Re: Zuletzt gesehener Film

7561
vodkamartini hat geschrieben:Immer alles auf reine Geschmackssache zu reduzieren ist darüber hinaus auch ganz schön öde
Aber auch nicht öder als jedes Mal, wenn jemand zu einem Film mal eine abweichende Meinung hat, darauf hingewiesen zu werden, dass das ganz viele andere Leute ganz doll anders sehen.
https://filmduelle.de/

Let the sheep out, kid.

Re: Zuletzt gesehener Film

7562
Es ist hier weniger die Meinung als wie sie zustande kommt.

Wenn sozusagen jemand Fußball nicht mag weil man zu wenig mit der Hand spielt, dann ist das sicher auch eine Meinung, aber auch eine die mich etwas wundert. Und ja das Beispiel hinkt, aber ich bin gerade geistig zu müde um mir etwas vernünftigeres einfallen zu lassen.

Re: Zuletzt gesehener Film

7564
GoldenProjectile hat geschrieben: Wo war die Tiefe, wo die Bedrohlichkeit, wo die Vielschichtigkeit des Drachen? Noonan schlafwandelt quer durch ein grell stilisiertes Neon-Filmexperiment, war ganz nett aber vom Hocker gerissen hat es mich im Vergleich zum eindringlichen und atemlos spannenden Roman nicht.
Tom Noonans Dolarhyde ist sicher keine Stärke des Films, da stimme ich dir zu. Ralph Fiennes' Dolarhyde war hingegen DER große Pluspunkt von Ratners' deutlich kommerziellerer Version (wohingegen Anthony Hopkins' extremes Overacting und Edward Nortons uninspiriert-deplatzierte All-American-Boy-Standardkost nicht unbedingt zu den Glanzpunkten in Ratners Film zählen).

Dass ich ganz großer Fan der hyperstilisierten Serie "Hannibal" bin, das kann ich nicht leugnen. Ich liebe das Ding und habe sehr bedauert, dass nach drei Staffeln Schluss war.
"Nelly, I'm about to get neck-ed back here. So: No peekin'! ... I said: No peekin'!"
(Joe Bang)

Re: Zuletzt gesehener Film

7566
iHaveCNit: The Sea of Trees (2017)

Wir schreiben das Jahr 2015 – wir befinden uns bei den Filmfestspielen von Cannes – und erleben die meiner Meinung nach respektloseste Handlung, die ich von Filmkritikern jemals mitbekommen habe – der Film wird ausgebuht. So erging es dem neuesten Film des Indie-Regisseurs Gus van Sant, den die meisten durch die Zusammenarbeit mit dem seit Kindertagen befreundeten Schauspieler- und Drehbuchautorenduo Ben Affleck und Matt Damon im Meisterwerk „Good Will Hunting“ kennen werden. Sein neuster Film heißt „The Sea of Trees“ der leider hierzulande nicht ins Kino gekommen ist, sondern direkt Anfang des Jahres fürs Heimkino veröffentlicht wurde.

Arthur Brennan befindet sich gerade in seinen Vierzigern. Nach dem Verlust seiner Frau beschließt er, im japanischen Selbstmordwald, dem Aokigahara nach endgültiger Erlösung zu suchen. Doch sein Schicksal ändert sich, als er den ebenfalls nach endgültiger Erlösung suchenden Takumi Nakamura trifft.

