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Re: Du sollst nicht kopieren deines Nächsten Film

Verfasst: 27. Dezember 2024 10:01
von AnatolGogol
Es tut mir im Herzen weh den Thread des seligen Billy Friedkin für diesen Schund zu missbrauchen, aber da dieser irgendwie ja auch als Exorzisten-Thread dient muss es wohl sein. Daher aus aktuellem Anlass ein kleiner Vorgriff auf meinen Jahresrückblick:

The Exorcist: Believer (David Gordon Green)
Ein teuflischer Film! Nicht nur dass der 6. Exorzisten-Film ein weiteres Paradebeispiel für die Unoriginalität moderner Pseudo-Remakes ist, dank auf etlichen Gebieten oftmals erschütternder handwerklicher Qualität schafft er es auch mühelos das zuvor so abwechslungsreich-interessante Franchise mit Anlauf in die Hölle zu befördern. Man weiss am Ende gar nicht was schlimmer ist: die diversen dilettantisch plagiierten Teile des Originals oder die zwischen Lachhaftigkeit und Langeweile munter hin- und herpendelnden neuen Ideen.
3 / 10

Eher kurz gehalten, aber jedes weitere Wort über diesen Schund bedeutet eigentlich einem schlechten Film weitere gute Worte (hört, hört :mrgreen: ) hinterher zu werfen. Wer nach diesem Schund immer noch allen Ernstes den Ketzer als schlechtestes Sequel aller Zeiten bezeichnet, dem kann vermutlich auch ein von mir höchstselbst durchgeführter cineastischer Exorzismus nicht mehr helfen :D .

Außerdem hat Kollege Hille dieses Unwerk ja schon in bewährt wortgewandter Manier behandelt (und es mit seinen Schlussfolgerungen sogar auf Wikipedia geschafft, Respekt mein Freund!), was mir ermöglicht dennoch noch etwas über diesen teuflischen Film zu schreiben.

Casino Hille hat geschrieben: 5. Oktober 2023 17:33 Regie führt David Gordon Green. Der erlaubt sich denselben Trick wie schon bei seiner "Halloween"-Trilogie: Er blendet alle bisherigen Fortsetzungen aus und schließt direkt an das Original an. Genau wie bei "Halloween" kehrt sogar ein Star von damals zurück.
Diese Vorgehensweise, indem man quasi ein eigenes Paralleluniversum erschafft, mag legitim sein, ich finde es aber immer auch ein Zeichen von äusserster Bequemlichkeit, ja geradezu Faulheit. Für Fans einer Filmserie ist das wie ein Schlag ins Gesicht, da man damit ja praktisch zum Ausdruck bringt: "das, für das ihr Zeit und Interesse investiert habt, ist eh nur Mist". Abgesehen davon ist es für einen Regisseur wie Green natürlich auch extrem anmaßend (und zeugt wohl von seiner sehr optimistischen Selbsteinschätzung), dass er die Fortführung und damit auch das Werk von Filmemachern wie Boorman und Schrader explizit ignoriert (nach dem Motto: ich kann das Original eh besser fortführen als diese Pfeifen). Natürlich bin ich nicht so naiv, als dass ich annehmen würde irgendetwas davon sei ein Hindernisgrund für eine mehr denn je kommerziell orientierte Sequel-/Remake-Produktion, aber nichtsdestotrotz ist es wie ich finde immer ein recht eindeutiges Indiz dafür, dass es sich ein Film allzu einfach macht - was sich häufig dann eben auch auf anderen Gebieten als nur bei der dramaturgischen Ausgangslage fortsetzt.
Casino Hille hat geschrieben: 5. Oktober 2023 17:33 "Der Exorzist: Bekenntnis" ist als Film so schamlos und dumm konzipiert, dass man sich die Überlegungen der Macher lebhaft vorstellen kann: "Na, wenn das Original mit einem besessenen Mädchen schon der Horror war, dann nehmen wir dieses Mal eben gleich zwei besessene Mädchen."
Genau. Dumm nur, dass man offenbar übersehen hat, dass die Effektivität des Originals eben auch daraus resultierte, dass man sich im Vorfeld des klimaktischen Exorzismus sehr lange Zeit auf die Regan-Figur konzentrierte. Die beiden neuen Mädels dagegen werden quasi en passant eingeführt und abgehandelt, vor allem das weiße Mädchen. Ein wirkliches Mitfühlen mit den beiden ist daher kaum bis gar nicht möglich.
Casino Hille hat geschrieben: 5. Oktober 2023 17:33Im Gegenteil: Die erste Stunde des Films ist bestürzend langweilig. Während Friedkin sich in seinem Film damals viel Zeit nahm, die Figuren einzuführen, Atmosphäre und Spannung aufzubauen, serviert Green zu Beginn ein banales, einschläferndes Familiendrama, und stolpert dann nach zahlreichen ereignislosen Szenen im Eiltempo durch den Horrorabschnitt.
Wobei ich dem Film hier sogar noch zu gute halten würde, dass die anfängliche Suche nach den Mädchen noch zu den besseren Passagen von Believer gehört. Gerade weil man hier längere Zeit gar nicht den Eindruck hat in einem Exorzistenfilm zu sein, kann er sich hier ein bisschen vom Original lösen. Passenderweise fällt die bis dahin recht ordentlich funktionierende True Crime-Story förmlich in sich zusammen just als man ins Übersinnliche wechselt. Und genau hier rächt es sich dann auch, dass man im Gegensatz zum Original eben in der Exposition kein glaubwürdig-reales Fundament gelegt hat, auf welchem der übersinnliche Teil ebenfalls glaubwürdig aufgehen könnte.

