits zum 2. Mal absolut realistische Menschen in einem Film handeln zu sehen. Ist der ganze Hype gerechtfertigt ? Ja ! Gönne ich ihm den Erfolg ? Ja !
Das M in Moonlight steht in meinen Augen für „Meisterwerk“. Absolut unaufgesetzt wird uns hier eine emotionale, hautnahe, menschliche und herzliche Geschichte erzählt – die mir unter die Haut gegangen ist. Vor allem, wenn man selbst weiß, wie es ist, sich als Introvertierter in einer Welt zurecht zu finden, die eigentlich für Extrovertierte gemacht zu sein scheint, so dass der persönliche Bezug zu mir selbst gezogen werden kann. Und hier kann ein Film einfach nur bei mir punkten.
„Moonlight“ - My First Look – 10/10 Punkte.
Vielleicht kommt es einem extrem komisch vor, dass ich häufig hohe Wertungen vergebe, vor allem in den letzten 5 Monaten habe ich von November bis jetzt 7 Filme mit 10 Punkten bewertet. Ich lege in der Regel meine Wertungen selbst nach der Sichtung fest - doch ich prüfe auch, ob ggf. meine Wertung exorbitant hoch oder einfach zu hoch ist. Z.B. sind hier für mich die Reviews von Chris Stuckmann auf Youtube und auch von Empire gewisse Gradmesser, um meine Wertung zu bestätigen.
"Weiter rechts, weiter rechts ! ..... "