Der Aokigahara am Mount Fuji scheint derzeit ein beliebter Dreh- und Handlungsort zu sein. „The Forest“ aus dem letzten Jahr nutzt den Wald als Grundlage für einen interessanten, aber generischen Horrorfilm, bei dem selbst die aus Game of Thrones bekannte Natalie Dormer den Eindruck nicht über einen leicht überduchschnittlichen Film hinaus. „The Sea of Trees“ ordnet sich mehr im klassischen Drama-Sektor ein und kann durch eine interessante Narration und sein führendes Darstellertrio punkten. Der Film entstand ja in der Phase, in der Matthew McConaughey durch seine extrem gute Rollenwahl in Filmen wie „Der Mandant“ ; „Dallas Buyers Club“ ; „The Wolf of Wall Street“ ; „Interstellar“ ; „Mud“ und der Serie „True Detective“ verdient einen Oscar gewonnen hat und sich im selben Zug aus der Sackgasse des ewig gut aussehenden Rom-Com-Darstellers manövriert hat. Und ja, mit dieser Phase hat er sich auch in meine Favoriten geschlichen. Er spult in diesem Film sein neu gewonnenes Image des Charakterdarstellers gekonnt und routiniert ab. Ihm gegenüber haben wir Ken Watanabe und Naomi Watts, die auch ihr gewohntes Programm abspielen und eine gute Unterstützung für Matthews Arthur Brennan bieten. Ken Watanabe spielt den verwirrten Takumi Nakamura und ist Stichwortgeber für die Entwicklung von Arthur. Durch Naomi Watts als verstorbene Frau Joan lernen wir den Hintergrund von Arthur und sein Dilemma besser kennen. Hier ist es hilfreich und sehr gut gewählt, dass uns Gus van Sant immer an passenden Stellen der Handlung im Wald Rückblenden in Arthurs voriges Leben gibt. Der Anfang des Films war ebenfalls sehr schön umgesetzt, wenn man diesen Mann verfolgt und seine reduzierten Schritte beobachtet. Das Ende ist jedoch ein wenig zu gewollt auf kommerzielle Pfade geführt worden. Die emotionale Tragweite des Films lässt sich sehr gut nachfühlen, wenn man selbst einmal einen schmerzlichen Verlust von einer Person erleben muss und sich nicht richtig von dieser Person verabschieden konnte. Das kann sehr speziell sein, genau wie dieser Film, der hoffentlich durch meine Worte etwas Respekt erhält, den er eigentlich verdient.

„The Sea of Trees“ - My First Look – 7/10 Punkte.
"Weiter rechts, weiter rechts ! ..... "

Re: Zuletzt gesehener Film

7567
iHaveCNit: Operation Anthropoid (Deutsche Erstveröffentlichung: 2017)

Es gibt genug Geschichten aus dem zweiten Weltkrieg, die als Material wie für einen Film gemacht sind. Zwei der klassischsten Bereiche sind der Kriegsfilm und der Historische Thriller.Genau im letztgenannten Bereich haben wir vor 9 Jahren einen perfekten Vertreter mit „Operation Valkyrie“ bekommen, der absolute Höchstspannung und einen interessanten Plot bietet, da hier der Anschlag auf den wohl größten Feind im 2. Weltkrieg geplant ist. „Operation Anthropoid“ ist vom Namen her ähnlich und befindet sich auch auf dem Terrain von historischen Thrillern mit einem verschwörerischen Attentat auf einen hochrangigen SS-Führer.

Die beiden Tschechen Jan Kubis und Josef Gabcik kehren im Jahre 1941 in ihre Heimat zurück und planen ein verschwörerisches Attentat auf den SS-Führer Reinhard Heydrich. Das hoffnungslose Himmelfahrtskommando wird zur echten Zerreißprobe für die beiden und ihre Mitverschwörer.

Rein von Optik und Ausstattung ist der Film Top und entführt einen atmosphärisch ins Prag zur Zeit des 2. Weltkriegs. Die Story ist kompakt und schon mit einigen Spitzen spannend erzählt, auch wenn ein paar Kürzungen dem Film gut getan hätten. Der Film ist ja mit Planung, Ausführung und Nachspiel in klassischen 3 Akten strukturiert worden Von darstellerischer Seite her sind Cillian Murphy und Jamie Dornan als Josef und Jan sehr routiniert unterwegs. Während ich hier Jamie bis dato am Besten fand, habe ich bereits weitaus Besseres von Cillian Murphy gesehen. Ob der melodramatische Anteil des Films hier notwendig war, ist Geschmackssache. Jedoch bleiben am Ende über den Ausgang des ganzen dann doch einige Fragen offen.

Was bleibt ist ein atmosphärischer und spannender Thriller, der jedoch weit hinter dem Stauffenberg-Attentat zurückbleibt.

„Operation Anthropoid“ - My First Look – 6/10 Punkte
"Weiter rechts, weiter rechts ! ..... "

Re: Zuletzt gesehener Film

7568
iHaveCNit: Swiss Army Man (2016)

Endgültige Erlösung – das ist eigentlich die Intention des von Paul Dano gespielten Hanks, als er auf einer kleinen Insel ohne Aussicht auf Hilfe strandet und mit der vollständigen Isolation nicht mehr klar kommt. Da sieht er zufällig einen leblosen Körper und sein Leben ändert sich auf extrem skurrile Art und Weise, denn der leblose Körper von Manny entpuppt sich als untoter Alleskönner.