Casino Hille hat geschrieben: 5. Oktober 2023 17:33Grotesk fallen die Auftritte von Rückkehrerin Ellen Burstyn aus, die allen Ernstes nicht mehr zu tun bekommt, als alle paar Minuten von ihren Szenen im Original zu erzählen: Wer liebt es nicht, wenn schlechte Filme einen ständig daran erinnern, dass man gerade auch etwas Besseres gucken könnte?
Absolut. Der Cameo vobn Burstyn zeigt wie einfallslos der Film ist. Man weiss überhaupt nichts mit der Figur anzufangen und fertigt sie dann ja auch schnell wieder effekthascherisch ab, damit man sich nicht weiter mit ihr abgeben muss. Aber hey: immerhin eine Originalfigur und -Darstellerin mit an Bord! Die finale "Überraschung" war dann auch sowas von lahm und vorhersehbar, brrrr.
Casino Hille hat geschrieben: 5. Oktober 2023 17:33 Als dann klar ist, dass hier ein einfacher Exorzismus nicht reicht, sondern ein superduper Exorzismus-Spezial nötig wird, werden zahlreiche Glaubensbotschafter im ganzen Land aktiviert. Wenn die dann selbstsicher in der Gangart eines Films von Quentin Tarantino cool auf die Kamera zugehen, fehlt wirklich nur noch die "Avengers"-Leitmusik im Hintergrund.
Was für eine groteske Idee mit dem "Ökumenischen Exorzismus". Passt auch irgendwie zum Trend des aktuellen Unterhaltungskinos es jeder potenziellen Zuschauergruppe irgendwie recht zu machen und sich durch zahlreiche Kompromisse immer weiter von der Kernidee zu entfernen. Wenn da religionsübergreifend wie wild durcheinander exorziert wird, das ist einfach nur noch Kasperletheater. Und auch hier wieder: es wird für die Exorzisten bzw. am Exorzismus beteiligten kein solides Charakterfundament errichtet, wodurch der Exorzismus selbst zur mäßig effektiv getricksten und langweilig in Szene gesetzten Effektshow verkommt.
Casino Hille hat geschrieben: 5. Oktober 2023 17:33
Berichten zufolge planen Jason Blum und David Gordon Green gleich eine ganze "Exorzist"-Trilogie. Sollten die nächsten beiden Filme wirklich noch erscheinen, wäre das vermutlich der beste Beweis dafür, dass der Teufel tatsächlich existiert.
Ein Glück war das Einspiel und die Resonanz wohl dann doch zu schlecht für weitere Teile. So oder so lehne ich es jedenfalls ab Believer als Teil der Exorzisten-Serie anzusehen. Für mich gibt es erst mal weiterhin nur 5 Teile. :)

Mit dem Teufel im Bunde - Runde III

Verfasst: 28. Dezember 2024 00:22
von AnatolGogol
Mit dem Teufel im Bunde - Die Exorzisten-Filme

Dominion: Exorzist – Der Anfang des Bösen (2005) – Paul Schrader
Exorzist – Der Anfang (2004) – Renny Harlin


Die Entstehung der beiden back-to-back gedrehten Exorzisten-Prequels ist wohl die interessanteste filmische Feldstudie, die jemals in der Praxis betrieben wurde. Denn wohl einmalig in der Filmgeschichte erlauben diese beiden Filme dem Zuschauer den Vergleich, wie praktisch der gleiche Stoff in den Händen zweier Regisseure zu höchst unterschiedlichen Ergebnissen führen kann. Doch immer schön der Reihe nach...

Ursprünglich sollte alles ja ganz anders kommen, denn eigentlich war zu Beginn des neuen Jahrtausends Routinier John Frankenheimer vom produzierenden Studio Morgan Creek ausersehen worden die Regie für ein Prequel zu William Friedkins Klassiker Der Exorzist zu drehen, in welchem die Vorgeschichte zu dessen Hauptfigur Lankaster Merrin erzählt wird. Dies schien ein äusserst lukratives Unterfangen zu sein angesichts des massiven Erfolgs, den eine von Friedkin und Autor William Peter Blatty neu erstellte Fassung („Director's Cut“ - wobei „Writer's Cut“ eigentlich die trefflichere Bezeichnung dieser Version wäre, da Friedkin hier aus Freundschaft und Respekt zu Blatty viele von dessen in der Kinofassung nicht berücksichtigten Ideen integrierte) bei ihrer Kinoauswertung im Jahr 2001 erzielen konnte. Doch dazu sollte es nicht kommen, da Frankenheimer aufgrund gesundheitlicher Probleme, welche letztlich zu seinem Tod führen sollten, das Projekt 2002 aufgeben musste. Als Ersatz wählte Morgan Creek die New Hollywood-Legende Paul Schrader, der dem Film wie nicht anders zu erwarten seinen ganz eigenen Stempel aufzudrücken wusste. Wobei zumindest die Executives von Morgan Creek wohl da dann doch eine andere Erwartungshaltung hatten. Jedenfalls fiel Schraders Rohfassung bei ihnen durch, da der eher subtil angelegte und den Intellekt fordernde Film so gar nicht dem Typus eines Horror-Reissers entsprach, den man sich angesichts des Rufs des Originalfilms („The scariest movie of all time“) versprochen hatte. Schraders Film wurde folglich von Morgan Creek aufgrund fehlenden Hitpotenzials noch vor Fertigstellung der finalen Fassung fallen gelassen wie eine heisse Kartoffel – trotz oder vermutlich auch gerade wegen Produktionskosten von 30 Millionen $.

Tja, was macht man nun, wenn man einen Haufen Geld ausgegeben hat für ein unerwünschtes und vermeintlich nicht vermarktbares Ergebnis? Genau! Man ballert gleich nochmal 50 Millionen hinterher und dreht den Film einfach nochmal neu! Gesagt, getan und so verpflichtete Morgan Creek den ehemaligen Actionstarregisseur Renny Harlin mit der klaren Vorgabe ein möglichst massentaugliches Produkt zu drehen. Das Ganze hatte nur einen Haken: die Basis dafür bildete erneut die bereits beim Schrader-Versuch zugrundeliegende Story von William Wisher und Caleb Carr. Also wurde auch hier nochmal Hand angelegt und Alexi Hawley damit beauftragt das Drehbuch an die neuen Anforderung „aufzupeppen“. Und so kam es wie es kommen musste: auch der unheiligen Mischung aus ambitionierter Charakter- und Glaubensstude (oder was nach Hawleys und Harlins Überarbeitung noch davon übrig blieb) und effeküberbordendem Mainstreamhorror war an der Kinokasse kein allzu großer Erfolg vergönnt und er blieb mit 78 Millionen Dollar Einspiel weit hinter den Hoffnungen des produzierenden Studios zurück. Da mittlerweile auch die Öffentlichkeit Wind vom auf Eis gelegten Schrader-Film bekommen hatte wurden bei Kritik und Fans die Rufe nach genau dieser Fassung immer lauter – gerade auch aufgrund der auf wenig Gegenliebe gestossenen Harlin-Fassung. Grund genug für Morgan Creek Schrader doch noch mal eine überschaubare Summe zuzugestehen, mit der er seinen Film vollenden durfte. Der posthum „Dominion“ getaufte Film lief im Anschluss in ausgewählten Kinos mit erwartbar überschaubarem Einspiel – aber immerhin auch deutlich wohlwollenderen Kritiken als bei Kollege Harlins Version.