Die beiden Regisseure Daniel Scheinert und Daniel Kwan, die sich nur „Daniels“ nennen, haben mit „Swiss Army Man“ eine wahre Independent-Perle geschaffen. Der Film ist so unglaublich kreativ, skurril und urkomisch, wenn es vor allem um die „Fähigkeiten“ von Manny geht und Hank Manny viele Kleinigkeiten über das Leben erklärt. Die Inszenierung ist teilweise so esoterisch und kreativ, dass der Film auch visuell eine wahre Freude ist. Das wird durch einen skurrilen Soundtrack noch weiter unterstützt. Von darstellerischer Seite habe ich bisher die in meinen Augen besten Perfomances von Paul Dano und Daniel Radcliffe gesehen. Es ist ein Frevel, hier entsprechend wichtige Punkte der Handlung vorwegzunehmen, aber das Ende des Films bricht vollkommen mit dem naiven und abgefahrenen witzigen Ton und bringt uns und den Charakter von Hank wieder unerbittlich in die Realität.

Von mir bekommt der Film definitiv für jeden, der sich für eine tolle Mischung aus Drama und Komödie interessiert eine uneingeschränkte Empfehlung.

„Swiss Army Man“ - My First Look – 9/10 Punkte.
"Weiter rechts, weiter rechts ! ..... "

Re: Zuletzt gesehener Film

7569
iHaveCNit: Lion (2017)

Manch ein Film nimmt einen mit auf eine packende Reise. Und viele dieser Reisen schreibt das Leben selbst. Der Newcomer Garth Davis inszeniert hier die wahre Geschichte von Saroo Brierley.
Der junge Inder Saroo ist 5 Jahre alt im Jahre 1986 und bereits mit seinem älteren Bruder Guddu in jungen Jahren dabei seine Mutter zu unterstützen. In einer verhängnisvollen Nacht schläft er in einem Zug ein, der nach langer Fahrt im über 1.500 km entfernten Kalkutta strandet. Nach kurzer Zeit wird er von einer australischen Familie adoptiert. 20 Jahre später fasst er den Entschluss den Spuren seiner Vergangenheit nachzugehen.

„Lion“ hat mir richtig gut gefallen. Der Film hat bei seiner Narration 2 Möglichkeiten gehabt – Entweder wird uns die Handlung im Jetzt gezeigt und die Hintergrundgeschichte lediglich in Flashbacks erzählt – doch auf diesen konventionellen Weg lässt sich der Film nicht ein. Der Film ist eher in 2 Teile aufgesplittet worden. Und der 1. Teil grenzt nahezu an emotionaler Perfektion. In diesem Abschnitt wird uns die Hintergrundgeschichte von Saroo erzählt. Fast dokumentarisch wird uns hier das Indien der 80er Jahre präsentiert und der kleine Sunny Pawar ist der wohl größte Lichtblick in diesem Film. Er spielt den jungen Saroo perfekt und sich direkt in die Herzen der Zuschauer. Durch seine Augen sehen wir, wie gefährlich die Situation für Straßenkinder ist. Im zweiten Abschnitt des Films sind wir quasi im Jetzt und erleben die Suche von Saroo nach seiner Vergangenheit. Hier habe ich die wohl beste Performance überhaupt von Dev Patel gesehen – und Nicole Kidman spielt die Adoptivmutter mit einer solch unaufgesetzten Herzlichkeit, so dass es schon klar ist, warum beide hier für den Oscar nominiert worden sind. Man muss bei dieser Biografie und dem Leidensweg schon klar sagen, dass der Film definitiv für die Oscars gemacht worden ist und man stellenweise dem Film durch seine Inszenierung vorwerfen kann, gezielt die Emotionen manipulativ beim Zuschauer zu erzwingen. Rooney Mara und David Wenham sind hier nur als Stichwortgeber und Plotinstrumente integriert und verschwendet worden. Und mittlerweile finde ich es in Biopics nervig, dass uns am Ende noch Bilder der echten Personen gezeigt werden. So etwas zieht einen extrem aus der gerade erlebten Reise und fühlt sich irgendwie als Fremdkörper an. Aber eine solch respektvolle und herzliche Herangehensweise an die Thematik und die Konflikte einer Adoptivfamilie habe ich bisher noch nicht gesehen.

Trotz allem ist das Drama und die Reise des Films stark genug – vor allem durch die erste Hälfte des Films, die einen perfekten, emotionalen Hintergrund für die zweite Hälfte liefert.

„Lion“ - My First Look – 8/10 Punkte.
"Weiter rechts, weiter rechts ! ..... "