Eine Geschichte, zwei Regisseure und zwei grundverschiedene Filme. Genau so unterschiedlich wie Schaffen und Stil der beiden Filmemacher Schrader und Harlin es implizieren sind auch ihre entsprechenden Fassungen des Exorzisten-Prequels. Schraders Dominion setzt dabei konsequent auf eine tiefgehende Betrachtung der zentralen Figuren und lässt sich damit jede Menge Zeit. Harlins Der Anfang zeigt dagegen ein deutlich geringeres Interesse an seinen Figuren und vor allem an deren Innenleben. Zwar werden die zentralen Themen wie persönliche Schuld und das Vorhandensein des Bösen im Menschen ebenfalls angerissen, dies aber weit oberflächlicher und praktisch immer im Dienste einer effektgeladenen Horrorshow.

Harlins Film ist plakativ und laut, Schraders Film ist subtil und leise. Schraders Film legt ein sehr gemächliches Tempo vor, während bei Harlin die Handlung und Figurenzeichnung oftmals extrem verdichtet ist - was zwar zu einem deutlich höheren Tempo führt, aber eben auch zu einem nicht selten sehr lücken- und sprunghaften Eindruck. Spannend auch, wie die Wirkung von Hauptdarsteller Stellan Skarsgard in den beiden Filmen ist: bei Schrader als zweifelnder, eher intellektueller Figur, bei Harlin dagegen fast schon wie ein Gotteskrieger, der sich vom Wrack zum überzeugten Glaubenskämpfer wandeln darf. Gleiches gilt für den jeweils klimaktischen Exorzismus: Schrader verzichtet weitgehend auf vordergründige Schock- und Horrorelemente, bei ihm ist die Austreibung des Bösen mindestens genau so sehr eine Verarbeitung der persönlichen Schuld Merrins. Bei Harlin dagegen muss sich alles der Effektorgie unterordnen, die persönlichen Dämonen dienen hier lediglich als Steigbügelhalter für weitere Effektexzesse.

Harlins Film bietet jede Menge Eyecandy und ist der fraglos sytlish-glatter fotografierte Film. Schraders Film ist nüchterner fotografiert, profitiert dafür aber vom höheren Locationanteil und der dadurch erzielten höheren Authentizität. Was die überwiegend digitalen Effekte angeht bekleckert sich keiner der Filme mit Ruhm, da vieles – gerade mit heutigem Blickwinkel – veraltet und unglaubwürdig ausschaut. Dominion mag nüchtern betrachtet hier die grösseren Defizite aufweisen, da die Effektqualität noch schwächer als beim Harlin-Pendent ist. Dies ist allerdings hauptsächlich auf sein deutlich geringeres Postproduction-Budget zurückzuführen. Zudem klotzt Der Anfang ja regelrecht mit (oftmals schwachen) digitalen Effekten, was diese nur noch augenscheinlicher macht. Musikalisch hat Harlins Fassung dagegen klar die Nase vorn, da der von Trevor Rabin verantwortete Soundtrack zwar die Welt der Filmmusik nicht aus den Angeln hebt, aber immerhin eine sehr effektive Klanguntermalung bietet. Schraders Film dagegen leidet unter dem nicht immer professionellen Ansprüchen genügenden generischen Soundtrack aus dem Computerorchester – wohl auch ein Problem des geringen Postproduction-Budgets.

Die gewählten Beispiele verdeutlichen wie ich denke sehr gut welches Geistes Kind die beiden Film sind. Oftmals ist es dann fast schon klischeehaft, wie sehr die fertigen Filme ihre verantwortlichen Filmemacher repräsentieren. Harlins Ansatz ist so stark mainstream-orientiert, das er damit auch weitgehend darauf verzichtet seinem Beitrag im Exorzisten-Franchise wirklich eine eigene Note zu verpassen. Gut, sein Der Anfang ist sicherlich der massenorientierteste Serienbeitrag, der in erster Linie über die Bedienung der niederen Zuschauerinstinkte via Effekt- und Gorespektakel ganz im Sinne seines produzierenden Studios bei einem möglichst großen Publikum landen möchte. Das ist dann zwar irgendwie auch ein eigener Ansatz, aber darüber hinaus arbeitet er sich geradezu sklavisch an vielen Dingen von Friedkins Original ab. Sei es der wiederkehrende Einsatz der Pazuzu-Figur, der Kampf gegen das Böse in Form des bewährten Regan-Make-Ups im Finale mit den bekannten Profantitäten, einem (scheinbar) besessenem Kind oder Standards wie sich von selbst umdrehenden Kreuzen, stehenbleibenden Uhren oder wild wackelnden Betten. Am Ende erfährt selbst der Spider Walk eine Wiederaufführung. Nicht selten hat man so förmlich den Eindruck, als ob Harlin hier eine Checkliste pflichtschuldig abarbeitet. Alles zwar durchaus handwerklich professionell, aber auch erschreckend einfallslos und standardisiert.

Schraders tiefer Blick ins Innenleben des Bösen ist sehr eigenwillig und kaum vergleichbar mit gängigen Blockbuster- oder Horrorstandards. Durch den enorm reichhaltigen figürlichen und dramaturgischen Inhalt bietet er aber auch wirklich viel, das für ein eher langsames Tempo und eine zuweilen etwas sperrig anmutende Darreichung entschädigt. Schraders Film zeichnet sich auch dadurch aus, dass er dem Intellekt seines Publikums mehr vertraut und folglich nicht alles bis ins Letzte erklärt. So bleiben beispielsweise die Hintergründe um die vergrabene Kirche wie auch die Bedeutung des Schmetterlings in Granvilles Hand offen bzw. der Interpretation des Zuschauers überlassen. Harlin spendiert beiden hingegen erklärende Szenen, was letztlich aber wiederum nur dazu dient weitere Effekte aufs Publikum loszulassen (wobei Granvilles finale Schmetterlingsszene durchaus zu den besseren Momenten bei Harlin gehört). Auch die Abhandlung von Merrins persönlicher Schuld als Priester im 2. Weltkrieg könnte unterschiedlicher kaum sein. Während Schrader praktisch seinen ganzen Film um dieses zentrale Thema aufbaut und entsprechend Dominion auch mit der Schilderung dieses erschütternden Ereignisses beginnt nähert sich Harlin dieser Vorgeschichte in stylish verfremdeten Flashbacksequenzen. Auch hier wird man den Eindruck nicht los, dass es Harlin in erster Linie um eine möglichst effekthascherische Einbindung der damit verbundenen Gräueltaten und weniger um die seelische Zerrissenheit seiner Hauptfigur geht, während Schrader keinen Zweifel an der zentralen Bedeutung dieses Subplots lässt.

Ebenfalls besonders deutlich wird die unterschiedliche Herangehensweise der beiden Filmemacher anhand der Figur von Father Francis. Bei Schrader ist sie als Hauptfigur angelegt und damit essentieller Bestandteil von Handlung und deren Auflösung. Die Figur wird intensiv eingeführt und betrachtet, wodurch der Zuschauer an sie gebunden wird und an ihrem Schicksal echten Anteil nimmt. Bei Harlin dagegen dient sie lediglich als dramaturgischer Erfüllungsgehilfe, an dem der Film nie wirkliches Interesse zeigt und der für die Handlung abgesehen von seiner Erklärbär-Funktion entbehrlich ist. Entsprechend entsteht hier auch keine Bindung beim Zuschauer. Ähnlich verhält es sich bei der Cheche-Figur: bei Schrader dient dieser behinderte Aussenseiter sowohl als Opfer des Bösen wie auch als Projektion für die Ängste und Ablehnung der einheimischen Bevölkerung. Eine faszinierende Figur, die einen komplett eigenen Ansatz gerade auch beim klimaktischen Exorzismus ermöglicht. Harlin verzichtet dann gleich ganz auf diese Figur und ersetzt sie stattdessen (weitgehend) durch ein einheimisches Kind, womit er die Mechanismen von Friedkins Originalfilm lediglich wiederholt („das arme, unschuldige Kind!“).

Unterm Strich ist Dominion dann folgerichtig der deutlich bessere Film, der mehr wagt und dank eigenständigem Ansatz dem Zuschauer wesentlich mehr zu bieten hat. Der Film ist sicherlich nicht frei von Makeln, wobei wie bereits erwähnt zumindest ein Teil davon auch auf die Budgetrestriktionen bzw. die Produktionsgeschichte zurückzuführen ist. Der Anfang ist dagegen der deutlich konventionellere Film, der vielleicht vordergründig sogar die leichter zu konsumierende Unterhaltungskost bietet, darüber hinaus dem Franchise aber auch kaum neues beisteuern kann. Harlin erweist sich dabei zwar als ordentlicher Handwerker, der sein Thema aber ohne echte Ambitionen rein auf Effekterzielung hin abhandelt.

Wertung:
Dominion 8 / 10
Der Anfang 5 / 10